Spartakist Nr. 204 |
August 2014 |
Ukraine: Imperialisten verschärfen Kampagne gegen Russland
Für Selbstbestimmung von Donezk und Luhansk!
Der Absturz des Flugzeugs MH17 der Malaysian Airlines am 17. Juli über der Ostukraine, anscheinend abgeschossen durch eine Rakete, wird von der ukrainischen Regierung und ihren US/NATO-Hintermännern benutzt, um ihre militärischen Angriffe in der Region enorm zu intensivieren. Praktisch sofort, als das Flugzeug aufschlug, begannen die Obama-Regierung und ihre Alliierten aufzuheulen, dass Russlands starker Mann Wladimir Putin für den Tod der 298 unschuldigen Passagiere des Fluges verantwortlich sei. Sie behaupten, dass die pro-russischen Aufständischen, die das Gebiet kontrollieren, Boden-Luft-Raketen benutzten, die Moskau geliefert haben soll. Solch rührende Sorge um das Leben von Zivilisten ist völlige Heuchelei von Seiten der NATO-Imperialisten. Sie standen hinter dem mit Faschisten durchsetzten Putsch in der Ukraine im Februar, haben dem Kiewer Regime jede Unterstützung gegeben, als es das Massaker mit mehr als 40 Toten am 2. Mai in Odessa organisierte und den provozierenden militärischen Angriff auf die Ostukraine begann. Tatsächlich hätte es ohne den Krieg gegen die Aufständischen im Osten, der die Bombardierung der Zivilbevölkerung aus der Luft einschließt, die Tragödie des Flugs MH17 wohl nie gegeben.
Wir wissen nicht, was das Flugzeug zum Absturz brachte. Wir wissen, dass Washington und seine Sprachrohre keinerlei glaubhaften Beweis vorlegten für ihre Behauptung, dass es von den Aufständischen abgeschossen wurde. Wir halten es auch für bemerkenswert, dass die ukrainische Regierung diesen Luftraum nicht geschlossen hat, nachdem einige Tage vor der MH17-Katastrophe ein ukrainischer Armeetransporter abgeschossen worden war. Und wir wissen: Wie die Dinge im Moment stehen, profitieren nur die ukrainische Regierung und ihre imperialistischen Unterstützer von dem entsetzlichen Desaster.
Falls ein ziviles mit Passagieren besetztes Flugzeug wissentlich als Ziel ausgesucht wurde, wäre dies ein abscheuliches Verbrechen. Tatsächlich haben die westlichen Imperialisten viel Erfahrung darin, solche Gewalttaten auszuführen. Am 3. Juli 1988 schoss das US-Kriegsschiff „Vincennes“, das in iranische Gewässer eingedrungen war, einen Airbus A300 der Iran Air mit 290 Menschen an Bord ab. Sechs Jahre zuvor, am 1. September 1983, schickten die USA den Flug 007 der Korean Airlines auf eine Spionagemission in den sowjetischen Luftraum. Die südkoreanische 747 weigerte sich, sich zu identifizieren. Die sowjetischen Streitkräfte nahmen an, dass es sich um das RC-135-Spionageflugzeug handelte, das die USA auf einer mit der zivilen Maschine überlappenden Route fliegen ließ, und schossen es ab. Für die Imperialisten war der Tod der KAL-007-Passagiere ein akzeptabler Kollateralschaden für eine provokative Spionagemission gegen den degenerierten sowjetischen Arbeiterstaat.
Was auch immer passiert ist bei dem Desaster des Malaysian-Airlines-Fluges, es ändert nicht unsere Position der Verteidigung des Rechts, sich selbst zu regieren – einschließlich Unabhängigkeit und/oder sich Russland anzuschließen –, für die Gebiete von Donezk und Luhansk. Marxisten sind nicht neutral: Wir stehen militärisch auf der Seite der Bevölkerung von Donezk und Luhansk, die gegen das Kiewer Regime kämpft. Gleichzeitig geben wir keinerlei politische Unterstützung für ihre reaktionäre Führung, für die großrussischer Chauvinismus typisch ist und bei der sich auch judenfeindlicher Fanatismus durchzieht. Truppen der Kiewer Regierung – raus aus der Ostukraine! US/NATO-Imperialisten, Hände weg! Nieder mit den imperialistischen Sanktionen gegen Russland!
Die deutsche Regierung gibt sich einerseits empört, während rechte CDUler die Chance sehen, nach UN-Truppen mit Bundeswehr-Beteiligung zu rufen. Das liegt ganz im Trend von Kriegsministerin von der Leyen und dem Bundespräsidenten Gauck, die deutsche Truppen überall einsetzen möchten. Der deutsche Außenminister Steinmeier (SPD) erklärte zu dem MH17-Abschuss: „Wenn sich im Zuge der Untersuchungen tatsächlich herausstellen sollte, dass eine der Konfliktparteien das Leben von Hunderten völlig Unbeteiligter auf dem Gewissen hat, so wäre das eine Untat außerhalb jeder Vorstellungskraft. Diejenigen, die das zu verantworten hätten, haben kein Recht mehr, ihre eigenen Anliegen im Namen der Menschlichkeit einzufordern.“ Zu dem Abschuss des iranischen Airbus durch die US-Navy ist keine solche Stellungnahme von irgendeiner westlichen Regierung bekannt.
Das Massaker in Odessa
Am 2. Mai, dem gleichen Tag, an dem das Gemetzel im Osten begann, wurden mehr als 40 Menschen in der ukrainischen Stadt Odessa brutal ermordet. Das ist das direkte Ergebnis des von Faschisten angeführten Putsches vom 22. Februar, der mit Unterstützung des westlichen Imperialismus in Kiew eine neue Regierung einsetzte. Der neonazistische Rechte Sektor, eine führende Kraft bei den Protesten auf Kiews Maidan-Platz, die den Putsch einleiteten, stand an der Spitze des Angriffs auf Odessas Gewerkschaftszentrale, in die sich Antiregierungsdemonstranten geflüchtet hatten, nachdem man sie angegriffen hatte. Faschistische Schläger zündeten in der Nähe des Gebäudes ein Zeltlager an und warfen dann mit Brandbomben, die das Bauwerk in Flammen aufgehen ließen. Die Berliner Lehrerzeitung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft beschrieb den Horror in ihrer Juli/August-Ausgabe so:
„Der Mob setzte den Haupteingang in Brand. Einzelne Rechte waren schon vorher durch einen Seiteneingang ins Gebäude gedrungen, erwürgten eine schwangere Reinigungsfrau mit dem Telefonkabel, zeigten hämisch am Fenster die ukrainische Flagge, brachen zwei jungen Leuten das Genick, vergewaltigten mindestens ein Opfer und legten auf mehreren Etagen Feuer. Wer sich aus dem Fenster lehnte, um Luft zu holen, wurde beschossen.“
Mehrere von denen, die das Feuer überlebten, wurden erschossen oder erschlagen, darunter ein Unterstützer der linken Borotba-Gruppe. An das Gebäude wurden hakenkreuzähnliche Symbole und der Schriftzug „Galizische SS“ gesprüht, eine Bezugnahme auf eine ukrainische Einheit, die im Zweiten Weltkrieg an der Seite der Nazis gekämpft hatte. Die Methode der ukrainischen Faschisten erinnert sehr an die Methoden der Nazis bei der Vernichtung der europäischen Juden, bei der auch die ukrainischen Bandera-Faschisten mitmachten.
Weit davon entfernt, die verbreitete Wut auf die Zentralregierung zu unterdrücken, hat die Ermordung der Demonstranten in Odessa die Ukraine einem Bürgerkrieg näher gebracht. Als Premierminister Jazenjuk zwei Tage nach dem Massaker in Odessa auftauchte, wurden 67 inhaftierte Antiregierungsdemonstranten durch Kämpfer aus einer Polizeiwache befreit. Aufständische in der vorwiegend russischsprachigen industrialisierten Ostukraine halten weiterhin Regierungs- und Polizeigebäude besetzt und haben sich verstärkt mit Waffen versorgt. In dutzenden Städten und Ortschaften erhoben sich Demonstranten aus Wut über den Versuch des Putschregimes, Russisch als offizielle Sprache zu verbieten, und über die Beteiligung der faschistischen Swoboda-Partei an der Regierung, wo sie unter anderem das Innenministerium sowie das Amt des Generalstaatsanwaltes kontrolliert. Swoboda, vom Rechten Sektor als „liberal“ und „konformistisch“ verspottet, stammt von den ukrainischen Faschisten unter der Führung von Stepan Bandera ab, die mit Nazideutschland militärisch kollaborierten und Massenmorde an Juden, Kommunisten, Sowjetsoldaten und Polen begingen. Der ehemalige ukrainische Präsident Viktor Juschtschenko, einer der Führer der von den Imperialisten gesponserten „orangenen Revolution“, stiftete in München eine Gedenktafel für Jaroslaw und Jaroslawa Stetsko als Auszeichnung ihres Wirkens „für die Freiheit der Ukraine“. Ausgezeichnet wurden hier Bandera-Kader. Stetsko sagte 1941 wörtlich, er „unterstütze die Vernichtung der Juden“ und empfehle, „die deutschen Methoden“ auch in der Ukraine anzuwenden.
Die SPD hatte im Januar 1939 in den Deutschland-Berichten des Exilvorstands über diese Organisation geschrieben: „Mit … Recht kann man die illegale nationalistische ukrainische Terror-Organisation UON als eine Vortruppe des ,Führers‘ in der Ukraine bezeichnen…“ Dass dies richtig war und ist, wissen natürlich auch die heutigen SPD-Führer. Aber die Bandera-Faschisten waren nach dem Zweiten Weltkrieg wichtige Verbündete der westdeutschen Nachrichtendienste im antikommunistischen Kampf gegen die Sowjetunion, und die Loyalität jeder SPD-Führung gehört, spätestens seit dem 4. August 1914, der deutschen Bourgeoisie, deren schmutzige Geschäfte die Gabriels und Steinmeiers heute wieder betreiben.
Swoboda und der Rechte Sektor, die ihre Hauptbasis in der Westukraine haben, dem Kernland des ukrainischen Nationalismus und der vom Vatikan kontrollierten unierten (nach östlichem Ritus) katholischen Kirche, bedeuten für die Arbeiter und Minderheiten der gesamten Ukraine nichts Gutes. Sie sind eine unmittelbare tödliche Bedrohung für die Menschen der Ostukraine, wo die Hauptreligion russisch-orthodox ist, und für das kosmopolitische Odessa, 1941 Schauplatz eines Massakers der mit Deutschland verbündeten rumänischen Truppen an Tausenden von Juden. Die Milizen des Rechten Sektors und anderer Faschisten wurden in die neu gegründete ukrainische Nationalgarde, eine der Kräfte, die im Osten Aufständische bekämpfen, eingegliedert. In Odessa haben jüdische Funktionäre angekündigt, jüdische Kinder zu schützen, falls in der Stadt noch einmal rechte Gewalt ausbrechen sollte, wo jüngst ein Holocaust-Mahnmal und ein jüdischer Friedhof durch Hakenkreuze, Symbole des Rechten Sektors und Todesdrohungen geschändet wurden. Dass in der ganzen Westukraine Lenins Standbilder verunstaltet oder umgestürzt wurden, zeugt von dem bösartigen Antikommunismus der „Banderowzi“ (Bandera-Leute).
Mitte Mai wurde berichtet, dass Bergarbeiter in Jenakiew in der Provinz Donezk die zum Metinvest-Konzern gehörenden Hüttenwerke besetzt haben unter Rufen wie: „Wir werden ihnen Odessa nicht verzeihen!“ Der Hauptbesitzer von Metinvest ist der Multimilliardär Rinat Achmetow, einer der von den Werktätigen weithin verachteten ukrainischen Oligarchen. Achmetow hatte inzwischen zwei Treffen mit dem deutschen Außenminister Steinmeier und betätigt sich als Statthalter der Imperialisten in der Ostukraine, um die Aufständischen unter Kontrolle zu bringen. Am 20. Mai ließ Achmetow die Stahlarbeiter von Asowstal zu einer Versammlung beordern, um sie gegen die Aufständischen zu mobilisieren. Die FAZ stellte fest, dass die Arbeiter „der Botschaft ohne viel Begeisterung“ lauschten, und zitierte einen Arbeiter: „Die Bosse hier machen mit uns, was sie wollen. Für die sind wir nur Fleisch, das sie im Supermarkt kaufen.“
Im April traten Berichten zufolge in der Nähe von Donezk ungefähr 2000 Kohlenkumpel in den Streik, um gegen eine zehnprozentige Lohnumlage zu protestieren, die die Zentralregierung als Beihilfe für die Restauration der Kiewer Innenstadt nach den Zusammenstößen, die zum Putsch geführt hatten, angeordnet hatte. Losungen gegen die Europäische Union, die von Demonstranten in Donezk, Slawjansk und anderen östlichen Städten erhoben wurden, zeugen von der Angst, dass der Versuch der Regierung, diesem Gremium beizutreten, vor allem für Bergleute und Fabrikarbeiter in dieser sowieso schon Not leidenden Region eine wirtschaftliche Katastrophe bedeuten würde. Die mit der russischen Wirtschaft eng verflochtene relativ rückständige Industrie der Ostukraine würde von der Konkurrenz aus den fortgeschrittenen EU-Staaten, insbesondere Deutschland, überwältigt werden.
Die Repression im Osten und in Odessa hat die Feindschaft gegenüber Kiew verfestigt, wie die riesigen Wählerschlangen bei der Volksabstimmung vom 11. Mai für eine Selbstbestimmung in den Provinzen Donezk und Luhansk zeigten. Die Organisatoren der Abstimmung hatten zuvor erklärt, dass „Selbstbestimmung“ alles bedeuten könne, von einer föderalistischen Ukraine (was bei der Entschlossenheit der Imperialisten und des Kiewer Regimes, jegliche Opposition im Osten zu zerschlagen, äußerst unwahrscheinlich ist) über die Unabhängigkeit bis hin zum Beitritt zu Russland. In der Küstenstadt Mariupol, die zwei Tage zuvor Schauplatz eines Angriffs von Soldaten war, die der Kiewer Regierung zufolge etwa 20 Menschen getötet hatten, beteiligten sich die Menschen scharenweise an der Abstimmung.
Das Wall Street Journal (11. Mai) schrieb, jüngste Meinungsumfragen hätten zwar eine Mehrheit für eine enge Anbindung an Russland bei gleichzeitigem Verbleib in der Ukraine ergeben, aber „die jüngsten Kämpfe zwischen der Regierung und den Separatisten haben möglicherweise die Meinung vieler in Richtung Unabhängigkeit kippen lassen, in der Hoffnung, diese würde wenigstens zu etwas Stabilität führen. ,Wer mag es, wenn eine Nation auf ihr eigenes Volk schießt?‘, fragte die Rentnerin Natalja Wassilewa, die ihre Stimme in der Innenstadt von Donezk abgab. ,Wir waren nicht dagegen, der Ukraine anzugehören, doch nach den jüngsten Ereignissen haben wir unsere Meinung geändert.‘ “
Die Abstimmung, die in den beiden Provinzen ohne eine organisierte örtliche Opposition zustande kam und eine erdrückende Mehrheit für Selbstbestimmung ergab, war zwar nur eine informelle Abstimmung, ließ aber eine starke Neigung in der Bevölkerung erkennen, sich Kiews Kontrolle zu entziehen. Derselbe US/EU/Kiew-Klüngel, der hinter dem von Faschisten durchseuchten Putsch vom Februar stand, erhebt nun ein Geschrei, dass die Volksabstimmungen in Donezk und Luhansk „illegal“ gewesen seien. Wir verteidigen das demokratische Recht der Bevölkerung in diesen Gegenden, das Referendum abzuhalten und entsprechend dem Abstimmungsergebnis für Selbstbestimmung zu handeln, bis einschließlich Unabhängigkeit oder Vereinigung mit Russland, wenn sie es wünscht. Die Führer der beiden selbsternannten Volksrepubliken dringen nun auf einen Beitritt zu Russland. Doch die Situation ist weiterhin im Fluss.
Es sollte angemerkt werden, dass die Abstimmung nur dort stattfand, wo Aufständische tatsächlich die Kontrolle übernommen hatten und den Urnengang militärisch verteidigen konnten. Deshalb ist unklar, ob anderswo in der Region eine ebenso starke Stimmung für Selbstbestimmung vorherrscht. Die Ostukraine ist gekennzeichnet durch einen hohen Grad an Vermischung und Assimilierung von Russen und Ukrainern. Viele Menschen haben sowohl russische als auch ukrainische Vorfahren, während sich einige als „sowjetisch“ definieren, andere wiederum als „Menschen aus dem Donbass“ (Donezbecken).
Im Gegensatz zur Ostukraine sind die Bewohner der Krim, die lange zu Russland gehörte, in der Mehrheit ethnische Russen. Als revolutionäre Marxisten unterstützten wir Russlands dortige Militärintervention, die es der Bevölkerung auf der Krim erlaubte, ihr demokratisches Recht auf Selbstbestimmung auszuüben, wobei die große Mehrheit für eine Wiedervereinigung mit Russland stimmte. Diese Position beinhaltet nicht die geringste politische Unterstützung für Wladimir Putins kapitalistisches Regime, das muslimische und andere Minderheiten wie auch Schwule brutal unterdrückt und den Werktätigen elende Lebensbedingungen aufzwingt. Wie wir in „U.S./EU-Imperialist Frenzy as Crimea Rejoins Russia“ [US/EU-Imperialisten kochen vor Wut über Wiedervereinigung der Krim mit Russland] (WV Nr. 1 042, 21. März) schrieben: „Wenn wir für das Recht auf Selbstbestimmung eintreten – sei es für die Russen auf der Krim oder für das tschetschenische Volk, das Opfer von großrussischem Chauvinismus ist –, ist es unser Ziel, die nationale Frage vom Tisch zu bekommen, um die Einheit des Proletariats über nationale Grenzen hinweg zu fördern.“
Heute liegt es im Interesse der Arbeiterklasse – in der Ukraine, in Russland und weltweit –, die Bevölkerung der Ostukraine und Odessas gegen militärische Unterdrückung und faschistischen Terror zu verteidigen. Während die Wut auf die Banderowzi immer mehr zunimmt, wiederholen wir die Erklärung aus unserem auf dem Höhepunkt der reaktionären Maidan-Mobilisierungen geschriebenen Artikel „Ukraine nach dem rechten Putsch – EU/US-Imperialisten hysterisch über russische Intervention“ (Spartakist-Extrablatt, 9. März 2014):
„Die Mobilisierung der Arbeiterklasse in der Ukraine, um die Faschisten von den Straßen Kiews zu fegen, hätte im Interesse des internationalen Proletariats gelegen. Heute wäre es gewiss im Interesse des Proletariats, multiethnische nicht-sektiererische Arbeitermilizen zur Zerschlagung der Faschisten und zur Abwehr jeglicher Art kommunalistischer Gewalt zu bilden.“
Anstiftung zur Unterdrückung
Faschistischer und amtlicher Regierungsterror: Das ist das wahre Gesicht der ukrainischen „Demokratie“, für die Washington, Berlin, Brüssel und ihre Sprachrohre in den Medien eintreten. Reformistische linke Organisationen wie das „Vereinigte Sekretariat der Vierten Internationale“ (VS) – in Deutschland die internationale sozialistische linke (isl) und der Revolutionär Sozialistische Bund (RSB) –, die die Maidan-Mobilisierungen als „eine machtvolle Mobilisierung der Bevölkerung“ bejubeln, spielen die Rolle der Faschisten runter und sehen sie als Mittel zur Diskreditierung der „Bewegung“. Sie schreiben:
„Die kleinen Gruppen der nationalistischen extremen Rechten (Pravyj Sektor usw.), die mit Swoboda rivalisierten, haben in der Selbstverteidigung der Bewegung eine Rolle gespielt. Ihre gewollte ,Sichtbarkeit‘ und ihre Angriffe auf linke AktivistInnen wurden vor allem von den Regierungs- und den russischen Medien und später von den Bestandteilen des ,Anti-Maidan‘, die sich zur Linken zählen, herausgestellt, um den gesamten Maidan zu diskreditieren“ (Resolution des Exekutivbüros der IV. Internationale vom 8. Juni).
Sie wirken damit nicht nur bei dem imperialistischen Propagandasperrfeuer mit, was an sich schlimm genug ist, sondern geben außerdem einer deutlich rechten nationalistischen bürgerlichen Bewegung ein linkes Mäntelchen.
Die britische Schwesterorganisation der Gruppe Arbeitermacht (GAM), Workers Power, kritisierte das VS für solche Positionen auch heftig in einer Sondernummer zur Ukraine. Die GAM selbst aber breitet den Mantel des Schweigens aus über diese Positionen ihrer Blockpartner isl und RSB bei dem Aufbau der „Neuen antikapitalistischen Organisation“ (NaO). Die GAM/NaO hatten im Prinzip richtig erklärt: „Die ‚Revolution in der Ukraine‘ entpuppt sich als reaktionärer Putsch…“ Dieses Nichtklären politischer Positionen ist allein schon ein vernichtendes Urteil über den völlig prinzipienlosen Charakter der NaO. Die NaO beweist damit, dass sie nichts anderes ist als eine Spielwiese im sozialdemokratischen Sumpf und ein weiteres Hindernis für revolutionäres Bewusstsein.
Bei der Repression in der Ukraine haben Washington und Berlin überall ihre blutigen Finger im Spiel, wie sie auch hinter dem Putsch standen, der Viktor Janukowitsch, den ins Exil getriebenen Chef der bürgerlichen Partei der Regionen, absetzte. Janukowitschs Verbrechen war es, ein Hilfspaket Moskaus anzunehmen, anstatt die vom IWF im Rahmen der Beitrittsverhandlungen der Ukraine zur EU verlangten drastischen Sparmaßnahmen durchzusetzen. Washington und Berlin haben mit Geld und Publicity die Maidan-Proteste unterstützt, wobei Berlin den Kürzeren dabei zog, das Aussehen der neuen Regierung zu bestimmen. Als der stellvertretenden US-Außenministerin Victoria Nuland ihr berüchtigtes „Fuck the EU“ entfuhr, war das am Ende eines Telefongesprächs mit dem amerikanischen Botschafter, in dem sie genau ausführte, wer das Putschregime leiten sollte. In einem anderen aufrichtigen Moment gab Nuland zu, dass die USA im Verlauf der vergangenen zwei Jahrzehnte beachtliche fünf Milliarden Dollar für die Sicherstellung eines ihnen genehmen Regimes in der Ukraine ausgegeben haben, die über Agenturen wie die mit der CIA verbundene National Endowment for Democracy [Nationale Stiftung für Demokratie] flossen. Die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung hatte auf Vitali Klitschko gesetzt und ihn gesponsert, der es aber nur zum Oberbürgermeister von Kiew brachte. Klitschko hat die Gay-Pride-Demo in Kiew, die Anfang Juli stattfinden sollte, schlichtweg verboten. Von Protesten liberaler Grüner, die ständig gegen Putins repressive Politik gegen Schwule protestieren, war nichts zu hören. Klitschko ist schließlich auch ihr Mann in Kiew, der Mann des deutschen Imperialismus.
Die ersten beiden Versuche, in der Ostukraine militärisch anzugreifen, folgten unmittelbar auf Besuche des CIA-Chefs John Brennan und, eine Woche später, des Vizepräsidenten Joe Biden in Kiew. Beide Offensiven kamen schnell zum Erliegen. Soldaten weigerten sich zu kämpfen und übergaben den Aufständischen Gewehre und Fahrzeuge. Aber während die örtlichen Polizeikräfte dahinschmolzen, gelang es dem Regime, eine Polizeispezialeinheit aus Kiew sowie einige Militäreinheiten zusammenzustellen, die bereit waren auf Zivilisten zu schießen.
Dies geschieht deutschen Quellen zufolge unter Mithilfe „dutzender US-Spezialisten von CIA und FBI“, die „Kiew dabei helfen, die Rebellion in der Ostukraine zu beenden und einen funktionierenden Sicherheitsapparat aufzubauen“ (Agence France Presse, 4. Mai). Diese Agenten gehen auch Korruptionsvorwürfen gegen mit Russland in Verbindung gebrachte ukrainische Kapitalisten nach und vervollständigen so die imperialistischen Strafsanktionen gegen Putin-nahe Oligarchen in Russland. Am 11. Mai berichtete die Bild am Sonntag, dass 400 amerikanische Söldner von Academi (ehemals Blackwater) an Militäroperationen gegen Protestierende in der Südostukraine teilnehmen – laut Spiegel Online „setzte der Bundesnachrichtendienst (BND) die Bundesregierung am 29. April darüber in Kenntnis“.
Und um ihre Interessen langfristig durchzusetzen, hat die von Deutschland dominierte EU mit einer Polizeimission begonnen, die „langfristig“ angelegt ist, um die Ukraine unter Kontrolle zu halten. Denn wie die deutschen Regierungsberater der DGAP (Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik) schon im November letzten Jahres schrieben, wird die EU-Politik „sozial äußerst schmerzhafte Anpassungen“ erforderlich machen. „Denn sollten die Anpassungen negative Folgen für die Bevölkerung haben, kann diese die Schuld bei der EU suchen.“ Da hat man besser einen Fuß in der Tür bei den Repressionsorganen, die „ihre“ Regierung schützen sollen.
Nach Kiews erstem gescheiterten Versuch, die Aufstände zu unterdrücken, behauptete Washington, Moskau habe ein Waffenstillstandsabkommen gebrochen, indem es versäumt habe, die Demonstranten im Zaum zu halten, die von der westlichen Presse als bloße Werkzeuge Putins dargestellt werden, der selber als die Reinkarnation Hitlers gilt. Das ist nur Teil einer massiven von der US-Regierung zur Verschleierung ihrer Machenschaften in der Ukraine ins Werk gesetzten Lügenkampagne. Selbst die Standarddarstellung der Demonstranten als „pro-russisch“ ist unzutreffend: Interviews mit Menschen in der Ostukraine offenbaren eine große Bandbreite an Meinungen über den zukünftigen Status der Region.
Da die Imperialisten und ihre Sprachrohre in den Medien für ihre Behauptungen, die Rebellen seien moskauhörige „Terroristen“, keinerlei Beweise haben, tun sie, was in solchen Situationen üblich ist: Sie denken sie sich aus. Ein angeblich von Aufständischen herausgegebenes Flugblatt, in dem es hieß, Juden hätten sich bei den örtlichen Behörden registrieren zu lassen, stellte sich schnell als Fälschung heraus. Dann veröffentlichte die New York Times Fotos, die angeblich bewaffnete Männer in Russland zeigten – d. h. Moskauer Agenten –, die später als Kämpfer auf der Seite der Aufständischen in der Ostukraine gesehen wurden. Es wurde bald enthüllt, dass die Fotos in der Ukraine gemacht worden waren und gar nichts bewiesen.
Derweil fährt die Times fort, Swoboda und den Rechten Sektor reinzuwaschen, indem sie deren Verstrickung in den Terror herunterspielt und die Tatsache verheimlicht, dass es Faschisten sind. Ein Times-Artikel vom 6. Mai beschreibt die nach dem Massaker in Odessa aus der Hauptstadt dorthin geschickte Polizeieinheit „Kiew-1“ höflich als „bestehend aus den Straßenaktivisten, die im Februar dabei geholfen hatten, die ukrainische Regierung zu stürzen“. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Dies sind „Aktivisten“ von der Sorte, die mit Fackeln und Knüppeln, Bandera-Porträts und Neonazi-Abzeichen über den Maidan stolzierten, d. h. echte ukrainische Braunhemden. Insbesondere Familien in Odessa und der Ostukraine wissen das aufgrund unauslöschlicher Erinnerungen an die Nazis und ihre ukrainischen Schergen, die während des Zweiten Weltkriegs entsetzliche völkermörderische Verbrechen begangen haben, sehr genau.
Die Desinformation über die Ukraine kommt von derselben „Zeitung mit hohen journalistischen Standards“, die mit den Lügen über Saddam Husseins (nicht existierende) „Massenvernichtungswaffen“ hausieren ging, dem Vorwand für die Besetzung des Irak. Derartige Irreführung ist der bürgerlichen Presse, deren wesentliche Rolle es ist, die öffentliche Meinung im Interesse der herrschenden Kapitalistenklasse zu formen, zur zweiten Natur geworden, wenn sie auch in zweitrangigen oder weniger bedeutenden Belangen wahrheitsgetreu sein kann, um ihre Glaubwürdigkeit zu erhöhen.
Verteufelung Russlands
Den Höhepunkt erreichte die imperialistische Propaganda im Zusammenhang mit Russlands „Invasion“ der Krim. Eine solche hat aber nie stattgefunden. Die Krim mit ihrer vorwiegend russischen Bevölkerung ist die Heimat von Russlands Schwarzmeerflotte und beherbergte schon vorher Tausende russische Soldaten. Putins Schritt war im Wesentlichen defensiv und zielte darauf ab, angesichts einer feindlichen, vom Westen unterstützten Regierung in Kiew die Flotte zu schützen.
Als die Aufstände in der Ostukraine ausbrachen, erhob die Obama-Regierung ein Geschrei wegen der Anwesenheit von 40 000 russischen Soldaten entlang der Grenze in Russland – ausgerechnet eine Regierung, die Zehntausende von Soldaten und Bullen an der mexikanischen Grenze bereithält, um die Opfer imperialistischer Unterjochung am Betreten der USA zu hindern. Die USA, die die russischen Militärübungen entlang der Grenze als Vorboten einer Invasion in die Ukraine darstellten, intensivierten ihre militärischen Provokationen in der Region. Die USS „Donald Cook“, ein Lenkwaffenzerstörer, fuhr im April ins Schwarze Meer. Dem folgte später eine Navy-Fregatte, die an Manövern mit Rumänien teilnahm, einem der neuen NATO-Mitgliedsländer. Auch zwei französische Kriegsschiffe fuhren im vergangenen Monat ins Schwarze Meer. Derweil wurden 600 US-Fallschirmjäger nach Estland, Lettland und Litauen – ehemalige Bestandteile der Sowjetunion – und nach Polen entsandt. Anfang dieses Monats begann das jährliche „Frühlingssturm“-Manöver in Estland, an dem die Rekordzahl von 6000 Soldaten teilnahm.
Die Verteufelung des Putin-Regimes dient Washingtons langjährigen Versuchen, die Macht des kapitalistischen Russlands als Regionalmacht und potenzieller Rivale zu beschneiden. Mit der Konterrevolution, die 1991/92 den degenerierten Arbeiterstaat Sowjetunion zerstörte, gelangte der US-Imperialismus zu unangefochtener Weltherrschaft. Anfang 1992 stellte ein Regierungsdokument namens Defense Planning Guidance [Richtlinien zur Verteidigungsplanung] fest: „Unser wichtigstes Ziel ist es, das Wiederauftauchen eines neuen Rivalen, ob auf dem Territorium der ehemaligen Sowjetunion oder anderswo, zu verhindern...“ Das Dokument warnte vor den Risiken eines nationalistischen Rückschlags in Russland oder vor Versuchen Russlands, sich die Ukraine und andere Teile der ehemaligen UdSSR einzuverleiben, und stellte die USA vor die Notwendigkeit, „eine neue Ordnung … zu sichern“, so dass sie „potenzielle Konkurrenten davor abschrecken, eine bedeutendere regionale oder globale Rolle auch nur anzustreben“.
Zwei Jahre später schrieb der ehemalige nationale Sicherheitsberater Zbigniew Brzezinski in Foreign Affaires (März/April 1994): „Es kann nicht nachdrücklich genug betont werden, dass Russland ohne die Ukraine aufhört ein Imperium zu sein, aber mit einer bestochenen und dann untergeordneten Ukraine wird Russland automatisch zu einem Imperium.“ Russland einzudämmen und die Ukraine an den Westen heranzuziehen war gleichermaßen die Politik sowohl Demokratischer als auch Republikanischer Regierungen. Unter Bill Clinton expandierte die NATO, um sich Polen und andere osteuropäische Staaten einzuverleiben, die baltischen Staaten traten zu Beginn der Präsidentschaft von George W. Bush bei. Unter Bush überhäuften die USA auch die „orange Revolution“ in der Ukraine 2004 mit finanzieller und diplomatischer Hilfe, einer von vielen Versuchen, in den Gebieten der ehemaligen UdSSR willfährige Regime einzusetzen. Und nun hat sich Washington in Kiew ein Quisling-Regime eingerichtet.
Die USA haben auch in ganz Zentralasien und anderen Stellen von Russlands Peripherie Stützpunkte errichtet. Diese militärische Ausdehnung zielt darauf ab, nicht nur das kapitalistische Russland, sondern auch China, einen bürokratisch deformierten Arbeiterstaat, einzukreisen. Was Putin anbelangt, so hat er wiederholt versucht die US-Imperialisten zu beschwichtigen, zum Beispiel indem er amerikanisches Militär auf dem Weg nach und von Afghanistan russisches Territorium durchqueren ließ. Zur Belohnung wurde er ein ums andere Mal vor den Kopf gestoßen.
Doch Russland ist kein Schwächling. Während seine Wirtschaft durch die starke Abhängigkeit von Öl- und Gasexporten verzerrt ist, unterhält das Land eine große Militärstreitmacht und ein Atomwaffenarsenal, das nur dem der USA nachsteht, und besitzt auch bedeutendes technologisches Know-how. Darüber hinaus können die USA für die anti-russische Kampagne nicht zwangsläufig mit Unterstützung ihrer Verbündeten rechnen. Zwar hat sich Angela Merkel trotz ihrer Empörung über laufende US-Überwachungsprogramme, die auch vor ihrer Person nicht haltmachen, Obama angeschlossen und Putin wegen der Ukraine angegriffen, doch viele deutsche kapitalistische Unternehmen, die vom Handel mit Russland abhängig sind, widersetzen sich Wirtschaftssanktionen gegen Putin-nahe Industriemagnaten, und die ehemaligen SPD-Bundeskanzler Helmut Schmidt und Gerhard Schröder kritisieren die Politik der Bundesregierung gegenüber Russland. Frankreich hat angekündigt, mit dem Verkauf zweier Hubschrauberträger an Russland fortzufahren, und widersetzt sich damit dem Druck aus den USA, Moskau zu bestrafen.
Im eigenen Land kommen Washingtons Bemühungen, die öffentliche Meinung wegen der Ukraine gegen Russland aufzubringen, nicht gut an. Die Werktätigen sind nach den scheinbar endlosen neokolonialen Besetzungen des Irak und Afghanistans kriegsmüde und mit den ständigen Angriffen auf ihre Löhne, Krankenversorgung und Renten und anderes Lebensnotwendige beschäftigt. Das Ziel der Marxisten in den Vereinigten Staaten, der Spartacist League/ U.S., Sektion der Internationalen Kommunistischen Liga, ist es, in der Höhle des imperialistischen Monsters Militante für die Aufgabe des Aufbaus einer Arbeiterpartei zu gewinnen, die sich ihren „eigenen“ imperialistischen Herrschern standhaft widersetzt und in künftige Klassenschlachten mit einem Programm zum Sturz der verrotteten und mörderischen kapitalistischen Ordnung durch sozialistische Revolution eingreift.
Die Zerstörung der Sowjetukraine
Unter Bezugnahme auf die Ukraine und Odessa als „Neurussland“ klagte Putin neulich darüber, dass diese Gebiete „in der Zarenzeit nicht Teil der Ukraine waren“, sondern „1920 übertragen“ wurden, „Gott weiß, warum“. Nein, die Antwort ist hier auf Erden zu finden. Unter dem bolschewistischen Regime, das aus der Oktoberrevolution von 1917 hervorgegangen war, kam die Ukraine wenigstens annähernd zu nationaler Einheit und dem Recht auf Eigenstaatlichkeit. Das Proletariat in der Ukraine, vor allem im Osten, war vorwiegend russisch, eine Folge der dort unter dem alten zaristischen Regime emporgeschossenen Industrie. Doch die Bauern, die große Mehrheit der Bevölkerung, waren Ukrainer. Der bolschewistische Führer W. I. Lenin betonte, dass der sowjetische Arbeiterstaat den Ukrainern und anderen Nationen, die im zaristischen „Völkergefängnis“ unterdrückt waren, das Recht auf Selbstbestimmung – d. h. das Recht auf Lostrennung – gewähren müsse.
Der reaktionäre ukrainische Nationalismus war in der zum Habsburger Reich gehörenden Westukraine beheimatet und verbündete sich zuerst mit dem deutschen Imperialismus unter dem Kaiser und dann mit Pilsudskis rechtsgerichtetem Regime in Polen, später mit Nazideutschland. Nach der Niederlage der vom Imperialismus unterstützten konterrevolutionären Armeen im russischen Bürgerkrieg wurde ein ukrainischer Staat auf Grundlage der östlichen Landeshälfte gegründet, Teil einer Föderation von Arbeiterstaaten und 1922 Gründungsmitglied der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken. Die Westukraine, die unter der Herrschaft des kapitalistischen Polens blieb, wurde nach der Zerschlagung Nazideutschlands durch die Rote Armee der Sowjetunion angegliedert.
Das frühe bolschewistische Regime verteidigte beharrlich die Rechte der unterdrückten Nationalitäten und Völker. Doch mit dem Triumph und der Verfestigung der stalinistischen Bürokratie seit 1923/24 begann großrussischer Chauvinismus erneut an Boden zu gewinnen, was Übergriffe von manchmal historischem Ausmaß zur Folge hatte wie die Massenvertreibung von Krimtataren, Tschetschenen und anderen aus ihren Heimatländern gegen Ende des Zweiten Weltkriegs. Das stalinistische Dogma vom „Sozialismus in einem Lande“ nährte rückschrittlichen Nationalismus – eine glatte Absage an das marxistische Programm der sozialistischen Weltrevolution, für das die Bolschewiki 1917 gekämpft hatten. Dennoch hatte die Politik der Bürokratie widersprüchliche Auswirkungen. Nationale Feindseligkeiten wurden durch Vollbeschäftigung, Bildung, Krankenversorgung für alle und durch andere soziale Errungenschaften in den Hintergrund gedrängt. Die Ukraine, die in eine sozialistische Planwirtschaft integriert war, machte eine beträchtliche Industrialisierung und Entwicklung durch.
Die Restauration kapitalistischer Herrschaft zerstörte diese Errungenschaften und stürzte die Werktätigen der ehemaligen Sowjetrepubliken in soziales Chaos, nationalistisches Blutvergießen und eine wirtschaftliche Katastrophe. Die industrielle Beschäftigung in der Ukraine sank zwischen 1991 und 2001 um 50 Prozent, während die Löhne für die übrig gebliebenen Arbeitsplätze jäh sanken. Doch noch unter den Bedingungen wirtschaftlicher Depression produziert die Ostukraine einen überproportionalen Anteil am Reichtum des Landes. Zum Beispiel leben in der Region Donezk, einem Kohlebergbauzentrum, 10 Prozent der ukrainischen Bevölkerung, dort werden aber etwa 20 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erwirtschaftet.
Das Auseinanderbrechen der UdSSR offenbarte eine beträchtliche gegenseitige Durchdringung von Völkern und Abhängigkeit von Wirtschaftsunternehmen, die auf eine zentrale Planwirtschaft ausgerichtet waren. Das steckt hinter der anhaltenden Verbundenheit der Ostukraine mit der russischen Wirtschaft. Das strategische Interesse des Putin-Regimes an der Ostukraine wird durch die Rolle der Region bei der Produktion von Militärgütern für Russland hervorgehoben, von Hubschraubermotoren und Hydrauliksystemen für Kampfjets bis hin zu Luft-Luft-Raketen.
Unter vielen Arbeitern hat der starke Rückgang an Arbeitsplätzen, staatlichen Leistungen und des Lebensstandards nach der Konterrevolution nostalgische Erinnerungen an die Sowjetunion wiederaufleben lassen, als arbeitende Menschen ein anständiges Auskommen hatten. Ein Artikel in al-Dschasira (30. April) mit dem Titel „Eastern Ukrainian Miners Yearn for Russia, Bygone Soviet Era“ [Ostukrainische Bergleute sehnen sich nach Russland, verflossener Sowjetära] stellt einen solchen Arbeiter vor, der sich als Russe zu erkennen gibt. Gegenwärtig arbeitslos, hat er sein Leben riskiert und in einer der vielen illegalen Zechen, die nach dem Zusammenbruch der kollektivierten Wirtschaft wie Pilze aus dem Boden schossen, geschuftet. Der Arbeiter ist zwar dafür, dass Donezk ein Teil Russlands wird, doch er sagt: „Ich will nicht, dass es wie Russland ist. Ich will, dass es so ist wie die Vergangenheit, die UdSSR“, wo „ich sogar fürs Lernen eine Entlohnung bekam“.
In der Identifizierung der Arbeiter mit der UdSSR wie auch in ihrem Hass sowohl auf pro-russische als auch pro-ukrainische Oligarchen, von denen einige höchste nationale und regionale Regierungsposten bekleiden, scheint Klassenbewusstsein durch. Doch als unabhängiger politischer Faktor ist die Arbeiterklasse nicht hervorgetreten, und unseres Wissens nach gibt es in der Ukraine keine Gruppe, die sich auf ein Programm des Sturzes kapitalistischer Herrschaft durch Arbeiterrevolution zubewegt.
Sowjetnostalgie ist oft geprägt durch den von der stalinistischen Kreml-Bürokratie gepflegten Nationalismus, der gegenwärtig in bösartig reaktionärer Form von verschiedenen „kommunistischen“ Überbleibseln des alten Regimes bekundet wird. Man muss verstehen, dass die enormen von der Planwirtschaft der Sowjetunion hervorgebrachten Errungenschaften durch die privilegierte stalinistische Bürokratie verraten wurden, die in dem illusorischen Streben nach „friedlicher Koexistenz“ mit dem Imperialismus die Gelegenheiten zu Arbeiterrevolutionen außerhalb der UdSSR ausverkaufte. Angesichts unablässigen wirtschaftlichen und militärischen Drucks von Seiten der Imperialisten führten Misswirtschaft und Machtmissbrauch der Stalinisten schließlich zum Zusammenbruch der Arbeiterstaaten in der Sowjetunion, in Osteuropa und in Ostdeutschland und zur Rückkehr von kapitalistischer Anarchie.
Mit all unseren Kräften und beschränkten Ressourcen kämpften wir von der Internationalen Kommunistischen Liga (Vierte Internationalisten) für die Verteidigung der degenerierten und deformierten Arbeiterstaaten gegen den kapitalistischen Klassenfeind und für proletarisch-politische Revolution zum Sturz der stalinistischen Regime. Darin folgen wir dem Weg, den Leo Trotzki, zusammen mit Lenin Führer der Oktoberrevolution, in seinem Kampf für das bolschewistische Programm vorgezeichnet hat. Für die arbeitenden Massen der Ukraine, Russlands und anderer Länder der ehemaligen Sowjetunion ist die Zukunft unter dem Kapitalismus heute düster, wie das auch im Rest der kapitalistischen Welt der Fall ist. Notwendig ist die Schmiedung leninistisch-trotzkistischer Parteien, die einen erbitterten Kampf gegen alle Erscheinungsformen des nationalen, ethnischen und religiösen Fanatismus und des Großmachtchauvinismus führen und beim Proletariat geduldige Propagandaarbeit leisten, um es für den Kampf für neue Oktoberrevolutionen weltweit zu gewinnen.