Spartakist Nr. 196 |
Januar 2013 |
Gauche révolutionnaire verlässt das sinkende Schiff
NPA: Für Opportunisten nicht mehr opportun
Der folgende Artikel ist übersetzt aus Le Bolchévik Nr. 201, September 2012.
Die Gauche révolutionnaire (GR – Revolutionäre Linke), französische Sektion des Komitees für eine Arbeiterinternationale (CWI, in Deutschland SAV), hat auf ihrer letzten Nationalkonferenz (4.–5. Februar) dafür gestimmt, die Neue Antikapitalistische Partei (NPA) zu verlassen, die sie 2009 im Anschluss an den Wahlerfolg von Olivier Besancenot bei den Präsidentschaftswahlen 2007 selbst mitgegründet hatte.
Diese kleine Gruppe antikommunistischer Sozialdemokraten hatte sich seinerzeit bei den Wahlen für das Himmelsgeschenk begeistert (wie so viele andere: die Lambertisten der CRI, die Morenisten, die Anhänger Barcias von der ehemaligen Minderheit in Lutte ouvrière …), das die NPA „links von der Linken“ damals darstellte. Die GR hat also diese Organisation, in der sie drei Jahre lang eine aktive und loyale Strömung darstellte – zwei ihrer Mitglieder waren sogar Teil der nationalen Führung der NPA – so lange aufgebaut, bis der fortschreitende Zerfall der NPA und die sich ankündigende Wahlschlappe bei den Präsidentschaftswahlen 2012 die Hoffnungen der GR zerstörten, in einer wirklichen sozialdemokratischen Massenpartei zu schwimmen.
Die Ligue „communiste révolutionnaire“ von Alain Krivine und Olivier Besancenot, aus der die NPA hervorging, hatte (ganz wie das CWI) vor 20 Jahren die konterrevolutionäre Zerstörung der UdSSR unterstützt, ebenso wie die darauffolgende ideologische Kampagne der Bourgeoisie über den „Tod des Kommunismus“. Die LCR versuchte also seit langer Zeit, sich offiziell all ihrer „kommunistischen“, „revolutionären“ oder „trotzkistischen“ Worthülsen und Forderungen zu entledigen, um als institutioneller Partner im Rahmen der französischen kapitalistischen Demokratie wirklich anerkannt zu werden. Das Fundament der NPA bestand demnach in der Ablehnung der Russischen Revolution und der Diktatur des Proletariats; es ging darum, als französische „Sozialisten des 21. Jahrhunderts“ anerkannt zu werden, d. h. als Ablösung der „Sozialisten des 20. Jahrhunderts“ der Sozialistischen und der Kommunistischen Partei.
Aber in dieser reaktionären Periode, in der das Niveau der sozialen Kämpfe seit Jahren niedrig ist (mit Ausnahme der sporadischen Explosion über die Renten 2010, die von der Gewerkschaftsbürokratie sabotiert wurde), ist die Situation zur Schaffung neuer Massenparteien der Arbeiterklasse, auch reformistischer, nicht sehr günstig. Die NPA ist von Jean-Luc Mélenchons Linksfront völlig vereinnahmt worden, welche jedoch trotz des guten Wahlergebnisses von Mélenchon bei den Präsidentschaftswahlen in diesem Jahr nicht recht in Gang kommen will. Nach drei anstrengenden Jahren des Versuchs, das Schiff der NPA über Wasser zu halten, hat sich die GR nun entschieden, von Bord zu springen. Widerwillig hat sie dazu aufgerufen, Philippe Poutou (NPA) zu wählen, ohne jedoch eine Stimmabgabe für Mélenchon zu untersagen; beide Kandidaten machten eine Kampagne, um „Sarkozy zu besiegen“, d. h. im zweiten Wahlgang François Hollande zu wählen – für die GR war das logisch, hat sie doch selbst gefordert: „Sarkozy verschwinde“ (Beilage in der l’Egalité vom Mai 2012).
Nach ihrem Austritt aus der NPA zeigt die GR noch nicht einmal verspätet Gewissensbisse angesichts der ganzen Fälle von Verrat, die in den letzten Jahren von dieser Organisation verübt worden sind – noch nicht einmal in Bezug auf die Unterstützung der NPA für Sarkozys „Revolutionäre“ in Libyen, die heute in diesem Land die extremsten Formen der Scharia einsetzen. So hat die NPA seit März 2011 die Anerkennung der libyschen CNT gefordert und den Imperialisten in einem Appell vom 19. März sogar vorgeworfen, angesichts der Verbrechen Gaddafis zögerlich und unentschlossen zu sein.
Diese Art von Verrat hat für die GR kaum eine Bedeutung. Das geht sogar einher mit ihrem Willen, „eine neue Arbeiterpartei“ aufzubauen. Diese Konzeption ist das genaue Gegenteil von Lenins Konzeption, eine revolutionäre Avantgardepartei aufzubauen, die als notwendiges Werkzeug der Arbeiterklasse auf dem Weg zur Macht und zur Enteignung der Bourgeoisie unerlässlich ist. Lenin hatte verstanden: Damit das Proletariat seine historische Mission der Emanzipation der ganzen Menschheit erfolgreich erfüllen kann, ist es notwendig, sich von allen Kräften zu trennen, die versuchen die Arbeiterklasse im Schoß der kapitalistischen Demokratie zu belassen, und sich von allen Formen einer „Partei der Gesamtklasse“, einer „sozialdemokratischen Partei“ oder „Partei der Arbeiter“ abzuspalten.
Die britischen Genossen der GR ihrerseits sind mit ihrem Parteiführer Peter Taaffe jahrzehntelang in der Labour Party verblieben und haben diese loyal und hartnäckig unterstützt trotz der Tatsache, dass die Labour Party den britischen Imperialismus mit seinen blutigen Verbrechen treu ergeben verteidigte. Schlussendlich haben sie Labour vor ungefähr 20 Jahren verlassen. Die Parteien der Zweiten Internationale, einschließlich derer, die die Verbindung zur Arbeiterklasse aufrechterhalten haben wie die deutsche Sozialdemokratie, sind am 4. August 1914 auf die Seite der Bourgeoisie übergegangen, als sie für die Kriegskredite für die erste weltweite interimperialistische Schlächterei stimmten. Und Lenin hatte daraus die Schlussfolgerung gezogen, dass die Sozialdemokratie für die Weltrevolution erledigt sei und dass man eine neue Internationale aufbauen müsse.
Die Liquidierung der GR in die sozialdemokratische NPA war also kein Probestück der Taaffe-Anhänger; es handelt sich im Gegenteil um den eigentlichen Kern ihrer Politik – und übrigens hat der GR-Führer Alex Rouillard versprochen, ohne Bedauern erneut anzufangen: „Mitglieder der NPA oder solche, die es waren, stehen für einen neuen Versuch schon zur Verfügung“ (l’Egalité, März-April 2012). Ihre brasilianischen Genossen haben sich vor einigen Jahren in der P-SOL lächerlich gemacht, einer Partei, deren Vorsitzende Eloísa Elena eine praktizierende Katholikin war (siehe Le Bolchévik Nr. 171, März 2005). Ihre griechischen Genossen traten Anfang 2012 aus Syriza aus, in die sie sich jahrelang liquidiert hatten; als jedoch Syriza begann in den Wahlumfragen zu glänzen, bereuten sie dies schwer und machten folglich eine große Wahlkampagne für Syriza – eine Koalition, die den Verbleib Griechenlands in der imperialistischen Europäischen Union explizit befürwortet (siehe die Artikel in Spartakist Nr. 194, Juli 2012, einschließlich unseres Aufrufs „Wählt KKE! Keine Stimme für SYRIZA!“).
Mit Verachtung betrachten wir das Umherwandern der GR und anderer Gruppen dieser Art. Ihre vielfach gescheiterten Versuche, Hindernisse zwischen der Arbeiterklasse und der Revolution aufzurichten, sollten ihnen den Weg zeigen: geradewegs in den Mülleimer der Geschichte.