Spartakist Nr. 206 |
Januar 2015 |
NaO-Workshop zu Rojava: Linke im imperialistischen Sumpf
Nachfolgend drucken wir Auszüge aus dem Bericht unserer Genossen über einen Workshop der Neuen antikapitalistischen Organisation (NaO) zu „Waffen für Rojava“ in Berlin am 25. Oktober ab. NaO-Prozess ist ein reformistisches Sammelbecken nach dem Vorbild der französischen Neuen Antikapitalistischen Partei (NPA), die sich bereits im Verfall befindet. Die Gruppe Arbeitermacht (GAM), notorische Pabloisten der Sozialistischen Initiative Berlin (SIB) und neuerdings auch die autonome Antifaschistische Revolutionäre Aktion Berlin (ARAB) sind Teile der NaO. In dem Bericht vom 19. November schreibt die Gruppe Arbeitermacht über das Treffen schmallippig: „Größere Einigkeit herrschte über die NaO-Kampagne ,Solidarität mit Rojava – Waffen für YPG/YPJ‘.“ Wir dagegen wollen unseren Lesern eine Kostprobe davon nicht vorenthalten.
Im neuen Spendenaufruf von NaO heißt es:
„Wer den Sieg der VerteidigerInnen von Kobanê und Rojava will, muss auch dafür eintreten, dass diese die dazu notwendigen Mittel erhalten. Daher haben wir die Kampagne ,Solidarität mit Rojava! Waffen für die YPG/YPJ‘ ins Leben gerufen… Auch wenn die KurdInnen heute berechtigterweise die Bombardements von IS-Stellungen durch die Imperialisten ausnutzen, wenn sie zurecht Waffen fordern, so sagen wir auch: Kein Vertrauen in diese falschen ,Verbündeten‘! Nein zu jeder imperialistischen Einflussnahme – gegen den Einsatz von NATO-Bodentruppen!“
In Wirklichkeit nutzen die Imperialisten die PKK und ihre syrischen Bruderorganisationen YPG/YPJ aus, die ihnen als Bodentruppen dienen. Wir Marxisten sind aus Prinzip gegen jegliche Unterstützung für die oder Zusammenarbeit mit den Imperialisten, der Hauptkraft der kapitalistischen Reaktion. Wir stehen daher heute in Opposition zur PKK und ihren syrischen Bruderorganisationen. Als Revolutionäre haben wir eine militärische Seite mit dem reaktionären IS, insofern er die Imperialisten und ihre Bodentruppen angreift. Denn es geht um das Klassenprinzip, für die Niederlage des Imperialismus einzutreten, insbesondere des „eigenen“. Daher sind wir zum Workshop gegangen, um die Auseinandersetzung darüber zu führen.
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Am Workshop nahmen etwa 20 Leute teil, keiner war unorganisiert. Es gab kurze Referate und anschließend Diskussion. Alle Redner waren stolz und überrascht über die große Resonanz ihrer Geldsammlung für Waffen, wo sie in wenigen Wochen 35 000 Euro gesammelt hatten. Klar könne man damit keine panzerbrechenden Waffen kaufen, die, wie sie sagten, nötig wären gegen den IS, aber es sei eine politische Frage. NaOs Politik könne man auf ihren Flugis lesen. Sie beschwerten sich, dass „die internationale Gemeinschaft“ so wenig tue, um den IS zu stoppen.
Der für NaO neugewonnene Ex-ARAB-Redner sprach über die Türkei, erwähnte das Massaker auf dem Taksimplatz 1977 und den NATO-unterstützten Putsch 1980, der ein Umbruch in der Linken bedeutete. Er sprach auch über die Auswirkungen der Zerstörung der angrenzenden Sowjetunion, die ein ideologischer Rückschlag für die PKK und die Linke generell dort war. Er ging auf die Kurden im Nordirak ein und auf die Deals, die sie in Syrien mit Präsident Assad gemacht hätten. Er sprach über die antikurdische Besessenheit der Türkei. Die YPG/PKK seien für ihn die fortschrittlichsten unter den Kurden, demokratisch, nicht so patriarchalisch und nicht unterdrückerisch gegen andere Minderheiten. Allerdings könne man die Kurden hier im Exil nicht mit jenen dort vergleichen. Es sei alles sehr heterogen. Rojava dagegen zeige eine Perspektive der Nichtstaatlichkeit in einer von Staaten geprägten Region, deren Grenzen die Imperialisten am Reißbrett festgelegt haben. Das solle sich ausbreiten und so zur Auflösung von Staaten führen. So verteidigen sie Rojava. Über die Frage der punktuellen Zusammenarbeit der PKK mit den USA wolle man hier und heute diskutieren.
Der Redner von SIB trat am rechtesten bzw. unverfrorensten auf. Er zog über die Pazifisten der Linkspartei her, die gegen Waffenlieferungen in die Region seien, „weil es dort schon genug Waffen gäbe“. Er kritisierte etwas die Rechteren in der Linkspartei, berichtete aber, wie sie Gysi vorgeschlagen hatten, an die türkisch-syrische Grenze zu fahren und dort vor Ort von der Türkei die Öffnung eines Korridors nach Kobanê zu fordern. Gysi sei erst dafür gewesen, habe dann aber bedauernd abgelehnt, weil er eine massive Reaktion aus der Partei fürchtete. Immerhin habe der Bremer Parteitag der LINKEN ihre Kampagne, Geld für Waffen für Kobanê zu sammeln, unterstützt. Dann schilderte der NaO-Führer, wie die PYD mit der US Airforce zusammenarbeitet: Die PYD zog sich von einem strategisch wichtigen Hügel vor Kobanê zurück, der IS besetzte diesen sofort und wurde dann durch US-Bombardierung vernichtet. Mit der Zusammenarbeit der PYD bei der US-Bombardierung hätte er keine Probleme, andere vielleicht schon.
Ich intervenierte für die Spartakisten: Die Imperialisten tragen die Verantwortung für die Lage in der Region. Irak gehörte einst zu den kulturell und wirtschaftlich höchstentwickelten Ländern der Region; heute liegt es in Schutt und Asche, und über eine Million Tote hat die UNO-Hungerblockade und das Morden der Imperialisten gekostet. Sie haben kommunalistische Massaker auf allen Seiten geschürt. Wir sind Marxisten und die Opposition zum eigenen Imperialismus gehört zum ABC des Marxismus. Wir haben eine militärische Seite gegen den US-Imperialismus und seine Bodentruppen und sind für seine Niederlage. Es ist ein Skandal ersten Ranges, dass die YPG/PKK heute die Bodentruppen für den US-Imperialismus stellen. Damit stärken sie die mörderischste und reaktionärste Kraft in der Region und legen die Grundlage für weitere blutige Niederlagen der Kurden.
Ich sagte: Der Kollege von ARAB hat geschildert, wie die NATO den Putsch in der Türkei abgesichert hat – mit diesen Typen ist die PKK nun im Bett. Das ist Verrat am kurdischen Volk. Tatsächlich ist Kurdistan auf vier kapitalistische Länder, Türkei, Syrien, Iran und Irak, aufgeteilt. Nur sozialistische Revolution wird die nationale Unterdrückung der Kurden durch die Schaffung einer Sozialistischen Republik Vereinigtes Kurdistans als Teil einer sozialistischen Föderation des Nahen Ostens lösen können. Aufgrund ihres nationalistischen Programms weist die PKK aber insbesondere die türkische Arbeiterklasse als strategischen Verbündeten zurück – und da bleibt dann nur die andere Klasse übrig, an die man sich um Unterstützung wenden kann, und deshalb haben sie seit Jahrzehnten schon an die kapitalistischen Herrscher der Türkei und die Imperialisten, d. h. USA und EU, appelliert.
Der reaktionäre völkermörderische IS war ursprünglich die Kreatur, die aus der von den Imperialisten gesponserten syrischen Opposition entsprungen ist, und wurde von den Imperialisten bewaffnet. Die ganze Kampagne der Imperialisten ist also reine Heuchelei. Tatsächlich wurde schon die Konterrevolution in der Sowjetunion erwähnt – der US-Imperialismus hat damals die Mudschaheddin ausgebildet, um Rotarmisten in Afghanistan zu töten. Wir Spartakisten haben damals gesagt: ,,Hoch die Rote Armee in Afghanistan! Weitet die Errungenschaften des Oktober aus!“, weil die Kreml-Bürokraten mal was wirklich Progressives gemacht haben. Die linken Gruppen, die auch in der NaO sind, haben damals zum Großteil die islamischen Fundamentalisten unterstützt, so wie sie später die Konterrevolution in der Sowjetunion unterstützt haben. Die wiederum, es wurde schon erwähnt, hat die Völker im Nahen Osten schwer getroffen, ideologisch und weil ein militärisches Gegengewicht zum US-Imperialismus wegfiel.
Ich stellte fest: Die NaO hat mit Opposition zum eigenen Imperialismus nichts am Hut und ist ein prinzipienloser Haufen. In der Ukraine ist ein Teil der NaO auf Seiten des von Faschisten geführten und von den Imperialisten gesponserten Putsches, ein anderer ist zumindest verbal dagegen, wie die GAM, die aber trotzdem die Abtrennung der Krim ablehnt und gleichzeitig die syrische ,,Revolution“ hochjubelt, woraus der IS entsprang. Aus der Geschichte kann man sehen, wohin es führt, wenn man nicht gegen den eigenen Imperialismus im Krieg steht. Liebknecht und Luxemburg waren gegen den eigenen Imperialismus im Ersten Weltkrieg. Sie gründeten die KPD und kämpften für Arbeiterrevolution und wurden dafür im Auftrag der SPD ermordet. Die Unterstützer des deutschen Imperialismus (wie Ebert, Scheidemann und Noske) landeten in der Regierung und schlugen die Revolution von 1918/19 nieder. Das ganze Elend im Nahen Osten unterstreicht die Notwendigkeit sozialistischer Revolutionen, und dafür kämpfen wir.
Viele der Antworten auf uns widersprachen einander. Zum einen wurde Rojava als Modell für die Region hochgejubelt, gleichzeitig wurde argumentiert, dass es ja nur durch die Duldung des syrischen Staatschefs Assad existieren konnte und die Türkei die Sache jederzeit beenden könnte oder jetzt dem IS. Der ARAB-Vertreter sagte, die Kurden haben die Wahl zwischen imperialistischer Besatzungsarmee oder dem IS. Mit toten Kurden kann man aber auch nicht gegen den Imperialismus kämpfen. Was für ein Modell!
So richtig übel wurde die GAM. Ihr Sprecher dozierte, die PYD brauche schwere Waffen um zu gewinnen, die NaO nicht liefern könne. Gut, die PYD mache taktische Absprachen mit dem größten Feind der Menschheit. Im Grunde gehe es um einen Überlebenskampf gegen den Faschismus. Der IS mordet und versklavt Frauen und wir belehren die PKK von außen. Den Spartakisten seien die Kurden egal. Auch eine Frau von irgendeiner Initiative hob den frauenfeindlichen Charakter des IS hervor und die seien Faschisten. Deutschland wurde 1945 auch von außen befreit und nicht von innen und man musste ein Bündnis mit allen möglichen Kräften machen, womit sie offenkundig die alliierten Imperialisten meinte. Der ARAB-Vertreter meinte noch, ohne die Waffenlieferungen der USA hätte die UdSSR den Zweiten Weltkrieg nicht gewonnen.
Daraufhin meldeten wir uns nochmal und kamen als letzte auf der Runde dran. Ich erwiderte, eine der ersten Aktionen nach meinem Eintritt in die SpAD sei der Protest gegen das Verbot der PKK 1993 gewesen. Damals hab ich kaum deutsche Linke auf der Straße gesehen. Die GAM war damals in der PDS und kämpfte für deren sozialistischen Charakter, gerade nachdem sie die DDR mit ausverkauft hatte mit „Deutschland einig Vaterland“. Wir haben gegen die Konterrevolution gekämpft, die uns in die jetzige Lage gebracht hat. Die GAM und die NaO-Bestandteile haben sie unterstützt. Wir wussten, wogegen wir kämpften, denn der Sieg der Imperialisten hat die heutige Situation herbeigeführt.
Und dann kommt man daher und sagt uns: Was ist eure Lösung für Kobanê? Unsere Verantwortung gegenüber den Unterdrückten des Nahen Ostens als Linke in Deutschland ist es, den Klassenkampf gegen diesen unseren Imperialismus voranzutreiben und ihn zu stürzen, damit er nicht mehr Unheil in der Welt anrichten kann. Ohne Revolution in den imperialistischen Zentren wird es keine Befreiung der Menschheit geben. Und deshalb sind wir so hart gegen jedes Bündnis mit den Imperialisten, weil es der Tod jeder Revolution ist. Wir Trotzkisten haben im Zweiten Weltkrieg die Sowjetunion verteidigt, aber zwischen den imperialistischen Mächten hatten wir keine Seite. Die französischen Trotzkisten waren defätistisch gegen den eigenen Imperialismus und nur deshalb konnten sie Arbeiter und Soldat herausbringen und heldenhaft Zellen unter den Soldaten in der Wehrmacht aufbauen, um die Revolution in Deutschland, im Dritten Reich voranzutreiben. Und die hätte dem ganzen Elend für immer ein Ende bereitet. Die Imperialisten sind keine Freunde unterdrückter Völker und keine Gegner von Völkermord – im Gegenteil. Denkt an Auschwitz – und die US-Imperialisten waren nicht viel besser. Sie haben Hiroshima und Nagasaki atomar eingeäschert. Wir brauchen sozialistische Revolutionen, und der Kampf dafür beginnt mit dem Kampf für die Niederlage des eigenen Imperialismus.