Spartakist Nr. 185 |
Oktober 2010 |
Indien:
Nieder mit dem Krieg gegen Maoisten und Stammesvölker!
Nur Arbeiterrevolution kann die indischen Massen befreien
Nachfolgend drucken wir eine leicht redigierte Übersetzung aus Workers Vanguard Nr. 962 vom 20. Juli ab.
In einer Ende letzten Jahres begonnenen Militäroffensive hat Indiens Regierung bis zu 100 000 vom Militär unterstützte, schwerbewaffnete Polizisten mobil gemacht, um maoistische Guerillakräfte im östlichen und zentralen Binnenland zu zerschlagen. Premierminister Manmohan Singh von der Kongresspartei, die das Koalitionsregime der United Progressive Alliance (UPA) anführt, bezeichnete den von der Kommunistischen Partei Indiens (Maoisten) – im Folgenden CPI (Maoist) genannt – geführten Aufstand als „die größte einzelne Herausforderung der inneren Sicherheit, mit der unser Land je konfrontiert war“. Laut Regierungsquellen sind Maoisten in nahezu einem Drittel aller Verwaltungsbezirke Indiens aktiv, von der nördlichen Grenze mit Nepal bis nach Andhra Pradesh im Süden.
Die Offensive, Operation Grüne Jagd genannt, hat eine blutige Terrorkampagne entfacht. Ein Bericht schilderte, wie
„Polizeikräfte eines frühen Morgens im letzten Oktober die Einwohner von Gompad, einem entlegenen Dorf im ostindischen Staat Chhattisgarh, umzingelt und angegriffen haben. Sechzehn Menschen wurden getötet, darunter ein älteres Ehepaar und ihre 25jährige Tochter, der ein Messer in den Kopf gestoßen und die Brüste abgeschnitten wurden. Ihr zweijähriger Sohn überlebte, aber ihm wurden drei Finger abgehackt… Die Bullen verdächtigten die Dorfbewohner, mit den maoistischen Aufständischen zu sympathisieren, und hielten einige für Informanten.“ (Megha Bahree, „India’s Dirty War“ [Indiens schmutziger Krieg], forbes.com, 10. Mai)
Ungeachtet des Medienrummels um Indien als zukünftiger wirtschaftlicher Supermacht hat sich die bittere Armut, unter der der größte Teil der Bevölkerung leidet, durch die seit 1991 von den Herrschern des Landes in Gang gesetzten neoliberalen Reformen verschlimmert. Während eine kleine Schicht von Kapitalisten ungeheuere Profite angesammelt hat, wurden die Arbeiterklasse und die städtischen und ländlichen Armen von schonungslosen Kürzungen der öffentlichen Ausgaben und der Demontage der Agrarpreisstützung betroffen. Landenteignung und Schuldknechtschaft hatten von 1997 bis 2007 wenigstens 183 000 Selbstmorde unter den Bauern zur Folge – einen alle 30 Minuten. Mehrere zehn Millionen von ihrem Land vertriebener Bauern sind in die Städte abgewandert, wo die meisten in stinkenden Slums leben. Die Armut ist so allgegenwärtig, dass mehr als 40 Prozent aller Kinder Indiens unter 5 Jahren an Unterernährung leiden.
Ihre Unterstützerbasis haben die Maoisten bei den ungefähr 80 Millionen Adivasi (Stammesangehörigen), der ärmsten und am meisten ausgeplünderten Bevölkerungsgruppe ganz Indiens. Stammesdörfer in den Wäldern und im Dschungel haben kaum Schulen oder Krankenhäuser oder Zugang zu modernen sanitären Einrichtungen. Die Alphabetisierungsrate beträgt weniger als 25 Prozent und bei Frauen nur 14 Prozent, und es grassiert Unterernährung. Die CPI (Maoist) hat in der Vergangenheit die Adivasi-Bevölkerung gegen raubgierige Gutsbesitzer und brutale Polizeiübergriffe verteidigt. Am 6. April lauerte sie erfolgreich einer schwerbewaffneten Patrouille auf und tötete 76 paramilitärische Bullen.
Vor fünf Jahren stellte die Staatsregierung von Chhattisgarh eine Art von Bürgerwehr namens Salwa Judum („Friedensjagd“) zur gewaltsamen Entvölkerung hunderter von Stammesdörfern auf und gab dafür die wirtschaftliche Entwicklung als Grund an. Salwa-Judum-Banden, die von den Industriekonzernen Tata und Essar bezahlt werden, die sich große Teile des Landes und der Ressourcen in diesem Gebiet unter den Nagel zu reißen versuchen, brannten Häuser nieder und sperrten Zehntausende in schmutzige Internierungslager ein. Solche Aktionen schürten nur noch tieferen Widerwillen gegenüber den Machthabern und stärkten die Unterstützung für die Maoisten. Jetzt weiten die indischen Herrscher ihre Angriffe zu einem richtigen Krieg aus. Ihr Ziel ist es, die Stammesbezirke wieder unter zentrale Kontrolle zu bekommen, was die gewaltsame Beschlagnahmung von Land und die Übereignung riesiger Reichtümer an Bodenschätzen an indische und internationale Konzerne ermöglichen würde.
In diesem Gebiet gibt es riesige nicht erschlossene Rohstoffquellen, darunter reiche Eisenerz-, Kohle- und Kalksteinvorräte wie auch Bauxitvorkommen im Wert von schätzungsweise 4 Billionen Dollar – mehr als das Dreifache des jährlichen Bruttoinlandsprodukts ganz Indiens. Wie die bekannte indische Schriftstellerin Arundhati Roy in einem scharfsinnigen Artikel von Outlook India (9. November 2009) bemerkte:
„Im Augenblick besteht die Guerillaarmee der Maoisten in Zentralindien fast vollständig aus bitter armen Stammeseinwohnern, die unter Bedingungen derart chronischen Hungers leben, dass es an eine Hungersnot grenzt, wie wir sie nur mit Schwarzafrika in Verbindung bringen…
Wenn die Stammesangehörigen zu den Waffen gegriffen haben, dann deshalb, weil eine Regierung, von der sie nichts als Gewalt und Vernachlässigung erfahren haben, ihnen jetzt auch noch das Letzte, was sie haben, entreißen will – ihr Land. Offensichtlich glauben sie der Regierung nicht, wenn die sagt, sie wolle nur ihren Landesteil ,entwickeln‘. Offensichtlich glauben sie nicht, dass die Straßen, breit und eben wie Flugzeugrollbahnen, die von der National Mineral Development Corporation durch ihre Wälder in Dantewada gebaut werden, dafür da sind, dass ihre Kinder auf ihnen zur Schule gehen können. Sie glauben, dass sie, wenn sie nicht für ihr Land kämpfen, ausgelöscht werden.“
Bald nach ihrer Wiederwahl im Mai 2009 verbot die UPA-Regierung die CPI (Maoist) unter Berufung auf drakonische „Anti-Terroristen“-Gesetze. Andere wurden verfolgt, nur weil sie ihre Stimme gegen staatliche Repression erhoben hatten. Gegen Arundhati Roy selbst wurde im Zusammenhang mit einer Anklage nach dem Special Public Security Act ermittelt, nachdem sie in einem weiteren Artikel von Outlook India über ihren Besuch eines von Maoisten kontrollierten Gebiets berichtet hatte. Mittlerweile werden linksgerichtete Aktivisten bei außergerichtlichen „encounter killings“ [Tötungen im Gefecht] von der Polizei erschossen. Protestiert gegen die staatliche Hexenjagd! Nieder mit der Operation Grüne Jagd!
Permanente Revolution kontra stalinistische Klassenzusammenarbeit
Die Internationale Kommunistische Liga (Vierte Internationalisten) verurteilt den Krieg der indischen Regierung gegen die CPI (Maoist) und die Adivasi-Dorfbewohner, der auf Geheiß der korrupten indischen Bourgeoisie und der internationalen Bergbaumagnaten geführt wird. Die Arbeiterklasse in Indien und international muss sich für die Verteidigung der Maoisten und Stammesvölker gegen die blutige staatliche Offensive einsetzen.
Doch die politische Strategie der CPI (Maoist) weist den unterdrückten Massen Indiens keinen Weg nach vorn. Wie all die vielen Varianten des indischen Stalinismus streben auch die Maoisten in der „ersten Etappe“ einer „Zwei-Etappen“-Revolution ein Bündnis mit einem imaginären „fortschrittlichen“ Flügel der Kapitalistenklasse an. Parteigeneralsekretär Ganapathy machte das in einem Interview deutlich:
„Wir haben ein klares Verständnis von der Vereinigung aller revolutionären, demokratischen, fortschrittlichen, patriotischen Kräfte und aller unterdrückten sozialen Gemeinschaften, einschließlich unterdrückter Nationalitäten, gegen Imperialismus, Feudalismus und bürokratischen Kompradorenkapitalismus. Unsere Neue Demokratische Einheitsfront (UF) besteht aus vier demokratischen Klassen, d. h. aus Arbeitern, Bauern, städtischer Kleinbourgeoisie und nationaler Bourgeoisie.“ (Sanhati, Januar 2010)
Die Strategie eines Bündnisses mit einem Flügel der bürgerlichen Ausbeuter – ob man ihn nun „national“, „patriotisch“ oder „fortschrittlich“ nennt – hat den Arbeitern und Unterdrückten in Indien und überall auf der Welt eine Niederlage nach der anderen beschert. Alle Flügel der indischen Kapitalistenklasse sind durch Tausende von Fäden mit den imperialistischen Mächten Europas, Nordamerikas und Japans verbunden; keiner ist für die Arbeiterklasse und die Unterdrückten in irgendeiner Hinsicht ein potenzieller Bündnispartner. In Staat und Revolution und in vielen anderen Schriften ließ W. I. Lenin, Führer der bolschewistischen Oktoberrevolution von 1917, kein gutes Haar an der Auffassung, die Klasseninteressen von Bourgeoisie und Proletariat wären doch irgendwie miteinander vereinbar.
Dank des unnachgiebigen Kampfes der Bolschewiki für Klassenunabhängigkeit von den Kapitalisten waren die russischen Arbeiter 1917 imstande die Macht zu ergreifen. Das Ergebnis war ein Arbeiterstaat, eine revolutionäre Diktatur des Proletariats unterstützt von der Bauernschaft. Entscheidend für die Festigung des Bündnisses der Arbeiter mit den Bauern war die Unterstützung der Bolschewiki für die Besetzung der Ländereien durch die Bauern und für die Aufteilung des Landes an diejenigen, die es bearbeiten. Die Bolschewiki gewannen auch breite Unterstützung unter der Bauernschaft durch ihre revolutionäre Opposition zum ersten interimperialistischen Krieg, in dem Millionen einfacher proletarischer und bäuerlicher Soldaten getötet wurden.
Die Perspektive der permanenten Revolution, erstmals von Leo Trotzki während der Russischen Revolution von 1905 entwickelt und durch die proletarische Machtergreifung vom Oktober 1917 bestätigt, skizziert den indischen Massen den Weg zur Befreiung ganz klar. Typisch für das zaristische Russland wie für das heutige Indien ist eine ungleiche und kombinierte Entwicklung, mit starken Gegensätzen zwischen Arm und Reich sowie moderner Industrie gleich neben unbeschreiblichem Elend. Unzählige Formen besonderer Unterdrückung – basierend auf Geschlecht, Kaste, Nationalität, Religion – gehören zu den Überbleibseln einer vorindustriellen Vergangenheit, die durch nahezu zwei Jahrhunderte brutaler britischer Kolonialherrschaft verfestigt und vertieft wurden. Dies gipfelte in der britischen Teilung des indischen Subkontinents in Indien und Pakistan, die kommunalistische Massaker und Zwangsumsiedlungen von Millionen Muslimen, Sikhs und Hindus auslöste. Seit der Unabhängigkeit, und vor allem unter der Herrschaft der nominell säkularen Kongresspartei, hat die indische Bourgeoisie weiterhin jegliche Art von mörderischer Spaltung geschürt.
Nationale und soziale Befreiung für die Massen kann nicht durch die kapitalistischen Ausbeuter Indiens oder im Bündnis mit ihnen erreicht werden. Es ist notwendig, die kapitalistische Klassenherrschaft zu zerschlagen und eine Arbeiter- und Bauernregierung zu errichten. Das indische Proletariat ist die einzige soziale Kraft, die einen solchen Kampf anführen kann. Die Arbeiterklasse besitzt dank ihrer zentralen Rolle in der Produktion – wo ihre kollektiv organisierte Arbeitskraft in den Fabriken, den Bergwerken, im Transportwesen und in anderen Industriezweigen von den Kapitalisten für den Profit ausgebeutet wird – eine ungeheure potenzielle Macht.
Das entscheidende Instrument für den Sieg ist eine internationalistische leninistische Avantgardepartei der Arbeiterklasse. Die CPI (Maoist) lehnt die zentrale Rolle der Arbeiterklasse ab und stützt sich stattdessen auf die Bauernschaft auf dem Lande. Doch die vielschichtigen und in kleinen Dörfern über ganz Indien verstreuten Bauernmassen sind zu einer einheitlichen unabhängigen gesellschaftlichen Strategie nicht in der Lage. Es gibt nur zwei maßgebliche Klassen in der kapitalistischen Gesellschaft: die Bourgeoisie und das Proletariat. Die Bauern gehören zu einer heterogenen Zwischenschicht, der Kleinbourgeoisie. Ihre unmittelbar empfundenen Interessen sind vor allem Eigentumsinteressen, für die Verteidigung oder den Erwerb von Land. So sind Bauernparteien im Grunde pro-bürgerlich oder bürgerlich, auch wenn Teile mancher solcher Parteien für die Seite des revolutionären Proletariats gewonnen werden können.
Vor allem in Ländern wie Indien, wo die Arbeiterklasse zahlenmäßig kleiner ist als die Bauernschaft, ist die Frage der Agrarrevolution eine Schlüsselkomponente des Programms für eine proletarische Staatsmacht. Die Arbeiterklasse muss die Unterstützung der Massen von armen und/oder landlosen Bauern gewinnen, auch durch Forderungen nach Enteignung der Gutsbesitzer und Land für die Bauern, und gleichzeitig versuchen die mittleren und oberen Schichten der Bauernschaft so gut wie möglich zu neutralisieren.
Freiheit vom imperialistischen Joch, die Beseitigung aller Formen von Unterdrückung, wirtschaftliche Entwicklung im Interesse der großen Mehrheit: Diese dringenden Aufgaben erfordern eine proletarische Revolution und ihre Ausweitung auf die fortgeschrittenen kapitalistischen Länder Nordamerikas, Westeuropas und Japans. Eine sozialistische Revolution in Indien würde überall in Südasien und auf der ganzen Welt Widerhall finden und dabei im Proletariat der imperialistischen Zentren sowie des bürokratisch deformierten Arbeiterstaates China mächtige Verbündete finden. Eine entscheidende Aufgabe eines indischen Arbeiterstaates, der von der Bauernschaft unterstützt wird, wäre es, die materielle Grundlage für die Beseitigung von Armut und Hunger zu schaffen, auch durch die Kollektivierung und Modernisierung der Landwirtschaft. Der Erfolg dieser Anstrengung hängt davon ab, welche Ressourcen durch sozialistische Revolutionen in den imperialistischen Kernländern zur Verfügung gestellt werden können.
Eine revolutionäre Arbeiterpartei in Indien würde sich für die Sache aller Geknechteten einsetzen, einschließlich der ländlichen und städtischen Armen, der unterdrückten Kasten und der Stammesvölker. Sie würde unnachgiebig für die Befreiung von Indiens schrecklich unterdrückten Frauen kämpfen und verfolgte nationale und religiöse Minderheiten, insbesondere die Muslime, die eine Zielscheibe von Hindu-Chauvinismus sind, verteidigen. Eine solche Partei kann nur im politischen Kampf gegen die Programme der Klassenzusammenarbeit der verschiedenen stalinistischen Organisationen geschmiedet werden. Die politische Perspektive der kleinbürgerlichen CPI (Maoist) – eine Art von „Reformismus mit Gewehren“ – bietet keine Alternative zum unverhohlenen parlamentarischen Reformismus der alteingesessenen stalinistischen Massenparteien, der Kommunistischen Partei Indiens (CPI) und der Kommunistischen Partei Indiens (Marxisten) – CPI (Marxist).
Der indische Stalinismus und seine Geschichte des Verrats
Die CPI (Maoist) ist die größte von Indiens verbliebenen naxalitischen Organisationen, die nach dem Bezirk Naxalbari von Westbengalen benannt sind, der 1967 Schauplatz eines größeren Bauernaufstandes war. Die naxalitische Bewegung, die überwiegend durch Spaltungen von der CPI (Marxist) entstand – welche selbst ein paar Jahre zuvor aus der Einheits-CPI hervorgegangen war – zog Tausende gebildeter städtischer junger Menschen an, die sich durch die „revolutionäre“ Rhetorik von Maos China während der späten 1960er-Jahre in die Irre führen ließen. Diese jungen Leute lehnten den krassen Parlamentarismus der CPI und der CPI (Marxist) ab, gaben dabei die Städte zugunsten des Landes auf und vertraten die Perspektive eines auf die Bauernschaft gestützten „Volkskriegs“.
Die ersten Bauernaufstände waren bis Anfang der 1970er-Jahre größtenteils niedergeschlagen worden, und China distanzierte sich später von den Naxaliten. Die indischen Maoisten zerfielen bald in Dutzende rivalisierende Gruppen, von denen einige schließlich ihre Aktivitäten auf städtische Slum-Distrikte statt auf das Land konzentrierten. Heute sind die maoistischen Gruppen der Städte in erheblichem Durcheinander und Niedergang. Die größten verbliebenen Gruppen auf dem Lande vereinigten sich 2004 zur CPI (Maoist) und schufen so die Voraussetzung für die gegenwärtige erweiterte Aufstandsbewegung.
Der indische Stalinismus hat eine lange schmutzige Vergangenheit der Klassenzusammenarbeit. Schon 1926 unter der Anleitung des indischen pseudomarxistischen Abenteurers M. N. Roy (damals ein enger Verbündeter von Stalin und Nikolai Bucharin in der Führung der Kommunistischen Internationale) begann die CPI in Bengalen eine klassenübergreifende „Bauern- und Arbeiterpartei“ aufzubauen. Diese Partei wiederum fungierte als Pressure-Group gegenüber dem bürgerlichen Indischen Nationalkongress von Mahatma Gandhi und Jawaharlal Nehru. Roy drängte die CPI sogar, noch weiter zu gehen und „eine loyale nationalistische Partei mit einem radikalrepublikanischen Programm (Volkspartei)“ ins Leben zu rufen (zitiert in History of the Communist Movement in India [Geschichte der kommunistischen Bewegung in Indien], Volume 1, Communist Party of India [Marxist], 2005).
Seit Mitte der 1930er-Jahre gab die CPI immer wieder dem bürgerlich-nationalistischen Kongress politische Unterstützung. Eine Zeit lang während des Zweiten Weltkriegs gab sie sogar den Kampf für Indiens Unabhängigkeit auf zugunsten eines Bündnisses mit den „demokratischen“ Unterdrückern, den britischen Imperialisten. (Mehr Details dazu in „The ,Quit India‘ Movement 50 Years On – Stalinist Alliance with Churchill Betrayed Indian Revolution“ [Die ,Quit-India‘-Bewegung 50 Jahre danach – stalinistisches Bündnis mit Churchill war Verrat an indischer Revolution], Workers Hammer Nr. 131 und 132, September/Oktober und November/Dezember 1992.)
Heute agieren CPI und CPI (Marxist) als unverhohlene Unterstützer des indischen Kapitalismus. Seit 1977 leiten diese Stalinisten die Staatsregierung in Westbengalen und setzen deren Repressionsgewalt zur Verteidigung von Privateigentum und Profit gegen die Armen und Unterdrückten ein. In den letzten Jahren hat das von der CPI (Marxist) angeführte „Linksfront“-Regime wiederholt auf Geheiß indischer und internationaler kapitalistischer Unternehmen Land von den Bauern beschlagnahmt und damit weit verbreiteten Widerstand in der Bevölkerung hervorgerufen.
Im Dezember 2006 enteignete die westbengalische Regierung Land im Bezirk Singur zugunsten von Tata Motors, einem von Indiens größten kapitalistischen Konzernen. Wer Widerstand leistete, wurde übel zusammengeschlagen und verhaftet, wobei eine junge Aktivistin brutal vergewaltigt und ermordet wurde. Im März darauf überfielen Tausende von Polizisten und bewaffneten Kadern der CPI (Marxist) Bauern, die gegen eine Zwangsenteignung in Nandigram Widerstand leisteten. Mindestens 14 wurden getötet und über 200 verletzt (siehe: „India: The Nandigram Massacre“ [Indien: Das Massaker von Nandigram], Spartacist Canada Nr. 159, Winter 2008/2009).
In jüngerer Zeit hat das westbengalische Regime die Polizei mobil gemacht, um Adivasi-Dorfbewohner anzugreifen, die gegen die in Lalargh im Interesse des Konzerns Jindal Steel & Power durchgeführten Enteignungen protestierten. Und heute unterstützen CPI und CPI (Marxist) die blutige Offensive der UPA-Zentralregierung gegen die Maoisten. Dies ist die politische Logik des Programms der „Revolution in Etappen“: Die Massen werden vom Kapitalismus weiterhin brutal unterdrückt, und die zweite, angeblich sozialistische Etappe kommt nie.
Von Anfang an haben die naxalitischen Kräfte eine Spielart der gleichen stalinistischen Politik der Klassenzusammenarbeit vertreten. In seinem Aufruf zu einer „Demokratischen Volksrevolution“ schrieb ihr Gründer und Führer Charu Mazumdar 1970, dass „die Mehrheit der Geschäftswelt mit uns gehen wird. Sie stellt einen Großteil der nationalen Bourgeoisie“ (zitiert in Sumanta Banerjee, India’s Simmering Revolution: The Naxalite Uprising [Indiens schwelende Revolution: der Naxalitenaufstand], 1980).
Die Naxaliten reden zwar von „Arbeiter-Bauern-Einheit“, doch mit ihrem Rückzug aufs Land wandten sie sich von der Arbeiterklasse ab und verwandelten sich sowohl von ihrer Zusammensetzung als auch von ihrer politischen Perspektive her in eine kleinbürgerliche auf die Bauern gestützte Bewegung. Ihr Vorbild ist der „Volkskrieg“, den Maos Kommunistische Partei Chinas in den 30er- und 40er-Jahren geführt hat. Maos Rückzug aus den Städten aufs Land erfolgte nach der Niederlage der Chinesischen Revolution von 1925–27, bei der Stalin und seine Gefolgsleute – darunter an vorderer Stelle M. N. Roy – die chinesischen Kommunisten angewiesen hatten, die Arbeiter der bürgerlich-nationalistischen Guomindang unterzuordnen. Das Ergebnis war ein Blutbad an Zehntausenden kommunistisch geführter Arbeiter in Shanghai und anderen Städten gewesen.
In einer Streitschrift gegen die auf die Bauernschaft ausgerichtete Perspektive der chinesischen Stalinisten in den 1930er-Jahren schrieb Leo Trotzki zur Bekräftigung der unabhängigen Klassenmobilisierung des städtischen Proletariats:
„Die Bauernbewegung ist ein mächtiger revolutionärer Faktor, sofern sie sich gegen die Großgrundbesitzer, die Militärmachthaber, die Feudalherren und Wucherer richtet. Aber in der Bauernbewegung selbst gibt es sehr starke eigentumfixierte und reaktionäre Tendenzen, die sich in einem gewissen Stadium feindlich – sogar mit Waffengewalt – gegen die Arbeiter richten können. Wer die Doppelnatur der Bauernschaft vergisst, ist kein Marxist. Man muss die fortschrittlichen Arbeiter lehren, hinter den ,kommunistischen‘ Aushängeschildern und Bannern die wirklichen gesellschaftlichen Prozesse zu erkennen.“ („Der Bauernkrieg in China und das Proletariat“, 22. September 1932)
Nur unter den höchst außergewöhnlichen Bedingungen der Zeit unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg konnte Maos bäuerliche Volksbefreiungsarmee die Städte erobern und 1949 die kapitalistische Klassenherrschaft zerschlagen. Dazu gehörten der militärische Zusammenbruch der korrupten Guomindang, das Nichteingreifen der Arbeiterklasse in den unmittelbaren Kampf um die Macht und, was entscheidend war, die Existenz der Sowjetunion, eines bürokratisch degenerierten Arbeiterstaates, als wirtschaftliche und militärische Hilfsquelle. Von Anfang an war das maoistische China keine „Neue Demokratie“ auf der Grundlage eines „Blocks der vier Klassen“ – ein Standardspruch bei den Stalinisten –, sondern eine Form der Diktatur des Proletariats. Doch der chinesische Arbeiterstaat war von Anfang an bürokratisch deformiert, regiert von einer nationalistischen Bürokratie, die den unabhängigen Kämpfen der Arbeiterklasse und der unerlässlichen Perspektive einer internationalen sozialistischen Revolution feindlich gegenübersteht. Dies zeigte sich deutlich in Chinas konterrevolutionärer Allianz mit dem US-Imperialismus gegen die Sowjetunion in den 70er- und 80er-Jahren.
Trotz der bürokratischen Herrschaft von Mao und seinen Nachfolgern war die Chinesische Revolution ein Leuchtfeuer für Millionen unterdrückte Werktätige in Asien. Chinas kollektivierte Wirtschaft hat den Arbeitern, Bauern und Frauen ungeheuere Vorteile gebracht, nicht zuletzt ein Ende der jahrhundertelangen chronischen Hungersnot auf dem Lande. Das steht in krassem Gegensatz zu den Entwicklungen im kapitalistischen Indien. Heute sieht der US-Imperialismus in Indien einen strategischen Verbündeten bei seinem Kreuzzug, die Errungenschaften der Chinesischen Revolution umzustürzen. Die IKL tritt für die bedingungslose militärische Verteidigung Chinas gegen Imperialismus und Konterrevolution ein. Gleichzeitig rufen wir zu einer proletarisch-politischen Revolution auf, um die nationalistische stalinistische herrschende Kaste in Beijing zu entmachten und ein auf Arbeiterdemokratie und revolutionärem Internationalismus basierendes Regime zu errichten.
Das revolutionäre Potenzial der indischen Arbeiterklasse
Wie wir in „Grundsatzerklärung und einige Elemente des Programms“ der IKL von 1998 schrieben:
„Der unvollständige Charakter der antikapitalistischen Revolutionen in der kolonialen Welt bringt uns dazu, die marxistisch-leninistische Auffassung, dass das Proletariat als einzige soziale Kraft in der Lage ist, die sozialistische Revolution durchzuführen, erneut zu bekräftigen. Die IKL lehnt grundsätzlich die maoistische, im Menschewismus und stalinistischen Reformismus wurzelnde Doktrin ab, die die Avantgarderolle der Arbeiterklasse zurückweist und diese ersetzt durch einen auf der Bauernschaft basierenden Guerillakrieg, um zum Sozialismus zu gelangen.“ (Spartacist, deutsche Ausgabe Nr. 20, Sommer 1998)
Die Naxalitenbewegung führte eine Generation junger indischer Linker in die Irre, die sich zugunsten des Hirngespinstes einer ländlichen Guerillastrategie von den Kämpfen der städtischen Arbeiterklasse abwandten. Angesichts des erheblichen Anwachsens des indischen Proletariats ist heute der Bankrott dieser Perspektive sogar noch deutlicher.
Zwar leben mehr als zwei Drittel der Bevölkerung immer noch in ländlichen Gegenden, und etwas mehr als die Hälfte der Arbeitskräfte ist in der Landwirtschaft tätig, doch sowohl die städtische Bevölkerung als auch die Produktionsleistung sind in den letzten Jahrzehnten rapide gewachsen. Etwa 14 Prozent aller Arbeitskräfte schuften in Industriebetrieben, von der Textilbranche, der chemischen Industrie und der Nahrungsmittelverarbeitung bis hin zur Produktion von Stahl, Verkehrsmitteln, Maschinen und anderem. Im ganzen Land gibt es Tausende von großen Fabriken und wichtigen Industriekomplexen.
Trotz der verräterischen Führung von CPI und CPI (Marxist) sowie des Einflusses der bürgerlichen Kongresspartei und verschiedener Regional- und Kastenparteien hat die indische Arbeiterklasse wiederholt ihre soziale Macht bewiesen. Ein Artikel mit der Überschrift „Deadly Labor Wars Hinder India’s Rise“ [Tödliche Arbeitskriege behindern Indiens Aufstieg] im Wall Street Journal (24. November 2009) beschrieb, wie die jüngsten Streiks und Betriebsbesetzungen „durch die Unzufriedenheit der Arbeiter entfacht wurden, von denen viele sagen, sie hätten am Wohlstand des letzten Jahrzehnts nicht teilgehabt“. Allein im vergangenen Jahr gab es größere Streiks in Unternehmen wie dem einheimischen Autobauer Mahindra & Mahindra bis hin zu Fabriken im Besitz von Nokia aus Finnland, Hyundai aus Südkorea und dem Lebensmittelkonzern Nestlé.
Im September 2009 kam es zu einem sechswöchigen Streik von mehr als 2000 Arbeitern bei einem in indischem Besitz befindlichen Autozulieferer im Industriegürtel von Gurgaon-Manesar in der Nähe von Delhi, so dass der US-Autogigant Ford ohne Getriebeteile dastand und daraufhin Fabriken in Kanada und den USA die Produktion einstellen mussten. Über 100 000 Arbeiter in mehr als 70 Fabriken im Gebiet von Gurgaon-Manesar nahmen an einem eintägigen Ausstand teil, um gegen die Ermordung eines Streikenden durch Firmenschläger zu protestieren. Die unmittelbare Auswirkung des Streiks auf Fords nordamerikanische Betriebe unterstreicht die Notwendigkeit aktiver Solidarität von US- und kanadischen Arbeitern mit ihren Klassenbrüdern und -schwestern in Indien.
In den ersten Monaten dieses Jahres streikten Hunderttausende Telekommunikationsarbeiter und Kohlebergleute gegen Privatisierung und Arbeitsplatzabbau, und am 27. April führten Gewerkschaften einen eintägigen landesweiten Generalstreik gegen galoppierende Preiserhöhungen bei Gütern des täglichen Bedarfs durch. Ein noch größerer Generalstreik am 5. Juni wurde von einem stillschweigenden Bündnis aus stalinistischen Linksfront-Parteien und der hindu-chauvinistischen Bharatiya Janata Party (BJP) als Protest gegen die steigenden Treibstoffpreise organisiert.
Bestenfalls beschränken die Maoisten die aufsässige städtische Arbeiterklasse auf die Rolle eines passiven Zuschauers bei ihrem ländlichen „Volkskrieg“ und lassen die Arbeiter in den Klauen der offen prokapitalistischen Linksfront-Parteien und von bürgerlichen Kräften wie Kongress und BJP. Indessen hat die CPI (Maoist) die naxalitische Politik der „Liquidierung von Klassenfeinden“ – Hinrichtungen einzelner Gutsbesitzer und Staatsbevollmächtigter – ausgeweitet auf die Entführung und Tötung von Kadern rivalisierender stalinistischer Parteien, auch von Gewerkschaftsführern, die sie als „Sozialfaschisten“ bezeichnen. Eine derartige mörderische Gewalt gegen andere Parteien der Linken und der Arbeiterklasse, so typisch für den Stalinismus, ist abscheulich und muss verurteilt werden.
Die Maoisten streben auch regelmäßig nach Bündnissen mit der einen oder anderen offen kapitalistischen Partei. Während der Proteste gegen die Gräueltaten von Singur und Nandigram bildeten sie eine kaum verheimlichte Allianz mit dem rechtsgerichteten Trinamool-Kongress (Graswurzel-Kongress) von Mamata Banerjee, dem parlamentarischen Hauptrivalen der Linksfront in Westbengalen. Nach ihrem Eintritt in die UPA-Regierung in Neu-Delhi haben Banerjee & Co. inzwischen die bewaffnete Offensive gegen die Maoisten unterstützt.
Plebejische Massenrevolte in Nepal
Die Logik maoistischer Klassenzusammenarbeit zeigte sich klar und deutlich im nördlich angrenzenden Himalajaland Nepal. In den letzten zwei Jahrzehnten wurde Nepal durch eine tiefgreifende Revolte grundlegend erschüttert, die von der unterdrückten Bauernschaft ausging und ebenfalls von maoistischen Kräften geführt wurde. Einen wichtigen Anstoß zu diesem Kampf gab der Widerstand gegen die Monarchie. 2006 schließlich kontrollierten maoistische Kräfte, zu denen bemerkenswerterweise viele Frauen gehörten, 80 Prozent der ländlichen Gebiete, wo sie bedeutende Sozialreformen durchführten, darunter die rechtliche Gleichstellung der Frauen, Schläge gegen das Kastensystem, die Errichtung von Schulen und der Bau von Straßen. Nach einer Periode von Massendemonstrationen, einschließlich eines längeren Generalstreiks 2006, konnten sie sich in der Hauptstadt Katmandu festsetzen.
Die Maoisten traten dann in eine bürgerliche Koalitionsregierung ein und gingen 2008 bei Parlamentswahlen, die zum Ende der Monarchie führten, als die größte Partei hervor. Nachdem die Vereinigte Kommunistische Partei Nepals (Maoisten) – UCPN (Maoist) – ein Jahr später die Regierung wegen Uneinigkeit über die Entlassung des Armeechefs verlassen hatte, startete sie in diesem Mai einen „unbefristeten Generalstreik“ für eine neue „Regierung der nationalen Einheit“. Der Streik wurde bald abgebrochen, und die Maoisten unterzeichneten ein Abkommen, mit Verhandlungen über eine neue Regierung fortzufahren, während eine rivalisierende Gruppe stalinistischen Ursprungs, die Vereinigten Marxisten-Leninisten, im Übergangsregime verblieben. Der Aktionsradius der maoistischen Guerillas ist auf Lager beschränkt, die nominell unter Kontrolle der Vereinten Nationen stehen, und ihre Führer bemühen sich um ihre Integration in die bürgerlichen Streitkräfte.
Die jetzt als UCPN (Maoist) bekannte Organisation hatte schon immer enge Beziehungen zu Indiens Naxaliten und vertritt ein ähnliches Dogma von der „Revolution in Etappen“. In ihrem „Common Minimum Policy and Programme“ [Gemeinsame politische Mindestforderungen und Minimalprogramm] von 2001 forderte sie eine „Demokratische Volksdiktatur unter Beteiligung aller fortschrittlichen Klassen einschließlich der nationalen Bourgeoisie“. Als die Maoisten 2008/09 an der Regierung waren, verteidigten sie ausdrücklich den Kapitalismus und unterstützten Gesetze zum Verbot von Streiks. So wurde in Himalayan Times online (10. April 2009) berichtet: „Die Regierung plant die Einschränkung von bandhs (Straßenprotesten) und Streiks in der Industrie und bei lebenswichtigen Gütern“, und der maoistische Finanzminister Baburam Bhattarai wurde zitiert: „Wir befinden uns in einer neuen politischen Konstellation, und das erfordert auch eine neue Perspektive in Handel und Industrie.“
Im Unterschied zu Indien hat Nepal nur sehr wenig Industrieproletariat. Drei Viertel der Arbeitskräfte sind in der Landwirtschaft beschäftigt, und 90 Prozent der städtischen Arbeitkräfte arbeiten im „informellen“ Sektor, vor allem in kleinen Familienwerkstätten. Zwar können die von verschiedenen Parteien organisierten Gewerkschaften Hunderttausende von Mitgliedern vorweisen, doch bei den gegebenen industriellen Aktivitäten handelt es sich hauptsächlich um die Weiterverarbeitung landwirtschaftlicher Produkte wie Hülsenfrüchte (z. B. Linsen), Jute, Rohrzucker, Tabak und Getreide. Die größtenteils auf primitiver Handwerkstechnologie basierende Bekleidungsindustrie beschäftigte einst 300 000 Arbeiter, ist aber jetzt fast vollständig zusammengebrochen. Ungefähr drei Millionen Nepalesen – mehr als 10 Prozent der Bevölkerung – sind ins Ausland gezogen, um Arbeit zu finden, und von ihnen gibt es wichtige Konzentrationen in Indien und anderen Ländern Asiens.
Die unterdrückten Massen Nepals brauchen eine marxistisch-internationalistische Perspektive, die den Kampf für gesellschaftliche Modernisierung und Befreiung mit den Klassenkämpfen des Proletariats in fortgeschritteneren Ländern jenseits der Landesgrenzen verbindet. Eine Arbeiterrevolution im benachbarten Indien hätte unmittelbar massive Auswirkungen auf Nepal und würde den Kampf für eine sozialistische Föderation des Subkontinents auf die Tagesordnung stellen. Umgekehrt würde ein riesiger plebejischer Aufstand in Nepal, der die kleine Arbeiterklasse dort mitreißt, zum Ausbruch eines proletarischen Aufstandes in Indien beitragen.
Die kleinbürgerliche UCPN (Maoist) lehnt eine solche Perspektive scharf ab und propagiert rückschrittlichen nepalesischen Nationalismus, auch gegen sogenannte „kulturelle Verunreinigung“ aus Indien. Die „40-Punkte-Forderungen“ der Maoisten, die 1996 am Vorabend ihres bewaffneten Aufstandes herausgegeben wurden, enthalten Forderungen wie die „Kontrolle und Systematisierung“ der nepalesisch-indischen Grenze, das Verbot von Autos mit indischem Kennzeichen und die Unterdrückung hindi-sprachiger Filme, Videos, Zeitschriften und Zeitungen. In einer Reihe jüngster Erklärungen haben die indischen Maoisten ihre ehemaligen Genossen in Nepal wegen ihrer „gefährlichen reformistischen Positionen“ kritisiert. Doch die nepalesischen Maoisten führen die Logik von mao-stalinistischem Nationalismus und Klassenzusammenarbeit nur bis zur letzten Konsequenz.
Schmiedet eine leninistisch-trotzkistische Partei!
Indiens vielgepriesene Entwicklung in den letzten beiden Jahrzehnten ist nur einem kleinen Teil der Bevölkerung zugute gekommen: der stinkreichen Bourgeoisie und einer kleinbürgerlichen Technokraten-/Managerschicht in den Städten. Die Arbeiterklasse leidet unter entsetzlichen Arbeits- und Lebensbedingungen und unter Hungerlöhnen, und überall breiten sich schmutzige Slums aus, da vertriebene Bauern in die Städte strömen, um nach Arbeit zu suchen. Damit die Herrschenden ihre unterdrückerische Kontrolle aufrechterhalten können, schüren sie die Gegensätze von Kasten, Religionen, Sprachen usw.
Die Verhältnisse schreien nach jener Art von Perspektive, für die Lenin und Trotzki in der Oktoberrevolution von 1917 gekämpft haben: Machtergreifung der Arbeiter an der Spitze der unterdrückten Massen, Agrarrevolution zur Befreiung der Bauernschaft, Vergesellschaftung und rationale Neuorganisation der Wirtschaft im Interesse der menschlichen Bedürfnisse, nicht des Profits, und Kampf zur internationalen Ausweitung der sozialistischen Revolution, vor allem auf die imperialistischen Kernländer. Nur eine solche Perspektive kann in Indien die Grundlage schaffen für eine geplante wirtschaftliche Entwicklung, die den verarmten Bevölkerungsgruppen wie den Adivasis zugute kommt, statt deren Leben zu zerstören.
Eine soziale Befreiung in Südasien wird nicht durch isolierte Kämpfe in den Wäldern und Dschungeln erreicht werden, sondern erfordert die Mobilisierung des städtischen Proletariats unter revolutionärer Führung. Im Kampf zur Schmiedung einer solchen Führung kann man aus der im Zweiten Weltkrieg geleisteten Arbeit der Bolschewistisch-Leninistischen Partei Indiens (BLPI), der indischen Sektion der trotzkistischen Vierten Internationale, wichtige Lehren ziehen. Während die Stalinisten den britischen Imperialismus unterstützten und gegen den Kampf für Indiens Unabhängigkeit eintraten und später wieder die Arbeiter dem bürgerlichen Kongress unterordneten, kämpfte die BLPI heldenhaft für eine marxistische proletarische Perspektive.
Diese stolze Geschichte wurde später weggeworfen, angefangen 1948 mit der Auflösung der BLPI zum Zwecke eines liquidatorischen Eintritts in die durch und durch reformistische Sozialistische Partei von J. P. Narayan. In den folgenden Jahren wurden die Überbleibsel des einstmals eindrucksvollen trotzkistischen Kaderstamms Indiens der Sozialdemokratie einverleibt. Als daher Ende der 1960er-Jahre eine neue Welle des jugendlichen Radikalismus in Indien aufkam, wurde sie in die Sackgasse des naxalitischen Maoismus geführt. Und die kleinen vorgeblich trotzkistischen Gruppen, die seit den 1970er-Jahren aktiv waren und in der Regel dem revisionistischen „Vereinigten Sekretariat“ (VS) des inzwischen verstorbenen Ernest Mandel angehörten, propagierten weiterhin eine klägliche Anpassung an nichtrevolutionäre Kräfte. Mitte der 2000er-Jahre fiel die indische VS-Sektion auseinander und verschwand von der Bildfläche.
Die IKL kämpft für die Wiederschmiedung der Vierten Internationale als Weltpartei der sozialistischen Revolution. Militante in Indien, die den Weg zum revolutionären Marxismus suchen, müssen sich mit dem Programm des Trotzkismus und der Geschichte der frühen BLPI auseinandersetzen, die als Einzige einen Weg zur indischen Arbeiterrevolution und zu einer sozialistischen Föderation Südasiens aufzeigen. Wie die BLPI in ihrem 1942 veröffentlichten Gründungsprogramm schrieb:
„Die Bauernschaft, die zahlreichste und zersplittertste, die rückständigste und unterdrückteste Klasse, ist zu örtlichen Aufständen und zu Partisanenkriegen fähig, benötigt aber als Führung eine progressivere und stärker zentralisierte Klasse, damit dieser Kampf auf eine gesamtnationale Ebene gehoben werden kann. Ohne eine solche Führung kann die Bauernschaft allein keine Revolution machen. Die Aufgabe einer solchen Führung liegt natürlich beim indischen Proletariat, das als einzige Klasse die werktätigen Massen bei ihrem Ansturm gegen Imperialismus, Großgrundbesitz und einheimische Fürsten führen kann…
Aber durch die Führungsrolle der Arbeiterklasse in der bürgerlich-demokratischen Revolution ergibt sich für die Arbeiterklasse die Aussicht, die Macht zu ergreifen und nicht nur die schon lange überfälligen bürgerlich-demokratischen Aufgaben zu erledigen, sondern zusätzlich ihre eigenen sozialistischen Aufgaben anzupacken. Und so entwickelt sich aus der bürgerlich-demokratischen Revolution ohne Unterbrechung die proletarische Revolution und die Errichtung der Diktatur des Proletariats als der einzigen Staatsform, die in Indien die Diktatur der imperialistischen Bourgeoisie ersetzen kann…
Das endgültige Schicksal der Revolution in Indien wird, wie in Russland, in der Arena der internationalen Revolution entschieden werden. Und Indien wird auch nicht aus eigenen Kräften den Übergang zum Sozialismus vollenden können. Nicht nur die Rückständigkeit des Landes, sondern auch die internationale Arbeitsteilung und die vom Kapitalismus selbst geschaffene wechselseitige Abhängigkeit der verschiedenen Teile der Weltwirtschaft voneinander verlangen, dass diese Aufgabe der Errichtung des Sozialismus nur im Weltmaßstab erfüllt werden kann. Das indische Proletariat wird natürlich mit der sozialistischen Umgestaltung der Gesellschaft beginnen, soweit dies unter den konkreten Umständen möglich ist, doch die Errichtung einer sozialistischen Gesellschaft wird von dem Verlauf der internationalen Revolution abhängen. Die siegreiche Revolution in Indien jedoch, die dem ältesten und am weitesten verbreiteten Imperialismus der Welt einen tödlichen Schlag versetzen wird, wird einerseits die tiefste Krise der gesamten kapitalistischen Welt herbeiführen und den Weltkapitalismus in seinen Grundfesten erschüttern. Andererseits wird sie Millionen von Proletariern und Kolonialsklaven auf der ganzen Welt inspirieren und schlagartig aktiv werden lassen und so der Weltrevolution den Weg bahnen.“