Spartakist Nr. 176

März 2009

 

Hamburg: "Vorteilsregelung" spaltet Arbeiterklasse

Verteidigt ver.di gegen Angriffe der Hafenbosse!

Organisiert die Unorganisierten!

Gerichte und Staat: Hände weg von den Tarifen!

Das nachfolgend abgedruckte Flugblatt vom 12. Januar wurde auf einer Ver.di-Demonstration am 13. Januar in Hamburg verteilt, die gegen den Senat und die Hafenbosse protestierte. Diese wollen per Gericht den abgeschlossenen Tarifvertrag teilweise aufkündigen lassen, um die „Vorteilsregelung“ zu kippen, nach der nur Gewerkschaftsmitglieder einen 260-Euro-Zuschlag pro Jahr erhalten sollen. Vor der Konzernzentrale versammelten sich 3000 Hafenarbeiter vor allem von der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) und einigen von Eurogate, Gesamthafenbetrieb (GHB) und anderen norddeutschen Häfen, um die Gewerkschaft gegen die Bosse und ihren Staat zu verteidigen. Das Hamburger Arbeitsgericht hat nun die Klage abgewiesen, jedoch eine Sprungrevision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen. Unsere Genossen hatten viele Diskussionen darüber, wie die Gewerkschaft gestärkt werden kann und dass die Vorteilsregelung, die die Lohnungleichheit im Hafen noch weiter verstärkt, nicht die richtige Antwort ist. Gerade jetzt in der Wirtschaftskrise mit fast täglichen Ankündigungen von Angriffen auf Arbeiter müssen starke, klassenkämpferische Gewerkschaften alle Arbeiter im Kampf vereinen. Laut ver.di sind seit der Finanzkrise schon über 100 000 Leiharbeiter entlassen worden, Hunderttausende weitere Arbeiter sind nun von Kurzarbeit betroffen und das Gespenst von Arbeitslosigkeit und Hartz-IV-Elend droht. Das Flugblatt weist eine revolutionäre sozialistische Perspektive für den Kampf gegen Arbeitslosigkeit und das Elend des Kapitalismus.

Ver.di-Chef Bsirske denunzierte in seiner Rede auf der Demo empörender Weise die nichtorganisierten Hafenarbeiter als ,Drückeberger‘, ,Leisetreter‘ und ,Bananenklauer‘! Das ist eine zynische Abdeckung dafür, dass die Ver.di-Spitzen die Hauptverantwortung dafür tragen, dass Arbeiter der Gewerkschaft den Rücken kehren. Seit langem werden neu eingestellte Arbeiter im Hafen die ersten Jahre für dieselbe Arbeit niedriger bezahlt als die älteren Arbeiter. Verdi-Führung und Betriebsratsspitzen haben der Aushöhlung der Tarife zugestimmt und viele Arbeiter wurden mit Billigung der Gewerkschaftsbürokraten ausgegliedert – das alles im Namen von Rentabilität und „Standortsicherung“. Bsirske macht die Opfer der sozialdemokratischen Klassenzusammenarbeit zu Sündenböcken.

Beim GHB stehen die ersten Massenentlassungen seit Jahren an. Betroffen sind erst einmal Neueingestellte, die weniger Rechte haben, besonders die ohne Ausbildung an Großgeräten, jetzt aber auch schon Fahrer der Van Carrier oder der Containerbrücken. Die unständigen GHB-Hafenarbeiter erhalten keinen finanziellen Ausgleich bei weniger Arbeit. Die Politik der Gewerkschaftsführung, die Stammbelegschaft gegen die Kollegen aus anderen Betrieben zu stellen, verhindert, dass die verwundbareren Arbeiter in die Gewerkschaften eintreten. Stattdessen muss vereint gegen Entlassungen gekämpft werden. Für die Übernahme und Festeinstellung von Leiharbeitern und Unständigen zu vollem Tariflohn! Um eine starke Hafenarbeitergewerkschaft aufzubauen, braucht es eine klassenkämpferische Gewerkschaftsführung, die mit Sozialpartnerschaft bricht.

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Die HHLA-Bosse haben vor Gericht Klage eingereicht gegen die Vorteilsregelung für Gewerkschaftsmitglieder, ein Bestandteil des neuen Tarifvertrages für die Seehafenbetriebe. Sie tun dies, um ver.di zu schwächen. Es ist kein Zufall, dass die Bosse auf ein Gericht zurückgreifen, um gegen eine Gewerkschaft vorzugehen. Der Staat ist nicht neutral oder unabhängig, sondern Instrument der Kapitalisten zur Verteidigung ihrer Klasse und ihres Strebens, die Arbeiter auszubeuten. Die Gerichte sind wie Polizei und Gefängnisse Teil des staatlichen Repressionsapparates. Bei jedem Streik steht der Staat auf der Seite der Bosse und schützt die Streikbrecher. Polizei raus aus dem DGB! Bürgerlicher Staat: Hände weg von den Gewerkschaften! Es ist die Pflicht jedes Arbeiters im Hafen, gegen den Angriff der Bosse auf ver.di zu protestieren.

Gegen diesen Angriff der Bosse müssen alle Hafenarbeiter mobilisiert werden. Dem steht aber die sogenannte Vorteilsregelung (eine jährliche „Erholungsbeihilfe“ von 260 Euro ausschließlich für Gewerkschaftsmitglieder) entgegen, die die ohnehin bereits stark differenzierten Lohn- und Arbeitsbedingungen im Hafen noch weiter verschärft. Die mit der sozialdemokratischen LINKEN personell und politisch verbundene reformistische Deutsche Kommunistische Partei (DKP) erklärte direkt nach dem Tarifabschluss in ihrer Zeitung:

„Der Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe entwickelte gegen diese Regelung anfangs vehementen Widerstand. Bundesweit wurde von den Arbeitgeberverbänden versucht, eine solche Regelung zu verhindern, weil sie befürchten, dass hierdurch der Organisationsgrad und damit die Durchsetzungsfähigkeit der Gewerkschaften steigen könnte. Daher war es nach Gewerkschaftsaussagen eine bedeutsame Herausforderung, eine Vorteilsregelung für ver.di-Mitglieder durchzusetzen und dafür eine angemessene Höhe und Form zu finden.“ (unsere zeit, 13. Juni 2008)

Tatsächlich kann sich aber ein Teil der Bourgeoisie durchaus mit einer Vorzugsbehandlung für Gewerkschafter anfreunden, solange die Gewerkschaft nach den Vorgaben der Bosse spielt. So hat der NRW-Arbeitsminister Laumann im Namen des Landesverbands seiner Partei, der CDU, solche Sonderzahlungen für Gewerkschaftsmitglieder bundesweit und für viele Branchen gefordert. Er möchte damit verhindern, dass neben den Piloten und Lokführern noch mehr Einzelgruppen den DGB-Gewerkschaften den Rücken kehren und mit höheren Lohnforderungen das verlangen, was eigentlich allen Arbeitern zusteht. Er möchte die Flächentarife als Zwangsjacke benutzen und verhindern, dass einzelne Berufsgruppen für sich höhere Tarife durchsetzen. Und der Hamburger Ver.di-Vorsitzende Rose biedert sich sogleich an. Für ihn tragen Vorteilsregelungen „zur Wiederbelebung der Sozialpartnerschaft und Festigung von Flächentarifen bei“. Ver.di und DKP verkaufen die Vorteilsregelung als Stärkung der Gewerkschaft, wobei aber genau „Sozialpartnerschaft“ (ein anderes Wort für Klassenzusammenarbeit) und Ausverkaufspolitik zur Schwächung der Gewerkschaften und Entstehung von Standesgewerkschaften geführt haben. Die Bosse setzen nicht nur auf Frontalangriff, um die Gewerkschaften zu schlagen, sie üben sich auch in der Umarmung der Gewerkschaftsspitzen, um Kontrolle über die Arbeiter zu haben. Dabei machen sie sich das sozialdemokratische Konzept der Klassenzusammenarbeit zunutze, denn die reformistische Gewerkschaftsführung möchte als seriöser Partner im deutschen Imperialismus gelten. Nötig sind dagegen starke Industriegewerkschaften, die statt „Sozialpartnerschaft“ zu pflegen tatsächlichen Klassenkampf organisieren.

Mit Klassenzusammenarbeit hat die sozialdemokratische Gewerkschaftsführung jahrzehntelang die Gewerkschaft zurückgehalten. So haben sie den Hafenbossen geholfen, den Hafentarif massiv auszuhöhlen. Mit solchen verschleiernden Begriffen wie „wirtschaftliche Effizienz“, was in Wirklichkeit Profitmaximierung der Bosse bedeutet, hat die Gewerkschaftsführung die Auslagerung etlicher Hafenbereiche abgesegnet. So können heute die Bosse bei Fruchtumschlag, Bahnverladung und Logistik niedrigere Tarife zahlen als bisher. Gleichzeitig haben sich für alle die Arbeitsbedingungen verschlechtert. Dem daraus folgenden sinkenden Organisierungsgrad versucht die Gewerkschaftsführung mit einer falschen Antwort zu begegnen: der Vorteilsregelung. Statt sich für alle Hafenarbeiter einzusetzen, verabschiedet sie sich weiter von dem Prinzip „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ und vertieft damit die Spaltung zwischen den Arbeitern. Wie will die Gewerkschaftsführung Mitglieder gewinnen, wenn sie die Unorganisierten als „Trittbrettfahrer“ diffamiert? Mit solchen zünftlerischen Losungen wie „Proud to be a Docker“ [Stolz ein Hafenarbeiter zu sein], werden alle vor den Kopf gestoßen, die nicht direkt an der Wasserseite Container bewegen. Aber diejenigen, die die Container packen, und die Hafentrucker, die die Container zu den Terminals bringen, gehören auch zu den Hafenarbeitern. Eine auf starke Einzelgruppen ausgerichtete, sozialdemokratische, zünftlerische Politik unterminiert die Einheit und wird sich als Bumerang erweisen.

Die Gewerkschaft ist die einzige Organisation, mit der die Arbeiter ihre wirtschaftlichen Interessen durchsetzen und verteidigen können. Und die größtmögliche Einheit aller Arbeiter ist nötig, um gegen die geballte Macht der Bosse und ihres Staates gewappnet zu sein. Die Gewerkschaften wurden ursprünglich aufgebaut als Streikkassen, damit die Arbeiter im gemeinsamen Kampf gegen die Bosse nicht so leicht ausgehungert werden können. Sie wurden aufgebaut als Organisationen für den Kampf der Arbeiter gegen die Bosse und nicht zur Zusammenarbeit, denn die Interessen der Arbeiter und Kapitalisten sind unvereinbar. Die Gewerkschaft wird aufgebaut und gestärkt, indem man für eine klassenkämpferische Gewerkschaftsführung kämpft, die mit der Klassenzusammenarbeit Schluss macht; die dafür sorgt, dass die Gewerkschaft sich für alle einsetzt; die die Gruppen der Arbeiter mit der stärksten sozialen Macht mobilisiert, um die weniger starken zu verteidigen. Und wenn die Gewerkschaften den beschränkten Rahmen der von den Kapitalisten erzwungenen „Sachzwänge“ über Bord werfen und tatsächlich für die Belange und Interessen aller Arbeiter kämpfen, dann werden auch die Mitgliederzahlen bedeutend steigen.

Für eine Gewerkschaft, die alle einschließt, die im Hafen arbeiten, und die die Interessen der Arbeiter gegen die Interessen der Bosse verteidigt. In einem Kampf für gleichen Lohn auf höchstem Niveau für gleiche Arbeit wird die Arbeiterbewegung die Vorteilsregelung fallen lassen. Für einen Kampf, den Hafen hundertprozentig gewerkschaftlich zu organisieren! Weg mit der spalterischen Vorteilsregelung! Alle ausgegliederten Hafenbereiche zurück in den Hafentarif! Organisiert die Unorganisierten! Gegen Entlassungen und Arbeitslosigkeit muss ein Recht auf Arbeit erkämpft werden. Die Gewerkschaften müssen Arbeiter mit und ohne Arbeit in gegenseitiger Solidarität vereinen. Dafür muss ohne Lohnverlust die Arbeit auf alle Hände verteilt werden. Um Ungleichheit und Verelendung zu verhindern, müssen Tarifverträge auch eine der Preissteigerung entsprechende automatische Lohnsteigerung für alle garantieren, eine gleitende Lohnskala. Die Kapitalisten und ihre sozialdemokratischen Helfer werden behaupten, dass diese Forderungen „nicht realisierbar“ sind. Aber:

„Kann der Kapitalismus die Ansprüche nicht befriedigen, die sich unvermeidlich aus den von ihm erzeugten Übeln ergeben, dann mag er zugrunde gehen. Ob jene Forderungen ,realistisch‘ oder ,unrealistisch‘ sind, ist hierbei eine Frage des Kräfteverhältnisses und kann nur durch den Kampf entschieden werden. Durch diesen Kampf, welche unmittelbaren praktischen Erfolge er auch erzielen mag, werden sich die Arbeiter am besten von der Notwendigkeit überzeugen, die kapitalistische Sklaverei zu beseitigen.“ (Leo Trotzki, Übergangsprogramm, 1938).

Nachdem sie jahrelang Rekordzuwachsraten beim Umschlag verzeichnet haben, setzen die Hafenbosse jetzt darauf, dass die Krise in absehbarer Zeit vorbei sein wird. Die vollmundigen Versprechungen der Bosse, niemanden zu entlassen, werden aber vergessen sein, wenn die Krise sich verschärft oder länger dauert als erwartet. Sie werden versuchen, die Wirtschaftskrise zu benutzen, um die Tarife noch mehr zu drücken und die Arbeitsbedingungen weiter zu verschlechtern. Der Kapitalismus hat zu der jetzigen Wirtschaftskrise geführt und gezeigt, dass er bankrott ist. Hindernisse auf dem Weg zu dem Verständnis, dass das kapitalistische System abgeschafft werden muss, sind die sozialdemokratischen Irreführer von SPD und LINKE, Parteien mit einer gewissen Arbeiterbasis, aber mit einem prokapitalistischen Programm. Sie und ihre Steigbügelhalter wie die DKP sind dafür da, den Kapitalisten dabei zu helfen, die Arbeiter ruhigzustellen. Zum Beispiel indem sie die Arbeiter an die „eigene“ Bourgeoisie ketten. Prominentes Beispiel dafür ist Lafontaine (DIE LINKE): „Wir müssen Sorge tragen, dass ausländische Staatsfonds nicht europäische Unternehmen aufkaufen. Dazu brauchen wir eine abgestimmte Vorgehensweise der Europäer“ (Neue Ruhr Zeitung/Neue Rhein Zeitung, 21. Oktober 2008). In diesem Sinne hat auch die Ver.di-Führung im Zuge des Widerstands gegen die Privatisierung der HHLA gegen die „Gefahren“ ausländischer Kapitalisten gewettert und die einheimischen Kapitalisten und den Hamburger Senat schöngeredet. Das ist nationalistische protektionistische Standortpolitik, die Arbeiter gegeneinander ausspielt. Tatsächlich werden mit dieser sozialdemokratischen „verantwortungsvollen“ Politik im Namen der „Standortrettung“ die Kapitalisten gerettet, während Arbeiter entlassen werden, und diejenigen, die ihre Arbeit behalten, werden noch mehr für die Profite der Bosse ausgebeutet.

Die Arbeiter sind international unter Beschuss und müssen eine gemeinsame Solidarität schmieden im Kampf gegen die Bosse, egal welche nationalen kapitalistischen Interessen die repräsentieren. Organisiert die Unorganisierten! Für klassenkämpferische Gewerkschaften statt Zusammenarbeit mit Bossen und Staat auf Kosten der Arbeiter. Die Arbeitskämpfe müssen mit einer sozialistischen Perspektive verbunden werden. Nur wenn diejenigen regieren, die arbeiten und damit den Reichtum erschaffen, können die Ressourcen zum Wohle aller genutzt werden und Existenzangst und Unterdrückung gehören der Vergangenheit an. Für internationale Planwirtschaft auf der Basis von Arbeiterräten und Arbeiterdemokratie. Für eine revolutionäre multiethnische Arbeiterpartei, die dafür kämpft, dass die Arbeiter weltweit die Macht übernehmen.