Spartakist Nr. 204 |
August 2014 |
1. Mai in Hamburg:
Nieder mit Polizeiangriffen auf DGB!
Für eine klassenkämpferische Gewerkschaftsführung! Brecht mit dem Reformismus von SPD und LINKE!
„Ganz Hamburg hasst die SPD!“, skandierten wütend viele junge Gewerkschafter am 1. Mai in Hamburg, als die Polizei den Arbeitern den Weg in ihr eigenes DGB-Haus versperrte. In Kampfmontur war ein Großaufgebot der Polizei aufmarschiert. Laut Informationen der LINKEN wurden gegen mehrere Gewerkschafter, darunter Matthias Maurer, Bezirksvorsitzender der IG BAU in Hamburg und Mitglied des DGB-Vorstands, Platzverweise erteilt, als sie gegen die Blockade des Hauses durch die Bullen protestierten. Der Bullenaufmarsch diente angeblich dazu, SPD-Bürgermeister Olaf Scholz zu schützen, der trotz lautem Protest die 1.-Mai-Demonstration gemeinsam mit den Spitzen des DGB angeführt hatte. Scholz ging anschließend zur Veranstaltung ins DGB-Haus. Die Empörung über die Absperrung des Gewerkschaftshauses erfasste nicht nur viele derjenigen Gewerkschafter, die sich durch die SPD nicht mehr vertreten fühlen, sondern wurde zu Recht verstanden als ein Angriff, der sich gegen die gesamte Arbeiterbewegung richtet. Selbst nachdem die DGB-Spitze aufgrund der Proteste die Polizei aufforderte, den Weg für die Mitglieder freizugeben, wurde die Blockade des DGB-Hauses noch längere Zeit aufrechterhalten, obwohl Scholz sich bereits klammheimlich durch die Hintertür verdrückt hatte. Später am Abend setzte die Polizei ihre Provokationen fort und attackierte dann Linke und Mitglieder der Gewerkschaftsjugend auf der „Revolutionären 1.-Mai“-Demo mit Wasserwerfern und Schlagstöcken. Dabei wurden mindestens 50 Demonstranten, zum Teil schwer, verletzt. Anschließend wurde gemeinsam mit den bürgerlichen Medien eine Hysterie über angebliche „linke Gewalttäter“ angeheizt. Jetzt wird versucht, die Teilnehmer sogar mit fadenscheinigen Mordermittlungen zu kriminalisieren. Sofortige Einstellung aller Verfahren gegen Teilnehmer der 1.-Mai-Demos!
Wir Spartakisten standen mit den Arbeitern vor dem DGB-Haus, wir diskutierten an unserem Büchertisch und auf der Demo mit vielen Arbeitern über unser leninistisches Programm, die Interessen der Arbeiter und die Ereignisse international und in dieser Stadt. Vielen war noch gut der Neupack-Streik im vergangenen Jahr in Erinnerung. Die Polizei sorgte damals dafür, dass Streikbrecher arbeiten konnten, indem sie die Streikpostenketten gewaltsam auseinander trieb. Durch das Ausbleiben entschlossener gemeinsamer Protestaktionen der gesamten organisierten Arbeiterbewegung gegen derlei Angriffe fühlt sich die Polizei seither ermutigt, in ihrem Vorgehen gegen die gesamte arbeitende Bevölkerung aufzutrumpfen. Dabei ist die Drangsalierung der Arbeiter am 1. Mai in Hamburg kein Einzelfall. Am gleichen Tag wurden in Stuttgart Demonstranten längere Zeit durch „Vorkontrollen“ der Polizei festgehalten und so am Demonstrieren gehindert. Erst nach Protesten des DGB-Veranstalters dort wurden die Leute wieder durchgelassen. Immer öfter nimmt die Polizei Gewerkschaftsdemos ins Visier. Polizeibrutalität ist linken Demonstranten, Arbeitern und vor allem Immigranten und ethnischen Minderheiten nur allzu bekannt, denn die Formationen der Polizei sind der Verteidigung des kapitalistischen Eigentums verpflichtet und gegen Unterdrückte gerichtet, die sich zur Wehr setzen, und nicht zuletzt eine unverhohlene Drohung gegen die gesamte Arbeiterbewegung, denn gegen wen sonst brauchen diese professionellen Schläger ihre Bürgerkriegsausrüstung? Wir sind dagegen, dass Gewerkschaften die professionellen Streikbrecher der Polizei organisieren. Die bewaffneten Schläger der Kapitalisten haben nichts in den Gewerkschaften zu suchen! Wie wir auf einem Plakat an unserem Büchertisch forderten: Polizei raus aus dem DGB!
Gegen die Politik des SPD-Senats, der für die Kapitalisten nicht nur die rassistischen Abschiebungen von Flüchtlingen, sondern auch den Sozialabbau durchsetzt, gibt es verstärkten Unmut. Der SPD-Senat hat ebenso die seit dem letzten Jahr zugenommenen sozialen Kämpfe und Proteste brutal durch seine Polizei unterdrücken lassen. Besonders der Kampf der in Hamburg gestrandeten Flüchtlinge der Gruppe „Lampedusa in Hamburg“ um ihr Recht auf Leben und Arbeit hat starke Sympathie erfahren, und um so entschlossener versuchte der Senat von Beginn an die Proteste einzuschüchtern. Staat, Hände weg von den Lampedusa-Flüchtlingen! Weg mit den rassistischen Abschiebungen! Volle Staatsbürgerrechte für alle, die es hierher geschafft haben!
Die Abriegelung des Gewerkschaftshauses darf gleichermaßen als Quittung dafür gewertet werden, dass sich der Protest gegen die Senatspolitik auch in Konflikten innerhalb des Landesvorstands der in Hamburg bedeutendsten Gewerkschaft ver.di und in deren öffentlichen Stellungnahmen für die Flüchtlinge widerspiegelte. Neben Mitgliedern der SPD ist ein nicht unerheblicher Teil des aufmüpfigen ver.di-Landesvorstands im Umfeld der LINKEN angesiedelt. Sie beteiligten sich bei den Bürgerschaftswahlen 2011 an der Kampagne „Gewerkschafter wählen Links“, einem direkten Aufruf gegen eine Wahl der SPD und für die LINKE. Es ist die Ansicht vieler enttäuschter Linker, dass die SPD „bürgerlich“ geworden sei, was dann als Begründung dafür herhalten muss, die Basis der SPD – diese stützt sich auch bei Wahlen zu einem Großteil immer noch auf die Arbeiterklasse – abzuschreiben. Es ist jedoch notwendig, innerhalb der gesamten Arbeiterbewegung, also auch mit dem Teil, der die SPD unterstützt, die Diskussion darum zu führen, dass das rassistische Gift, das die Kapitalisten und ihr Staat verbreiten, innerhalb der Arbeiterbewegung ein wirksames Mittel zu deren Spaltung ist. Daher haben die Arbeiter ein Interesse daran, Flüchtlinge zu verteidigen und müssen dafür ihre soziale Macht durch die Gewerkschaften einsetzen. Dies erfordert allerdings den Bruch mit der Politik des „kleineren Übels“.
Viele Arbeiter, die von der SPD enttäuscht sind, tendieren zur LINKEN. Diese hat sich in der letzten Zeit hervorgetan durch ihre Unterstützung für die Flüchtlinge, an deren Protesten ihre prominenten Vertreter selbst oft teilnehmen, sowie durch ihre Unterstützungserklärungen für die wenigen stattfindenden Streiks. Das tat sie aus einer verhältnismäßig einfachen Position als Oppositionspartei heraus. Wann immer ihre Ortsverbände in Berlin und Brandenburg in der Vergangenheit mitregieren konnten, haben sie nicht nur aktiv an der Zerschlagung des Tarifvertrags des Öffentlichen Dienstes mitgewirkt, sondern auch die Verantwortung übernommen für die Abschiebeknäste und die Abschiebung von Immigranten. Und in Berlin sind sie dafür verantwortlich, dass die Polizei Absprachen mit den Nazis traf, damit diese ihren mörderischen Dreck auf den Straßen ungehindert verbreiten konnten. Die LINKE bietet keine Perspektive für die Arbeiter. Im Gegenteil, sie ist wie die SPD eine sozialdemokratische Partei, die ihre Arbeiterbasis mit einem bürgerlichen Programm an den Kapitalismus kettet und ist damit selbst ein Hindernis. Ihre Vertreter in der Gewerkschaftsbürokratie sorgen dafür, die Klassenkämpfe möglichst im Rahmen der Regeln der Bosse zu halten. Was benötigt wird, ist ein politischer Kampf in den Gewerkschaften gegen die sozialdemokratischen Ausverkäufe, egal ob sie von der SPD oder der Linkspartei kommen. Für eine klassenkämpferische Führung der Gewerkschaften!
Die Arbeiter müssen mit den Irreführern aus ihren eigenen Reihen brechen, und wir Spartakisten kämpfen darum, dieses Bewusstsein in die Reihen der Arbeiterbewegung hineinzutragen. Um die üblen Angriffe der Polizei gegen Arbeiter und Immigranten ein für allemal zu beenden, muss sich das Proletariat aus einer Klasse an sich zu einer Klasse für sich entwickeln. Das bedeutet, es wird sich bewusst: In einer sozialistischen Revolution kann und muss es die Macht in der Gesellschaft ergreifen und dafür den bürgerlichen Staat zerschlagen. Dazu ist die Intervention einer revolutionären Arbeiterpartei im Verlauf von Klassenkämpfen auf breiter Ebene notwendig, die als Volkstribun auftritt und die Kämpfe aller Unterdrückten hinter der sozialen Macht der Arbeiterklasse vereint. Und das ist die Partei, die wir aufbauen wollen.