Spartakist Nr. 178

Juli 2009

 

Spartakist-Jugend

Bildungsproteste: Für ein Bündnis mit der sozialen Macht der Arbeiterklasse!

Hunderttausende beteiligten sich an den Bildungsprotesten vom 15. bis 19. Juni. Die Studierenden und Schüler sind zu Recht wütend darauf, dass die Kosten der weltweiten Wirtschaftskrise auf sie (und die arbeitende Bevölkerung) abgewälzt werden sollen. Die Spartakist-Jugend beteiligt sich an diesen Kämpfen und tritt für eine revolutionäre Perspektive ein. Wir argumentieren dafür, die Proteste mit den Klassenkämpfen der Arbeiterbewegung zu verbinden. Im Gegensatz zu Studierenden und Schülern hat die Arbeiterklasse die soziale Macht, den Kapitalismus zum Erliegen zu bringen und letztlich zu stürzen. Entsprechend kann sie auch helfen, Kürzungen im Bildungswesen zurückzuschlagen. Es sind ja auch die Kinder von Arbeitern (und Immigranten), die vom Kahlschlag zuerst getroffen werden. Auch deshalb treten wir für Solidarität mit den bundesweiten Kita-Streiks ein.

Selbst die grundlegendsten Forderungen wie „kostenlose Bildung für alle, auf höchstem Niveau“ und „Stipendien, von denen man leben kann“, stoßen auf die engen Grenzen des kapitalistischen Profitsystems. Im Kapitalismus dienen die Unis als Kaderschmieden für die Bourgeoisie. Wir fordern, die Unis unter die Kontrolle von allen zu bringen, die dort arbeiten, lehren und studieren, als Teil unseres Kampfes, Studierenden zur Seite der Arbeiterklasse zu gewinnen. Diejenigen, die arbeiten, sollen auch herrschen.

Nach der medialen Hetzkampagne im Anschluss des letzten Berliner Schülerstreiks (siehe Spartakist Nr. 175, Januar 2009) fing der SPD/LINKE-Senat diesmal schon frühzeitig damit an, die Proteste einzuschüchtern: Am 15. Mai wurde ein Pressegespräch zu internationalen Bildungsprotesten mit Studierenden aus dem Baskenland in einem Café in Kreuzberg von der Polizei verhindert. Alle Anwesenden wurden unter dem Vorwand, an einer „nicht angemeldeten Versammlung“ teilzunehmen, stundenlang festgenommen und dann mit Platzverweisen belegt und teilweise angezeigt (junge Welt, 18. Mai). Anfang des Jahres wurde die rassistische zentrale Schülerdatei durch den Senat eingeführt (mit den Stimmen fast aller LINKE-Abgeordneten), die neben diversen Personendaten der Schüler insbesondere auch ihre Staatsangehörigkeit und Muttersprache erfassen soll – diese Daten werden auch für Abschiebungen benutzt, wie Fälle in Hamburg zeigen. Diese Repressalien sind durchsichtige Versuche, Linke und Jugendliche zum Schweigen zu bringen. Der „rot-rote“ Senat bewies so wieder einmal seinen bürgerlichen Klassencharakter.

Der Linkspartei-Hochschulverband Linke.SDS, der teilweise von den Pseudotrotzkisten um das Magazin marx21 (ehemals die Gruppe Linksruck) geführt wird, sagt, die Bildungsproteste hätten „das Potenzial zu einem Erfolg: Am 17. Juni bundesweit und zeitgleich mit den Schülern zu streiken und auf die Straße zu gehen und so im Vorwahlkampf Bildung unübersehbar zum Thema zu machen, ist ein plausibles Konzept, an dem sich potenziell Zehntausende beteiligen können“ (critica Nr. 2/2009). Für sie sind die Bildungsproteste also ein Wahlkampfmittel für die Linkspartei, die sie nach links drücken wollen, um eine „wirklich linke“ Regierung auf die Beine zu stellen. Während der Diskussion über die Bildungsproteste auf dem SDS-Kongress in Potsdam am 30. Mai stellte ein Redner der Spartakist-Jugend dieser illusionären Politik, den Kapitalismus zu reformieren, unser marxistisches Programm entgegen:

„Die Position des SDS zu den Bildungsprotesten wird sehr gut mit der Losung ,Geld für Bildung, nicht für Banken!‘ zusammengefasst. Das ist klassische sozialdemokratische Umverteilungspolitik, die den Rahmen des Kapitalismus nicht verlässt. Das ist parallel zum nationalistischen Protektionismus der Linkspartei-Führung à la ,Opel muss wieder deutsch werden‘. Ihr wollt den Kapitalismus ,sozial‘ gestalten.

Das Ergebnis dieser Politik kann man nach zehn Minuten S-Bahn-Fahrt von hier besichtigen: Der SPD/LINKE-Senat in Berlin ist die Speerspitze des Sozialabbaus, des Angriffs auf die Arbeiter des Öffentlichen Dienstes und hat auch Millionen bei der Bildung gekürzt. Die Linkspartei will der neue Arzt am Krankenbett des Kapitalismus sein. Natürlich ist der SDS kritisch gegenüber der Politik des Berliner Senats. Aber auf einer rein empirischen Ebene. Ihr seid nicht prinzipiell gegen eine Beteiligung an bürgerlichen Regierungen, nur bitte ,ohne neoliberale Politik‘! Das ist utopisch.

Einen weiteren Punkt, den ich wichtig finde: Man kann die aktuelle Krise und die letzten 20 Jahre von Sozialabbau nur verstehen im Zusammenhang mit der Konterrevolution 1989/90 in der DDR und Osteuropa. Die Kapitalisten müssen sich den sogenannten Sozialstaat nicht mehr leisten, weil sie nicht mehr mit der ,Systemalternative‘ konkurrieren müssen. Das hat auch zu einem massiven Rückgang im politischen Bewusstsein geführt, angetrieben von der bürgerlichen Lüge vom ,Tod des Kommunismus‘, wie man auch hier in der Diskussion sieht: Kämpfe heute werden nicht mehr mit einem Streben nach irgendeiner Art von Sozialismus identifiziert. Parteien wie die damalige SED-PDS tragen daran Mitschuld, weil sie die Konterrevolution unterstützt haben.“

Solange das irrationale kapitalistische System bestehen bleibt, können alle Verbesserungen, die wir den Herrschenden abringen, wieder rückgängig gemacht werden. Das zeigt nicht zuletzt auch die aktuelle Krise, deren Rechnung die Bourgeoisie der Arbeiterklasse und allen Unterdrückten aufzwingen will. Wirtschaftskrisen, imperialistische Kriege und allgemeines Elend sind keine Abweichung, sondern gehören zum System. Deshalb wollen wir Jugendliche für den Aufbau einer multiethnischen revolutionären Arbeiterpartei gewinnen, die für eine sozialistische Gesellschaft kämpft.