Spartakist Nr. 177 |
Mai 2009 |
Zitat
Tiananmen 1989: Beginnende politische Revolution in China
Im Mai nähert sich der 20. Jahrestag der Massenproteste von Studenten und Arbeitern auf dem Tiananmen-Platz in Beijing. Im Gegensatz zu dem, was das stalinistische Regime und die Imperialisten gleichermaßen verbreiten, war der Aufstand keine Bewegung für westliche Demokratie, d. h. für kapitalistische Konterrevolution. Vielmehr wurde er entscheidend von prosozialistischen Arbeitern geprägt, die sich den Studenten anschlossen. Dies war eine beginnende proletarisch-politische Revolution. Damals wie heute traten wir für die Verteidigung des deformierten Arbeiterstaats China gegen Imperialismus und innere Konterrevolution ein sowie für proletarisch-politische Revolution, für die Herrschaft von Arbeiter- und Bauernräten. Die folgenden Auszüge aus Workers Vanguard (WV), Zeitung der Spartacist League/U.S., zeigen, wie wir Trotzkisten auf die Ereignisse reagierten. Erst nach zwei Wochen war das Regime in der Lage, am 3. Juni 1989 die 27. Armee zu mobilisieren, die außerhalb Beijings stationiert war. Es folgte ein blutiges Massaker, das sich insbesondere gegen die Arbeiter richtete, die sich den Protesten angeschlossen hatten. WV titelte: Massaker in Beijing China vor dem Bürgerkrieg. Für die Einheit Chinas unter Führung der Arbeiter! (9. Juni) und Verteidigt die chinesischen Arbeiter! Stoppt die Hinrichtungen! (23. Juni). Für eine tiefere Analyse siehe China: Tiananmen 1989 und Arbeiterkämpfe heute (Spartakist Nr. 157, Winter 2004/2005, Nr. 158, Frühjahr 2005).
Die Imperialisten hätten es gerne, wenn im Beijinger Frühling eine prowestliche Massenbewegung aufblühen würde. Einige Appelle der Studenten, wie das Banner Gebt mir die Freiheit oder den Tod! (auf Englisch!), waren klar an die amerikanischen Medien gerichtet. Aber als am 27. April ein Demozug von 150 000 Studenten die Unterstützung einer noch größeren Anzahl Arbeiter erhielt, reagierten die Demonstranten mit dem Ruf Hoch lebe das Proletariat! Und wieder und wieder singen sie die Internationale, historisch die Hymne der sozialistischen Arbeiterklasse. Als am Wochenende des 20./21. Mai das Regime unter der Führung von Deng Xiaoping und Premierminister Li Peng Armeeeinheiten befahl, die Studenten, die sich im Hungerstreik befanden, zu entfernen, strömten erneut Arbeiter auf den Platz und stellten sich an ihre Seite. Aber während die Arbeiter massiv bei den Protesten vertreten sind, mobilisieren sie bis jetzt noch nicht für ihr eigenes Klassenprogramm die bürokratischen Irreführer des chinesischen deformierten Arbeiterstaates hinauszuwerfen und die Herrschaft von proletarischen Räten zu errichten
Am dramatischsten ist die Bewegungsunfähigkeit der Armee. Li Pengs Befehl, militärisch scharf vorzugehen, wurde faktisch ignoriert. Nicht nur wurden die Einheiten, die sich in die Hauptstadt wagten, von der Bevölkerung umzingelt, sondern U-Bahn-Arbeiter und -Management weigerten sich auch, sie mit der U-Bahn zu transportieren. Die in Beijing stationierte 38. Armee, die viele Wehrpflichtige aus der Hauptstadt in ihren Reihen hat, weigerte sich Berichten zufolge, gegen die Menge vorzugehen. (Die Tochter des Oberbefehlshabers soll sich unter den Hungerstreikenden befinden.) Nun ist ein Brief von sieben hochrangigen ehemaligen militärischen Führern aufgetaucht, unterzeichnet von mehr als 100 Offizieren, der sich dagegen wendet, Truppen in die Hauptstadt zu schicken: Unter keinen Umständen darf die Armee auf das Volk schießen (New York Times, 23. Mai). Die Pariser Libération (18. Mai) zitiert einen ehemaligen Offizier, dass die Situation in China vielmehr Ungarn 1956 gleicht, außer, dass diesmal nicht die Möglichkeit eines sowjetischen Einschreitens existiert, um das Regime zu retten.
Was die chinesischen arbeitenden Massen dringend brauchen, ist echter Kommunismus, ist eine echte marxistische und leninistische kommunistische Partei, um das bürokratische Regime durch Arbeiter- und Soldatenräte an der Spitze der armen Bauernschaft zu ersetzen. Anstelle des Nationalismus der chinesischen Stalinisten von Mao bis Deng, der China in eine konterrevolutionäre militärische und diplomatische Allianz mit dem US-Imperialismus gegen die Sowjetunion und Vietnam geführt hat, ist kommunistische Einheit gegen den Imperialismus vonnöten.
Upheaval in China [Aufstand in China], Workers Vanguard Nr. 478, 26. Mai 1989