Spartakist Nr. 184 |
Juli 2010 |
Zum Tod des Faschisten Terre’Blanche
Südafrika: Unterdrückung der Schwarzen unter Neo-Apartheid
Für eine zentral von Schwarzen getragene Arbeiterregierung!
Der nachfolgende Artikel der Genossen von Spartacist South Africa wurde in Workers Vanguard Nr. 958, 7. Mai veröffentlicht.
Johannesburg – Durch den gewaltsamen Tod von Eugène Terre’Blanche, Führer der faschistischen Afrikaner Weerstandsbeweging (AWB) mit ihrer Weiße-Herrenmenschen-Ideologie, stiegen die Rassenspannungen zwischen Schwarzen und Weißen auf ein Niveau, das es zumindest seit der Ermordung von Chris Hani, einem Führer der Kommunistischen Partei Südafrikas (SACP), im Jahr 1993 nicht mehr gegeben hatte. Täter waren angeblich zwei von Terre’Blanches schwarzen Arbeiter, darunter ein 15-Jähriger. Die Tat ereignete sich am Samstag, dem 3. April, auf Terre’Blanches Farm in Ventersdorp, Nordwestprovinz, im Zuge einer Auseinandersetzung über ausstehenden Lohn, der gerade mal 300 Rand [32 Euro] im Monat beträgt und den er den beiden Arbeitern schuldete. Der ältere der Arbeiter, 28 Jahre alt, gibt an, sie hätten zu ihrer Selbstverteidigung gehandelt.
Die Reaktionen rechter Afrikaander-Rassisten, der vornehmlich weißen Bourgeoisie, ihrer Sprachrohre bei den bürgerlichen Medien und der Spitzen der herrschenden kapitalistischen Dreierallianz – Afrikanischer Nationalkongress (ANC), SACP und Kongress Südafrikanischer Gewerkschaften (COSATU) – reichten von Wut und Rachedrohungen bis zur Verurteilung der Bluttat und zu „Ruhe“ mahnenden Lobreden auf Terre’Blanche. (Die Regierung sorgt sich vor allem angesichts der Fußball-WM wegen negativer internationaler Schlagzeilen.) Deswegen erschien Präsident Jacob Zuma am Abend nach der Tat im Fernsehen und betrauerte groteskerweise den Tod „eines Führers seines Ranges“. Zumas Partner in der nationalistischen Volksfront, die reformistische SACP, rief ebenfalls zur „Ruhe“ auf und bekundete in einer erbärmlichen Erklärung vom 5. April „Bedauern und Betroffenheit“ über den Tod: „Unser Beileid für die Terre’Blanche-Familie.“
Dagegen nahm der Großteil der schwarzen Massen den Tod dieses weißen Rassisten mit Freude und Erleichterung auf, aber auch mit Furcht vor Racheakten durch rassistische Farmer und andere Weiße. Im Gegensatz zur SACP, die die angeklagten Farmarbeiter als Mörder brandmarkt und „ihre eigene“ kapitalistische Regierung auffordert, bei der Bestrafung „schnell zu handeln“, treten wir für das Recht von Farmarbeitern und anderen Arbeitern auf Selbstverteidigung ein, eine Überlebensfrage angesichts der regelmäßigen rassistischen Angriffe, denen sie seitens ihrer Bosse ausgesetzt sind. Freiheit für die Angeklagten! Alle Anklagen müssen fallengelassen werden!
Diese Rassenpolarisierung zeigt den völligen Bankrott des ANC/SACP/COSATU-Projektes der „Nationenbildung“ und entlarvt ihr Gefasel über die „Regenbogennation“ und über „Rassenvorurteilslosigkeit“ als miesen Betrug.
Ein sehr kleiner, hauptsächlich aus Farmbesitzern bestehender Teil der vorwiegend Afrikaans sprechenden weißen Bevölkerung lehnte das „Power-Sharing“-Abkommen von 1994 zwischen der von Nelson Mandelas ANC angeführten Dreierallianz und der Regierung der weißen Minderheit von F.W. De Klerks Nationalpartei ab. Sie wollten lieber für eine rein weiße Republik kämpfen, in der sie innerhalb eines mehrheitlich schwarzen Südafrikas Selbstverwaltung ausüben könnten. Das ist das Programm von Terre’Blanches AWB. Diese rassistischen Farmbesitzer lehnten nicht nur das politische Abkommen von 1994 ab, sondern weigerten sich auch, Gesetze umzusetzen, die den sklavenähnlichen Status der schwarzen Arbeiter auf diesen Farmen verbessern sollten. Diesen Arbeitern wird das Recht verwehrt, Gewerkschaften beizutreten oder auch nur wählen zu gehen. Wenn die Arbeiter tot sind, verweigern die Farmer ihren Familien eine Grabstätte auf der Farm, auf der sie ihr ganzes Leben lang gearbeitet haben, da diese Gräber vielleicht als Nachweis für zukünftige Landansprüche dienen könnten. Oft werden bestehende Gräber von diesen wahnsinnigen Rassisten absichtlich zerstört. Über eine Million Farmarbeiter wurden seit 1994, dem Beginn der Neo-Apartheid im kapitalistischen Südafrika, aus Farmen vertrieben; dies blieb völlig ungestraft.
Andere Gräueltaten, die Farmarbeitern angetan werden: Sie werden erschossen, weil man sie „irrtümlich“ für Hunde, Paviane oder Warzenschweine gehalten habe; sie werden auf Betonpisten hinter Lastwagen hergeschleift, dabei werden Fleischstücke aus ihrem Körper herausgerissen; sie werden lebendig in Löwenkäfige geworfen; die Liste ist einfach endlos. In der Woche nach dem Tod von Terre’Blanche wurde sieben Farmarbeitern von ihrem Boss aus Rache der Kopf mit einer Eisenstange eingeschlagen, einfach nur weil sie schwarz waren. Außerhalb Ventersdorp wurde eine junge schwarze Frau aus Rache von ihrem Boss Henning Buys brutal vergewaltigt, der einfach 1000 Rand Kaution bezahlte und abzog, ohne dass ihm von der örtlichen Polizei auch nur Blutproben abgenommen worden waren. Das Leben schwarzer Farmarbeiter ist in den 16 Jahren des „neuen“ Südafrikas immer noch die Hölle auf Erden, die Herr-Sklave-Beziehung zu ihrem Boss besteht weiter.
Die Antwort sowohl der Schwarzen als auch der Weißen zeigt ein Land, das von so tiefen Rassengegensätzen gekennzeichnet ist, dass selbst der Tod eines Führers einer solchen rassistischen weißen Randorganisation wie der AWB Ängste vor einem unmittelbar drohenden Rassenkrieg hervorrufen kann. Die Führer der AWB und anderer weißer Organisationen beschuldigten den Führer des ANC-Jugendbundes Julius Malema, Rassenspannungen anzuheizen, weil er das alte Kampflied des Anti-Apartheid-Kampfes anstimmte mit der Textzeile „Töte den Boer.“ [„Boer“ ist Afrikaans für „Farmer“. Es wird auch benutzt zur Bezeichnung der Afrikaander im Allgemeinen.] Sowohl die SACP- als auch die COSATU-Spitzen verurteilten den gewaltsamen Tod und bezeichneten die Tat als kriminell, ungeachtet der ihnen bekannten Lebensbedingungen von Farmarbeitern, die sie nur als Nebenbemerkung erwähnten. Beide Organisationen beschuldigten Terre’Blanche, sich der Demokratie und der Versöhnung widersetzt zu haben. So betrachten sie es als vorrangig, den Neo-Apartheid-Kapitalismus, den sie mitverwalten und in dem die Verelendung der schwarzen Massen fortbesteht, zu verteidigen.
Diese andauernde Verelendung der schwarzen Massen und die überkochende Wut an der Basis der Gesellschaft sind die Erklärung für die Rassenpolarisierung, egal welchen Slogan Malema nun gerufen hat. Nationalistische Demagogen wie Malema nutzen solche vorherrschenden Umstände aus, um ihre eigenen Privilegien und ihre bürgerlich-nationalistische politische Karriere zu fördern. Tatsächlich sind die Opfer von Nationalisten, die Losungen wie „Töte den Boer“ rufen, die Farmarbeiter, die mit sofortiger Vergeltung durch ihre „Boer“-Bosse rechnen können. Außerdem: Wer höchstwahrscheinlich am meisten zu leiden hat unter dem „strengen Nationalismus“, den Malema und Konsorten predigen, sind Immigranten aus anderen afrikanischen Ländern.
Einer der Hauptgründe für die unhaltbaren Verhältnisse auf den Farmen ist das Scheitern des Land-Umverteilungsprogramms der ANC/SACP/COSATU-Regierung, das auf Vereinbarungen à la „Jemand will verkaufen, jemand will kaufen“ beruht. Weniger als 6 Prozent des Landes wurde bisher an Schwarze rückübertragen, während die weiße Minderheit, die weniger als 10 Prozent der Bevölkerung ausmacht, über 70 Prozent des städtischen und des landwirtschaftlich nutzbaren Grund und Bodens des Landes besitzt. Im Einklang mit ihrer Verpflichtung auf kapitalistische Eigentumsverhältnisse fordern die meisten Organisationen schwarzer Nationalisten eine Zuweisung von mehr Land an kleine Farmbesitzer. Im Gegensatz zu diesem Programm, große mechanisierte kommerzielle Farmen in kleinere, unproduktive Teile aufzuspalten, sind wir für die Enteignung der großen, im Besitz von Weißen befindlichen Farmen und ihre Umwandlung in Kollektiv- und Staatsfarmen unter Arbeiterkontrolle. Farmarbeiter werden eine zentrale Rolle spielen bei diesem Ziel, das unauflöslich mit der vom hauptsächlich städtischen Proletariat angeführten sozialistischen Revolution verbunden ist. Um gegen den Wohnungsmangel und damit verbundene Probleme vorzugehen, sind wir für die entschädigungslose Enteignung des gesamten privaten städtischen Grund und Bodens und für den Bau von rassisch integrierten Wohngebieten im Rahmen eines massiven Programms öffentlicher Arbeiten.
Das Problem der Armut, mit der die Mehrheit der südafrikanischen Bevölkerung zu kämpfen hat, geht über das Umfeld der Farmen hinaus, denn Südafrika läuft Brasilien den Rang ab als eine der ungerechtesten Gesellschaften auf der Welt überhaupt. Gegenwärtig gibt es aufwühlende Proteste wegen mangelnder Versorgungsleistungen in den Townships, die das Land wie ein Flächenbrand durchziehen. Gegen die Unzufriedenheit der Massen, weil die Grundversorgung mit elektrischem Strom, Wasser, Wohnungen, Straßen usw. nicht vorhanden ist, wird staatliche Gewalt eingesetzt; Bullen feuern Gummigeschosse auf Demonstranten ab und verhaften Hunderte.
Studenten aus armen Verhältnissen kämpfen dagegen, dass sie des Geldes wegen aus höheren Bildungseinrichtungen ausgeschlossen werden. Gegenwärtig streiken Tausende Mitglieder der National Union of Mineworkers [Bergarbeitergewerkschaft] in den Provinzen Gauteng und Nordwest gegen drohende Entlassungen und für die Erstattung von mindestens zwei noch ausstehenden Monatslöhnen. Diese Arbeiter sind bei Aurora angestellt, einer „Black-Empowerment“-Bergbaugesellschaft [„Ermächtigung der Schwarzen“], die von den Angehörigen der ehemaligen und gegenwärtigen Präsidenten Nelson Mandela und Jacob Zuma betrieben wird. Diese schwarzen Ausbeuter versuchten auch weitere Minen in Simbabwe dazuzukaufen. Somit ist klar, dass die herrschende Dreierallianz-Elite ein unmittelbares Interesse an der fortgesetzten Superausbeutung schwarzer Arbeitskraft hat, etwas, was das „neue“ Südafrika mit seinem Apartheid-Vorgänger gemein hat.
In einem Artikel der City Press (11. April) erfasste Andile Mngxitama, ein Vertreter der nationalistischen Black Consciousness Movement (BCM) eindrucksvoll die Realität schwarzer Unterdrückung im „neuen“ Südafrika angesichts des Todes von Terre’Blanche:
„Ventersdorp ist Südafrika... Diese Dorpie [Kleinstadt] erzählt ausdrucksvoll die Geschichte der kriminellen Vernachlässigung der Schwarzen durch die ANC-Regie-rung in den letzten 16 Jahren. Man gehe und überzeuge sich selbst von dem Auftreten schwarzer Bewohner. Sie sind angespannt und ängstlich, ein nachdrückliches Symbol schwarzer Machtlosigkeit, denn die herrschende Partei hat einen Pakt mit dem Teufel geschlossen.“
Doch Mngxitamas Schlussfolgerungen enthüllen genauso den Bankrott des Nationalismus à la BCM wie den der ANC-Hauptströmung, denn er schürt Illusionen, die Probleme, denen sich die unterdrückte Mehrheit gegenübersieht, könnten durch Druckausüben auf den ANC gelöst werden: „Er muss einfach nur seine politische Macht einsetzen, um die Dinge zu ändern. Das Problem sind nicht die weißen Rassisten, sondern die Weigerung des ANC, sein politisches Mandat für die Beendigung des Rassismus einzusetzen.“ Das ist keine Überraschung, da Mngxitama in seinen Artikeln in der bürgerlichen Presse allerhand Tinte dafür vergeudet, den Schwarzen zu erzählen, dass sie unterdrückt seien – was sie bereits wissen –, und seine einzigen Vorschläge, was man gegen diese Unterdrückung tun soll, sind, dass Schwarze eine unterdrückte „Gemütsverfassung“ überwinden sollen.
Wir von Spartacist South Africa, Sektion der Internationalen Kommunistischen Liga (Vierte Internationalisten), stehen fest dazu, dass die wirtschaftliche und gesellschaftliche Emanzipation der schwarzen Mehrheit nur durch eine proletarische sozialistische Revolution und die Schaffung einer zentral von Schwarzen getragenen Arbeiterregierung als Glied in der Kette der sozialistischen Weltrevolution erreicht werden kann. Genau das ist die Anwendung von Leo Trotzkis Theorie der permanenten Revolution auf Südafrika und eine zentrale Lehre der welterschütternden Russischen Revolution vom Oktober 1917.