Spartakist Nr. 197 |
März 2013 |
Imperialistische Truppen raus aus Mali, sofort!
Mit dem klaren Anspruch des französischen Imperialismus auf Oberherrschaft über seine ehemaligen Kolonien in Westafrika hat Präsident François Hollande von der Sozialistischen Partei Bombenangriffe und eine Intervention von 2000 Soldaten in Mali gestartet. Der militärische Angriff, der unter der Rubrik des weltweiten „Kriegs gegen den Terror“ läuft, soll die islamisch-fundamentalistischen Kräfte, die nach Besetzung der Nordhälfte des Landes drohten auf die Hauptstadt Bamako vorzurücken, zum Rückzug zwingen. Hollande befahl unverblümt: „Vernichtet sie. Nehmt sie gefangen, wenn ihr könnt“ (Londoner Guardian, 15. Januar). Sein Verteidigungsminister erklärte frei heraus, Ziel der Mali-Mission sei „völlige Rückeroberung“.
Doch während in und im Umkreis von wichtigen von den Fundamentalisten eroberten Städten anhaltende Kämpfe wüten, beginnen sich Hollandes Kritiker innerhalb der französischen herrschenden Klasse Sorgen zu machen, man könnte in einem Schlamassel versinken, sollte man auf sich allein gestellt bleiben. Derweil könnte die Geiselnahme zahlreicher Menschen in einer Erdgasförderanlage in Algerien durch Islamisten, die sich mit den Rebellen in Mali solidarisch erklärten, – und der erhebliche Verlust an Menschenleben bei der Wiedereroberung der Einrichtung durch algerische Sicherheitskräfte – eine Kostprobe davon geben, welche Auswirkungen die imperialistische Besetzung Malis nach sich ziehen könnte. Nach anfänglichen Bedenken gegen die Intervention in Mali begrüßte die algerische Regierung den Einsatz und gewährte dem französischen Militär wichtige Überflugrechte.
Zwar verkündeten die wichtigsten kapitalistischen Mächte schnell ihre Solidarität mit der französischen Operation in Mali, doch mit der Zusage von Streitkräften und Geld sind sie zurückhaltend. Der UN-Sicherheitsrat genehmigte im vergangenen Monat einstimmig eine afrikanische „Friedens“-Mission von etwa 3300 Soldaten, und einige Länder der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft haben bereits Hunderte von Soldaten vor Ort. Doch die Imperialisten erwarten kaum, dass diese Kräfte als effektive Gendarmerie agieren. Inzwischen hat Washington, nachdem es sich anfänglich von der französischen Operation distanziert hatte, etwa 100 „Ausbilder“ in afrikanische Länder geschickt, die Truppen zur Verfügung stellen. Die deutsche Regierung erklärte Frankreich ihre Solidarität, stellte drei Transall-Transportflugzeuge zur Verfügung, um afrikanische Truppen nach Mali zu transportieren, und arbeitet daran, dass Tankflugzeuge der Bundeswehr die französischen Kampfflugzeuge in der Luft auftanken können. Am 28. Februar schließlich beschloss der Bundestag die Entsendung von bis zu 330 Soldaten als „Ausbilder“ und zur „logistischen Unterstützung“.
Die Obama-Regierung, die es immer noch sehr wurmt, dass ihr libyscher Botschafter von islamistischen Kräften getötet wurde, die während des Feldzugs zum Sturz Muammar al-Gaddafis von den USA und ihren Verbündeten bewaffnet und finanziert worden waren, schloss eine Entsendung von Kampfflugzeugen nach Mali aus. Das Weiße Haus stellte sich auch gegenüber Ersuchen taub, es möge doch Tankflugzeuge zur Betankung französischer Kampfjets zur Verfügung stellen, angesichts der großen Entfernungen bei der Überquerung Nordafrikas ein wichtiges Anliegen Frankreichs bei seinem imperialistischen Raubzug. Aber Washington hat, wie auch Britannien, Deutschland, Italien, Belgien, Kanada und Russland, der französischen Operation begrenzte logistische Unterstützung zugesagt.
Unmittelbar nach Ankündigung der französischen imperialistischen Expedition brachten unsere Genossen der Ligue trotskyste de France (LTF) ein Flugblatt heraus, das den Abzug der französischen Truppen aus Mali und ganz Afrika forderte und zur Verteidigung der Aufständischen gegen die imperialistische Intervention aufrief. Das Flugblatt erwähnt, dass zu den vielfältigen Sicherheitsinteressen Frankreichs in der Region die Uranminen im nördlichen Niger gehören, die seit Jahrzehnten von dem französischen Atomenergiekonzern Areva und dessen Vorgängern betrieben werden.
Die amerikanische Bourgeoisie hat in Afrika ihre eigenen imperialistischen Interessen. Ein Kongressbericht vom vergangenen Sommer mit dem Titel Africa Command: U.S. Strategic Interests and the Role of the U.S. Military in Africa [Regionalkommando Afrika: Strategische US-Interessen und die Rolle des US-Militärs in Afrika] betont „die zunehmende Bedeutung von Afrikas Rohstoffquellen, insbesondere der Energieressourcen“ und äußert „wachsende Sorge über gewalttätige extremistische Aktivitäten“. Der Bericht nennt insbesondere die Ölproduktion in Nigeria – Afrikas größtes Ölexportland und der fünftgrößte Erdöllieferant der USA – und mögliche Tiefseebohrungen im Golf von Guinea.
Washington stellte für die Verstärkung des Militärs in Mali und benachbarten Ländern einen zweistelligen Dollar-Millionenbetrag zur Verfügung, um Dschihadisten daran zu hindern, in der Region Fuß zu fassen. Unter Barack Obama wurde die Hafenstadt Dschibuti am Horn von Afrika, wo im Camp Lemonnier mehr als 2000 US-Soldaten stationiert sind, zur geschäftigsten Basis für Predator-Drohnen außerhalb des afghanischen Kriegsgebietes. Seit 2007 haben die USA in Afrika auch ein Dutzend kleiner Luftwaffenstützpunkte errichtet, von wo aus Spezialeinsatzkommandos Aufklärungsflüge unternehmen. Die US-Militärpräsenz in Afrika hat unter Obama stetig zugenommen; durchschnittlich 5000 Soldaten sind, über den Kontinent verteilt, jeweils gleichzeitig im Einsatz, und im Indischen Ozean patrouillieren 30 Schiffe.
In Berlin wurde die Regierung von Anfang an zu mehr militärischem Engagement gedrängt. CDU-Bundestagspräsident Lammert forderte mehr deutsches Militär. Er verkündete, dass er sich „nicht vorstellen [kann], dass irgendjemand das für den deutschen Beitrag hält“ (die Entsendung der Transall-Maschine). Sich nicht an der imperialistischen Schlächterei in Libyen beteiligt zu haben, wie es von verschiedenen NATO-Ländern, aber auch heftig von Ex-Außenminister Joschka Fischer (Grüne) kritisiert wurde, wirkt nach. So fährt Lammert fort, der Transall-Einsatz könne nur „ein erstes demonstratives Signal, dass wir uns nicht ähnlich wie im Fall Libyen positionieren“, sein (Saarbrücker Zeitung, 19. Januar). Zuvor hatte bereits der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Jürgen Trittin, kräftig für einen Einsatz der Bundeswehr getrommelt. Gegenüber Spiegel online (14. Januar) hatte Trittin gesagt: „Ich würde von einem Außenminister gerne einmal hören, was geht, und nicht nur, was alles nicht geht.“ Die Grünen bereiten sich offensichtlich darauf vor, wieder den deutschen Imperialismus mitzuregieren, und da gehören, seit Joschka Fischers Zeiten, Kriegseinsätze dazu.
Es geht dem deutschen Imperialismus aber auch darum, seine Interessen auch in Westafrika, traditionell Einflussgebiet des französischen Imperialismus, aktiver zu vertreten und einen Fuß rein zu bekommen. Mit einem wirtschaftlich geschwächten „Partner“ in Paris scheint dies jetzt möglich. So empfing Merkel Mitte Januar den Präsidenten der Elfenbeinküste, Ouattara, und sagte über die Gespräche auf einer Pressekonferenz am 16. Januar: „Oft wird in Deutschland gedacht: Das ist eigentlich ein französischer Einflussbereich, deshalb brauchen wir uns dort gar nicht zu engagieren. Der Präsident wird seinen Besuch benutzen, um auch in Deutschland klarzumachen, … dass auch andere Länder einen guten Zugang zur Côte d’Ivoire haben.“ Und genau darum geht es: Einfluss und Interessen des deutschen Imperialismus zu sichern durch die militärische Umsetzung der neokolonialen Politik, wozu die Grünen zynisch die „Menschenrechts“rhetorik liefern. Kriegsminister de Maizière findet letzteres inzwischen überflüssig: Gegenüber der Süddeutschen Zeitung (31. Januar) argumentierte er: „Internationale Einsätze müssen realistisch erklärt sein, und die Begründungen dürfen nicht zu pathetisch vorgetragen werden.“ Wir sagen: Alle US- und EU-Stützpunkte und -Truppen raus aus Afrika!
Wie das Flugblatt der LTF betont, bedeutet unsere militärische Verteidigung der Aufständischen in Mali keinesfalls irgendeine politische Unterstützung der reaktionären Islamisten, die Gräueltaten begehen wie Auspeitschen und Amputation von Gliedmaßen und die im vergangenen Sommer ein Paar wegen einer außerehelichen Beziehung steinigten. Sie attackierten mit Spitzhacken Timbuktus historische Mausoleen und Sufi-Schreine und bedrohten auch den Bestand seltener Bibliotheken – dies erinnert an die Zerstörung zweier uralter Buddha-Statuen in Bamijan durch die afghanischen Taliban. Darüber berichtet die westliche bürgerliche Presse viel, aber viel weniger über die massenhaften Morde, Verschleppungen und Folterungen, die das Militärregime in Bamako an jeglichen vermeintlichen Widersachern begeht.
Der bewaffnete Aufstand im Norden Malis war anfänglich von der säkularen Nationalen Bewegung für die Befreiung des Azawad (MNLA) geführt worden, die manchmal Unabhängigkeit, manchmal Autonomie des Tuareg-Gebietes Malis gefordert hatte. Aus Furcht, der Aufstand könnte um sich greifen, ergriff im vergangenen März in Bamako eine Gruppe von Offizieren durch einen Putsch die Macht, setzte die Verfassung außer Kraft und begann eine Terrorkampagne gegen ihre politischen Widersacher. Im Bündnis mit islamischen Fundamentalisten besetzte die MNLA, die sich das Chaos zunutze machte, innerhalb weniger Tage den gesamten Norden Malis. Die Islamisten wandten sich unverzüglich gegen ihre MNLA-Verbündeten und verjagten sie aus den Bevölkerungszentren. Heute warnt die ins Abseits gedrängte MNLA vor einem Völkermord, sollten die französischen Luftangriffe es der malischen Armee ermöglichen, „die Demarkationslinie zu überqueren“, die den Norden Malis vom Süden trennt. Dennoch erklärt die MNLA, sie sei bereit, der französischen Intervention „zu helfen“.
Das blutige Regime in Bamako hat ganz besonders die zivile Tuareg-Bevölkerung im Visier. Die Tuareg, die dominierende ethnische Gruppe im Norden Malis, sind ein halbnomadisches Volk, das sich über die Sahara verteilt und sich ethnisch unterscheidet sowohl von Arabern, die in den nördlichen Nachbarländern Malis die Mehrheit bilden, als auch von Schwarzafrikanern, die den Süden Malis bewohnen und die Nationalregierung und das Militär kontrollieren. Als vor einem Jahr der Aufstand im Norden eskalierte, lief das Militär Amok, bombardierte die Zivilbevölkerung und verhaftete, folterte und tötete Tuareg für das „Verbrechen“ ihrer ethnischen Herkunft. Wie nicht anders zu erwarten, führten solche Gräueltaten dazu, dass Tuareg, die in der malischen Armee dienten, einige darunter von US-Spezialeinsatzkräften ausgebildet, zu den Aufständischen überliefen.
Im vergangenen Februar griff in Bamako ein Mob Wohnhäuser und Geschäfte von Tuareg und anderen ethnischen Gruppen an – darunter von Arabern, die ebenfalls in bedeutender Zahl im Norden des Landes leben –, während Sicherheitskräfte zusahen. Diesen Januar, als das französische Militär nach Norden vorstieß, um den islamistischen Kräften in der Stadt Diabaly entgegenzutreten, berichtete Human Rights Watch, malische Soldaten würden in Niono, einer Stadt an der Straße nach Diabaly, erneut Tuareg- und arabische Zivilisten massakrieren.
Die Rebellenoffensive, die im Norden Malis ausbrach, war eine indirekte Folge des erfolgreichen Kreuzzugs der Imperialisten von 2011, Gaddafi zu stürzen. Viele malische Tuareg arbeiteten auf den Ölfeldern Libyens und auch in Gaddafis Streitkräften, um so den Lebensbedingungen im Norden Malis zu entkommen, wo aufeinanderfolgende Regime weder Schulen, Krankenhäuser noch befestigte Straßen bauten – und Arbeitsmöglichkeiten gab es erst recht nicht. In der Sahel-Zone südlich der Sahara sterben laut Oxfam alljährlich fast eine Viertelmillion Kinder an Unterernährung und deren Folgen.
Mit dem Sturz Gaddafis – und den rassistischen Pogromen der von den Imperialisten unterstützten Rebellen in Libyen – kehrten diese malischen Tuareg in ihre Heimat zurück und brachten ihr militärisches Fachwissen und manchmal auch schwere Waffen mit. Viele der Waffen für die nordmalischen Rebellen wurden von reaktionären Islamisten, die zu den vom Imperialismus unterstützten Anti-Gaddafi-Kräften gehörten, hereingeschleust.
Der imperialistische Angriff wird zweifellos die bereits heftigen interethnischen Spannungen vertiefen. Die Westafrika-Korrespondentin des Londoner Guardian, Afua Hirsch, macht in einem Artikel darauf aufmerksam (6. Juli 2012). Sie berichtete aus einem Tuareg-Flüchtlingslager in Burkina Faso und schrieb, dass die schwarzen NGO-Mitarbeiter es ablehnten, mit den hellhäutigeren Tuareg zu arbeiten, weil sie „verbittert sind über den Ruf der Tuareg, sie würden Schwarzafrikaner versklaven“. Sie wies darauf hin, dass diese Vergangenheit „immer noch im Kastensystem der Tuareg zum Tragen kommt – wo ,Bella‘, dunkelhäutige Stammesmitglieder, die einst Sklaven waren, immer noch die unterste Stellung einnehmen“. Viele malische Tuareg wiederum geben an, sie seien aus ihrem Land nicht nur wegen der von der Armee verübten Gräueltaten geflohen, sondern auch, weil Bella-Milizen „es ebenso auf alle Hellhäutigen abgesehen haben“.
Dass interethnische Spannungen und Rassendiskriminierung die Region bis heute immer noch so sehr vergiften, ist ein Vermächtnis des französischen Kolonialismus, der diese und andere reaktionäre Seiten der von ihm eroberten Gesellschaften noch verstärkte. Nach der Unterwerfung der Tuareg-Region des damaligen Französisch-Sudan Ende des 19. Jahrhunderts errichteten die Kolonialisten ein rassisch diskriminierendes System, das Tuareg und Schwarzafrikaner gegeneinander ausspielte. Im Zuge ihrer Teile-und-herrsche-Politik förderte die französische Regierung die traditionelle Vorrangstellung der Tuareg gegenüber den Schwarzafrikanern. Zwar beendeten die französischen Kolonialisten im Großen und Ganzen in den ersten Jahrzehnten ihrer Kolonialbesatzung den Sklavenhandel, aber sie sorgten mit dafür, dass schwarze Sklaven noch lange danach ihren Tuareg-Herren untertan blieben. Ihr System aus Zwangsarbeit und Militärdienstpflicht basierte auf rassischen Kriterien, wobei die Tuareg-Elite ausgenommen war.
Durch ihre territoriale Grenzziehung spielten die Franzosen die Tuareg auch gegen Schwarzafrikaner und gegen algerische Nationalisten aus. In den 1950er-Jahren, nachdem entdeckt worden war, dass die Sahara-Region reich an Bodenschätzen ist, brachten sie die Idee ins Gespräch, eine neue, von Tuareg und Arabern dominierte französische Kolonie zu schaffen und das zukünftig unabhängige Mali auf den vorwiegend schwarzen Süden zu begrenzen. Frankreich ließ das Vorhaben dann fallen, und das unabhängige Mali wurde als Pulverfass ethnischer Spannungen zwischen Tuareg und Schwarzafrikanern, die die erste nachkoloniale Regierung anführten, erschaffen. Diese Spannungen führten geradewegs zum ersten Tuareg-Aufstand von 1963 und seiner brutalen Unterdrückung durch die malische Armee.
Im Rahmen des Kapitalismus werden das interethnische Blutvergießen und die entsetzliche Armut der Region kein Ende nehmen. Genau wie die Oktoberrevolution in Russland 1917 die Perspektive einer revolutionären Veränderung in den rückständigen Gegenden Zentralasiens eröffnete, muss die Befreiung der Massen in der Sahel-Zone und anderen Teilen Afrikas, deren Entwicklung so schrecklich verzögert wurde, mit dem internationalen Kampf der Arbeiterklasse für sozialistische Revolution verbunden werden. Proletarische Revolutionen in Südafrika, Ägypten oder anderen Ländern Afrikas, die schon eine erhebliche industrielle Entwicklung hinter sich haben, würden eine soziale Umwälzung vorantreiben, die auch die rückständigsten Gegenden des Kontinents erreichen würde. Eine solche Perspektive muss den Kampf für sozialistische Revolution in Frankreich und anderen imperialistischen Ländern einschließen, wo malische und andere eingewanderte Arbeiter eine lebendige Brücke zu den Kämpfen der Besitzlosen Afrikas bilden. Notwendig ist die Schmiedung trotzkistischer Avantgardeparteien, die sich dem Kampf für neue Oktoberrevolutionen verschrieben haben.
Nachfolgend drucken wir die Übersetzung des Flugblatts der Ligue trotskyste de France vom 11. Januar ab.
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Der Chef des französischen Imperialismus, François Hollande, verkündete heute Abend eine Militärintervention von französischer Luftwaffe und Spezialkräften in Mali im Rahmen einer sogenannten „antiterroristischen“ Operation. Seit Monaten sucht der französische Imperialismus nun schon nach einem Vorwand, um in seinem neokolonialen Hinterhof seine Killer in Marsch zu setzen. Heute erzählt man uns, die reaktionären Islamisten, die jetzt den Norden Malis beherrschen, hätten angeblich eine Offensive gegen den Rest des Landes begonnen und die malische Armee sei angesichts von hundert Pickup-Trucks mit islamistischen Kämpfern zusammengebrochen und somit sei der Weg in den Süden bis nach Bamako frei. Wir wissen nicht, was an dieser Geschichte wahr ist und was nicht. In jedem Fall verurteilen wir die französische Intervention. Französisches Militär raus aus Mali und aus ganz Afrika!
Seit einem Jahr wird Mali von einem reaktionären Bürgerkrieg zerrissen, bei dem die internationale Arbeiterbewegung kein Interesse hat, eine der beiden Seiten zu unterstützen – weder das Militärregime in Bamako noch die frauenfeindlichen Islamisten im Norden. Jetzt jedoch ist es notwendig, die Menschen, die im Norden bombardiert werden, entschlossen gegen das neokoloniale französische Militär zu verteidigen, ohne den finsteren Reaktionären auch nur die geringste politische Unterstützung zu gewähren. Verteidigt die Aufständischen im Norden gegen die französische Intervention!
Die New York Times berichtet heute über Gerüchte, dass ein französischer Militärhubschrauber von Truppen des Nordens abgeschossen worden sei. Jeder militärische Rückschlag für den französischen Imperialismus bei dieser Operation würde ihn schwächen und so dem Klassenkampf in Frankreich Auftrieb gegen diese kapitalistisch-imperialistische Regierung geben, die jetzt von der Sozialistischen Partei und den bürgerlichen Grünen mit Unterstützung der Kommunistischen Partei (PCF) geleitet wird. Deshalb hat die französische Arbeiterklasse mit ihrem starken Anteil an malischen Arbeitern – von denen Tausende in der Region um Paris leben – ein absolutes Interesse daran, sich dem jüngsten neokolonialen Militärabenteuer des französischen Imperialismus zu widersetzen. Wir können dies mit umso größerer Überzeugungskraft sagen, da wir im Gegensatz zur PCF und der Neuen Antikapitalistischen Partei die Arbeiter dazu aufgerufen hatten, nicht für Hollande als Oberkommandierenden zu stimmen. Was [die pseudotrotzkistische] Lutte Ouvrière angeht, die wollten sich nicht zwischen Stimmenthaltung und Stimmabgabe für Hollande entscheiden.
Das gegenwärtige Desaster in Mali ist das Ergebnis einer langen Geschichte französischer kolonialer und neokolonialer Unterdrückung. Zuerst plünderten die französischen Imperialisten das Land während ihrer jahrzehntelangen kolonialen Besetzung aus, die durch die systematische Praxis der Zwangsarbeit (offiziell erst 1946 abgeschafft) gekennzeichnet war. Danach zogen sie willkürlich die Grenzen eines „unabhängigen“ malischen Staates, der kaum mehr als die äußerlichen Attribute von Souveränität besaß. Die Währung, der CFA-Franc, wird direkt von der Banque de France verwaltet, die den Wechselkurs wie auch die Währungsreserven steuert. Die französische Militärintervention findet in einem von Frankreich ausschließlich für sich beanspruchten Einflussbereich statt. Sie hat den Zweck, die französische imperialistische Oberherrschaft in der gesamten Region aufrechtzuerhalten – und insbesondere die Profite des Konzerns Areva zu schützen, der im benachbarten Niger riesige Uranerzlager ausbeutet.
Die heutige Lage im nördlichen Mali ist eine unmittelbare Folge sowohl der Unterdrückung der Tuareg-Bevölkerung durch den malischen Zentralstaat als auch der imperialistischen Intervention in Libyen 2011, die François Hollande und [der Sozialdemokrat] Jean-Luc Mélenchon unterstützten. Diese Militärintervention brachte nicht nur verschiedene rivalisierende islamistische Milizen in Libyen an die Macht und die damit einhergehende Etablierung der frauenfeindlichen Scharia, sondern sie ermöglichte es auch reaktionären islamistischen Gruppen in der ganzen Region, an Waffen zu kommen. Wenn es den französischen Interessen zuträglich ist, wie in Libyen und Syrien, fördert Paris die Islamisten. Doch anderswo, wie in Afghanistan und jetzt Mali, werden sie niedergemetzelt. Das allein schon zeigt den grenzenlosen Zynismus der Hollande-Regierung und ihres Innenministers Valls, wenn sie über „islamischen Terrorismus“ schwadronieren – ein Codewort für die Durchführung rassistischer Polizeioperationen in Frankreich gegen eine Bevölkerungsgruppe, die wegen ihrer muslimischen Herkunft als verdächtig angesehen wird, vor allem gegen Arbeiter nord- oder westafrikanischer Herkunft und deren Familien.
Algerien betrachtet jetzt diese französische Intervention unmittelbar an seiner Grenze zu Recht als Bedrohung, die erste, seit es 1962 nach siebenjährigem Krieg die Unabhängigkeit erlangte. Dies wirft ein grelles Licht auf den Zweck von Hollandes „Eingeständnis“-Rede auf seiner Algerienreise nur ein paar Wochen zuvor [in der er zugab, dass die Franzosen im Algerienkrieg Gräueltaten begangen haben]. Derweil hat soeben der Kriegsminister Jean-Yves Le Drian von der Sozialistischen Partei das Andenken General Bigeards geehrt, des französischen Generals, der zum Symbol für Folter während des Algerienkriegs wurde.
In den vergangenen 30 Jahren wurde Mali hauptsächlich als Reservoir zur Bereitstellung schonungslos ausgebeuteter Arbeitskräfte in Frankreich benutzt. Tausende malischer Arbeiter in Frankreich haben keine Papiere, obwohl sie jahrelang hier gelebt und gearbeitet haben. Viele Jugendliche malischer Herkunft beteiligten sich 2005 an der Revolte in den Ghettovierteln und an Protesten gegen mörderischen rassistischen Polizeiterror in der Stadt Villiers-le-Bel. Die Arbeiterbewegung muss die Ghetto-Jugendlichen genauso verteidigen, wie sie sich den neokolonialen Abenteuern des französischen Imperialismus widersetzen muss. Die Arbeiterklasse dieses Landes muss zusammenstehen gegen die von den Kapitalisten und ihrer Regierung täglich verübten Übergriffe, die die Errungenschaften der Arbeiter rückgängig machen sollen. Letztendlich gibt es nur einen Weg, die blutigen weltweiten Verbrechen des französischen Militärs zu beenden: den Sturz der Diktatur des Kapitals in diesem Land durch eine von einer bolschewistischen Partei geführten Arbeiterrevolution. Französische Truppen raus aus Mali und aus ganz Afrika! Nieder mit dem französischen Imperialismus! Nieder mit der kapitalistischen Hollande-Duflot-Regierung!