Spartakist Nr. 192 |
März 2012 |
Fred Zierenberg
1949–2012
Unser geliebter Genosse Fred Zierenberg starb am 19. Januar nach einem mehr als zweijährigen Kampf gegen Krebs. Fred war über 35 Jahre lang kommunistischer Kader in unserer internationalen Partei. Als Fred starb, war er Mitglied des Internationalen Exekutivkomitees der Internationalen Kommunistischen Liga (IKL) und des Zentralkomitees der Spartakist-Arbeiterpartei Deutschlands (SpAD). Deren Vorläuferorganisationen waren die internationale Spartacist Tendenz (iST) und die Trotzkistische Liga Deutschlands (TLD). Die Genossen aller Sektionen unserer internationalen Partei fühlen Schmerz und Trauer über Freds Tod. Unsere Gedanken sind bei seiner Frau, Genossin Birgit, und ihrem gemeinsamen besten Freund Wolf.
Fred wurde am 3. Februar 1949 in der NATO-Frontstadt Westberlin geboren. Seine Eltern waren Metallarbeiter. Wie Tausende Studenten und Jugendliche aus der Arbeiterklasse wurde Fred in den 1960er-Jahren während einer Radikalisierungswelle politisiert, die vor allem durch den Generalstreik vom Mai 1968 in Frankreich und durch den Abscheu über den US-Krieg in Vietnam entfacht worden war. Aufgerüttelt durch die Erschießung des Studenten Benno Ohnesorg durch die Westberliner Polizei am 2. Juni 1967 beim Besuch des reaktionären Schahs aus Iran fing Fred an, linke Zeitungen zu lesen und sich an Demonstrationen zu beteiligen. Nach dem Mordanschlag auf den SDS-Führer Rudi Dutschke im April 1968 beteiligte er sich an den Jugendprotesten, bei denen auch viele Lehrlinge mitmachten. Fred war Lehrling in der Berliner Verwaltung und trat auf der Suche nach Mitarbeit in einer Gewerkschaftsjugend in die damalige DAG ein, die zwar recht klein, aber nicht so rechts wie die ÖTV war, die von der Kalten-Kriegs-SPD geführt wurde, während die DAG-Jugend politisch vom linken SPD-Flügel dominiert wurde. Zu dieser Zeit trat er auch den linken „Falken“ in Berlin bei.
Diese Schicht Jugendlicher begann, sich dem Antikommunismus der SPD zu verweigern. Doch die Suche nach einem Weg zum authentischen Marxismus wurde in Deutschland durch den vollständigen Bruch der revolutionären Kontinuität erschwert, herbeigeführt durch die Zerschlagung der deutschen Arbeiterbewegung durch die Nazis. Trotzkistische Kader in Europa wurden von den Nazis ermordet, ins Gefängnis geworfen oder in den Untergrund getrieben. Gleichzeitig wurden sie auch von den Stalinisten verfolgt. Als Folge davon war denjenigen, die aus den Trümmern Nazi-Deutschlands auftauchten, die Entwicklung in der trotzkistischen Bewegung auf internationaler Ebene von 1933 bis 1945 nicht leicht zugänglich. Und auch Trotzkis Schriften waren kaum verfügbar.
Die Nachfolger der trotzkistischen Linken Opposition waren in Deutschland in der SPD tief verbuddelt. Im Oktober 1968 gründete sich um die Westberliner Gruppe herum – Teil einer sich konstituierenden Bolschewistischen Fraktion (Bolfra) in der deutschen Sektion des damaligen Vereinigten Sekretariats der Vierten Internationale – aus Falken, Oberschülern, Studierenden und Lehrlingen der Initiativausschuss für eine revolutionäre Jugendorganisation (später Kommunistische Jugendorganisation Spartacus, KJO). Die Bolfra benannte sich im Juni 1969 in Internationale Kommunisten Deutschlands (IKD) um (der historische Name der deutschen Sektion der IV. Internationale), und Fred trat ihr bei. Mit Anfang zwanzig wurde Fred ein Führer der KJO, die zeitweise Tausende Studenten und Jugendliche der Arbeiterklasse mobilisierte. Die IKD/KJO wurde in Opposition zur Politik des tiefen Entrismus in die SPD gegründet, die vom Vereinigten Sekretariat (VS) unter Pablo und später unter Ernest Mandel verfochten wurde. Das pabloistisch geführte VS spaltete 1969 unter Führung von Mandel die Gruppe Internationale Marxisten (GIM) ab, die es als seine deutsche Sektion anerkannte. Damit begann ein Umgruppierungsprozess im linkspabloistischen Milieu, und daraus entstand unsere deutsche Sektion TLD.
Der Gründung unserer deutschen Sektion vorausgegangen waren internationale Anstrengungen der Spartacist League/U.S. (SL/U.S.), in Europa Anhänger zu gewinnen, und so kam es zu vielfältigen Besuchen und Interventionen der SL/U.S. in ganz Europa. Ein Beispiel ist die gemeinsame Erklärung der deutschen IKD, der britischen RCL, der SL/U.S. und der Spartacist League of New Zealand im November 1970 anlässlich der Brüsseler Konferenz des Vereinigten Sekretariats – der Organisation, die immer noch Trotzkis Erbe beanspruchte. Die gemeinsame Erklärung richtete sich gegen die Nachtrabpolitik gegenüber der Studentenbewegung, gegen Guerillapolitik und „Volkskrieg“, insgesamt gegen die Abkehr von der proletarischen Klassenlinie. Die Gründung der TLD 1974 nach erfolgreich durchgeführten Umgruppierungen aus dem Spartacusbund und später aus der GIM war Teil einer internationalen Entwicklung, wie die Gründung der Ligue trotskyste de France (LTF) und der Spartacist League/Britain (SL/B) zeigt. Die Gewinnung des Genossen Fred zu unserer Tendenz war Teil dieser Umgruppierungspolitik, und er leitete diese Politik selbst später an, so zum Beispiel 1984 die Umgruppierung aus der pabloistischen mandelianischen SAP in der Schweiz, aus der die iST Genossen rekrutierte.
Fred brach komplett mit dem liquidatorischen Pabloismus, der die Notwendigkeit des Aufbaus unabhängiger trotzkistischer Parteien weltweit abstreitet, und wurde dadurch für den Kampf der Spartacist-Tendenz für die Wiedergeburt der Vierten Internationale gewonnen. Fred musste auch mit der Vorstellung brechen, die SPD sei eine kapitalistische Partei, wie ein Großteil der Linken dachte, und ließ sich von Lenins Analyse überzeugen, dass sie eine bürgerliche Arbeiterpartei ist. Er kam zu der Erkenntnis, dass es in Deutschland die strategische Aufgabe von Revolutionären ist, die proletarische Basis der SPD, einer historischen Massenpartei der Arbeiterklasse, von ihrer prokapitalistischen Führung abzuspalten. Gerhard Kanthak, der erste Vorsitzende der TLD, wurde auch aus diesem linkspabloistischen Milieu rekrutiert. Kanthak (der unsere Organisation verließ bevor Fred ihr beitrat) schätzte von allen Kadern, die auf der Suche nach authentischem Trotzkismus waren, besonders Fred und er wollte ihn unbedingt rekrutieren. Es war unsere Analyse der Ereignisse während der vorrevolutionären Situation in Portugal 1975, die Fred dazu brachten, Sympathisant der TLD zu werden.
Auf dem europäischen Sommerlager der iST im August 1977 trat er in unsere Organisation ein. In seinem Antrag auf Mitgliedschaft schrieb er: „Ich hoffe, meinen Workerismus, meine linkspabloistische Vergangenheit und meinen Impressionismus überwunden zu haben. Entscheidend in meiner Hinwendung zur iST waren die Feigheit und der Cliquismus des Spartakusbundes [siehe hierzu „Zerfall des Spartacusbundes“ in der Kommunistischen Korrespondenz Nr. 19, Juli 1977] der sichtbar wurde in seiner Ablehnung des Fusionsangebotes der TLD im Sommer 1975. Seit dieser Zeit setzte ich mich zunehmend ernsthafter mit der iST auseinander, mit dem Ergebnis meinen Wohnort sofort nach Ende meiner Ausbildung zu wechseln, um Mitglied der TLD sein zu können.“
Nach seinem Beitritt zur TLD 1977 trug Fred maßgeblich zum Aufbau der deutschen Sektion und zur Schmiedung unserer internationalen Tendenz bei. Er half mit, die revolutionäre Kontinuität in Deutschland durch Schließung der Wissenslücken über die Marxisten des 19. und des frühen 20. Jahrhunderts wiederherzustellen. 1979 wurde er Vollmitglied des Zentralkomitees der TLD. Später, als Mitglied des Internationalen Exekutivkomitees, intervenierte er auch bei wichtigen politischen Kämpfen in anderen Sektionen, insbesondere in Frankreich, wo er Mitte der 1980er-Jahre lebte. Fred arbeitete in den letzten Jahren auch eng mit der Spartakist-Gruppe Polens zusammen und spielte bei der Weiterentwicklung der marxistischen Ausbildung unserer Genossen in Warschau eine zentrale Rolle.
Freds erste Aktivität in der TLD war die des Büromanagers beim Aufbau der damaligen TLD-Zentrale in Frankfurt, die vorher in Berlin war. Im Kontrast zur Haltung vieler Neulinker in der damaligen Zeit ging Fred immer regelmäßig arbeiten. Fred liebte gutes Essen und vielerlei Musik und ging gerne tanzen.
Als die internationale Spartacist Tendenz 1979 im Spätsommer ihre erste internationale Delegiertenkonferenz abhielt (siehe Spartacist, deutsche Ausgabe Nr. 7/8, Sommer 1980), wurde Fred zum Mitglied der Internationalen Kontrollkommission (IKK) ernannt. Angeklagt war Bill Logan, während seiner Zeit als nationaler Vorsitzender der Spartacist League of Australia/New Zealand (SL/ANZ) Verbrechen gegen kommunistische Moral begangen zu haben. Das Parteigericht bestand aus Genossen, die für ihre Integrität hoch angesehen waren und zuvor keinen wesentlichen Kontakt mit Bill Logan gehabt hatten. Den Vorsitz hatte unsere Genossin Martha Phillips (sie wurde 1992 in Moskau ermordet – bei unserem Kampf für die Schmiedung eines trotzkistischen Kerns inmitten der konterrevolutionären Welle, die schließlich die Sowjetunion zerstörte). Die IKK befand Bill Logan schuldig, ein „erwiesenermaßen massiver Lügner und sexueller Soziopath [zu sein], der das Privatleben von Genossen manipulierte aus Gründen der Machtpolitik und seiner eigenen anomalen Gelüste und Zwangsvorstellungen, das Ganze verkleidet als Marxismus“ (siehe „Das Logan-Dossier“, Spartakist Nr. 169, Winter 2007/2008). Fred war so abgestoßen davon, dass er immer wachsam war in seiner Verachtung aller Praktiken und Unterstützer dieses Soziopathen, den sich später die sogenannte „Bolschewistische Tendenz“ zu ihrem gesalbten Führer erkor. Seit dieser prägenden Erfahrung hat Fred sich ganz bewusst für die Förderung weiblicher Kader in unserer Tendenz eingesetzt.
Auf einer Afghanistan-Veranstaltung des AStA an der Frankfurter Uni im Januar 1980 wurde Fred durch einen Messerstich in die Lunge lebensgefährlich verletzt, als Maoisten und reaktionäre Islamisten einen mörderischen Angriff auf TLD-Genossen und -Sympathisanten ausführten. Fred, damals 30 Jahre alt und Radio- und Fernsehtechniker, musste sofort operiert werden und schwebte stundenlang in Lebensgefahr. Als einzige auf der Linken erklärte unsere Partei geradeheraus: „Hoch die Rote Armee in Afghanistan! Für die Ausweitung der sozialen Errungenschaften der Oktoberrevolution auf die afghanischen Völker!“ Der feige Überfall rief weltweit eine Flut von Protesten, darunter auch von Dutzenden von Gewerkschaftern, hervor. Durch die energische Kampagne „Verteidigt Fred Z.“, die von über 500 Personen, darunter Sozialisten, Gewerkschafter, Professoren und andere Prominente, unterstützt wurde, gelang es der iST erfolgreich, diesen Angriff zurückzuschlagen und unsere eigene Veranstaltung auf dem Campus durchzuführen (siehe auch Kommunistische Korrespondenz Nr. 30, April 1980).
Dieser heimtückische Angriff brachte Fred natürlich überhaupt nicht zum Schweigen und während er sich langsam erholte, übernahm er eine Schulung für die Genossen über die KPD. Fred wurde später zum öffentlichen Sprecher der TLD. Dabei war die russische Frage immer im Zentrum aller Aktionen. Fred führte zusammen mit vielen Genossen eine Reihe von harten politischen Kämpfen, um die Sektion zu schmieden. Ab 1981/82 schwärmten alle vorgeblichen Linken für Solidarność in Polen, und auch in der TLD gab es einen Widerhall dieser Politik, und das angesichts des konterrevolutionären Griffs von Solidarność nach der Macht im deformierten Arbeiterstaat Polen. Fred half entscheidend dabei mit, die Organisation auf unser trotzkistisches Programm der proletarisch-politischen Revolution und der Verteidigung der Errungenschaften der deformierten Arbeiterstaaten auszurichten.
Im August 1982 stand auf einer Konferenz der TLD eine weitere Reorientierung auf der Tagesordnung. Es ging darum, die Lehren aus dem Aufstieg des deutschen Nationalismus und dem zweiten Kalten Krieg zu ziehen, insbesondere die Sektion zu bewaffnen gegen die von der Sozialdemokratie dominierte nationalistische „Friedensbewegung“. Der „linke Nationalismus“ war bereits in die Organisation eingesickert, was sich bei einem gewissen Ulrich Sandhaus manifestierte, der sich zu einem protofaschistischen Typ mit Vorliebe für Hakenkreuzhelme entwickelte und aus der TLD ausgeschlossen wurde. Fred hatte bei diesem Kampf maßgeblich mitgeholfen, das Dokument zu schreiben, das wir in Spartacist (deutsche Ausgabe Nr. 11, Winter 1983/84) abdruckten: „Der unheilvolle Wiederaufstieg des deutschen Nationalismus“. Am Ende des Artikels heißt es: „Die deutsche Sektion steht vor einer Veränderung der deutschen Gesellschaft und der deutschen Sozialdemokratie, die von einer Partei der amerikanischen Bourgeoisie auf dem Weg zu einer Partei der deutschen Bourgeoisie ist. Die TLD muss den deutschen Nationalismus bekämpfen, sowohl den ,linken‘ – die sozialdemokratische ,Friedens‘bewegung in Ost und West – als auch den rechten – Faschismus und Nazismus.“
Fred war ein machtvoller Redner und oft Hauptredner bei unsere Veranstaltungen. Mit der weiteren Entwicklung der TLD und iST und ihren Aufgaben einer kämpfenden Propagandaorganisation wurde Fred zum Redakteur des Spartakist, der 1980 die Kommunistische Korrespondenz ablöste. In der Spartakist-Redaktion intervenierte er oft, um besonders Artikel über Arbeiterstreiks und Gewerkschaftskämpfe zu puschen. In dieser Zeit wurde Fred auch zum Mitglied der Redaktion der deutschsprachigen Ausgabe des Spartacist, theoretisches und dokumentarisches Organ der iST, heute IKL.
Charakteristisch für Freds Rolle als Führer unserer Partei ist, dass er im Juni 1984 Seite an Seite mit den Streikposten beim Frankfurter Metallbetrieb VDO stand. Die TLD stand dort mit den ausgesperrten Arbeitern (hauptsächlich Frauen, darunter viele türkische, spanische und andere Kollegen) und sorgte mit dafür, dass VDO Bockenheim dicht blieb. Streikbrecher griffen die Streikpostenkette mehrfach an und Fred verteidigte die Arbeiterinnen und Streikenden. Streikbrecher wollten Fred heraushauen, aber die türkischen Arbeiter verteidigten ihn. Dennoch wurde Fred später angeklagt, weil er die Streikposten gegen einen Streikbrecher verteidigt hatte. Die IG Metall übernahm die Prozessverteidigung von Fred, der ein langjähriges Mitglied der Gewerkschaft war. Und der Versuch des Staates und der Bosse, Streikposten exemplarisch zu kriminalisieren, misslang. (Siehe auch „Metallerstreik: Deutsche, ausländische Arbeiter durchbrechen bürokratische Kontrolle, Militante Torbesetzung bei VDO“, in Spartakist Nr. 51, Oktober 1984.)
Im November/Dezember 1984 verleumdete das Innenministerium unter der ominösen Überschrift „Wer steckt dahinter?“ Linke als Nazis und Terroristen mit einer Anzeige, in der eine Collage von Zeitungsköpfen und Symbolen linker Organisationen vermengt mit Hakenkreuzen, faschistischen Parolen und Nazisymbolen veröffentlicht wurde. Unser Genosse Fred führte dabei als Sprecher der TLD und Chefredakteur des Spartakist die Protestkampagne an: „Es ist geradezu in den Traditionen von Goebbels Großer Lüge, dass der ,Verfassungsschutz‘, der von hohen SS-Offizieren aufgebaut wurde, uns Linke als Nazis und Terroristen verleumdet! Die Abbildung des Spartakist-Titels zeigt den Wunsch der Regierung, Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht noch ’mal zu ermorden“ (Spartakist-Extrablatt, 12. Dezember 1984). Dies fand fast zum gleichen Zeitpunkt statt, als unsere Genossen der SL/U.S. vom FBI quasi als „kriminelle Vereinigung“ und „Terroristen“ dargestellt wurden, was sie äußerst gefährdete und ins Fadenkreuz staatlicher Verfolgung brachte. Die Hexenjagd des FBI gegen die SL musste zurückgenommen werden und auch der Kampf in Deutschland endete erfolgreich: Die Anzeige gegen den Spartakist und andere wurde vom Innenministerium nicht wieder abgedruckt. Unser Genosse Fred sammelte während dieser Zeit viele Erfahrungen in rechtlichen Angelegenheiten und wurde fortan Ratgeber für die Organisation bei allen rechtlichen und taktischen Fragen. Er hatte schon immer ein Gespür für alle Fragen, die die Sicherheit unserer Organisation betreffen. Es gibt kaum Bilder von Demonstrationen, wo Fred als Demoleiter nicht ganz vorne an der Spitze unseres Blocks steht.
1985 wurde klar, dass die Lehren aus der Auseinandersetzung über den Wiederaufstieg des deutschen Nationalismus in der TLD nur ungenügend gezogen wurden, was ein großes Fragezeichen hinter den Bestand der deutschen Sektion setzte. Denn als im Mai 1985 die TLD ebenso wie die übrige westdeutsche Linke Gründe fand, sich der Teilnahme an dem jüdisch organisierten Protest gegen Reagans und Kohls obszönen Besuch der SS-Gräber in Bitburg zu enthalten, entschied das Internationale Sekretariat, was vom offenen ZK-Plenum der TLD bestätigt wurde, die überwiegende Mehrheit der Genossen für ein Jahr zur Arbeit in andere Sektionen zu versetzen. Die Arbeit sollte es den Genossen ermöglichen, die deutsche Wirklichkeit von außen zu betrachten und so internationalisiert wieder in der Lage zu sein, eine deutsche Sektion aufzubauen. Fred ging in die französische Sektion.
Als die Spartacist-Tendenz 1976 begann, kleine Stützpunkte in Europa zu erobern, übernahm unsere Genossin Susan Adams (die 2001 verstarb) Aufgaben vom Internationalen Sekretariat und wurde zur zentralen Führerin unserer europäischen Arbeit. Paris wurde damit eines der drei politischen Hauptzentren unserer Internationale. Der Umzug von Fred nach Paris war nur folgerichtig, um ihn mehr in die internationale Führung zu integrieren. Eine Aufgabe von Susan Adams war, die Erfahrungen der amerikanischen Sektion über das Verständnis von Parteiaufbau und bolschewistischen Normen nach Europa zu bringen. Fred übernahm sofort die Büroinstandhaltung, wurde Mitglied des ZKs der LTF und wurde aktiv in die Anleitung wichtigster Kontakt- und Umgruppierungsarbeit einbezogen. Hier wurde Fred auch in den Aufbau unseres internationalen Finanzapparates eingeführt, und wurde in Frankreich auch Teil der Redaktion des Le Bolchévik. Und noch bevor die deutschen Genossen zurückgingen, ging Fred zusammen mit Birgit nach Lyon zur Verstärkung der dortigen Ortsgruppe.
Mit der Rückkehr nach Deutschland begann auch eine kleine Umzugswelle für Fred, erst nach Berlin, dann Hamburg, dann wieder Berlin. Fred machte oft den Witz: „Weißt du was Bolschewismus ist? Wenn die Partei dir sagt, du musst umziehen, dann ziehst du auch um!“
Im Februar 1989 schrieb Fred im Auftrag der iST an den Botschafter der Demokratischen Republik Afghanistan: „Jetzt, wo der Rückzug der Roten Armee abgeschlossen ist, befürchten wir, wie Sie, dass in Afghanistan der elementare soziale Fortschritt in großer Gefahr ist. Das Recht von Frauen, lesen zu lernen, die Freiheit vom Schleier, Freiheit von der Tyrannei der Mullahs und Landbesitzer, die Einführung der medizinischen Versorgung und das Recht aller auf Schulunterricht – bevor dies alles in Blut ertränkt wird, sehen wir uns herausgefordert, unsere Hilfe anzubieten. Deshalb macht das Partisan Defense Committee das dringliche Angebot, eine internationale Brigade zu organisieren, um bis auf den Tod für die Verteidigung dieser Rechte in Afghanistan zu kämpfen.“ Freds Geschichte war dem Empfänger bekannt, doch unser Angebot wurde höflich und respektvoll abgelehnt.
Als im Herbst 1989 die beginnende proletarisch-politische Revolution in der DDR ausbrach, die Möglichkeit einer revolutionären Wiedervereinigung Deutschlands vor uns stand, warf sich Fred sofort in die Anleitung unserer trotzkistischen Intervention. Obwohl anfangs noch in Hamburg ansässig, intervenierte er viel in Berlin. Zum Beispiel bei einer Veranstaltung von Ernest Mandel in Ostberlin, der schnell nervös wurde, als er Fred sah. Fred war ein großer imposanter Mann mit weitklingender Stimme, der schon oft gegenüber dem Vereinigten Sekretariat interveniert hatte. Und er hatte schon so manches Mal Mandel durch seine Schlagfertigkeit aus dem Konzept gebracht. Als Mandel sich darüber lustig machen wollte, dass wir den „antisowjetischen Kriegskurs der Imperialisten“ brandmarkten, weil doch alles seit Jahrzehnten friedfertig sei und kein Krieg in Sicht, rief Fred nur kurz „Pershings“ in den Raum, was den Saal zum Kochen brachte. Es war ein ganz einfacher Punkt von Wahrheit, der ein Schlaglicht auf das ganze Gerede von Mandel warf. 1989 gingen Fred und Birgit zu den Demos in Dresden, um Eindrücke für unsere Arbeit zu sammeln. Dies war eine sehr wichtige Arbeit, um unsere Möglichkeiten für die trotzkistische Intervention in die DDR für eine revolutionäre Wiedervereinigung auszuloten. Fred als nationaler Führer der SpAD war auch verantwortlich dafür, die Genossen, die wir aus der DDR und den Spartakistgruppen gewannen, insbesondere diejenigen, die aus der NVA kamen, in unsere Organisation zu integrieren. Dies war keine leichte Sache, denn hier musste man gegen die ganze stalinistische Mythenbildung angehen.
Fred war ein sehr überzeugender Redner. Lebhaft in Erinnerung ist noch die kontroverse Debatte mit dem Historiker Eberhard Czichon, Mitglied der Kommunistischen Plattform der PDS, am 50. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus am 3. Mai 1995 an der Berliner Humboldt-Uni (abgedruckt in Spartakist Nr. 119, Juli/August 1995). Czichon rechtfertigte dort grundsätzlich Stalins „Bündnispolitik“ mit den imperialistischen Alliierten im Zweiten Weltkrieg. Fred erklärte dagegen die Rolle der Stalinisten:
„Die Anti-Hitler-Koalition war im wesentlichen ein Pakt gegen eine Arbeiterrevolution... Es geht nicht um die Frage, zeitweilige militärische Bündnisse zu schließen. Aber zu keinem Zeitpunkt der Dritten Internationale, solange Lenin gelebt hat, wurde die Politik einer Kommunistischen Partei – egal in welchem Land der Welt – den außenpolitischen Interessen der Sowjetunion untergeordnet. Das ist der entscheidende Unterschied. Dieses ‚Bündnis‘, die Anti-Hitler-Koalition, ist mit der Ermordung der Spanischen Revolution in Blut geschrieben worden – und die Spanische Revolution war nur ein Teil der revolutionären Bewegung in Europa in den 30er-Jahren. Das ist die Garantie, die Stalin und die Komintern mit dem VII. Weltkongress an den Imperialismus geben wollten: Weltrevolution – für uns nicht mehr.“
Freds reiche Kenntnis des Marxismus, der deutschen Geschichte und der Arbeiterbewegung machten ihn auch zum Trainer für junge Genossen in der Partei. Dabei stellte er immer sicher, dass gelesen wurde. Wenn er nationale Schulungen hielt, sorgte er dafür, dass es vorher eine Jugendsitzung gab, auf der er dann mit den jungen Genossen vorab diskutierte, um sie zu ermutigen, Fragen zu stellen und weiter zu lesen, damit sie von der Schulung größtmöglich profitieren. Fred war ein Kämpfer und konnte sehr scharf seine politischen Ansichten vertreten. Und wenn er so manchmal sehr direkt, ohne Schnörkel und Umschweife, jemandem eine politische Abweichung vor Augen führte, war dies nicht immer leicht zu verdauen. Er war oft recht impulsiv – aber wenn er erkannte, dass er falsch lag, arbeitete er zielstrebig daran, den Fehler zu benennen und zu erklären, warum er falsch lag und was daraus zu lernen ist.
Seit Mitte der 90er-Jahre bis zum Ausbruch der Krankheit arbeitete Fred als Kassierer der SpAD und half beim Aufbau eines stabilen Finanzapparats. Wie unsere Genossin Lizzy Kendall (2005 verstorben) auf der III. Internationalen Konferenz der IKL feststellte, haben wir einen enormen Vorteil im Vergleich zu Trotzkis Internationale: finanzielle Stabilität. „Unsere Sektionen stimmen mit ihren finanziellen Verpflichtungen überein, sind in der Lage zu zahlen und denken normalerweise auch daran, es zu tun.“ Wir Marxisten stehen in kompromissloser Opposition zum kapitalistischen Staat, sind für die völlige finanzielle Unabhängigkeit von ihm und lehnen jegliche staatliche Kontrolle darüber ab, was eine Organisation mit ihren Mitgliedsbeiträgen macht. Dass wir ein moderneres Finanzsystem haben, verdanken wir auch Freds Beharrlichkeit, beste technische Methoden als Teil des bolschewistischen Parteiaufbaus einzuführen. Als Fred noch in Hamburg war, setzte er sich für Computer ein und wurde zusammen mit anderen Genossen auch unser Ratgeber für die technische Ausstattung unserer Büros weltweit.
Um in Deutschland zu einem revolutionären Marxisten zu werden, ist es von entscheidender Bedeutung, sich von der allgegenwärtigen Ansicht loszureißen, dass das gesamte deutsche Volk – ohne Ansehen der Klasse – für die Nazis, den Zweiten Weltkrieg und den Holocaust verantwortlich sei. Fred kämpfte zusammen mit anderen Genossen in der SpAD und der IKL jahrelang dafür, unsere deutsche Sektion gegen diese Lüge der „Kollektivschuld“ zu bewaffnen. 2005 erläuterte er in einer Schulung, dass „Kollektivschuld“ ein zentrales ideologisches Mittel der deutschen Bourgeoisie, der SPD und der Grünen ist, „die wirklich Schuldigen zu entlasten, die damals und heute herrschende Klasse, die deutsche Bourgeoisie“ („Wehrmacht, Holocaust und ,Kollektivschuld‘“, Spartakist Nr. 163, Sommer 2006 ).
Freds Beiträge bei Kämpfen um eine richtige Position und für deren Klarstellung in unserer Partei füllen ganze Ordner. Es gibt kaum ein internes Bulletin, in dem nicht seine Texte sind, wo er für oder gegen Positionen in der Partei argumentiert. Fred war kein Artikelschreiber, aber er hat unzählige Artikel und Überschriften in unserer Presse initiiert und beeinflusst. Oft hielt er Reden oder Schulungen, die wir dann abdruckten. Aber auch seine Beiträge auf Sitzungen oder in politischen Kämpfen fanden ihren Niederschlag in unserer Zeitung. Zum Beispiel initiierte er unser Flugblatt vom 12. September 2008 (abgedruckt in Spartakist Nr. 174, November 2008) zum alljährlich vom VVN-BdA organisierten „Tag der Mahnung“ in Berlin, das aufzeigt, wie das Programm der Organistoren ein Hindernis darstellt zur notwendigen unabhängigen Mobilisierung der Arbeiterklasse, um die Nazis zu zerschlagen: „Der Aufruf appelliert an den bürgerlichen Staat: ,Nazistische Organisationen sind zu verbieten.‘ Das ist eine gefährliche Illusion. Die Faschisten sind die Reservearmee der Bourgeoisie. Es ist dieser rassistische kapitalistische Staat, der die Strippen der Nazis zieht, nicht nur über die V-Leute in den Vorständen der NPD und sonst wo, sondern auch indem er mit seinen rassistischen Kampagnen die Marschbefehle für die Nazi-Banden liefert.“
Fred hat während seiner schweren Krankheit viele Grüße, Briefe und Besuche bekommen, Genossen aus New York, Paris, London, Tokio und Südafrika besuchten ihn und Birgit in seinen letzten Tagen und stellten damit sicher, dass Fred bis zum Schluss unter Genossen sein konnte. Polnische Genossen besuchten Fred im Hospiz und nahmen liebevoll von ihm Abschied. Sie hatten eine wunderschöne Karte mitgebracht, bemalt mit den kommunistischen Symbolen, die die Regierung in Polen heutzutage zu verbieten versucht. Viele der Geschenke waren Musik-DVDs. Fred hatte zum großen Erstaunen von Birgit eine riesige Archivierung all seiner Lieblingsmusik angelegt. Er hatte vermutlich die umfassendste Rolling-Stones-Sammlung, aber er liebte auch Blues und manchmal sogar deutschen Pop.
Als bei Fred die schwere Krankheit mit tödlichem Ausgang bekannt wurde, widmete er sich mit aller Energie dem Studium unserer Parteigeschichte und der Geschichte des deutschen Trotzkismus. Fred hatte bereits 1992 auf der Zweiten Internationalen Konferenz der IKL ein Referat über den Kampf für die Kontinuität der Vierten Internationale gehalten, in dem er die zerstörerische Rolle des Pabloismus in Deutschland hervorhob. Fred wollte speziell unseren jüngeren Genossen die Debatten innerhalb des deutschen Nachkriegs-Trotzkismus verständlich machen. Und insbesondere wollte er wissen: „Wie und warum bin ich zur IKL gestoßen?“ Es ging ihm darum, die Argumente und die Periode von damals gerade auch den jüngeren Genossen verständlich zu machen, die heutzutage in einer relativ reaktionären Periode von wenig Klassenkampf aufwachsen, wo das Bewusstsein so sehr zurückgegangen ist. Er besuchte regelmäßig das APO-Archiv, zusammen mit einem jungen Genossen, um die Schriften und Flugblätter zu studieren. Er liebte es, das Material genau zu sichten, und wollte, dass wir alles scannen und nachverfolgen können. Zur gleichen Zeit suchten die Genossen der Prometheus Research Library in New York und Genossen aus der Internationale Texte darüber heraus, die zeigten, wie damals die Genossen der SL/U.S. nach Deutschland kamen und wie sie über ihre Erfahrungen berichteten, und es wurde zum Vergnügen, die akribischen Berichte der ZK-Protokolle zu lesen.
Kurz vor dem Ausbruch der Krankheit hat Fred noch am 21. November 2009 in Berlin bei einer öffentlichen Schulung das Hauptreferat gehalten, und zwar über unseren Kampf gegen die Konterrevolution in der DDR 1989/90 und für eine revolutionäre Wiedervereinigung durch proletarisch-politische Revolution im Osten und sozialistische Revolution im Westen. Dies war der größte Einsatz, den die IKL international je gemacht hat. Freds Rede ist im Spartakist Nr. 181, Januar 2010, abgedruckt. Fred beendet sie: „Unser Banner ist unbefleckt. Wenn wir sagen, wir sind die Partei der Russischen Revolution, wollen wir damit sagen: Wir haben die Kontinuität des bolschewistischen Programms von Lenin aufrechterhalten und streben danach, es in den Klassenkämpfen anzuwenden. Unsere Aufgabe ist es, die Vierte Internationale wiederzuschmieden, die Weltpartei der sozialistischen Revolution.“
Fred wurde für sein breites Wissen geliebt und respektiert, ebenso wie für seinen Humor, seine warme Menschlichkeit und seine Integrität. Er bleibt unvergessen. Die beste Ehrung, die es für Fred geben kann, ist den Kampf, dem er sein Leben verschrieb, fortzusetzen: den Aufbau einer internationalen revolutionären Arbeiterpartei.
Am 10. März findet in Berlin eine Gedenkveranstaltung für Fred statt, die mit einer Kranzniederlegung an der Gedenkstätte der Sozialisten beginnt. Weitere Informationen können über die Kontaktadressen erfragt werden.