Spartakist Nr. 196 |
Januar 2013 |
Faschisten profitieren von Wirtschaftskrise
Griechenland: Kapitalisten bluten Arbeiterklasse aus
Der folgende Artikel ist übersetzt aus einem Extrablatt unserer Genossen der Trotzkistischen Gruppe Griechenlands vom November 2012.
Das aus den Wahlen vom vergangenen Juni hervorgegangene Regierungsbündnis aus Nea Dimokratia, Pasok [die bürgerliche Panhellenische Sozialistische Bewegung] und Demokratischer Linken arbeitet daran, den griechischen Kapitalisten und deren imperialistischen Oberherren von der Europäischen Union (EU) und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) weitere 13,5 Milliarden Euro an Austeritätskürzungen abzuliefern. EU und IWF fordern als Preis für die sogenannte „Finanzhilfe“, d. h. das Geld, mit dem blutsaugende internationale Bankiers über Wasser gehalten und die griechische Bourgeoisie vor einem Staatsbankrott bewahrt werden soll, die schonungsloseste Beraubung der Arbeiter und Unterdrückten. Die imperialistischen Herrscher – nicht zufrieden damit, Gesundheits- und Erziehungswesen, Renten und Gehälter um weitere Milliarden zu kürzen – fordern, Griechenland solle eine „Arbeitsreform“ durchführen. Diese Reform ist so brutal, dass selbst ein solcher Speichellecker der Kapitalisten wie der Führer der Demokratischen Linken Fotis Kouvelis sagte, sie würde „das, was von Arbeiterrechten noch übriggeblieben ist, zerstören“.
Die offizielle Arbeitslosigkeit in der Gesamtbevölkerung ist auf 25 Prozent hochgeschnellt, und die Jugendarbeitslosigkeit auf über 50 Prozent. Fast 60 Prozent der Arbeitslosen sind Frauen. Weitere 25 000 Arbeitsplätze aus dem öffentlichen Dienst sollen innerhalb des nächsten Jahres gestrichen werden. Derweil hat die griechische Bourgeoisie die Arbeitskosten allein im letzten Jahr um nahezu 12 Prozent gedrückt, während die Inflation weiter ansteigt. Die Troika [EU, Europäische Zentralbank und IWF] fordert, dass das nationale Tarifabkommen [NGCLA] nur für gewerkschaftlich organisierte Arbeiter gelten soll, so dass die Bourgeoisie die verletzlichsten Arbeiter aushungern und die Arbeiterbewegung weiter spalten und schwächen kann.
Zusätzlich zu der verzweifelten Lage, der sich die Arbeiterklasse gegenübersieht, steht ein Teil von Griechenlands zahlreicher Kleinbourgeoisie vor dem Ruin, insbesondere kleine Ladenbesitzer und Familienbetriebe. Im ganzen Land musste im letzten Jahr ein Viertel der Geschäfte schließen und in Athen haben 42 Prozent ihr Geschäft aufgegeben. Die allseitige soziale Krise spiegelt sich auch in einem Gesundheitssystem wider, das vor dem Kollaps steht, bei regelmäßiger Knappheit an Medikamenten und grundlegenden Hilfsmitteln. Hunderttausende arbeitslose Menschen stehen ohne jegliche medizinische Versorgung da. In der New York Times (24. Oktober) wird ein Athener Krebsarzt wie folgt zitiert: „Im Augenblick bedeutet arbeitslos zu sein in Griechenland den Tod.“
Als Reaktion auf die sich immer mehr verschlechternden Lebensbedingungen der Arbeiter und ihrer Familien gab es bisher in diesem Herbst neben mehreren von den Gewerkschaftsverbänden GSEE und ADEDY ausgerufenen ein- und zweitägigen Generalstreiks eine ganze Reihe von Proteststreiks in verschiedenen Bereichen. Große Demonstrationen beim Besuch der deutschen Kanzlerin Angela Merkel im Oktober in Athen machten den Versuch der Regierung, Demonstrationen zu verbieten, zur Farce. Trotz dieser Darbietungen der Wut und des Kampfgeistes der Arbeiterklasse sind die Imperialisten und ihre einheimischen Lakaien in der griechischen Bourgeoisie dazu entschlossen, die Finanzkrise dazu zu benutzen, die Uhr zurückzudrehen und die wenigen verbliebenen Errungenschaften zu vernichten, die sich die Arbeiter gegen die hemmungslose Ausbeutung erkämpft hatten.
Nazi-Anhänger profitieren von kapitalistischer Reaktion
Die Kapitalisten sind bereit, gegen die widerspenstige Arbeiterklasse nicht nur die Repressionskräfte des kapitalistischen Staates – Bullen und Gerichte –, sondern auch die Schocktruppen der nationalchauvinistischen Reaktion, wie Chrysi Avgi, in ihren Dienst zu stellen. Während die Wut über die Regierungsparteien von Tag zu Tag anschwillt, zeigen die jüngsten Umfragen zunehmende Unterstützung sowohl für das [linke] Syriza-Bündnis als auch für die faschistische Chrysi Avgi, die bedrohlicherweise auf dem dritten Platz ist. Der Zerfall der griechischen Gesellschaft hat eine tiefgehende politische Polarisierung zur Folge. Die Atmosphäre verstärkter staatlicher Repression gegenüber Immigranten, Linken und Arbeitern in Verbindung mit dem Fehlen einer revolutionären Führung, die die Arbeiterklasse aus dieser Sackgasse herausführen könnte, sind die Rahmenbedingungen für das Wachstum der faschistischen Reaktion.
Der rasche Aufstieg der Nazifreunde von Chrysi Avgi ist keine Verirrung: Die Kapitalisten halten die Faschisten in Reserve, weil sie in Zeiten der Instabilität als Waffe gegen die Arbeiter von Nutzen sind. Tatsächlich hat die griechische Bourgeoisie eine lange Geschichte der Grausamkeit gegenüber der Arbeiterklasse und hat zur Zerschlagung der Arbeiterbewegung immer wieder auf rechten Terror, bonapartistische Diktaturen und Militärherrschaft zurückgegriffen. Chrysi Avgi ist die jüngste Verkörperung dieser griechischen Tradition. In einem Land, wo während des Zweiten Weltkriegs unter der Nazi-Besatzung Hunderttausende umkamen, verleugnet Chrysi Avgi mitunter ihre Inspiration durch die Nazis und verteilt publikumswirksam Lebensmittelpakete an bedürftige Griechen oder „schützt“ ältere Menschen vor Verbrechen, die sie Immigranten zuschreibt. Doch ihr Hitlergruß und ihre Nazi-inspirierten Abzeichen und Parolen sind unmissverständlich. Ihr Wahlerfolg im Juni und die darauffolgende zunehmende Popularität haben diese rassistischen Terroristen, die regelmäßig blutige Übergriffe auf Immigranten und ihre Verteidiger durchführen, ermutigt.
Entgegen den scheinheiligen Erklärungen der Regierung gegen Chrysi Avgi bekommen diese faschistischen Marodeure ihr Stichwort direkt vom griechischen kapitalistischen Staat, der allein seit August mehr als 16 000 Immigranten verhaftet hat. Die Regierung ist gerade dabei, einen Zaun entlang der Grenze zur Türkei fertigzustellen, um Immigranten draußen zu halten, darunter viele verzweifelte Flüchtende vor den höllischen Bedingungen, die die Imperialisten in Ländern wie Irak, Afghanistan, Pakistan und Libyen geschaffen haben. Chrysi Avgi geht noch einen Schritt weiter und fordert, entlang der Grenze Landminen zu verlegen. Die Kapitalisten und ihre Handlanger von Chrysi Avgi versuchen die Schuld für die Krise, in die die Kapitalisten selbst die Massen gestürzt haben, auf die Immigranten abzuwälzen. Im Gegensatz dazu muss die Arbeiterbewegung für volle Staatsbürgerrechte für alle Immigranten kämpfen! Schluss mit allen Abschiebungen!
Angesichts der Tatsache, dass Repression gegen Linke und das Terrorisieren von Immigranten ein wesentlicher Teil der Polizeiarbeit sind, ist es nicht verwunderlich, dass schätzungsweise 50 bis 60 Prozent der Polizisten politisch mit Chrysi Avgi sympathisieren. Anschauliches Beispiel dafür war die polizeiliche Folterung von 40 antifaschistischen Aktivisten am 30. September und 1. Oktober, die vom Londoner Guardian bekannt gemacht wurde. Die ersten 15 dieser Aktivisten wurden verhaftet, als sie in den Straßen Athens mutig Immigranten gegen den Abschaum von Chrysi Avgi verteidigten; und die 25 anderen, weil sie zur Verteidigung ihrer Genossen auf die Straße gegangen waren. Ein vom Guardian befragter Aktivist erklärte: „Sie spuckten mich an und sagten, wir würden sterben wie unsere Großväter im Bürgerkrieg.“ Wir, die Trotzkistische Gruppe Griechenlands (TGG), fordern, dass alle Anklagen gegen die antifaschistischen Aktivisten sofort fallengelassen werden! Der Minister für Öffentliche Ordnung drohte dem Guardian mit einer Klage, und zwei Fernsehreporter, Kostas Arvanitis und Marilena Katsimi, wurden kurzerhand suspendiert, weil sie es gewagt hatten, darauf hinzuweisen, dass der Minister seine Drohung nicht wahr machen könne, da die Berichte über Polizeifolter glaubwürdig seien.
Zu den Verteidigern von Immigrantenrechten, auf die es Chrysi Avgi abgesehen hat, gehört die Anwältin Gianna Kourtovik, die am 25. September vor der Polizeiwache in Agios Panteleimonas von Chrysi Avgi mit Eiern angegriffen und verprügelt wurde, während die Polizei, kaum verwunderlich, zusah. Bekannt für ihre Verteidigung von Linken und Immigranten, wurde Kourtovik auf der Straße von Polizisten verhöhnt, die riefen: „Blut! Ehre! Chrysi Avgi!“ Es ist kaum ein Geheimnis, dass die Bullen und die Gerichte mit den Faschisten zusammenarbeiten – Presseberichten zufolge werden Beschwerden von Anwohnern über Immigranten in ihrem Viertel von der Polizei an Chrysi Avgi weitergereicht, damit die sich der Sache annimmt.
KKE: Rührendes Vertrauen in den kapitalistischen Staat
Die TGG wendet sich gegen die von der Kommunistischen Partei Griechenlands (KKE) und anderen linken Gruppen verbreiteten tödlichen Illusionen in den kapitalistischen Staat und seine Polizeikräfte. In einem Artikel vom 7. September in Rizospastis berichtet die KKE positiv über ihre Teilnahme an einer Demonstration des Panhellenischen Verbandes der Beschäftigten bei der Polizei und zitiert die Erklärung eines führenden Kaders der KKE, Spyros Halvatzis, an die Bullen:
„Wir glauben nicht, dass die Werktätigen der Sicherheitskräfte sich als langer Arm des bürgerlichen Staates zur Zerschlagung der Arbeiterklasse, der Gewerkschaftsbewegung, benutzen lassen sollten. Was wir brauchen, ist Einheit, Zusammenkommen, gemeinsame Aktion mit dem Rest der Arbeiter.“
Dieser groteske Aufruf zur Einheit mit der Polizei ist das genaue Gegenteil der marxistischen Auffassung vom Staat. Wie der bolschewistische Führer W. I. Lenin in seinem Schlüsselwerk Staat und Revolution erläuterte, ist der kapitalistische Staat „die ,besondre Repressionsgewalt‘ der Bourgeoisie gegen das Proletariat“. Lenin erklärte, die Staatsgewalt bestehe aus „besonderen Formationen bewaffneter Menschen, die Gefängnisse und anderes zu ihrer Verfügung haben“. Anders gesagt: Die Sicherheitskräfte des Staates existieren genau zu dem Zweck, die Arbeiterklasse und die Gewerkschaften zu zerschlagen, wenn sie für die Kapitalistenklasse eine Bedrohung darstellen. An die Bullen zu appellieren, sie sollen aufhören, die Wachhunde des Kapitals zu sein, heißt die friedliche und demokratische Reform der Diktatur des Kapitals zu ersuchen. Damit nähren die KKE-Führer die Lüge, dass der kapitalistische Staat dazu gebracht werden kann, den Interessen der Arbeiterklasse zu dienen. Bei derselben Demonstration sagte ein KKE-Gewerkschafter, Ilias Stamelos: „PAME [Gewerkschaftsorganisation der KKE] möchte mit ihrer Anwesenheit ihre Solidarität mit den gerechten Forderungen der Uniformierten zum Ausdruck bringen, die mehrheitlich von Hungerlöhnen leben.“ Die TGG ist weit davon entfernt, über die „Armut“ derer, die berufsmäßig Arbeiter und Unterdrückte angreifen, Tränen zu vergießen, und fordert: Alle Bullen, Gefängniswärter und Sicherheitsleute raus aus den Gewerkschaften! Leo Trotzki schrieb treffend: „Die Arbeiter, die Polizisten im Dienst des kapitalistischen Staates geworden sind, sind bürgerliche Polizisten und nicht Arbeiter“ (Was nun? Schicksalsfragen des deutschen Proletariats, 27. Januar 1932). Während die KKE-Führung kein Problem damit hat, sich mit der von Faschisten verseuchten griechischen Polizei bei deren Forderungen nach besserer Bezahlung solidarisch zu zeigen, verleumdet sie schändlicherweise anarchistische Demonstranten als Verbündete der Faschisten: „Lasst uns nicht vergessen, dass diese faschistischen Kräfte mit parastaatlichen, vermummten Anarcho-Autonomen gemeinsame Sache gemacht haben“ (Rizospastis, 16. Oktober).
Tödliche Bedrohung für Immigranten, Schwule, Arbeiter
Chrysi Avgi hat sich jüngst mit Reaktionären der griechisch-orthodoxen Kirche zusammengetan, die eine tragende Säule der kapitalistischen Ordnung in Griechenland ist und die allseitige soziale Reaktion und nationalen Chauvinismus, vor allem gegen die Türkei und gegen Muslime, schürt, um die Ausgebeuteten an die griechische Bourgeoisie zu binden. In Athen terrorisierten am 11. Oktober Mitglieder von Chrysi Avgi und ein Ikonen und Kruzifixe schwingender religiöser Mob Besucher und Schauspieler eines Theaterstücks, das Jesus und die Apostel als schwule Männer darstellt. Ein Journalist wurde vor den Augen der Polizei von Chrysi-Avgi-Mitgliedern brutal angegriffen, die schwulenfeindliche und rassistische Beschimpfungen ausstießen. In letzter Zeit hat es eine Reihe von Angriffen auf Schwule gegeben. Es liegt im Interesse der Arbeiterklasse, Homosexuelle gegen diese widerliche Reaktion zu verteidigen, wie wir in „Gründung der Trotzkistischen Gruppe Griechenlands“ (November 2004, siehe Spartacist, deutsche Ausgabe Nr. 25, Frühjahr 2006) schrieben:
„Eine trotzkistische Gruppe muss leninistischer ,Volkstribun‘ sein. In Griechenland, wo die ultrareaktionäre orthodoxe Kirche enormen Einfluss besitzt, ist die Unterdrückung der Frauen extrem. Die griechische ,heilige Dreifaltigkeit‘ von ,Vaterland – Religion – Familie‘, die der kapitalistische Staat propagiert, hängt eng mit der nationalen und der Frauenfrage zusammen. Eine zentrale Frage für Trotzkisten muss der Kampf für Frauenbefreiung durch sozialistische Revolution sowie der Widerstand gegen Frauenunterdrückung sein. Wir kämpfen für volle demokratische Rechte für Homosexuelle, im Gegensatz zur männlich-chauvinistischen, homophoben griechischen Gesellschaft und griechischen Linken. Wir sind für die Trennung von Kirche und Staat.“
Die Verhaftung eines Mannes von der Insel Euböa wegen Blasphemie bekräftigte kürzlich unsere Forderung der Trennung von Kirche und Staat. Aufgrund der Parlamentsbeschwerde eines Abgeordneten von Chrysi Avgi droht diesem Mann wegen des „Verbrechens“, auf Facebook einen bekannten Mönch als Gerontas Pastitsios (ein Wortspiel mit einem beliebten Nudelauflauf) veräppelt zu haben, eine Anklage, die bis zu zwei Jahre Gefängnis nach sich ziehen kann!
Für Einheitsfrontmobilisierungen der Arbeiter gegen die Faschisten!
Zwar richten sich die Angriffe von Chrysi Avgi gegenwärtig vor allem gegen Immigranten, Schwule und Linke, ihr eigentlicher Zweck ist es jedoch, die Organisationen der Arbeiterklasse zu zerschlagen, um die Kapitalisten zu retten, wie es die Kräfte Mussolinis in den 1920er-Jahren in Italien und die Hitlers in den 1930er-Jahren in Deutschland taten. Nachdem Leo Trotzki zusammen mit Lenin die Oktoberrevolution von 1917 geführt hatte, bemühte er sich Anfang der 1930er-Jahre, dem deutschen Proletariat die Lehren dieses Kampfes zu vermitteln, als es mit dem Aufstieg der Nazis konfrontiert war. In Was nun? Schicksalsfragen des deutschen Proletariats erläuterte Trotzki die sozialen Wurzeln des Faschismus:
„Durch die faschistische Agentur setzt das Kapital die Massen des verdummten Kleinbürgertums in Bewegung, die Banden deklassierter, demoralisierter Lumpenproletarier und all die zahllosen Menschenexistenzen, die das gleiche Finanzkapital in Verzweiflung und Elend gestürzt hat…
Wesen und Bestimmung des Faschismus bestehen in der vollständigen Aufhebung der Arbeiterorganisationen und in der Verhinderung ihres Entstehens. In der entwickelten kapitalistischen Gesellschaft ist dieses Ziel durch bloße Polizeimaßnahmen nicht zu erreichen. Der einzige Weg dazu ist, dem Druck des Proletariats – im Augenblick seiner Schwächung – den Druck der verzweifelten kleinbürgerlichen Massen gegenüberzustellen.“
Trotzki warnte beständig, dass die verräterischen reformistischen Führer der SPD und der stalinistischen KPD die von der faschistischen Bedrohung ausgehende Gefahr herunterspielen würden, und drängte die KPD zur Initiierung von Einheitsfront-Massenaktionen gemeinsam mit SPD-Arbeitern, um die Arbeiter und die Unterdrückten gegen die Nazi-Sturmtruppen zu verteidigen und diese zu zerschlagen, solange sie noch klein waren.
Wesentlich für den Kampf gegen den Faschismus damals wie heute ist die Einsicht in die zentrale Rolle der Arbeiterklasse. Wie Trotzki 1931 betonte:
„Hauptarmee des Faschismus bleiben immer noch die Kleinbourgeoisie und der neue Mittelstand… Auf der Waage der Wahlstatistik wiegen tausend faschistische Stimmen ebenso viel wie tausend kommunistische. Aber auf der Waage des revolutionären Kampfes stellen tausend Arbeiter eines Großunternehmens eine hundertmal größere Kraft dar als tausend Beamte, Kanzlisten, ihre Frauen und Schwiegermütter.“ („Soll der Faschismus wirklich siegen? Deutschland – der Schlüssel zur internationalen Lage“)
Die jüngsten brutalen Misshandlungen von antifaschistischen Demonstranten durch die Athener Polizei unterstreichen, dass die Strategie der Mobilisierung kleiner linker Gruppen zur Verteidigung von Immigranten gegen die Faschisten zwar mutig, doch kein wirksames Mittel ist, die Bedrohung durch Chrysi Avgi zu beseitigen.
Die gewalttätigen rassistischen Angriffe der Faschistenmobs von Chrysi Avgi auf Immigranten und andere machen es dringend erforderlich, auf den Gewerkschaften basierende Kontingente von Arbeitern dafür zu mobilisieren, dass sie Immigranten verteidigen und das faschistische Gesindel von den Straßen fegen. Ein Kampf ist notwendig, um die politischen Hindernisse zur Mobilisierung der Macht der Gewerkschaften gegen Chrysi Avgi aus dem Weg zu räumen. Die KKE hat das soziale Gewicht in den Gewerkschaften, um dabei die Führung zu übernehmen, doch ihre Verbreitung von Illusionen in die bürgerliche Demokratie und ihr nationalistischer Populismus verhindern dies. Die reformistischen Organisationen, aus denen sich Gruppen wie Antarsya zusammensetzen, verstärken ebenfalls die politischen Hindernisse, insbesondere dadurch, dass sie am Rockzipfel des EU-freundlichen Syriza-Bündnisses hängen, das den Immigranten „humanere“ Haftbedingungen und zur „Verbrechens“bekämpfung mehr Bullen auf den Straßen verspricht. Zwar mögen Gruppen in Antarsya für sich in Anspruch nehmen, gegen die EU zu sein (oder für den Austritt Griechenlands aus der EU), doch ihre Vorliebe für eine „linke“ kapitalistische Regierung unter der Führung von Syriza und ihre Gelüste, auf solch eine Regierung Druck auszuüben, zeigen, wie hohl ihre Anti-EU-Pose ist. In einem Interview mit International Viewpoint (Juni 2012) erklärte Dimitris Hilaris von OKDE-Spartakos (Teil des Antarsya-Bündnisses): „Mit der Losung einer linken Regierung konnte Syriza eine glaubwürdige Lösung für die Lage anbieten“ („Toward a Government that Will Break with the Troika?“ [Einer Regierung entgegen, die mit der Troika bricht?]). Angesichts der Tatsache, dass die EU für die Verschlechterung der Lebensbedingungen in Griechenland und für die Beschleunigung des Wachstums der Faschisten verantwortlich ist, kann man ohne energischen Widerstand gegen die kapitalistische EU keinen Kampf gegen den Faschismus führen.
Die Führung der KKE hat kürzlich erklärt, eine Front gegen den Faschismus sei nicht notwendig und Chrysi Avgi müsse nur „entlarvt“ werden. In einer Rede auf dem Europäischen Treffen Kommunistischer Parteien am 1./2. Oktober 2012 in Brüssel gab die KKE-Generalsekretärin Aleka Papariga zwar zu, dass sich Chrysi Avgi „in Richtung der Schlägerverbände aus der Hitlerzeit entwickelt“ und dass Zellen innerhalb der Sicherheitskräfte des kapitalistischen Staates mit ihr zusammenarbeiten. Doch:
„Ihr kann nicht auf der Grundlage einer antifaschistischen Front oder einer Front gegen Gewalt im Allgemeinen begegnet werden, weil so eine Auffassung zu einem Angriff auf die Massenbewegung selbst führen würde. Der ,Goldenen Morgenröte‘ muss durch eine organisierte Massenbewegung selbst entgegengetreten werden, und zwar in den Arbeitsstellen, in den Wirtschaftsbereichen, bei den Massenorganisationen, indem ihre Rolle als Unterstützer des Systems entlarvt wird und auf die verbrecherischen Angriffe hingewiesen wird, die sie auf mörderische aggressive Art unternehmen, und womit sie das Gesetz in ihre eigenen Hände nehmen.“ (Abschrift der Rede auf www.kommunisten.eu)
Was die KKE mit „auf die verbrecherischen Angriffe hinweisen, die sie auf mörderische aggressive Art unternehmen“ meint, ist, sich bei ihrer Verfolgung auf den kapitalistischen Staat zu verlassen. Ein Beispiel war die an den Minister für Öffentliche Ordnung Nikos Dendias gerichtete Forderung von PAME-Führern: „Wir fordern Sie auf, im Interesse der Sicherheit aller Bürger, Griechen und Immigranten, die Kontrollmaßnahmen zu verschärfen“ (Rizospastis, 18. Juli). Tatsächlich geht die größte Gefahr eines „Angriffs auf die Massenbewegung selbst“ von dem Vertrauen in die demokratischen Ambitionen des kapitalistischen Staates aus – was genau das ist, was die KKE-Irreführer tun, wenn sie den Minister anflehen, er möge doch mehr Repressionskräfte schicken, um Immigranten zu „verteidigen“. Proletarische Einheitsfront-Massenmobilisierungen gegen die Faschisten sind der einzige Weg, um sicherzustellen, dass die Faschisten nicht weiter wachsen und die organisierte Arbeiterbewegung angreifen können.
Weil es der Kapitalismus ist, der die Geißel des Faschismus hervorbringt, muss der Kampf gegen Kräfte wie Chrysi Avgi mit dem Kampf zum Sturz der kapitalistischen Herrschaft in Griechenland und international verbunden werden. Ja, die Arbeiterklasse kann das ruinierte Kleinbürgertum nur für sich gewinnen und den Faschisten abspenstig machen, wenn sie für eine sozialistische Lösung der kapitalistischen Krise kämpft. Sie muss die Massenarbeitslosigkeit bekämpfen, indem sie die Aufteilung der vorhandenen Arbeit ohne Lohnverlust und ein massives Programm öffentlicher Arbeiten fordert. Um den Niedergang der Lebensbedingungen aufzuhalten, müssen die Arbeiter fordern, dass die Löhne automatisch an die Preissteigerungen angeglichen werden. Um Ausbeutung, Raub und Betrug der Unternehmer und Bankiers aufzudecken, sollten die Arbeiter fordern, dass die Kapitalisten ihre (tatsächlichen) Geschäftsbücher offenlegen. Das Proletariat muss für die Enteignung des Produktiveigentums der Kapitalistenklasse insgesamt und die Einrichtung einer Planwirtschaft unter Arbeiterherrschaft kämpfen, wo sich die Produktion nach dem gesellschaftlichen Bedarf und nicht nach dem Profit richtet. Dieser Kampf muss sich von den bisher am meisten von der Krise in Europa verwüsteten Ländern wie Griechenland, Portugal, Irland und Spanien und von den superausgebeuteten proletarischen Massen neokolonialer Länder wie Südafrika und Indien auf die imperialistischen Mächte wie USA, Deutschland und Japan ausweiten, wo die Arbeiter ebenfalls unter Beschuss stehen.
Die kapitalistische Europäische Union dient dazu, Arbeiter aus verschiedenen Ländern gegeneinander auszuspielen. Entgegen dem von dieser kapitalistischen Krise hochgepeitschten Nationalchauvinismus wissen wir, dass, um die griechische Arbeiterklasse aus dieser verzweifelten Lage herauszuführen, ein Kampf für internationale sozialistische Revolution und für die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa entscheidend ist. Wie Trotzki 1930 bemerkte: „Die Losung der proletarischen Vereinigung Europas bildet … eine sehr wichtige Waffe im Kampf gegen den niederträchtigen faschistischen Chauvinismus“ („Die Wendung der Komintern und die Lage in Deutschland“, 26. September 1930).