Spartakist Nr. 197 |
März 2013 |
Frauen und Revolution
Irland: Proteste nach Todesfall wegen verweigerter Abtreibung
Für kostenlose Abtreibung auf Wunsch!
Durch den tragischen Tod der indischen Zahnärztin Savita Halappanavar am 28. Oktober 2012 in der Universitätsklinik von Galway drängt in Irland die Frage des Rechts auf Abtreibung erneut auf die politische Tagesordnung. Savita, in der 17. Woche schwanger, wurde am 21. Oktober in der Klinik aufgenommen, wo bei ihr eine Fehlgeburt diagnostiziert wurde. Trotz der offenkundigen Möglichkeit einer Infektion schlug ihr die Klinik wiederholte Bitten um einen Schwangerschaftsabbruch ab, weil der Herzschlag des Fötus noch feststellbar sei. Ihrem Ehemann Praveen sagte man, ein Schwangerschaftsabbruch sei nicht möglich, da „dies ein katholisches Land ist“. Nach tagelangen schrecklichen Schmerzen starb Savita an Blutvergiftung, Opfer der frauenfeindlichen Politik des irischen klerikalistischen kapitalistischen Staats.
Zwei Wochen danach, als die Nachricht von Savitas Tod bekannt wurde, brachen sich sofort massenhaft Trauer und Wut Bahn. Binnen nur weniger Stunden nach einem Aufruf versammelten sich am 14. November 2012 mehr als 2000 Menschen zu einer Protestkundgebung vor dem Dail (Parlament); über 10 000 marschierten am 17. November durch das Stadtzentrum von Dublin und Tausende weitere protestierten in Galway, Cork, Limerick und kleineren Städten in ganz Irland wie auch international. Die als Mahnwachen für Savita angekündigten Proteste waren Ausdruck tiefsitzender Wut bei einem breiten Querschnitt der irischen Gesellschaft, aber vor allem bei jungen Frauen, weil trotz der Aushöhlung der Autorität der Kirche in der Bevölkerung in den vergangenen Jahrzehnten das Leben einer Schwangeren immer noch weniger wert ist als das eines 17 Wochen alten Fötus.
Die Anti-Abtreibungsgesetze in Irland sind mit die restriktivsten der Welt. Sowohl im Norden als auch im Süden ist Abtreibung nach dem Offences Against the Person Act (Gesetz über Straftaten gegen Personen) von 1861, das für die Durchführung einer Abtreibung Strafen bis zu lebenslänglich vorschreibt, verboten. Darüber hinaus wurde in der Republik Irland 1983 durch eine Volksabstimmung der reaktionäre Achte Verfassungszusatz eingeführt, der ausdrücklich den Wert des Lebens einer Schwangeren mit dem „des Ungeborenen“ gleichsetzt. 1992 verbot der High Court [Oberstes Zivil- und Strafgericht] in einem als „X Case“ [Fall X] bekannt gewordenen Fall einem 14 Jahre alten Vergewaltigungsopfer die Ausreise zum Zweck einer Abtreibung. Massenproteste zwangen den Supreme Court [ähnlich dem Verfassungsgericht] zu der Entscheidung, dass „X“ ins Ausland reisen dürfe, um einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen zu lassen. Außerdem entschied das Gericht, eine Frau habe in Irland das Recht auf eine Abtreibung, wenn eine „wirkliche und erhebliche Gefahr“ für ihr Leben, darunter auch die Gefahr eines Selbstmords, bestehe. Doch jede irische Regierung in den darauffolgenden 20 Jahren hat sich geweigert, selbst für diese eingeschränkteste aller Abtreibungsreformen eine gesetzliche Grundlage zu schaffen.
Im Gefolge des „X Case“ wurde durch Volksabstimmungen das Recht auf Ausreise zum Zwecke einer Abtreibung und das Recht auf Information über eine Abtreibung in der Verfassung verankert (während zwei andere Zusätze, Selbstmordgefahr als gültigen Grund für eine Abtreibung anzusehen, abgewiesen wurden). Seitdem sind Zehntausende Frauen nach Britannien und anderswohin gereist, um ihre Schwangerschaften abzubrechen, 2011 mehr als 1000 aus Nordirland und über 4000 aus dem Süden. Frauen müssen für die Prozedur Hunderte von Pfund aufbringen, dazu Reise- und Unterkunftskosten, und viele reisen danach sofort wieder nach Hause, wo ihnen im Falle von Komplikationen keine ausreichende medizinische Betreuung zur Verfügung steht. In den vergangenen Jahren haben sich Frauen stattdessen lieber über das Internet Abtreibungspillen beschafft. Dies ist eine billigere Alternative und für viele Immigrantinnen, die nicht reisen dürfen, die einzige. So sicher diese Pillen sind, stellt es für Frauen doch ein Risiko dar, wenn sie gezwungen sind, sie ohne medizinische Überwachung einzunehmen. Dessen ungeachtet versichern sich die irische herrschende Klasse und die Kirche immer noch gegenseitig, dass Abtreibungen im „katholischen Irland“ nicht vorkommen.
2010 urteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte einstimmig, dass der irische Staat gegen den Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention verstößt. Dieses Urteil erging im Falle von „C“, einer in Irland lebenden Litauerin, die während einer Krebsbehandlung schwanger wurde. Unter Irlands drakonischer Anti-Abtreibungs-Gesetzgebung wollte kein Arzt eine Entscheidung darüber treffen, ob ihr Leben bei der Fortsetzung der Schwangerschaft bedroht sei, so dass sie gezwungen war, für eine Abtreibung nach Britannien zu reisen. Anstatt nun wenigstens zu klären, unter welchen Umständen eine Frau tatsächlich Anspruch auf eine Abtreibung hat, berief die Koalitionsregierung aus Fine Gael und Labour als Reaktion auf dieses Urteil eine „Expertengruppe“, die die verschiedenen Alternativen darlegen sollte. Nach den Protesten wegen Savita Halappanavars Tod veröffentlichte die Regierung schließlich den lange überfälligen Bericht und verspricht jetzt Anfang 2013 entsprechend zu handeln. Doch selbst das ist der Kirche und rechten Elementen von Fine Gael und Fianna Fail zu viel. Labour versichert inzwischen, dass dies nicht die siebente Regierung in Folge sein wird, die es versäumt, Gesetze im Sinne des „X Case“ zu erlassen (obgleich Labour zwei der sechs Vorgängerregierungen, die dies nicht taten, angehörte!). Labours oberste Priorität ist es jedoch, die Stabilität der Regierung aufrechtzuerhalten, und so haben sie 2012 zweimal zusammen mit Fine Gael und Fianna Fail einen Antrag von Mitgliedern der Vereinigten Linksallianz auf eine minimale Abtreibungsgesetzgebung niedergestimmt.
Die Proteste nach Savitas Tod offenbaren, wie tief die Wut sitzt gegen die frauenhassende katholische Kirche und die kapitalistische Regierung, die im Dienste der von EU und IWF geforderten Austeritätspolitik Löhne und Gesundheits- und Bildungsleistungen drastisch kürzt. Die Menschen waren nicht nur empört über Savitas Tod, viele bestanden auch darauf, dass Frauen viel mehr zusteht als nur das im „X-Case“-Urteil garantierte „Recht“ auf Abtreibung, d. h. nur, wenn ihr Leben in Gefahr ist. Die Erringung auch nur minimaler Abtreibungsrechte erfordert einen ernsthaften sozialen Kampf gegen die Kräfte der abtreibungsfeindlichen Reaktion, einschließlich des klerikalistischen Staates, der Kirche und ihrer Schocktruppen von Youth Defence. Die skandalgebeutelte Kirchenhierarchie, heute bei weiten Teilen der Gesellschaft verhasst, ist dennoch nicht bereit, in der Frage der Abtreibung auch nur geringfügigste Reformen zuzulassen. In einer bedrohlichen Demonstration der Stärke der klerikalistischen Reaktion versammelten sich am 4. Dezember 2012 mehrere Tausend abtreibungsfeindliche Fanatiker, darunter nicht weniger als vier Bischöfe, vor dem Dail und forderten, Fine Gael solle sein „Pro-Life-Versprechen“ halten und keinerlei Gesetze zur Legalisierung der Abtreibung verabschieden, auch nicht in der vom „X-Case“-Urteil verlangten Form.
Im Gegensatz zu dem notwendigen Kampf gegen solche Kräfte der Reaktion kanalisieren die reformistischen Organisationen Socialist Party (in Deutschland SAV) und die Socialist Workers Party (in Deutschland marx21) in Irland Proteste für Abtreibungsrechte in die Sackgasse, vom bürgerlichen Parlament schrittweise Reformen zu erwarten, und beschränken ihre Forderungen auf das im Moment „Mögliche“. So wandte sich die SWP mit der Überschrift „Gesetzgebung jetzt!“ auf ihren Flugblättern an die Regierung und versuchte gleichzeitig, sich durch die zusätzliche Forderung auf der Rückseite nach „kostenloser, sicherer & legaler Abtreibung“ eine linke Flankendeckung zu verschaffen. Die Socialist Party erklärt zwar „X ist ein Anfang, aber es ist nicht genug“, propagiert aber „eine Massenbewegung einfacher Menschen der Arbeiterklasse und der Jugend, um das politische Establishment dazu zu zwingen, eine Gesetzgebung für Abtreibungsrechte einzuführen“. Diese reformistische Herangehensweise fördert eine Demobilisierung der Proteste für Abtreibungsrechte, insbesondere angesichts der Versprechungen der Regierung über eine unmittelbar bevorstehende Gesetzgebungsinitiative. Im Gegensatz dazu ist unsere Ausgangsbasis nicht, was der kapitalistische Staat als „durchführbar“ erachtet, sondern was Frauen brauchen.
Die Spartacist League/Britain veröffentlichte am 16. November 2012 das nachfolgende Flugblatt mit der Überschrift „Für kostenlose Abtreibung auf Wunsch!“. Das Flugblatt wurde bei Demonstrationen in Dublin und London verteilt und polarisierte. Wenn Leute die Überschrift sahen, lehnten sie entweder ab, es zu nehmen, oder sie rissen es uns aus der Hand und verlangten manchmal gleich noch mehr Exemplare für ihre Freunde und Familien. Durch solche Interventionen versuchen wir die hartnäckigsten Kämpfer für Frauenrechte für das Programm des Aufbaus einer revolutionären Avantgardepartei zu gewinnen.
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Der qualvolle Tod von Savita Halappanavar am 28. Oktober, nachdem man ihr wiederholt eine Abtreibung verweigert hatte, ist nur die jüngste Gräueltat des irischen klerikalistischen Staates an einer Frau. Es ist offenbar, dass sich 20 Jahre nach den Massenprotesten in Irland wegen des „X Case“ nichts grundlegend geändert hat: Eine Frau kann keine Abtreibung bekommen, um ihr Leben zu retten. Die barbarische Behandlung der jungen Inderin im Krankenhaus rief weit verbreitete Empörung hervor und es gibt massenhafte Unterstützung dafür, Irlands faktisches Abtreibungsverbot zu beenden. Halappanavars Mutter verurteilte Irlands Abtreibungsgesetze vehement und sagte: „Bei dem Versuch, einen vier Monate alten Fötus zu retten, haben sie meine 30jährige Tochter getötet“ (The Hindu, 15. November 2012).
Es drängt sich heute mit aller Macht die Frage auf: Wie kann es sein, dass im 21. Jahrhundert einer Frau, die eine Fehlgeburt erleidet, eine Abtreibung verweigert wird, die ihren Tod hätte verhindern können? Irland ist „ein katholisches Land“, wurde der sterbenden Frau erklärt. Macht euch nichts vor: Jeder effektive Kampf für Abtreibungsrechte bedeutet notwendigerweise einen harten Kampf gegen die geballte Macht der klerikalen Reaktion und gegen den kapitalistischen Staat.
Die Massenproteste von 1992 zwangen den Supreme Court zu der Entscheidung, dass die als „X“ bekannte junge Frau zu einer Abtreibung ins Ausland reisen durfte. Damals beschwichtigten die Liberalen und Linken, die die Kampagne angeführt hatten, die Massenbewegung damit, eine Gesetzgebung für das Recht auf Abtreibung würde automatisch folgen. Solche Illusionen in den irischen kapitalistischen Staat wurden dazu benutzt, den Kampf zu demobilisieren. Wir warnten:
„Den Frauen Irlands und allen, die für das Recht auf Abtreibung eintreten, steht immer noch ein harter Kampf bevor für das, was notwendig ist: kostenlose Abtreibung und Verhütung auf Wunsch. Es könnte kaum deutlicher sein, dass eine proletarische Revolution nötig ist, um die Macht der Kirche in der Gesellschaft zu brechen, und dass die reformistischen Parteien der irischen Arbeiterklasse dem kapitalistischen System von Austerität, Unterdrückung und religiösem Fanatismus voll und ganz verhaftet sind.“ (Workers Hammer Nr. 129, Mai/Juni 1992)
Um das Recht auf Abtreibung, die Trennung von Kirche und Staat wie auch ein anständiges Gesundheits- und Bildungswesen zu erkämpfen, ist es notwendig, gegen das gesamte reaktionäre Gebäude des Kapitalismus anzugehen. Es ist im unmittelbaren Interesse der Arbeiterklasse – Männer wie Frauen –, im Rahmen des Kampfes für ihre Befreiung von kapitalistischer Austerität, Ausbeutung und Unterdrückung den Kampf für kostenlose Abtreibung auf Wunsch aufzunehmen. Die irische Gesellschaft ist nicht mehr durch den Klerus geknechtet, wie es jahrzehntelang der Fall war. Aber die Kirche besitzt immer noch einen bedeutenden Einfluss auf das Bildungs- und Gesundheitswesen – viele Krankenhäuser unterwerfen sich katholischen Ethikrichtlinien. Das Recht auf Abtreibung darf nicht den Moralvorstellungen von Ärzten oder Krankenhausleitungen unterworfen sein. Für kostenlose Abtreibung auf Wunsch! Für kostenlose öffentliche Gesundheitsversorgung für alle! Für die Trennung von Kirche und Staat!
Unter dem Kapitalismus sind demokratische Rechte das Ergebnis sozialer Kämpfe und müssen ständig gegen Angriffe verteidigt werden. In den 20 Jahren seit dem „X Case“ haben abtreibungsfeindliche Kräfte unablässig versucht, jede Bresche, die für das Recht auf Abtreibung geschlagen wurde, wieder zu schließen, wie z. B. das Recht auf Information über Abtreibungseinrichtungen und das Recht auf Verlassen des Landes zum Zwecke einer Abtreibung. Es ist eine Illusion, zu glauben, dass die kapitalistischen Parteien Fianna Fail und Fine Gael, oder auch Labour, eine bürgerliche Arbeiterpartei, die reaktionären katholischen Kräfte wegen des Rechtes auf Abtreibung grundsätzlich herausfordern werden. Doch dies sind die Parteien, vor denen Reformisten kapitulieren, indem sie ihre Forderungen auf eine dem Supreme-Court-Urteil zum „X Case“ entsprechende Gesetzgebung beschränken. Dies läuft darauf hinaus, dass Abtreibung nur in Fällen legal sein soll, in denen das Leben der Frau in Gefahr ist. Die Forderung nach „kostenloser Abtreibung“, die die Socialist Workers Party ganz am Ende des Flugblatts vom 14. November noch anfügt, ist bloß ein Feigenblatt zur Verhüllung ihrer Unterwürfigkeit gegenüber dem irischen Staat.
Tanaiste (Vizepremierminister) Eamon Gilmore von Labour hat versprochen, dass die Regierung Richtlinien darüber herausbringen wird, wann eine Abtreibung erlaubt ist. Natürlich verteidigen Marxisten jeden errungenen Rechtsanspruch auf Abtreibung, wie begrenzt er auch sein mag. Jegliche Legalisierung der Abtreibung würde in der Regierung eine Spaltung hervorrufen, weil einige TDs (Parlamentsabgeordnete) von Fine Gael darauf bestehen, dass keine Gesetzgebung zustande kommt. Auch Sinn Fein ist, wie Gerry Adams zugab, in dieser Frage gespalten: „Ich bin mir bewusst, dass in der Frage des medizinischen Abbruches auch innerhalb von Sinn Fein und in der Gesellschaft insgesamt unterschiedliche Ansichten hart aufeinanderprallen“. Adams endet mit dem Standardaufruf an die Regierung, eine Gesetzgebung zu verabschieden, zweifellos in der Annahme, dass eine solche Gesetzgebung den abtreibungsfeindlichen Eiferern, auch in seiner Partei, nicht zu nahe treten wird.
Clare Daly (ehemaliges Mitglied der Socialist Party) und andere über die Liste der Vereinigten Linksallianz gewählte TDs brachten Anfang 2012 einen Antrag im Dail ein, der lediglich vorsah, „einen Schwangerschaftsabbruch zu ermöglichen, wenn eine wirkliche und erhebliche Gefahr für das Leben der Mutter vorliegt“ (Irish Times, 22. Februar 2012). In der Dail-Debatte nach dem Tod Savita Halappanavars plädierten sieben „linke“ TDs – Patrick Nulty, Mick Wallace, Clare Daly, Joan Collins, Richard Boyd Barrett, Joe Higgins und Catherine Murphy –, die Fine-Gael/Labour-Koalitionsregierung solle Gesetze erlassen „für eine Abtreibungsregelung in der Form, wie sie die Richtlinien des Supreme-Court-Urteils im ,X Case‘ erlauben“ (thejournal.ie, 15. November).
Labour-Senatorin Ivana Bacik fordert ebenfalls Gesetze, „um das Leben schwangerer Frauen zu schützen“ (Irish Times, 16. November). Bacik zitiert den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, der 2010 urteilte, Irland müsse in der Frage der Abtreibung die Rechtslage klarstellen. Die Regierung berief eine „Expertengruppe“, die Vorschläge erarbeiten sollte, wie man dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs Genüge tun kann, würde aber eine Entscheidung gerne so lange wie möglich hinauszögern. Viele hoffen heute immer noch auf die Europäische Union zur Liberalisierung der irischen Abtreibungsgesetze und zur Legalisierung von Schwulenehen usw. Derartige Hoffnungen werden wohl vergebens sein. Wir sind Gegner der Europäischen Union, ein imperialistischer Verein, der bösartige Angriffe auf die arbeitenden Menschen in Irland, wie auch in Griechenland, Spanien und Portugal, diktiert.
Die Beschränkung der Forderung von Abtreibungsrechten auf Fälle, bei denen das Leben der Frau in Gefahr ist, ist Verrat an den grundlegenden Bedürfnissen irischer Frauen, die alljährlich zu Tausenden dazu gezwungen sind, wegen einer Abtreibung nach Britannien zu reisen. Um eine Vorstellung davon zu bekommen, wie eine Regierungsgesetzgebung aussehen könnte, braucht man nur über die Grenze nach Nordirland zu schauen, wo eine Abtreibung nur möglich ist, wenn „eine Gefahr für das Leben der Frau oder eine wirkliche und erhebliche Gefahr einer langfristigen oder dauerhaften Beeinträchtigung ihrer körperlichen und seelischen Gesundheit besteht“. Abtreibung unterliegt in Nordirland der Strafgerichtsbarkeit und „kann im Höchstfall mit lebenslänglicher Haft bestraft werden“ (Irish Times, 12. Oktober).
Die neu eröffnete Marie-Stopes-Privatklinik in Belfast, die nicht-chirurgische Abtreibung bis zur neunten Woche anbietet, rief Protestgeschrei sowohl katholischer als auch protestantischer Reaktionäre hervor. Ein Artikel in der Irish Times (22. Oktober) bemerkte: „Im vergangenen Jahr wurden im Norden nur 43 legale Abtreibungen durchgeführt, während die Family Planning Association (Verband zur Familienplanung) wöchentlich 40 Frauen von dort zu einer privaten Abtreibung an britische Kliniken überwies. Wie für die betroffenen Frauen im Süden ist das Schiff nach Britannien die einzige wirkliche Option.“ Der überwiegenden Mehrzahl proletarischer und armer Frauen lässt das „Recht“ auf eine Abtreibung ohne die Mittel, sie zu bezahlen, nicht viel „Wahlmöglichkeit“. Frauen in Irland, im Norden wie im Süden, sind abhängig von den Abtreibungsmöglichkeiten in Britannien, wo Abtreibung 1967 legalisiert wurde. Doch heute ist das Recht auf Abtreibung in Britannien immer wieder unter Beschuss, einschließlich eines Versuchs, die 24-Wochen-Frist zu verkürzen. Geburtenkontrolle und Abtreibung bleiben in der gesamten kapitalistischen Welt vom Staat, von der Institution der Familie und durch die organisierte Religion eingeschränkt, die allesamt Instrumente der Frauenunterdrückung sind.
Der Kampf für das Recht auf Abtreibung muss mit dem Kampf für Frauenbefreiung durch sozialistische Revolution verknüpft werden. Gegen Liberale und Reformisten, die ihre Forderungen so zuschnitten, dass ihrer Meinung nach reaktionäre Kräfte möglichst wenig provoziert wurden, erklärten wir 1992: „Für eine fortschrittliche Lösung kann dieser gordische Knoten bürgerlichen ,verfassungsrechtlichen‘ juristischen Gerangels nur durch einen zähen, prinzipienfesten und eisenharten Kampf durchschlagen werden: nicht für diese Reform oder jene Formulierung, sondern für das, was Frauen und die Arbeiterklasse brauchen“ („For a working class-centered fight for free abortion on demand!“ [Für einen Kampf für kostenlose Abtreibung auf Wunsch, in dem die Arbeiterklasse zentral ist!], Workers Hammer Nr. 129, Mai/Juni 1992). Eine sozialistische Revolution wird das klerikalistische kapitalistische System im Süden und das der [britisch-]loyalistischen Herren im Norden niederreißen. Nur die Errichtung einer Planwirtschaft kann eine hochwertige Gesundheitsversorgung sowie Abtreibung und Verhütung auf Wunsch kostenlos und sicher bereitstellen. Eine solche Gesellschaft würde Arbeitsplätze für alle zur Verfügung stellen und so die materielle Grundlage für die wirkliche Befreiung der Frauen schaffen. Wir wollen proletarisch-internationalistische Parteien aufbauen, die dem revolutionären Sturz des Kapitalismus auf beiden Seiten der irischen Grenze und auf beiden Seiten der Irischen See verpflichtet sind.
Übersetzt aus Workers Hammer Nr. 221, Winter 2012/2013