Spartakist Nr. 178 |
Juli 2009 |
Von Berlin bis Moskau:
Der Kampf der IKL gegen die kapitalistische Konterrevolution
Für neue Oktoberrevolutionen!
Die Spartacist League/Britain veranstaltete am 21. Mai 2005 in London eine Tagesschulung über den Kampf der Internationalen Kommunistischen Liga gegen kapitalistische Konterrevolution in Ostdeutschland und der ehemaligen Sowjetunion in den Jahren 198992. Wir drucken nachfolgend eine leicht bearbeitete Version des Referats von Genossin Jane Clancy ab, wie es im Workers Hammer Nr. 191 (Sommer 2005) erschien. Die Präsentation des Genossen Weiss Der Kampf gegen die kapitalistische Wiedervereinigung Deutschlands erschien in Spartakist Nr. 177, Mai 2009.
1989 war ein ziemlich aufregendes Jahr. Die Ereignisse, die damals losbrachen, sollten die gesamte politische Landschaft der Welt grundlegend verändern. Ich werde euch ein paar Eindrücke davon geben, was passierte. Im Februar wurden die letzten Truppen der Roten Armee aus Afghanistan abgezogen. Diese Truppen hatten gegen ein reaktionäres Bündnis aus islamischen Fundamentalisten, Stammesfürsten und Landbesitzern gekämpft, die sich der Versklavung von Frauen und der Auslöschung jeglichen Fünkchens an sozialem Fortschritt verschrieben hatten und die durch den US-Imperialismus in einer Größenordnung von Milliarden Dollar bewaffnet und finanziert worden waren. Der Rückzug erfolgte nicht, weil die sowjetischen Truppen dabei gewesen wären, zu verlieren; das war nicht Russlands Vietnam, wie es zu der Zeit dargestellt wurde. Stattdessen war der Truppenabzug Teil eines Versuchs des Kreml, die Imperialisten zu besänftigen.
Im Mai demonstrierten Hunderttausende Studenten und Arbeiter auf Beijings Tiananmen-Platz. Mit der Internationale, der Hymne der revolutionären Arbeiter, auf den Lippen waren sie gegen die Korruption der chinesischen stalinistischen Bürokraten und gegen die verheerenden Auswirkungen der von diesen eingeführten Marktreformen auf die Straße gegangen. Im Juni siegte die konterrevolutionäre Solidarność die einzige Gewerkschaft, die Margaret Thatcher und Ronald Reagan jemals unterstützt haben überwältigend bei den Wahlen in Polen. Im selben Monat ertränkte der chinesische Führer Deng Xiaoping die aufkeimende politische Revolution auf dem Tiananmen-Platz in Blut. Im Juli wurde die Sowjetunion durch den ersten landesweiten Bergarbeiterstreik ihrer Geschichte erschüttert. Durch die Auswirkungen der Marktreformen auf ihr Leben und ihre Existenzgrundlage herausgefordert, entwickelten die Bergarbeiter schnell Organisationsformen von proletarischer Macht: Streikkomitees und Arbeitermilizen.
Im Oktober, zeitgleich mit den offiziellen Feierlichkeiten zum 40. Jahrestag des deformierten Arbeiterstaats in Ostdeutschland, der DDR, wurde dieses Land durch zunehmende massive Proteste gegen das stalinistische Regime Erich Honeckers erschüttert. Am 4. November fand die größte Demonstration in der Geschichte des Landes statt, als in Ostberlin eine halbe Million Menschen unter Bannern wie Für kommunistische Ideale keine Privilegien, Für eine deutsche Sowjetrepublik Bildet Räte! demonstrierte. Am 9. November wurde die Berliner Mauer geöffnet.
Die anderen Redner der heutigen Tagesschulung werden Berichte über die Intervention unserer internationalen Tendenz der Internationalen Kommunistischen Liga in diese bedeutsamen Ereignisse beisteuern. Wir kämpften für die Niederlage der Kräfte der kapitalistischen Konterrevolution und für die Verteidigung der Errungenschaften der Arbeiterklasse und der Unterdrückten auf der Welt, die in der kollektivierten Industrie und der geplanten Wirtschaft dieser Länder verkörpert wurden, wie sehr sie auch durch stalinistische Misswirtschaft verzerrt und entstellt waren. Wir kämpften für eine proletarische politische Revolution, um die stalinistischen Verräter rauszuwerfen; denn durch ihren bürokratischen Würgegriff auf das wirtschaftliche, politische und kulturelle Leben und ihren Verrat an revolutionären Kämpfen weltweit im Namen der friedlichen Koexistenz mit dem Imperialismus unterminierten sie diese Arbeiterstaaten und ebneten letztendlich den Weg zu deren Zerstörung. Wir kämpften für das revolutionäre, internationalistische Programm der bolschewistischen Partei von Lenin und Trotzki, die im Oktober 1917 die erste und bisher einzige erfolgreiche Arbeiterrevolution der Geschichte führte. Wir haben nicht gesiegt, aber wir haben gekämpft!
Dann, 1990, fegten die Kräfte der kapitalistischen Konterrevolution über Osteuropa. 1991/1992 sollten diese Kräfte die Sowjetunion verschlingen, die Heimat der Russischen Revolution. Die Welt, in der wir heute leben, ist das Produkt der weltgeschichtlichen Niederlage für alle Arbeiter und Unterdrückten, woraus der US-Imperialismus als die international unangefochtene einzige Supermacht hervorgegangen ist. Es ist jetzt für Vereine wie die Socialist Workers Party (SWP) und andere sogenannte Linke üblich, die durchgeknallten Nuklear-Cowboys im Weißen Haus als weltgrößte Terroristen anzuprangern. Wohl wahr. Aber diese selbsternannten Sozialisten, die die Kräfte der Konterrevolution in Osteuropa und der Sowjetunion bejubelt haben, haben ihren eigenen kleinen Beitrag zu diesem Ergebnis geleistet. Und wem wenden sie sich jetzt zu? Den imperialistischen Herrschern in Europa! Am Vorabend des einseitigen Abschlachtens im Irak appellierten sie an die europäischen Staatsoberhäupter, sie mögen für ein bisschen Frieden sorgen und dem US-Imperialismus Einhalt gebieten. Jetzt rufen sie nach einem sozialen Europa als Gegengewicht zum US-Imperialismus. Und ob die europäischen Herrscher ein Gegengewicht wollen! Sie sind darauf aus, ihre wirtschaftliche und militärische Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den USA zu verstärken. Um das zu tun, saugen sie die Arbeiter und Unterdrückten aus und zerstören das, was vom sogenannten Sozialstaat noch übrig ist. Die Reformen, die kollektiv als Sozialstaat bekannt sind, wurden eingeführt, um ein kämpferisches und politisch bewusstes Proletariat ruhigzustellen und das Gespenst des Kommunismus abzuwehren, als das Ansehen der Sowjetunion durch ihren Sieg über Hitlers Nazis im Zweiten Weltkrieg wieder gestiegen war.
Jetzt gibt es diese Kampagne Make Poverty History [Macht Armut zur Geschichte], die sich ausgerechnet an die G8 wendet, um den verelendeten Massen der sogenannten Dritten Welt zu Hilfe zu kommen. Dass das der reinste Betrug ist, zeigt sich darin, dass selbst Gordon Brown die Leute dazu aufgerufen hat, sich diesen Juli der Demonstration in Edinburgh anlässlich des G8-Treffens in Gleneagles anzuschließen. Die SWP findet das großartig, solange Gordon Brown seinen Worten auch Taten folgen lässt, und genau das hat er vor. Browns Tour durch Afrika Anfang des Jahres hat klargemacht, dass Make Poverty History lediglich ein zynisches Feigenblatt für die Ausweitung des Freihandels ist also die gesteigerte Plünderung und Ausbeutung Schwarzafrikas. Er erklärte, es sei an der Zeit, mit den Entschuldigungen für das britische Empire aufzuhören als ob sich allzu viele Leute für die Verbrechen des Empire entschuldigt hätten , und er ehrte es als offen, nach außen gerichtet und international. Ich glaube, er machte diese Bemerkungen in Kenia! Um von dem blutigen und brutalen Kolonialerbe Britanniens einen Geschmack zu bekommen, braucht man nur an die Massengräber der Zehntausenden zu denken, die während des Mau-Mau-Aufstands in den 1950er-Jahren von britischen Truppen getötet wurden.
Als die Sowjetunion existierte, hatten die nominell unabhängigen ehemaligen Kolonien den Spielraum, um wenigstens zwischen den Sowjets einerseits und den Imperialisten andererseits zu manövrieren. Nicht mehr. Jetzt denken die Imperialisten, die Jagdsaison sei eröffnet. Zusammen mit der totalen Zerstörung und den Bruderkriegen, die im Gefolge der Konterrevolution in Osteuropa und der Sowjetunion ausbrachen, haben verstärkte imperialistische Plünderungen und militärische Unterdrückung von Afrika über Zentralamerika bis Asien viele Tausende gezwungen, ihre Heimat zu verlassen, um in den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern nach einem besseren Leben (oft einfach um zu überleben) für sich selbst und ihre Familien zu suchen. Dabei sind sie auf rassistische und chauvinistische Reaktion gestoßen, geschürt durch die kapitalistischen Herrscher, wie im kürzlichen Wahlkampf zwischen Labour und Tories. Die Kapitalisten benutzen diese Immigranten gerne für die dreckigsten, zermürbendsten und am schlechtesten bezahlten Jobs. Der Zweck ihrer immigrantenfeindlichen Kampagne ist es, die Arbeiterklasse weiter zu spalten, indem sie einen gegen den anderen, und alle gegen die Fremden ausspielen.
Dazu kommt noch der Krieg gegen den Terror. Die islamischen Fundamentalisten, die gestern Verbündete im Krieg gegen den gottlosen Kommunismus waren, sind dabei die Feinde von heute. Natürlich ist das überhaupt kein Krieg in irgendeinem militärischen Sinne. Stattdessen ist es ein politisches Konstrukt zur Stärkung der Unterdrückungsmaschinerie des kapitalistischen Staates gegen alles, was er als Herausforderung seiner Herrschaft sieht.
Die Sowjetunion war während ihrer stalinistischen Degeneration sicherlich nicht jenes Leuchtfeuer für die Weltrevolution wie unter Lenins und Trotzkis Bolschewiki. Dennoch war sie ein Gegengewicht zu den entfesselten Bestrebungen der Imperialisten der Welt. Wirtschaftlich stellte sie nicht nur eine Alternative zur kapitalistischen Ausbeutung dar, sondern zeigte auch die Überlegenheit einer geplanten Wirtschaft. In militärischer Hinsicht hinderte sie die imperialistischen Herrscher, insbesondere die USA, daran, irgendeinen ihrer anvisierten Feinde nuklear auszulöschen. Sie war das militärische und industrielle Machtzentrum der Staaten, in denen der Kapitalismus beseitigt worden war. Und jetzt, da sie nicht mehr existiert, beabsichtigen die Imperialisten die Zerstörung der übrigen Arbeiterstaaten Kuba, Vietnam, Nordkorea; und China, der größte und stärkste dieser Staaten, wäre der Hauptgewinn. Alle imperialistischen Mächte wetteifern sowohl durch wirtschaftliche als auch durch militärische Mittel um die Rückeroberung Chinas für imperialistische Ausbeutung.
Die chinesische stalinistische Bürokratie hat in ganzen Gebieten des Landes, den Freihandelszonen, die Tür für die Imperialisten und die offshore-chinesische Bourgeoisie geöffnet. Ihre immer aggressivere Einführung von Marktreformen, oder Sozialismus mit chinesischen Charakteristika, wie sie es nennt, hat die Errungenschaften der Chinesischen Revolution von 1949 ausgehöhlt. Organisationen wie die Socialist Party [in Deutschland: SAV] und Workers Power [in Deutschland: Gruppe Arbeitermacht], die in den Chor des Kalten Krieges gegen die Sowjetunion einstimmten, schreiben China jetzt einfach als kapitalistisch ab. Dieses Urteil ist noch nicht gefällt worden. Das ist nicht die Art Frage, die man klären kann, wie man einen Käfer unter einer Lupe beobachtet, sondern eine Frage von wirklichen, lebendigen sozialen Kämpfen. Und es gab viele solcher Kämpfe der Arbeiter und Bauern in China, und das nimmt zu.
Wir sind keine passiven Beobachter. Die Lehren aus unseren Interventionen gegen die Kräfte der kapitalistischen Konterrevolution, von Ostdeutschland bis zur Sowjetunion, bewaffnen uns für den Kampf zur Verteidigung der verbliebenen Errungenschaften der Chinesischen Revolution von 1949 gegen die Kräfte des Kapitalismus, für politische Revolution und die Errichtung der Herrschaft von Arbeiter- und Bauernsowjets, die auf proletarischer Demokratie und revolutionärem Internationalismus basieren. Letzteres ist entscheidend, denn die Verteidigung des deformierten Arbeiterstaats China ist international, verbunden mit dem Kampf für neue Oktoberrevolutionen in den imperialistischen Zentren.
Heute wollen wir euch einen Eindruck von den revolutionären Möglichkeiten geben und wie wir darum kämpften, sie zu nutzen, um die Sache der arbeitenden Menschen weltweit voranzubringen, bevor es zu den Niederlagen kam. Auf diese vergangenen Kämpfe zurückzuschauen ist die Vorbereitung auf zukünftige Kämpfe. Das ist insbesondere heute wichtig, wo die Idee der proletarischen sozialistischen Befreiung der Menschheit bestenfalls als irgendeine idealistische Utopie angesehen wird. Auch das spiegelt die Auswirkungen der konterrevolutionären Zerstörung der Sowjetunion wider, die eine ideologische Offensive der imperialistischen Herrscher entfesselte, dass Kommunismus tot sei und dass die Zerstörung der Sowjetunion lediglich bewiesen habe, dass Marxismus ein fehlgeschlagenes Experiment sei.
Das Bewusstsein ist so weit zurückgeworfen worden, dass Arbeiter heute ihre Kämpfe kaum noch mit Sozialismus verbinden, wie auch immer dies zuvor verstanden wurde. Die meisten Jugendlichen halten allein die Idee, dass eine Arbeiterklasse existiert, für eine Art altbackener marxistischer Vorstellung, ganz zu schweigen von dem Verständnis, dass das Proletariat die soziale Macht und das historische Interesse hat, das kapitalistische System zu begraben. Dies wird durch das endlose Geschwafel von Ideologen der Anti-Globalisierungs-Bewegung begünstigt, die nur darauf aus sind, dem Kapitalismus ein demokratischeres und menschlicheres Antlitz zu verpassen. Und die vermeintlich sozialistische Linke tut es ihnen gleich.
Aus Furcht, ihre Verbündeten in den Moscheen zu verprellen, wagt es die SWP nicht, das Wort Sozialismus in ihrem Respect-Wahlbündnis auch nur zu flüstern. Selbst die Erwähnung des Säkularismus ist verboten. Die Socialist Party, für die die Klausel Vier der Labour Party, übersetzt als Nationalisierung der Kommandohöhen der Wirtschaft, lange als Inbegriff des Sozialismus galt, kann selbst das heutzutage kaum hervorbringen. Das wird für die Sonntagsreden aufgespart, wo man sein Maximal-Programm vorstellt. Dann wär da noch Workers Power. 1979 sahen sie in Chomeinis Mullahs den Ausgangspunkt zu einer revolutionären Massenbewegung. In den frühen 1980ern sahen sie Solidarność als ein solches Vehikel, sogar als sie einräumten, dass deren Ziele konterrevolutionär waren. Unnötig zu sagen, dass es mit ihren bisherigen Massenbewegungen nicht allzu gut gelaufen ist. Jetzt sehen sie in den europäischen und Welt-Sozialforen ein Mittel, um eine neue revolutionäre Internationale aufzubauen. Das ist genauso vielversprechend wie ihre früheren Bestrebungen. Diese Sozialforen sind nichts anderes als Werkzeuge für Klassenzusammenarbeit und dienen zahlreichen ausgedienten Volksfrontlern dazu, wieder zurück ins Regierungsgeschäft mit der und für die Kapitalistenklasse zu gelangen.
Der Einfluss der Russischen Revolution von 1917
Bei der Vorbereitung auf dieses Referat habe ich noch mal eine Rede von James P. Cannon, einem führenden Begründer des Trotzkismus in Amerika, gelesen, die er 1942 am 25. Jahrestag der Russischen Revolution hielt, inmitten des Blutbads des Zweiten Weltkriegs und nach dem Einmarsch von Hitlers Kriegsmaschinerie in die Sowjetunion. Er sprach über die Auswirkungen der Russischen Revolution inmitten einer anderen Periode der Reaktion, die mit dem Ersten Weltkrieg einsetzte:
Ich kann mich der dunklen Tage des Ersten Weltkriegs erinnern, 19141918. Damals wie heute schienen alle Hoffnungen auf den Fortschritt der Menschheit im Blut des Krieges ertränkt zu sein. Die Reaktion schien überall zu siegen. Die Feinde des Proletariats freuten sich hämisch über den Verrat und die Kapitulation der sozialistischen Parteien [die sich im Krieg hinter ihre ,eigenen kapitalistischen Herrscher gestellt hatten]; und vielen der großen Mehrheit, wage ich zu sagen schien die Theorie und die Hoffnung des Sozialismus entschwunden wie ein utopischer Traum. Und damals wie heute verhöhnten Feiglinge und Deserteure diejenigen, die den hartnäckigen Kampf fortführten und an ihrem revolutionären Vertrauen festhielten. Die gesamte Arbeiterbewegung der Welt war zwischen 1914 und 1917 von Niedergeschlagenheit und Verzweiflung überwältigt.
Aber die Russische Revolution vom 7. November veränderte das alles über Nacht. Mit einem Schlag richtete die Revolution das europäische Proletariat wieder auf. Sie rüttelte hunderte Millionen kolonialer Sklaven auf, die niemals zuvor politische Bestrebungen gekannt hatten, die niemals vorher zu hoffen gewagt hatten. Sie wurden von der Russischen Revolution mit dem Versprechen eines neuen Lebens erweckt. (The Twenty-Fifth Anniversary of the Russian Revolution [Der 25. Jahrestag der Russischen Revolution], Speeches for Socialism, 1971)
Die Oktoberrevolution schuf einen Arbeiterstaat auf der Grundlage von Arbeiterräten (Sowjets). Die Sowjetregierung enteignete die Besitztümer der russischen Kapitalisten und der Imperialisten und lehnte die Zahlung von Russlands massiven Schulden bei ausländischen Banken glattweg ab. Sie gab den Bauern Land und den vielen unterdrückten Nationen des ehemaligen zaristischen Imperiums Selbstbestimmung. Gesetze, die ethnische und nationale Minderheiten, Frauen oder Homosexuelle diskriminierten, wurden abgeschafft. Die revolutionäre Regierung erklärte, der Staat habe kein Recht zur Einmischung in die einvernehmlichen sexuellen Beziehungen der Bevölkerung, egal welcher Form. Diese Erklärung hätte die Linke in diesem Land No Sex Please Were British die wegen unserer Verteidigung von Michael Jackson gegen die rassistischen Anti-Sex-Hexenjäger des amerikanischen Staates verrückt spielt, in Aufruhr versetzt.
Die Sowjetregierung verkündete das Recht der arbeitenden Menschen auf Arbeitsplätze, Gesundheit, Wohnraum und Bildung und unternahm die ersten Schritte zum Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft. Doch wie Marx formulierte: Das Recht kann nie höher sein als die ökonomische Gestaltung und dadurch bedingte Kulturentwicklung der Gesellschaft (Kritik des Gothaer Programms, 1875). Heutzutage gibt es alle möglichen neuen Theorien, dass man gewinnen könne, ohne die Macht zu übernehmen, oder dass der Weg zur Befreiung in der Utopie liege, autonome Zonen zu errichten, die irgendwie frei von kapitalistischer Ausbeutung sein würden. Der Kampf für die Befreiung der Menschheit ist jedoch nicht irgendein Willensakt wohlwollender, richtig denkender Menschen. Die Befreiung kann auch nicht erreicht werden, solange Mangel existiert so würde nur der Kampf ums Überleben verewigt werden. Marx verstand, dass die Beseitigung der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen notwendigerweise auf Bedingungen von materiellem Überfluss beruhen muss.
Es gibt großen materiellen Reichtum auf der Welt, insbesondere in den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern. Unsere Aufgabe ist es, diesen Reichtum, der zum Großteil durch die Arbeit der Massen arbeitender Menschen geschaffen wird, den kapitalistischen Eigentümern zu entreißen, die sich die Früchte dieser Arbeit für ihren eigenen Profit aneignen. Nur die Arbeiterklasse hat die soziale Macht aufgrund ihrer Rolle in der Produktion, ihrer Anzahl und Organisation und das klare objektive Interesse, das kapitalistische System zu beseitigen. Es mangelt ihr jedoch am politischen Bewusstsein und an der revolutionären Führung, um einen solchen Kampf aufzunehmen. Diese ist das entscheidende Element, das die bolschewistische Partei den Arbeitern Russlands brachte.
Die materiellen Bedingungen für die tatsächliche Entwicklung einer sozialistischen Gesellschaft existierten jedoch im rückständigen Russland nicht, und sie existieren auch nicht innerhalb des Rahmens irgendeines anderen Landes. Den Bolschewiki war von Anfang an klar, dass der junge sowjetische Arbeiterstaat nicht überleben würde, wenn die Revolution nicht international auf fortgeschrittenere kapitalistische Länder ausgeweitet würde. Sie sahen die Oktoberrevolution als die Eröffnung einer europaweiten Arbeiterrevolution, und tatsächlich schwappte am Ende des Krieges eine Welle revolutionärer Aufstände über Europa. Die Sozialdemokraten die während des Krieges auf die Seite ihrer eigenen imperialistischen Herrscher übergegangen waren setzten sich dafür ein, die Herrschaft der Bourgeoisie vor den Arbeitern zu retten. Die neu gegründeten kommunistischen Parteien, die nach dem Beispiel der Russischen Revolution gegründet worden waren, waren zu schwach und unerfahren, um diese revolutionären Aufstände zum Sieg zu führen.
Die kapitalistische Welt umzingelte und isolierte die Sowjetunion. Von 1918 bis 1920 musste die Revolution in einem Bürgerkrieg um ihr nacktes Überleben kämpfen, als Truppen jeder wesentlichen imperialistischen Macht auf der Seite der konterrevolutionären Weißen Garden intervenierten. Die ohnehin rückständige Wirtschaft wurde durch den Ersten Weltkrieg und den darauffolgenden Bürgerkrieg fast vollständig zerstört. Das dynamische Proletariat, das 1917 die Revolution durchgeführt hatte, hörte praktisch auf als Klasse zu existieren und Hungersnöte suchten die Landbevölkerung heim. Doch selbst unter diesen Bedingungen waren die Arbeiter der Sowjetunion Feuer und Flamme, als 1923 eine außergewöhnliche revolutionäre Krise Deutschland erschütterte. Die deutschen Arbeiter schauten auf die Kommunistische Partei Deutschlands, die KPD, als ihre Führung. Die Führung der KPD jedoch schaute auf den linken Flügel der Sozialdemokratie als Verbündeten und ließ die Gelegenheit zum proletarischen Aufstand verstreichen.
Diese Niederlage hatte enorme Auswirkungen in der Sowjetunion und führte im ohnehin gebeutelten Proletariat zu einer Welle von Demoralisierung. Aus diesen Bedingungen des Mangels, der Rückständigkeit und der Isolation des sowjetischen Arbeiterstaats erwuchs eine konservative, nationalistische Bürokratie mit Stalin an der Spitze. Anfang 1924 entriss diese Bürokratie dem Proletariat und seiner revolutionären Avantgarde die politische Macht. Unter Zurückweisung gerade des Programms des revolutionären proletarischen Internationalismus, das zum Sieg der bolschewistischen Revolution geführte hatte und das weiterhin von Trotzkis Linker Opposition verteidigt wurde, kreierte die Bürokratie zur ideologischen Rechtfertigung ihrer Herrschaft die antimarxistische Theorie vom Sozialismus in einem Land. Durch die Zerstörung der gesamten Führung der bolschewistischen Partei in den blutigen Säuberungen der berüchtigten Moskauer Prozesse befestigte die Bürokratie ihre Macht. Die Kommunistische Internationale wurde von einem Instrument der Weltrevolution zu einer Hilfstruppe für die Bemühungen des Kremls verwandelt, der im Namen des Aufbaus des Sozialismus in einem Land friedliche Koexistenz mit dem Imperialismus anstrebte.
In einem der ersten Artikel, die wir für unsere Intervention in die Sowjetunion ins Russische übersetzten Wann war der sowjetische Thermidor? , schrieben wir: Nach dem Januar 1924 änderte sich alles: die Menschen, die die UdSSR regierten, die Art und Weise, in der die UdSSR regiert wurde, und die Ziele, für die die UdSSR regiert wurde (Spartacist, deutsche Ausgabe Nr. 14, Winter 1989/90). Jedoch war das eine politische und keine soziale Konterrevolution. Die durch die Oktoberrevolution geschaffenen kollektivierten Eigentumsformen waren nicht zerstört worden, sondern existierten weiter als Errungenschaften für die Arbeiter der Welt. Die Trotzkisten führten ihren unnachgiebigen Kampf gegen die stalinistische Bürokratie auf der Grundlage der bedingungslosen Verteidigung dieser Errungenschaften gegen Weltimperialismus und Konterrevolution.
Die Situation war gleichzeitig sehr instabil. Die Herrschaft und die Privilegien der stalinistischen Bürokratie stammten von ihrer Position an der Spitze des sowjetischen Arbeiterstaats. Gleichzeitig jedoch wirkte die Bürokratie als Transmissionsriemen für den unnachgiebigen und feindlichen Druck des Weltimperialismus, der sich der Zerstörung des Arbeiterstaats verschrieben hatte. Das Übergangsprogramm von 1938, das Gründungsdokument von Trotzkis Vierter Internationale, definierte die Sowjetunion als bürokratisch degenerierten Arbeiterstaat und legte zwei grundlegende historische Alternativen dar, mit denen sie konfrontiert war:
So birgt das Regime der UdSSR bedrohliche Widersprüche. Aber es ist noch immer das Regime eines entarteten Arbeiterstaates. Das ist die soziale Diagnose. Die politische Prognose stellt sich als Alternative: Entweder stößt die Bürokratie, die immer mehr zum Werkzeug der Weltbourgeoisie im Arbeiterstaat wird, die neuen Eigentumsformen um und wirft das Land in den Kapitalismus zurück, oder die Arbeiterklasse zerschlägt die Bürokratie und öffnet den Weg zum Sozialismus.
Diese sehr instabile und widersprüchliche Situation setzte sich jedoch mehr als 50 weitere Jahre fort. Wieso? Die Antwort liegt im Ergebnis des Zweiten Weltkriegs.
Die Nachwirkungen des Zweiten Weltkriegs
Während des Zweiten Weltkriegs und bis heute so auch dieses Jahr bei den Feierlichkeiten zum Tag der Befreiung wurde und wird mit der Lüge hausieren gegangen, der Zweite Weltkrieg sei der große demokratische Krieg gegen den Faschismus gewesen. Tatsächlich war er, wie auch der Erste Weltkrieg, ein interimperialistischer Krieg, eine Schlacht der imperialistischen Mächte um Märkte und größere Einfluss- und Herrschaftsbereiche. Wie die Politik der Bolschewiki im Ersten Weltkrieg bestand die Politik der Trotzkisten in unversöhnlichem Defätismus gegenüber allen imperialistischen Bourgeoisien. Das bedeutete, für die Umwandlung des imperialistischen Krieges in einen Bürgerkrieg zu kämpfen in einen proletarischen revolutionären Kampf gegen alle imperialistischen Kriegsteilnehmer. Gleichzeitig kämpften die Trotzkisten dafür, dass die Arbeiterklasse der gesamten Welt die Sowjetunion gegen Schläge ihrer kapitalistischen Feinde, egal welchen Lagers, verteidigt.
Trotzki hatte, und zwar aus guten Gründen, vorhergesagt, dass der Zweite Weltkrieg die Bürokratie erschüttern würde und revolutionäre Erhebungen des Proletariats, so wie nach dem Ersten Weltkrieg, provozieren würde. Stalin brachte die Sowjetunion tatsächlich an den Rand einer Katastrophe: Er enthauptete die Rote Armee und ignorierte die wiederholten und verzweifelten Warnungen von heroischen sowjetischen Spionen wie Leopold Trepper in Nazideutschland und Richard Sorge in Japan, dass eine Invasion der Sowjetunion durch Hitlers Truppen bevorstehe. Dennoch war es die Sowjetunion, die die Nazis besiegte, um den Preis von mehr als 20 Millionen Toten. Wie Cannon 1942 in seiner Rede bemerkte:
Die wirtschaftliche Stärke des sowjetischen Regimes und die Stärke der revolutionären Tradition spiegeln sich jetzt im militärischen Bereich wider. Die ganze Welt wurde durch den militärischen Heldenmut der Roten Armee überrascht und verblüfft. Alle Militärexperten rechneten mit einer Niederlage der russischen Armeen innerhalb von ein paar Wochen oder Monaten Die Trotzkisten wurden nicht überrascht. Trotzki sagte voraus, dass ein imperialistischer Angriff auf die Sowjetunion ein Wunderwerk von proletarischem Enthusiasmus und Kampfkraft in der Roten Armee entfesseln würde. Er konnte das tun, weil er besser als andere verstand, dass die große Antriebskraft der siegreichen Revolution nicht ganz verbraucht war. Die Rote Armee, der die Welt zujubelt, ist eine Armee, die durch eine proletarische Revolution geschaffen wurde. Diese Revolution lebt in der Erinnerung der sowjetischen Menschen. Das und die grundlegenden Errungenschaften, die sie noch immer bewahren und auf denen sie aufbauen, bilden das Fundament, auf dem die Rote Armee eine solch beispiellose Kraft zur Verteidigung, zum Widerstand und zu heroischer Aufopferung entfaltet hat.
Nachdem die Rote Armee die Streitmacht der Nazis in der Schlacht bei Stalingrad besiegt hatte, fegte sie durch Osteuropa und geradewegs nach Berlin und zerschlug das Dritte Reich. Die anderen Regime in Osteuropa überwiegend Nazi-Kollaborateure flohen zum nächstgelegenen US-Hauptquartier und hinterließen ein Machtvakuum. Nach dem Krieg gingen die Imperialisten mit Beginn des ersten Kalten Krieges gegen ihren ehemaligen sowjetischen Alliierten vor, mit dem Ziel der Eindämmung und Zerstörung der Sowjetunion. Angesichts dieser neuen imperialistischen Offensive gingen die Stalinisten daran, in Osteuropa und im sowjetisch besetzten Ostdeutschland deformierte Arbeiterstaaten als Pufferzone zu errichten. Die herrschenden Klassen, deren Macht zerschlagen worden war, wurden enteignet. Mit Ausnahme Jugoslawiens, wo Titos Partisanen sich in einem Bauernguerillakrieg durchsetzten, fanden diese Enteignungen von außen statt, durch kalte soziale Umwandlungen von oben. Diese Arbeiterstaaten waren von Anfang an deformiert ein Spiegelbild der stalinistisch degenerierten Sowjetunion. Denn die dominierenden kollektivierten Eigentumsformen standen unter der politischen Herrschaft nationalistischer Bürokratien. Die sowjetischen Militäreinheiten waren die tatsächliche Staatsmacht, und nirgendwo galt das mehr als in Ostdeutschland, dem Frontstaat, der direkt an den imperialistischen Westen grenzte.
Die Enteignung der Bourgeoisie und die Schaffung deformierter Arbeiterstaaten stellten enorme Errungenschaften dar, die wir verteidigten. Aber, wie Trotzki über die frühere Besetzung Ostpolens schrieb, war die zentrale Frage die Auswirkung dieser sozialen Umwandlungen im Bewusstsein und in der Organisation des Weltproletariats, das Verbessern seiner Fähigkeit, frühere Errungenschaften zu verteidigen und neue zu erobern (Die UdSSR im Krieg, 1939, in: Verteidigung des Marxismus). Es gab kein solches Bewusstsein und keine solche Organisation des Proletariats, als es zu den sozialen Umwälzungen in Osteuropa kam. Obwohl der sowjetische Sieg über Hitlers Nazis ein Zeugnis für die anhaltenden Auswirkungen der Erinnerung an die Oktoberrevolution war, wurde diese von der stalinistischen Bürokratie zunehmend durch defensiven Nationalpatriotismus ersetzt. Direkt nach dem Krieg gab es revolutionäre Situationen in Italien und Griechenland und massive Streiks in Frankreich, Belgien und anderen Ländern. Diese Kämpfe wurden jedoch durch die stalinistischen Parteien entwaffnet, überall politisch und manchmal sogar buchstäblich. Diese Parteien nutzten die erneuerte Autorität, die ihnen durch den sowjetischen Sieg zugefallen war, um das auf Klassenkollaboration basierende Programm umzusetzen, den Klassenfrieden mit der sogenannten demokratischen Bourgeoisie zu bewahren. In Bezug auf das zentrale politische Kriterium die Auswirkungen auf das Bewusstsein, die Organisation und die Fähigkeit des Proletariats, frühere Eroberungen zu verteidigen und für neue zu kämpfen , bestätigte die Rolle der Stalinisten, was Trotzki zuvor geschrieben hatte: Nur von diesem Standpunkt aus, und das ist der einzig entscheidende, bleibt die Politik Moskaus, als Ganzes genommen, völlig reaktionär und ist weiterhin das Haupthindernis auf dem Wege zur Weltrevolution (Die UdSSR im Krieg).
Der zweite Kalte Krieg und die Abwicklung des Sozialismus in einem Land
Die Sowjetunion zeigte in wirtschaftlicher Hinsicht die gewaltige Überlegenheit einer kollektivierten geplanten Wirtschaft gegenüber dem Kapitalismus. Das wurde jedoch unter der Bürokratie und ihrem Dogma vom Sozialismus in einem Land verzerrt, beschränkt und deformiert. In seinem Buch Verratene Revolution von 1936 analysierte Trotzki die immensen Widersprüche des degenerierten Arbeiterstaats Sowjetunion:
Gigantische Fabriken nach fertigen westlichen Mustern kann man auch auf bürokratisches Kommando errichten, freilich dreimal so teuer. Aber je weiter der Weg geht, umso mehr läuft die Wirtschaft auf das Problem der Qualität hinaus, die der Bürokratie wie ein Schatten entgleitet. Die Sowjetproduktion scheint wie von einem grauen Stempel der Gleichgültigkeit gezeichnet. In einer nationalisierten Wirtschaft setzt Qualität Demokratie für Erzeuger und Verbraucher, Kritik- und Initiativfreiheit voraus, d. h. Bedingungen, die mit einem totalitären Regime von Angst, Lüge und Kriecherei unvereinbar sind.
Wirtschaftliche Planung kann nur effektiv sein, wenn die Arbeiter sich mit der Regierung, die die Pläne aufstellt, identifizieren. Und sich mit der Regierung zu identifizieren bedeutet, dass die Arbeiter durch Sowjets herrschen müssen. Wenn sie der Regierung entfremdet sind, wird der Plan von der Basis untergraben werden: Die formalen Planziele mögen erreicht werden, aber mit Gütern mangelhafter Qualität. Rohmaterialien werden verschwendet und staatseigene Vorräte in den Schwarzmarkt abgezweigt. All diese Bedingungen existierten in der Sowjetunion über Jahrzehnte. Ende der 1970er-Jahre sollten die Widersprüche des Aufbaus des Sozialismus in einem Land dramatisch zum Vorschein kommen.
Zu Beginn jenes Jahrzehnts hatte die Sowjetunion ungefähr ein militärisches Gleichgewicht mit dem US-Imperialismus erreicht, der in seinem langen, zur Niederlage verurteilten, dreckigen Krieg in Vietnam feststeckte. Die Sowjetwirtschaft erlebte außerdem einen großen Aufschwung durch den steigenden Weltmarktpreis für Öl. Von Mitte der 1960er-Jahre bis Mitte der 1970er-Jahre stieg der Lebensstandard der Bevölkerung dramatisch. Die Staaten Osteuropas profitierten ebenfalls davon, da die Sowjetunion sie zu einem Bruchteil des Weltmarktpreises mit Öl versorgte.
All das begann sich jedoch Mitte bis Ende der 1970er-Jahre zu verändern. Nachdem der US-Imperialismus durch die heldenhaften vietnamesischen Arbeiter und Bauern besiegt worden war, begann er sich wieder zu bewaffnen und baute gegen die UdSSR seit der Revolution 1917 das zentrale Ziel der Imperialisten ein riesiges Militärarsenal auf. Das begann unter dem Präsidenten Jimmy Carter von der Demokratischen Partei mit seiner Menschenrechts-Kampagne für eine ganze Schar sowjetischer Dissidenten. Das Ziel dabei war die moralische Wiederbewaffnung des US-Imperialismus, um das tiefe Misstrauen der amerikanischen Bevölkerung gegenüber der Regierung zu überwinden und das befleckte demokratische und militärische Ansehen des US-Imperialismus wieder aufzupolieren.
Dieser erneute Kalte Krieg wurde mit der Intervention der sowjetischen Armee in Afghanistan Ende 1979 glühend heiß. In unserem Artikel Afghanistan und die russische Frage: Feuerprobe für die Linke (Spartacist, deutsche Ausgabe Nr. 9, Frühjahr 1981) schrieben wir:
Afghanistan ist wie ein Blitzstrahl, der die wahren Konturen der weltpolitischen Landschaft grell aufleuchten lässt. Durch Afghanistan werden die letzten Illusionen der Entspannung hinweggefegt, wird die unversöhnliche Feindschaft des US-Imperialismus zum sowjetischen degenerierten Arbeiterstaat enthüllt. Afghanistan hat das Bündnis Washingtons mit dem maoistisch-stalinistischen China aller diplomatischen Hüllen entkleidet. Und es stellt die Linke unausweichlich vor die ,russische Frage: den Charakter des Staates, der aus der bolschewistischen Revolution hervorging, und dessen Konflikt mit dem Weltkapitalismus.
Für sozialistische Revolutionäre hat der Krieg in Afghanistan nichts Verwickeltes, nichts Zweideutiges. Die sowjetische Armee und ihre linksnationalistischen Verbündeten kämpfen gegen ein antikommunistisches, antidemokratisches Gemisch aus Grundbesitzern, Geldverleihern, Stammeshäuptlingen und Mullahs, die auf den Analphabetismus der Massen eingeschworen sind. Und zu behaupten, die Unterstützung dieses Abschaums der Gesellschaft durch den Imperialismus sei offenkundig, ist die Untertreibung des Jahres.
Wir sagten: Hoch die Rote Armee in Afghanistan! Weitet die Errungenschaften der Oktoberrevolution auf die afghanischen Völker aus!
Für jeden Linken oder Radikalen mit Selbstachtung hätte es eine reflexartige Antwort sein sollen, in einem Krieg, in dem die Rote Armee nicht nur für die Verteidigung der Frauen gegen die barbarische Reaktion, sondern auch für die Verteidigung der Errungenschaften der Oktoberrevolution kämpfte, eine Seite mit der Roten Armee zu beziehen. Der Großteil der Generation linker Radikaler, die nur Jahre zuvor bei Massenprotesten gegen den Vietnamkrieg demonstriert und Ho, Ho, Ho Chi Minh gerufen hatten, fand sich jedoch jetzt auf der Seite des US-Imperialismus gegen die Rote Armee wieder. Leute wie Tariq Ali, der während des Vietnamkriegs der Inbegriff des antiimperialistischen Radikalismus gewesen war, und angeblich sogar das Vorbild für den Rolling-Stones-Song Street Fighting Man [Straßenkämpfer], veranstalteten keine Straßenschlachten mehr. Sie bellten im Chor mit den Imperialisten und forderten den Abzug der Sowjettruppen. An diesem Punkt veränderte sich die politische Periode bedeutend. Während des Vietnamkriegs war es irgendwie in Mode gewesen, ein Linker zu sein. Zu der Zeit identifizierten sich die meisten Radikalen mit Marxismus als dem Weg zur Befreiung, was auch immer sie darunter verstanden. Aber jetzt wehte der Wind in eine ganz andere Richtung, da der Antikommunismus des Kalten Kriegs den Ton angab. Während die Unterstützung der Linken für Chomeinis Mullahs in der Iranischen Revolution 1979 der Vorbote dafür war, dass sie in Afghanistan eine Seite mit den imperialistisch unterstützten Kräften der islamischen Reaktion beziehen würden, machten sie bei der Unterstützung der konterrevolutionären Solidarność in Polen Nägel mit Köpfen. Immerhin war das eine Bewegung, die über eine Gefolgschaft von Massen polnischer Arbeiter verfügte. Wie war es dazu gekommen?
Es waren die bitteren Früchte der stalinistischen Missherrschaft, die sich unter der Last rapide zunehmender Auslandsschulden zuspitzten. Wie ich schon sagte, hatte die Sowjetunion in den 1970er-Jahren die deformierten Arbeiterstaaten Osteuropas massiv subventioniert, insbesondere mit günstigem Öl sowie anderen Rohstoffen. Mitte der 1970er aber wurden die Ölpreise hochgeschraubt und die Lieferungen reduziert, damit die Sowjets auf dem Weltmarkt verkaufen konnten. Das allein ist eine scharfe Anklage gegen den Sozialismus in einem Land. Zur selben Zeit wurden diese Länder von einer weltweiten kapitalistischen Rezession getroffen, die ihre Exportmärkte einbrechen ließ. Um Beschäftigung und Lebensstandard aufrechtzuerhalten, wandten sich die osteuropäischen stalinistischen Regime an die Kredithaie der Wall Street, der City of London und der Frankfurter Börse. Nachdem sie ihre Länder bei den westlichen Banken verschuldet hatten, führten diese Regime unter dem Diktat des Internationalen Währungsfonds immer heftigere Kahlschlagprogramme ein, um ihren Schuldenzahlungen nachzukommen. In Polen trieb die Wirtschaftskrise die traditionell sozialistisch eingestellten polnischen Arbeiter in die Arme von Solidarność, die durch den Vatikan und die CIA stark unterstützt und finanziert wurde.
Das Gorbatschow-Regime
Zur selben Zeit spitzten sich in der Sowjetunion all die Widersprüche, Deformierungen und Beschränkungen des Sozialismus in einem Land zu, die Trotzki so brillant in Verratene Revolution analysiert hatte. Während der militärische Druck des US-Imperialismus zunahm und das korrupte Breschnjew-Regime gleichzeitig versuchte, durch die Aufrechterhaltung des Lebensstandards (ganz zu schweigen von der erheblichen Bereicherung der Bürokraten) die innere Stabilität zu bewahren, war das Wirtschaftswachstum um die Hälfte gefallen. Wieder einmal stießen sie an die Grenzen, die durch ihre eigene bürokratische Herrschaft gesetzt waren, als es um die technische und wissenschaftliche Innovation ging, die für die Erneuerung der Sowjetindustrie notwendig war. Da die Stalinisten Arbeiterdemokratie und revolutionärem Internationalismus feindlich gegenüberstanden, war ihre einzige Möglichkeit zur Erhöhung der Arbeitsproduktivität, die Arbeiter und Direktoren der Disziplin des Wettbewerbs auf dem Markt zu unterwerfen. Das neue, modernisierende Regime unter Michail Gorbatschow, das 1985 an die Macht kam, führte Perestroika ein Marktreformen. Um die Produktivität zu erhöhen, wurden die Löhne der Arbeiter an der Profitabilität festgemacht; Akkordlöhne wurden wieder eingeführt, was die Einkommensunterschiede zwischen Arbeitern, Direktoren und der technischen Elite verschärfte; Fabrik wurde gegen Fabrik gestellt, Industrie gegen Industrie im Kampf um Ressourcen und Konsumenten. Das fachte den Nationalismus an und führte zum Auseinanderbrechen der Sowjetunion, indem weit reichere, industrialisiertere Gebiete gegen rückständigere, weniger industrialisierte gestellt wurden.
Dieser wachsenden Ungleichheit lag, insbesondere bei einer Schicht jüngerer bürokratischer Funktionäre und Intellektueller, ein Appetit zugrunde, sich selbst auf Kosten der Arbeiterklasse zu bereichern. Eine privilegierte Schicht, viele von ihnen die Söhne und Töchter der Bürokratie, waren neidisch auf das, was sich ähnlich Qualifizierte im Westen leisten konnten. Das spiegelte sich in einem immer offener vertretenen Glauben an die Überlegenheit des westlichen Kapitalismus wider.
Um die Bürde der Militärausgaben angesichts der zunehmenden militärischen Aufrüstung des US-Imperialismus zu mildern, bot das Gorbatschow-Regime den Imperialisten eine Partnerschaft an. Entscheidend dabei war Afghanistan, und 1989 wurden die Truppen der Roten Armee von dort abgezogen. Einige Tage vor dem Abzug der letzten Truppen, am 7. Februar 1989, schickte das Partisan Defense Committee, die klassenkämpferische rechtliche und soziale Verteidigungsorganisation, die mit der Spartacist League/U.S. verbunden ist, ein Telegramm an die afghanische Regierung und bot an, eine internationale Brigade zu organisieren, um bis auf den Tod [zu kämpfen] für die Verteidigung der Rechte von Frauen, lesen zu lernen, die Freiheit vom Schleier, Freiheit von der Tyrannei der Mullahs und Landbesitzer, die Einführung der medizinischen Versorgung und das Recht aller auf Schulunterricht (siehe Spartakist Nr. 61, April/Mai 1989). Wir rechneten damit, dass diese internationale Anstrengung eine Reihe militanter Kämpfer aus vielen Teilen der Welt anziehen würde, die in einer solchen Brigade die Möglichkeit sehen würden, dem imperialistischen System, durch das sie selbst unterdrückt und beraubt wurden, einen gewaltigen Schlag zu versetzen. Wir sahen auch, dass dies einen machtvollen Effekt auf die sowjetischen Armeeveteranen haben könnte, die überzeugt waren, in Afghanistan ihre internationalistische Pflicht erfüllt zu haben. Dies wäre ein wichtiger Hebel gewesen, um das Programm des revolutionären Internationalismus und der proletarischen politischen Revolution in der Sowjetunion selbst voranzubringen.
Zwar wurde unser Angebot einer Brigade abgelehnt, aber die afghanische Regierung fragte, ob wir Öffentlichkeitsarbeit und eine Spendensammlung für die bedrängten Einwohner von Jalalabad unternehmen könnten, die zu der Zeit von den blutrünstigen Mudschaheddin belagert wurden. Wir sammelten über 44 000 Dollar, überwiegend unter Arbeitern und Minderheiten, von denen einige ihre Wurzeln in der Region hatten. Die Bedeutung dieser Kampagne war jedoch größer. Sie zeigte, dass angesichts des Verrats in Afghanistan sowie der Entwicklungen in Osteuropa, in der Sowjetunion und in China das Fehlen einer Kommunistischen Partei, die diesen Namen verdient, deutlich gespürt wurde. Und so gründeten wir uns 1989 als die Internationale Kommunistische Liga.
Der Abzug aus Afghanistan öffnete die Schleuse zur konterrevolutionären Welle, die Osteuropa und dann die Sowjetunion selbst verschlingen sollte. Das wurde 1992 vom damaligen sowjetischen Außenminister Eduard Schewardnadse eingeräumt, als er sagte: Die Entscheidung, Afghanistan zu verlassen, war der erste und schwierigste Schritt. Alles andere ergab sich daraus (Washington Post, 16. November 1992). Weniger als ein Jahr später zogen die Kreml-Bürokraten beim ostdeutschen deformierten Arbeiterstaat den Stecker und gaben grünes Licht für den Anschluss der DDR an das Vierte Reich des deutschen Imperialismus. Das wird in den Redebeiträgen anderer Redner heute hier noch angesprochen werden.
Ich komme einfach zum Schluss, wo ich begann. Unser Kampf zur Verteidigung der Errungenschaften, die in diesen Arbeiterstaaten verkörpert waren, wie verzerrt und deformiert durch stalinistische Missherrschaft sie auch waren, und unser Kampf heute für die Verteidigung Chinas und der verbliebenen Arbeiterstaaten waren und sind Teil unseres Kampfes für neue Oktoberrevolutionen. Trotzki sagte: Wer alte Positionen nicht verteidigen kann, wird niemals neue erobern (Bilanz der finnischen Ereignisse in Verteidigung des Marxismus). Die Periode, in der wir jetzt leben, ist gekennzeichnet durch die Zerstörung des ersten Arbeiterstaats der Welt und zutiefst reaktionär. Aber die Lehren vergangener Kämpfe sind Munition zur Bewaffnung neuer Kader für die Kämpfe, die ausbrechen können und werden. In solchen Kämpfen werden die Kader gestählt, die eine revolutionäre, internationalistische, proletarische Avantgarde aufbauen werden das entscheidende Instrument für die sozialistische Befreiung der Menschheit.