Spartakist Nr. 205

Oktober 2014

 

Irak in Flammen: Erbe der US-Besatzung

Deutscher Imperialismus: Hände weg von Irak, Syrien!

Nachdem die fundamentalistische Organisation Islamischer Staat (IS, früher ISIS) ihren Machtbereich über weite Gebiete des westlichen und nordwestlichen Irak ausgedehnt hat, hatte US-Präsident Obama hunderte US-Soldaten in das Land zurückbeordert. Unter „humanitärem“ Mäntelchen ließ er Luftangriffe gegen IS-Stellungen im Irak fliegen, bisher mehr als 200, auch Frankreich beteiligt sich inzwischen daran. Jetzt werden, auch u.a. durch Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate unterstützt, angebliche IS-Stellungen in Syrien bombardiert, auch Ölraffinerien. Die Imperialisten lügen, „Kollateralschäden“ – sprich zivile Opfer – seien ihnen nicht bekannt. Der Großteil der US-Bevölkerung bleibt weiterhin kriegsmüde, aber Obama hält sich an das Skript, das die Regierungen unter Bush, Rumsfeld und Cheney für den zweiten Golfkrieg entwarfen. Heute ist „das Böse“ nicht Saddam Hussein, sondern der IS; und in zweiter Linie nach wie vor die Assad-Regierung, die vor den Luftschlägen auf ihr eigenes Land „informiert“ wurde. Vor einem Jahr war die Strategie der Imperialisten, Syrien in die Steinzeit zurückzubomben, von US-Kongress und britischen Parlament abgelehnt worden. Nun malen die Imperialisten den IS-Teufel an die Wand, um so gemeinsam ihre Ziele durchzusetzen. Noch ging die US-Kriegspropaganda nicht so weit, zu behaupten, dass die etwa 15 000 Kämpfer der ultrarechten IS-Islamisten im Besitz von Massenvernichtungswaffen seien, wie man über die Saddam-Regierung gelogen hatte.

Der IS – der durch blutiges Massenabschlachten sogenannte Abtrünnige und Ungläubige wie etwa Christen, Jesiden und auch Muslime anderer Glaubensrichtung ausmerzen will – war ein Ableger von Al Kaida im Irak. Diese Organisation wiederum ist ein Produkt der US-Besatzung. Die Gründer von Al Kaida, darunter Abu Musab Al-Sarkawi, Führer des irakischen Zweigs, wurden von der CIA trainiert und finanziert, als diverse Imperialisten eine reaktionäre Horde zusammenstellten, um in den 1980er-Jahren die Intervention der Sowjetunion in Afghanistan zu bekämpfen.

Washington interveniert militärisch auf Seiten der irakischen Regierung in einem kommunalistischen Bürgerkrieg zwischen dem schiitisch-dominierten Regime in Bagdad auf der einen und einem sunnitisch-basierten Aufstand auf der anderen Seite. An diesem beteiligen sich der IS sowie Stammesführer und frühere Regierungsmitglieder der Baath-Partei von Saddam Hussein. Das allseitige Blutvergießen führte praktisch zum Auseinanderbrechen des Landes, wobei die schiitischen Kräfte die Hauptstadt und den südlichen Irak kontrollieren. Im Juni gab Bagdads Armee angesichts eines Vormarschs des IS die Stadt Kirkuk auf, daraufhin besetzten kurdische Kämpfer, die Peschmerga, diese heißumkämpfte Stadt inmitten von vielen Ölfeldern. Besonders die USA fürchten sehr um ihre Erdölkonzessionen vor Ort. Inzwischen liefern die USA und Deutschland Waffen und Munition an die Kurden und stellen Ausbilder; das tun oder planen auch andere Länder wie Frankreich, Britannien und Italien. In den bürgerlichen Medien werden die Bilder von Enthauptungen westlicher Journalisten durch den IS gezeigt, nicht aber über Massenmorde durch willkürliche US-Bombardierungen berichtet.

Die Führer aller beteiligten kurdischen Organisationen, der KDP (Demokratische Partei Kurdistans) in Irakisch-Kurdistan ebenso wie der PYD (Partei der Demokratischen Union) und ihrer Miliz YPG in Syrien, die der kurdischen Arbeiterpartei PKK in der Türkei nahestehen, richten Forderungen an die Imperialisten, sie zu bewaffnen. Dies entspricht dem Programm aller kurdischen nationalistischen Organisationen, die keinerlei Perspektive einer Mobilisierung der Arbeiterklasse haben, sondern seit jeher diverse Imperialisten, die UNO oder die EU auffordern, in ihrem Interesse zu intervenieren. Wir schrieben während der US-Besetzung des Irak: „Heute handeln die beiden rivalisierenden kurdischen bürgerlich/nationalistischen Parteien, Jalal Talabanis Patriotische Union Kurdistans (PUK) und Massoud Barsanis Kurdische Demokratische Partei (KDP), als Handlanger der US-Streitkräfte. Seit 1991 existiert im Nordirak eine halbautonome kurdische Region, zuerst unter dem Schutzmantel einer von den US-Streitkräften erzwungenen, ‚Flugverbotszone‘ und jetzt direkt unter militärischer US-Besatzung“ (Spartakist Nr. 163, Sommer 2006).

Die PKK hat eine etwas andere Geschichte, sie kämpft seit langem heroisch gegen den hochgerüsteten türkischen Staat. PKK-Unterstützer verstehen sich oftmals als Revolutionäre und auch als Vorkämpfer für Frauenrechte. So warnt die PKK jetzt auch richtig, „dass eine Parteinahme der Kurden im Machtkampf verschiedener globaler und regionaler Kräfte unter dem Deckmantel von Schia und Sunna zwangsläufig zur Instrumentalisierung der kurdischen Karte führt“ (Kurdistan Report, September/Oktober 2014). Die PKK setzt dabei auf die kurdische Einheit und die Notwendigkeit einer gemeinsamen Verteidigungsstrategie, indem sie die „Lösung des Dritten Weges“ propagiert. Die PKK preist das Modell des selbstverwalteten Rojava, wo die Klassenverhältnisse unangetastet bleiben. Die im Norden Syriens während des Bürgerkriegs entstandene teilautonome Region Rojava mit ihren überwiegend landwirtschaftlichen Kantonen Efrin, Kobane und Cisire wurde von Syriens Regierungstruppen bisher zumeist in Ruhe gelassen. Sie war von Anfang an Zielscheibe der so genannten syrischen Opposition, die überwiegend aus islamistischen Fundamentalisten und dschihadistischen Gruppierungen besteht und die Unterstützung der türkischen Regierung und der Imperialisten erhielt. Und es nützt den kurdischen Streitkräften auch nicht, heute im Bündnis mit Teilen der Freien Syrischen Armee von der syrischen Opposition zu sein: Bis zum 18. September mussten schon 21 Dörfer evakuiert werden und Tausende von Menschen flüchten.

Cemil Bayik, ein Vorsitzender der KCK, des politischen Arms der PKK, griff inzwischen die von Barsani, dem Präsidenten der kurdischen Autonomieregion Nordirak, geführten Peschmerga an, sie hätten sich kampflos aus dem Gebiet nahe der syrischen Grenze zurückgezogen und dabei auch hunderte Angehörige der jesidischen Minderheit im Stich gelassen. Wahrscheinlich stimmt dieser Vorwurf; aber Bayik benutzt ihn, um selber bei den Imperialisten betteln zu gehen, sie sollten statt den Peschmerga lieber der PKK Waffen liefern: „Bayik sagt, die Staaten der EU seien gut beraten, beim Kampf gegen den ,Islamischen Staat‘ in Syrien auf die YPG zu setzen“ (FAZ, 22. August). Da die kleinbürgerliche-nationalistische PKK die Notwendigkeit einer proletarischen Revolution leugnet und die Arbeiterklasse abschreibt, bleiben der PKK nur Kungeleien mit verschiedenen Fraktionen der türkischen oder syrischen Bourgeoisie übrig sowie fruchtlose Appelle an die europäischen und amerikanischen Imperialisten, zu ihren Gunsten zu intervenieren. Das bedeutet auch die Annäherung an reaktionärste frauenfeindliche Kräfte in der Region wie Erdogans AKP.

Wir warnen nachdrücklich vor diesen selbstmörderischen Illusionen! Das kurdische Volk, das Generationen von Unterdrückung durch kolonialistische und nationalistische Regime erdulden musste, hat in den Imperialisten keine Verbündeten, es sind seine Todfeinde! Die Rechte der Kurden können nur durch die Zerschlagung der vier kapitalistischen Staaten Türkei, Iran, Irak und Syrien, die die Kurden unterdrücken, erreicht werden. Für diese Perspektive müssen die iranischen, arabischen und türkischen Arbeiter gewonnen werden. Im Verlauf dieses proletarisch-internationalistischen revolutionären Kampfes wird die Befreiung der Kurden möglich. Und die kurdischen Arbeiter als Teil des multinationalen Proletariats können eine führende Rolle beim Sturz des gesamten verrotteten Gefüges im Nahen Osten spielen, das im Dienste der imperialistischen Herrscher errichtet wurde.

Deutsche Imperialisten: Hände weg vom Nahen Osten!

Die CDU/SPD-Regierung sieht eine Chance, unter „humanitärem“ Deckmantel ihr Militär ins Spiel zu bringen und ihren Einfluss in der Region auszuweiten. Die PKK und andere kurdische Organisationen sind in Deutschland und anderen europäischen Ländern und auch in den USA verboten und werden brutal verfolgt. Das imperialistische Deutschland hat eine lange schmutzige Geschichte, den NATO-Partner Türkei bis an die Zähne zu bewaffnen, um ihn im Bürgerkrieg gegen die kurdische Minderheit und die PKK im Osten des Landes effektiver zu machen. Der deutsche Imperialismus setzte im Irak-Krieg des Jahres 2003 Agenten dazu ein, Ziele für die Terrorbombardierungen durch die USA festzulegen, und unterstützt seit jeher jede reaktionäre Kraft in der Region, wie auch die Bombardierung des Gazastreifens und Israels Krieg gegen die Palästinenser. Deutsche Firmen lieferten die Anlagen für die Produktion des Giftgases, das Saddam Hussein 1988 gegen die Kurden in Halabscha einsetzte. Deutschland liefert heute Waffen an die kurdische Autonomiebehörde, die von Barsanis KDP kontrolliert wird. Das hat natürlich nichts mit kurdischer Befreiung zu tun, sondern soll nur den deutschen Interessen dienen: „Es sei nicht auszuschließen, dass die Kurden die gelieferten Waffen zum Kampf für ihren eigenen Staat einsetzen oder dass diese Waffen später in falsche Hände geraten, sagte [SPD-Außenminister] Steinmeier. Um dieses Risiko möglichst gering zu halten, werde man Ausrüstung ‚nur in dem Umfang liefern, dass keine Waffenlager angelegt werden können, die später in anderen Auseinandersetzungen missbraucht werden könnten‘ “ (stern.de, 1. September).

Es ist einfach so: Gerade jetzt kommt es den Imperialisten gelegen, dass kurdische Kämpfer für imperialistische Interessen verbluten – sie selber wollen keine Bodentruppen in den Irak schicken, was bei der Bevölkerung sowohl in den USA als auch in Deutschland nicht gut ankäme.

All dies geschieht zu einem Zeitpunkt, wo Deutschland in der Ukraine das rechte Regime unterstützt, das durch einen von Faschisten angeführten Putsch an die Macht gekommen ist. Jetzt liefert Deutschland Waffen und Ausrüstung für den mörderischen Krieg der Kiewer Regierung im Osten der Ukraine gegen die eigene russischsprachige Bevölkerung. Wie schon beim Krieg gegen Serbien 1999 dient das Geschrei über „Menschenrechte“ und „Völkerrecht“ der Mobilisierung für imperialistische Interessen.

Was den reaktionären sunnitisch-schiitischen Bürgerkrieg betrifft, haben Arbeiter und andere Unterdrückte kein Interesse am Sieg einer der beiden Seiten. Aber die internationale Arbeiterklasse hat definitiv eine Seite dabei, sich gegen jegliche imperialistische Intervention im Irak zu stellen, auch gegen die Lieferung von Waffen, und den sofortigen Abzug aller imperialistischen Truppen und Söldner und sogenannten „Berater“ zu fordern!

Erbe der US-Besatzung

Die schrecklichen Szenen der US-Besatzung ab 2003 wiederholen sich: Seit Anfang 2014 wurden mehr als eine Million Irakis aus ihren Wohnorten vertrieben, Opfer von Gräueltaten, die in diesem kommunalistischen Blutbad von beiden Seiten begangen wurden. Hunderttausende Sunniten in der westlichen Provinz Anbar flohen vor dem Regime von Premierminister Nuri Al-Maliki, der ganze Wohnviertel bombardieren ließ. In Bagdad, wo 2006/2007 Zehntausende starben, nachdem die US-Besatzung blutige Kämpfe zwischen Schiiten und Sunniten auslöste, stehen die verbliebenen sunnitischen Wohnviertel erneut unter Beschuss durch schiitische Milizen. Gleichzeitig verübten IS-Kämpfer, die schiitische Dörfer im Nordirak überrannten, Massenmord an der Bevölkerung, auch an Frauen und Kindern. Die verbliebene christliche Bevölkerung im Nordirak, einst eine bedeutende Gemeinschaft, flieht zu Tausenden, weil der IS ihre Dörfer bombardiert.

Diese Welle kommunalistischen Blutvergießens wurde angefacht durch den verheerenden Bürgerkrieg in Syrien, wo diverse imperialistische und regionale Mächte einen Aufstand unterstützten, der von reaktionären Kräften, hauptsächlich aus der mehrheitlich sunnitischen muslimischen Bevölkerung, dominiert wurde und sich gegen das mörderische Regime der Baath-Partei unter Baschar Al-Assad richtete. Sunnitische Fundamentalisten, stark unterstützt durch US-Verbündete wie Saudi-Arabien und andere Golfstaaten und auch durch die Türkei, dominierten zunehmend den Aufstand gegen Assad. Im Januar weitete ISIS seine Operationen von Syrien auf den Irak aus, um eine Rebellion sunnitischer Stammesfürsten gegen Maliki in Falludscha und Ramadi, den beiden größten Städten der Provinz Anbar, zu unterstützen. Der IS beruft sich auf die Formierung islamischer Staaten seit dem siebten Jahrhundert und zelebrierte seine neuesten Erfolge durch die Proklamierung eines „Kalifats“, ausgehend von seiner Bastion in Nordsyrien über die recht weiten Gebiete, die er jetzt im Irak kontrolliert.

Die Kampagne der USA und anderer Imperialisten, Assad zu stürzen, wurde auch sehr durch Washingtons langjährige Feindschaft gegenüber dem Iran beflügelt, einem zentralen Verbündeten Syriens. Aber indem die USA in Bagdad eine schiitisch-dominierte Regierung installierten, gaben sie dem Iran sehr großen Einfluss im Irak. Maliki stellte sich taub gegenüber den Bitten Washingtons, er möge die Macht einer „inklusiveren“ Regierungskoalition übergeben – darin unterstützte ihn der Iran. Trotzdem unterstützen nun die USA quer über die zunehmend bedeutungslose Grenze zwischen Syrien und Irak hinweg immer stärker die gleiche Seite wie Damaskus und Teheran. Als sich IS-Kräfte Bagdad näherten, begann der Iran sofort mit täglichen Waffenlieferungen an das Maliki-Regime und schickte Revolutionsgarden in den Kampf, gleichzeitig bombardierten syrische Jets sunnitische Positionen innerhalb Iraks.

Die Bürgerkriege in Syrien und Irak sind besonders heiße Glutnester in einem jahrelangen Flächenbrand, der sich auszuweiten droht. Der IS verkündet, seine militärischen Operationen in den Libanon und nach Jordanien auszudehnen. Der israelische Premierminister Netanjahu sagte Jordanien Unterstützung zu, sollte der IS sich auf dieses Land weiter ausbreiten. Der Iran hat Truppen an der Grenze zum Irak zusammengezogen. Sogar Saudi-Arabien stationierte 30 000 Soldaten an der Grenze zum Irak wegen der Befürchtung, dass der IS – ein wahres Frankenstein-Monster, bei dessen Erschaffung Saudi-Arabien mithalf – unter den Stämmen in seiner nördlichen Region Unterstützung für die Ausrufung des Kalifats finden könnte. In diesen Regionen gibt es Verbindungen zu den Gebieten Syriens und des Irak, die jetzt vom IS kontrolliert werden.

Die bürgerlichen Medien schieben die Schuld für das anhaltende Blutbad auf die jahrhundertealten sektiererischen Spaltungen innerhalb des Islam. Aber in Wirklichkeit ist die Hauptursache die imperialistische Teile-und-herrsche-Politik der europäischen Mächte und inzwischen auch der USA im Irak und in der übrigen Region. Wie wir zur Zeit der US-Besatzung schrieben, drohte dadurch „die Dreiteilung des Landes in sunnitische, schiitische und kurdische Teile, dann werden Kämpfe über den Besitz des Ölreichtums folgen“ (Workers Vanguard Nr. 882, 8. Dezember 2006). US-Truppen stehen immer noch in Afghanistan, was jetzt als der längste Krieg in der Geschichte der USA gilt, und es droht nun erneut eine imperialistische Zerstörung des Irak durch Washington.

Für Klassenkampf gegen die imperialistischen Machenschaften!

Unsere internationale Partei hat gegen die Besetzung von Irak und Afghanistan gekämpft und immer wieder die Notwendigkeit von Klassenkampf gegen die imperialistischen Herrscher betont zur Verteidigung dieser neokolonialen Länder. Unsere revolutionäre Perspektive steht in scharfem Kontrast zur reformistischen Linken.

In den USA säen Reformisten die Illusion, dass die Demokratische Partei an der Macht unter Druck gesetzt werden könne, eine humanitäre Außenpolitik zu verfolgen, und verhindern so, dass Arbeiter und linke Jugendliche die Wahrheit erkennen können: Militärische Verwüstung und Raubzüge sind Teil des „normalen“ Funktionierens des Imperialismus, des vom Profit angetriebenen kapitalistischen Systems, in dem die fortgeschrittenen Industrieländer weltweit um die Kontrolle der Märkte, der Rohstoffe und des Zugangs zu billiger Arbeitskraft konkurrieren. Die USA, die führende imperialistische Macht, werden ihre Anstrengungen fortsetzen, den Nahen Osten zu dominieren und als „Oberbulle“ der Welt zu agieren. Das verheerende Wüten des US-Imperialismus auf der Welt spiegelt sich im eigenen Land in zunehmender Verelendung, rassistischer Unterdrückung und intensivierter Ausbeutung der Arbeiter durch das Kapital wider.

In Deutschland laufen Reformisten aller Art der CDU/SPD-Regierung hinterher und fordern sie auf, noch stärker im Nahen Osten zu intervenieren, ihren Einfluss geltend zu machen. Im Bundestag stimmte die Linkspartei immerhin nicht für Waffenlieferungen und Fraktionschef Gregor Gysi, der lautstark diese Lieferungen gefordert hatte, machte einen Rückzieher. Er hatte zuvor gesagt: „Eigentlich bin ich strikt gegen deutsche Waffenexporte. Da aber Deutschland ein wichtiges Waffenexportland ist, könnte in diesem Ausnahmefall ein Waffenexport dorthin dann statthaft sein, wenn andere Länder dazu nicht unverzüglich in der Lage sind“ (neues-deutschland.de, 11. August). So kann nur jemand sprechen, der liebend gern Regierungsverantwortung für den deutschen Imperialismus übernehmen will. Eine Erklärung des „Bundesarbeitskreises Demokratie in der Türkei, Frieden in Kurdistan der Partei DIE LINKE“ (15. August), mitveröffentlicht von Ulla Jelpke, die zum linken Flügel der Linkspartei gehört, appellierte angesichts der Ereignisse im Irak an die deutschen Imperialisten, ihre Position zur PKK doch zu überdenken. Es heißt dort: „Es sind die YPG, unterstützt von der PKK, die in Syrien die einzige Kraft sind, welche die Mörderbande IS erfolgreich bekämpft und eben auch im Nordirak den Widerstand organisiert.“ Deshalb sollten „alle kurdischen Akteure in die Gespräche über Hilfsmaßnahmen und politische Unterstützungsmöglichkeiten einbezogen werden, nicht nur die KDP unter Barzani“. Die deutsche Regierung wird angebettelt, doch endlich die „PKK und ihre demokratische, emanzipatorische und internationalistische Linie“ anzuerkennen. Diese Aussagen sind eine Verhöhnung der Opfer des deutschen Imperialismus, darunter zahllose Kurden! Eine solche Politik entwaffnet politisch jegliche Unterstützer des kurdischen Befreiungskampfes und die Arbeiterklasse, denn sie propagiert, die deutsche Bourgeoisie von Auschwitz, die sich grade wieder dranmacht, eine größere Rolle in der Welt zu spielen, könne fortschrittlich sein.

Wir kämpften von Anfang an gegen das Verbot der PKK und kurdischer Vereine und gegen die unaufhörliche brutale Verfolgung kurdischer Aktivisten durch den bürgerlichen Staat. Bereits 1993 war Deutschland in Europa führend darin, die PKK als „terroristische Organisation“ zu kriminalisieren, kurdische Linke und Arbeiterorganisationen zu terrorisieren und sie an die Folterknechte des türkischen Staates abzuschieben. In einem Regierungsbericht über den BND wurde die Entführung des PKK-Führers Abdullah Öcalan 1999 in die Türkei als positives Beispiel für internationale Zusammenarbeit in der Bekämpfung von „Terror“ bezeichnet (siehe z. B. „BKA/BND/VS: Voll im US-Folternetzwerk“, Spartakist Nr. 162, Frühjahr 2006). Dies wurde von massivem Staatsterror gegen Kurden begleitet: z. B. ermordeten israelische Sicherheitskräfte vier Kurden, die sich an einer Besetzung des israelischen Konsulats in Berlin beteiligt hatten. Unvergessen ist der 16-jährige Kurde Halim Dener, der 1994 von einem Bullen erschossen wurde, als er Plakate für die PKK klebte. Deutschland lieferte der Türkei nicht nur jahrzehntelang jede Art von Waffen, die gegen die Kurden eingesetzt wurden, sondern es wurden auch Gefängnisse vom F-Typ – entwickelt, um die Gefangenen der RAF durch Isolation zu foltern – in die Türkei exportiert.

Gegen diese imperialischen Machenschaften ist Klassenkampf notwendig: Es ist nötig, dass die Gewerkschaften mit ihrem großen Anteil von türkischen und kurdischen Arbeitern ihre Macht einsetzen, um den Kapitalisten in den Arm zu fallen. Die Linkspartei-Erklärung erwähnt dies mit keinem Wort, im Gegenteil, sie fordert am Ende auch noch, der Staat solle international die IS-Strukturen verfolgen und zerschlagen. Die Linkspartei kann sich freuen, die Regierung setzt genau dies jetzt um: Seit wenigen Tagen ist jede angebliche Beteiligung an IS-Aktivitäten verboten. Dies bedeutet nichts anderes als den Startschuss für umfassende, massenhafte Razzien gegen Moscheen und arabische Vereine, deren Kriminalisierung und totale Überwachung, wie schon zum Höhepunkt des rassistischen „Kriegs gegen Terror“. Welches Ausmaß die deutsche Regierung hier im Sinn hat, wird durch die ominöse Klage der Staatsanwaltschaft klar, dass dadurch bald die „Belastungsgrenze erreicht“ sei (Spiegel online, 14. September).

Auch die linken Anhängsel der Linkspartei schüren tödliche Illusionen in die imperialistischen Schlächter, sogar noch martialischer. Die von der Gruppe Arbeitermacht (GAM) geführte und mit Pabloisten zusammengeschusterte Organisation NaO (Neue Antikapitalistische Organisation) rief in Berlin am 17. August zusammen mit der Antifaschistischen Revolutionären Aktion Berlin (ARAB) zu einer Solidaritätskundgebung mit den verfolgten Völkern Iraks auf. Losungen waren: „Gegen den Terror des ,Islamischen Staats‘! Waffen für die Guerilla statt US-Bomben!“ Dies ist auf einer Linie mit der Bundesregierung, die mit ihren Waffenlieferungen imperialistische Ziele verfolgt. Die GAM hatte schon vorher durch ihre Unterstützung der syrischen Opposition (zu der auch ISIS-Teile gehörten), die ebenfalls von den USA und anderen Imperialisten gestützt wurde, gezeigt: Wenn es darauf ankommt, hat sie mit Opposition zum eigenen Imperialismus nichts am Hut.

In ihrer Infomail Nr. 786 (21. August) sagen sie zwar, sie lehnen „jede imperialistische Intervention, Luftschläge der USA, der EU, der NATO und ihrer Verbündeten ab – ob nun im eigenen Namen oder im Namen der UN“. Und sie sagen auch, „dass solche Unterstützung [durch die Imperialisten] keine ‚humanitären‘ oder ‚selbstlosen‘ Ziele verfolgt, sondern letztlich nur ein Mittel ist, die Lage im Interesse des Imperialismus zu stabilisieren“. Aber sie fordern von den Imperialisten: „Wir treten für die materielle und militärische Unterstützung dieser Kräfte ohne jegliche politische und sonstige Vorbedingungen ein.“ Mit anderen Worten: Die mörderischen Imperialisten sollen doch intervenieren, aber bitte keine „Vorbedingungen“ im eigenen reaktionären Interesse stellen. Was für eine jämmerliche Kapitulation vor der imperialistischen Waffenkampagne!

Revolutionäre müssen jede militärische Intervention der Imperialisten, einschließlich Waffenlieferungen, ablehnen und für Klassenkampf- und Gewerkschaftsaktionen in den eigenen Ländern mobilisieren, um neokoloniale Länder gegen die imperialistischen Gelüste und Machenschaften zu verteidigen. Die Arbeiterklasse in den imperialistischen Ländern muss davon überzeugt werden, dass sie die soziale Macht und das Interesse haben, das imperialistische System mit seinen Kriegen durch sozialistische Revolution zu stürzen. Dazu ist die Schmiedung von internationalen revolutionären Arbeiterparteien notwendig.

Die bitteren Früchte imperialistischer Teile-und-herrsche-Politik

Irak war einst eines der fortgeschritteneren Länder im Nahen Osten und ein regionales kulturelles Zentrum. Das Land wurde ruiniert durch die von den USA diktierten mehr als ein Jahrzehnt dauernden Hungersanktionen, durch zwei verheerende Kriege und durch acht Jahre militärischer Besetzung. Amerikas arrogante herrschende Klasse sah ihre militärische Überlegenheit als Garantie, jeden vorstellbaren Feind jederzeit besiegen zu können. Alles, was sie brauchte, um den Irak direkt unter ihre Knute zu stellen, war genügend Feuerkraft, eingesetzt mit genügend Brutalität. Die USA und ihre Verbündeten entfesselten Massenmord, wahllosen Terror und Folter in einem Ausmaß, das bei weitem alles überstieg, was Saddam Hussein angewendet hatte, der irakische Herrscher, den sie ersetzten. Um ihre Herrschaft zu stärken, spielten die US-Imperialisten systematisch Teile der irakischen Bevölkerung gegeneinander aus: Teile-und-herrsche-Politik.

Nach der Invasion des Irak 2003 machten sich die US-Besatzer geschwind daran, frühere Mitglieder von Husseins Baath-Partei aus Regierungsämtern zu säubern. Dies bedeutete, dass Sunniten größtenteils von der Staatsverwaltung ausgeschlossen wurden, und trug dazu bei, eine kommunal basierte sunnitische Rebellion zu starten. Die USA mobilisierten schiitische Milizen und die kurdischen Peschmerga, um 2004 mit deren Hilfe aufständische sunnitische Araber in Falludscha niederzuschlagen: Die Stadt wurde dem Erdboden gleichgemacht. Nach den Wahlen 2005 wurde ein Machtsystem auf kommunaler Basis geschaffen, entlang konfessioneller Linien wie im Libanon. Laut dieser nicht schriftlich festgehaltenen Übereinkunft ist der irakische Premierminister ein Schiit, der Präsident – ein hauptsächlich repräsentatives Amt – ein Kurde und der Parlamentssprecher ein Sunnit. Dies war ein Modell dafür, Marionettenregierungen einzusetzen, die von Schiiten, und in geringerem Maß von Kurden, dominiert waren auf Kosten der Minderheit sunnitischer Araber.

2006 installierten die US-Besatzer Maliki als ihren Quisling-Premier (und unterstützten auch 2010 erneut seinen Anspruch auf das Amt). Unter seiner Regierung übten die Armee und Polizei, mehrheitlich schiitisch, mit Unterstützung schiitischer Todesschwadronen eine Terrorwelle gegen Sunniten aus. Nach dem Rückzug der US-Kampftruppen im Dezember 2011 eskalierte der anhaltende kommunale Konflikt, der unter der Besatzung angefacht worden war, erneut. Maliki ging gegen prominente sunnitische Politiker vor, was an vielen Orten sunnitische Proteste auslöste. Im April 2013 griffen Regierungstruppen ein Protestlager in der nördlichen Stadt Hawidscha an und töteten mindestens 44 Menschen. In dem anschließenden Gemetzel starben tausende sunnitische und schiitische Zivilisten. Im Januar gingen Malikis Truppen mit Artilleriebeschuss gegen Falludscha und Ramadi vor. Die sunnitischen Stammesfürsten, die sich 2007 während George W. Bushs berühmter Truppen„welle“ auf die Seite der USA gegen Al Kaida gestellt hatten, hießen jetzt genau diese fundamentalistischen Kräfte wieder willkommen, die inzwischen ihre Basis in Syrien hatten.

Der IS ist inzwischen kein Zweig von Al Kaida mehr. Er veröffentlichte ein Video auf seiner Website mit dem Titel „Das Ende von Sykes-Picot“. Damit bezieht sich der IS auf das Geheimabkommen, in dem Britannien und Frankreich gegen Ende des Ersten Weltkriegs festlegten, wie sie die Beute aus ihrem bevorstehenden Sieg über das Osmanische Reich verteilen würden. Für die Reaktionäre des IS steht die Zerstörung jenes türkischen Reiches für das Ende des letzten Kalifats – eine Welt, zu der sie zurückkehren möchten. Tatsächlich hat die koloniale Aufteilung des Osmanischen Reiches, aus der der Irak hervorging, heute immer noch eine Bedeutung, weil sie der Nährboden ist für den reaktionären kommunalistischen Flächenbrand, der im gesamten Nahen Osten auflodert. Und umgekehrt unterstreicht das sich immer weiter vertiefende sektiererische Blutbad im Irak die Tatsache, dass der Irak keine Nation ist, sondern ein Flickenteppich unterschiedlicher Völker und Ethnien – hauptsächlich schiitische Araber, sunnitische Araber und Kurden.

Seit die europäischen Mächte Mitte des 19. Jahrhunderts direkt in der Region der Levante intervenierten, spielten sie unterschiedliche Nationalitäten, ethnische Gruppen und Sekten gegeneinander aus. Frankreich versuchte Kapital zu schlagen aus seiner Amitié traditionelle mit den christlichen Maroniten, deren Ursprung in Syrien lag, in einer Abspaltung von der byzantinischen Ostkirche im siebten Jahrhundert. Die Briten posierten als Wohltäter der Drusen, ein Sprößling aus dem Schoß des Schiitentums im zehnten Jahrhundert, und das zaristische Russland spielte Beschützer der orthodoxen Christen. 1860 kam es zu einem massivem Bürgerkrieg zwischen Maroniten und Drusen, ausgelöst durch eine Rebellion maronitischer Bauern, die feudalen Grund und Boden besetzten, das Land verteilten und ein Gemeinwesen der Bauern ausriefen. Kurz vor Frankreichs Militärintervention in diesen Krieg schrieb Karl Marx in der New York Daily Tribune (11. August 1860):

„Die Konspiratoren von Petersburg und Paris hielten jedoch – sollte ihre Versuchung Preußens fehlschlagen – den erregenden Zwischenfall der syrischen Massaker in Reserve; ihm sollte eine französische Intervention folgen, die – wenn es nicht gelänge, durch das Hauptportal einzutreten – die Hintertür für einen allgemeinen europäischen Krieg öffnen sollte. Hinsichtlich Englands will ich nur hinzufügen, dass Lord Palmerston 1841 die Drusen mit Waffen versah, die sie seitdem behalten haben, und dass er 1846 durch eine Übereinkunft mit Zar Nikolaus tatsächlich die türkische Herrschaft, die die wilden Stämme des Libanons niederhielt, vernichtete und an ihre Stelle eine quasi-Unabhängigkeit setzte, die im Verlaufe der Zeit und unter geschickter Führung ausländischer Agenten nur eine blutige Ernte hervorbringen konnte.“

Später taten sich die „Konspiratoren von Petersburg und Paris“ mit den Briten zusammen und teilten im Sykes-Picot-Abkommen von 1916 die Levante ebenso wie den Rest des zerbröckelnden Osmanischen Reichs unter sich auf. Frankreich nahm sich Syrien (einschließlich des heutigen Libanon) und Britannien bekam Jordanien und Palästina – alles gegen die Wünsche der einheimischen Bevölkerung. Ende 1917 veröffentlichte der junge sowjetische Arbeiterstaat diesen Vertrag und stellte die imperialistischen Intrigen bloß. Das hatte elektrisierende Wirkung und trug zu einer Reihe nationaler Revolten und allgemeiner Aufstände in der Region bei.

Im französischen Teil des zerstückelten Osmanischen Reiches schuf Paris einen „Groß-Libanon“, indem weiträumige muslimische Gebiete mit traditionellen maronitischen Bastionen im Libanon-Gebirge zusammengefügt wurden. Das Ergebnis war, dass die Maroniten und andere kleinere christliche Sekten den Muslimen zahlenmäßig leicht überlegen waren und sie dominierten. In Syrien förderten die Imperialisten die Aleviten und stellten sie über die hauptsächlich sunnitisch-muslimische Bevölkerung (siehe „Syrischer Bürgerkrieg: Das Erbe der imperialistischen Teile-und-herrsche-Politik“, Spartakist Nr. 196, Januar 2013).

Auch den Kurden wurde 1920 im Vertrag von Sèvres ein eigener Staat versprochen, wenn auch ein sehr eingeschränkter. Nicht einmal diese deformierte Version von nationaler Selbstbestimmung haben sie jemals bekommen. Bis 1920 war nämlich klar, dass die ehemalige osmanische Provinz Mosul, die unter dem Sykes-Picot-Abkommen Frankreich zufiel, viel mehr Ölvorkommen hatte als angenommen. Also entschied sich Britannien, das südliche Kurdistan zu behalten und es in ein neu geschaffenes Land namens Irak einzugliedern, dessen Grenzen im Wesentlichen den Konzessionen der von Britannien kontrollierten Turkish Petroleum Company entsprachen. Die Regierungsbeamten und das Militärpersonal des mehrheitlich schiitischen Landes, das die britischen Kolonialisten aus dem Boden stampften, waren ausschließlich Sunniten.

1919 erhoben sich die Kurden im nördlichen Irak gegen die britischen Oberherren. Die Briten schlugen den Aufstand brutal nieder. Im Jahr darauf rebellierten die Schiiten im südlichen Irak, sie töteten oder verwundeten etwa 2500 der von den Briten eingesetzten Soldaten, bevor der Aufstand im Blut ertränkt wurde.

Lehren der Irakischen Revolution 1958

Es ist bezeichnend für die heutige verzweifelte Lage, dass die prominentesten Stimmen im Nahen Osten, die dazu aufrufen, den Sykes-Picot-Vertrag zu zerreißen, religiöse Eiferer sind, die alle in den Boden stampfen wollen, die nicht vor ihrer speziellen Gottheit in der von ihnen vorgeschriebenen Weise niederknien. Das war nicht immer so, und es wird auch nicht immer so bleiben.

Unsere programmatische Grundlage ist die Erfahrung der bolschewistischen Partei von W. I. Lenin, die die Oktoberrevolution 1917 in Russland anführte, was im Nahen Osten eine enorme Auswirkung hatte. Aber lange bevor kommunistische Massenparteien in der Region Wurzeln bilden konnten, hatte eine konservative bürokratische Kaste unter Stalin im sowjetischen Arbeiterstaat die politische Macht an sich gerissen. Diese herrschende Bürokratie wies das bolschewistische Programm der internationalen sozialistischen Revolution zurück, strebte stattdessen danach, „Sozialismus in einem Land“ aufzubauen, und, was direkt damit einhergeht, nach „friedlicher Koexistenz“ mit dem Imperialismus. Im Nahen Osten ebenso wie überall sonst in der kolonialen Welt wurde diese Perspektive propagiert als „Etappenrevolution“, was konkret bedeutete, einen angeblich fortschrittlichen Flügel der Bourgeoisie zu unterstützen und gleichzeitig die proletarische Revolution auf unbestimmte Zeit zu verschieben.

Trotzdem zogen die großen stalinistischen Kommunistischen Parteien, die ab Mitte der 1930er- und in den 1940er-Jahren in vielen arabischen Ländern entstanden, die klassenbewusstesten Arbeiter und auch radikale Intellektuelle an. Meist wurden diese KPen von Minderheiten gegründet oder sie setzten sich in starkem Maße aus ihnen zusammen. Die verschiedenen ägyptischen kommunistischen Gruppen wurden alle von ägyptischen Juden gegründet. In der Führung der irakischen KP waren Kurden und Juden (siehe „Eine marxistische Perspektive für den Nahen Osten“, Spartakist Nr. 188, Mai 2011).

Im Nahen Osten gibt es eine reichhaltige Tradition des Kampfes der Arbeiterklasse, zugespitzt in der Irakischen Revolution von 1958. Ausgangspunkt dieser Revolution war der Sturz der Monarchie 1958 durch linksnationalistische Offiziere am Jahrestag des Sturms auf die Bastille in der Französischen Revolution. Das gesamte Land erhob sich. Arbeiter sammelten sich zu Massendemonstrationen in den Städten, teilweise mit mehr als einer Million Teilnehmer, und aufständische Bauern im ganzen Land töteten Grundherren und nahmen das Land in Besitz. Die multinationale Arbeiterklasse unterstützte in überwältigendem Ausmaß die KP Iraks. Diese hatte auch breite Unterstützung in anderen Schichten der Bevölkerung, auch in der Armee und sogar in Teilen des Offizierkorps. Die irakische KP hätte eindeutig die Macht übernehmen können. Die USA entsandten die Marines in den Libanon, um bereit zu sein für eine mögliche Invasion des Irak. Die sozialistische Revolution stand auf der Tagesordnung.

Isaac Deutscher, Historiker und Biograf des bolschewistischen Führers Leo Trotzki, schrieb: „Die meisten westlichen Beobachter vor Ort stimmten überein, dass Kassem [der Nationalist an der Macht, den die irakische KP unterstützte] kaum standhalten könnte, wenn die Kommunisten frontal angreifen würden.“ Aber für eine „friedliche Koexistenz“ mit den USA verkaufte die sowjetische Bürokratie die Revolution aus und befahl der irakischen KP den Rückzug. Gefesselt durch das Programm der „Etappenrevolution“ akzeptierte die irakische KP das und stoppte die Bewegung.

Selbst auf dem Höhepunkt der revolutionären Welle unterwarf sich die KP weiterhin dem linksnationalistischen Offizier Kassem, da angeblich eine „antiimperialistische“ Revolution auf der Tagesordnung stand. Natürlich kam die versprochene nächste Etappe, die sozialistische Revolution, nie. Stattdessen wandte sich Kassem gegen die KP. 1963 kam die reaktionäre nationalistische Baath-Partei an die Macht (inklusive Saddam Hussein, der damals noch kein nationaler Führer war) und verübte ein Blutbad an Tausenden linker Arbeiter, dafür benutzte sie Listen der CIA.

Für eine Sozialistische Föderation des Nahen Ostens!

Die Irakische Revolution bot Arbeitern im Nahen Osten und unterdrückten Völkern wie den Kurden enorme historische Möglichkeiten. Heute stellt die Bevölkerung Kurdistans, die auf vier Länder aufgeteilt ist – Türkei, Syrien, Irak und Iran –, immer noch die vom Gebiet her größte Nation, die keinen eigenen Staat hat. Als irakisch-kurdische Führer kürzlich Pläne vorstellten für ein Referendum zur Unabhängigkeit von Bagdad, antwortete die Obama-Regierung eindeutig, dass die kurdische Unabhängigkeit nicht auf Washingtons Tagesordnung steht. Und die deutsche Bundesregierung sieht das natürlich ebenso.

Die Geschichte des nationalen Kampfes des kurdischen Volkes ist eine lange Litanei des Verrats durch seine nationalistischen Führer, die systematisch versuchten, sich dadurch Vorteile zu verschaffen, dass sie sich mit allen möglichen kapitalistischen Mächten gut stellen. Beispielhaft dafür sind, wie schon erwähnt, die kurdischen Führer im Irak, die aktiv die US-Invasion 2003 unterstützten und ihre Peschmerga als Hilfskräfte der US-Militärs anboten. Aber die kurdischen Massen müssen das Ziel haben, ein Bündnis mit dem arabischen, persischen und türkischen Proletariat einzugehen – das wiederum dafür gewonnen werden muss, für die Selbstbestimmung der Kurden einzutreten – und in einem revolutionären Kampf die kapitalistische Herrschaft in den vier Ländern zu stürzen, die sie unterdrücken, und eine Sozialistische Republik Vereinigtes Kurdistan zu errichten (siehe „Das kurdische Volk und die US-Besatzung des Irak“, Spartakist Nr. 152 und Nr. 153, Herbst 2003 und Winter 2003/2004).

Der Irak ist heute eine am Boden zerstörte Gesellschaft. Die Zukunft der irakischen Massen hängt von Kämpfen der Arbeiterklasse in den angrenzenden Ländern ab, die eine strategische Konzentration proletarischer Macht haben. Wir haben keine Illusionen, dass es eine leichte Aufgabe ist, Arbeiter des Nahen Ostens, zermürbt durch ihre kapitalistischen Herrscher und imperialistischen Oberherren, für das marxistische Programm der proletarischen Revolution zu gewinnen. Aber ohne die Zerschlagung der kapitalistischen Ordnung wird die ethnische und nationale Unterdrückung immer weitergehen, wird es keine Befreiung der Frauen geben, wird die Ausbeutung der arbeitenden Menschen brutal fortbestehen. Der Sturz der kapitalistischen Ordnung erfordert die Schmiedung revolutionärer Arbeiterparteien, die sich gegen alle Formen bürgerlicher Ideologie, religiöser Reaktion und den Imperialismus stellen. Diese Parteien werden Teil einer wirklich trotzkistischen Vierten Internationale sein, die den Kampf für eine sozialistische Föderation des Nahen Ostens mit dem Kampf für proletarische Revolutionen in den imperialistischen Zentren verbindet.