Spartakist Nr. 175

Januar 2009

 

Verteidigt das palästinensische Volk!

Israel raus aus den besetzten Gebieten!

Zionistisches Blutbad in Gaza

Für eine sozialistische Föderation des Nahen Ostens!

4. Januar – „Sagen Sie allen, dass dies im 21. Jahrhundert geschieht, während die ganze Welt zuschaut und schweigt. Ich frage mich, wie wenig das palästinensische Blut wert ist“, sagte ein Bewohner von Gaza (english.aljazeera.net, 28. Dezember 2008). Seit Israel vor einer Woche mit der Bombardierung des Gazastreifens begann, wurden mehr als 485 Palästinenser abgeschlachtet und mehr als 2300 verwundet. Der erste Tag von Luftangriffen ergab in Gaza die höchste Zahl von Toten an einem Tag, seit Israel 1967 Gaza und die Westbank im arabisch-israelischen Krieg besetzt hatte. Mehr als hundert Tonnen Bomben wurden nun auf einen der am dichtesten bevölkerten Flecken der Erde abgeworfen. Israelische Bodentruppen starteten Samstag eine Bodenoffensive und marschierten nach heftigem Artilleriebeschuss in den Gaza-Streifen ein. Zuvor hatte Ehud Barak von der rein bürgerlichen Arbeitspartei den „kompromisslosen Krieg“ erklärt. Wir treten für militärische Verteidigung von Hamas gegen Israel ein, ohne diesem reaktionären fundamentalistischen Verein die geringste politische Unterstützung zu geben.

Mit seinen 1,5 Millionen palästinensischen Einwohnern, umgeben von einem Elektrozaun, der abgeriegelten Grenze zu Ägypten und dem Mittelmeer, ist Gaza kaum mehr als ein Konzentrationslager – unter der Fuchtel einer völkermörderischen zionistischen herrschenden Klasse. Seit dem Machtantritt der Hamas 2007 ist Gaza durch eine Blockade der USA und Israels von Lebensmitteln, Treibstoff und Medizin abgeschnitten. Heute ist ein Großteil von Gaza kaum etwas anderes als ineinander verkeiltes Metall und zerstörtes Menschenleben, und die schlecht ausgestatteten Krankenhäuser sind mit den zahlreichen Verletzten und Verstümmelten überfüllt. Selbst die prozionistische New York Times befand, dass die anfänglichen Luftangriffe, als Frauen auf den Markt gingen und Kinder aus der Schule kamen, „eine schockierende Qualität“ hatten.

Die israelischen Luftangriffe richteten sich besonders gegen Regierungsgebäude und andere Einrichtungen unter Kontrolle der Hamas – die von Zionisten und Imperialisten schon lange als „terroristisch“ gebrandmarkt wird. Zur Vorbereitung der Angriffe startete Israel eine Desinformationskampagne, mit der die Öffnung von Grenzübergängen und die Aufschiebung angedrohter Luftangriffe angekündigt wurden. Die Hamas, die ihr Personal aus Amtsgebäuden evakuiert hatte, „schickte ihre Leute zurück, als sie hörte, dass alles aufgeschoben war“, so ein israelischer Offizieller (Ha’aretz online, 28. Dezember 2008). Viele von ihnen starben durch die Bombardierung.

In der Westbank ist die palästinensische Bevölkerung nunmehr durch eine Apartheidmauer abgeschottet und einer mörderischen Militärbesetzung unterworfen. Ein palästinensischer Jugendlicher, der in Ramallah an Protesten gegen die Luftangriffe auf Gaza teilnahm, wurde von israelischen Truppen erschossen. Alle israelischen Truppen und Siedler raus aus den besetzten Gebieten!

Israels Massenmord in Gaza wurde Monate vorher kaltblütig vorbereitet. Ha’aretz online (28. Dezember 2008) berichtete: Barak „befahl den israelischen Streitkräften vor mehr als sechs Monaten die Vorbereitung der Operation, obgleich Israel mit der Hamas über einen Waffenstillstand zu verhandeln begann… Barak befahl eine umfassende Informationsbeschaffungskampagne, um Hamas’ Sicherheitsinfrastruktur auszukundschaften.“ In der Praxis beendete Israel die instabile „Waffenruhe“ mit der Hamas durch Angriffe auf Gaza, bei denen ein halbes Dutzend Hamas-Kämpfer getötet wurden – in der Nacht der US-Präsidentschaftswahl. Die darauf folgenden (weitgehend wirkungslosen) Mörser- und Raketenangriffe von Gaza auf nahe gelegene israelische Städte wurden dann als Vorwand für den massiven Überfall benutzt.

Im ganzen Nahen Osten kam es sofort zu Protesten von Zehntausenden. Dabei wurde nicht nur das zionistische Massaker angeprangert, sondern es wurden auch die US-freundlichen arabischen Regime, nicht zuletzt das in Ägypten, verurteilt. Am Vorabend des Überfalls hatte die israelische Außenministerin Zipi Livni den ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak in Israels Pläne eingeweiht. Mubarak schickte umgehend hunderte zusätzliche Grenzschützer los, die die Grenzmauer zwischen Gaza und Ägypten mitkontrollieren sollten. Als verzweifelte Palästinenser auf der Flucht vor der israelischen Bombardierung über die Grenze stürmten, eröffneten ägyptische Posten das Feuer. Laut Al Jazeera (30. Dezember 2008): „Mubarak verkündete im ägyptischen Fernsehen … dass der Grenzübergang bei Rafah erst dann vollständig wieder geöffnet werde, wenn Mahmoud Abbas, der palästinensische Präsident, die Autorität im Gebiet wieder erlangt.“ Der Präsident der Palästinenserbehörde Abbas seinerseits verurteilte zwar die israelischen Angriffe, gab aber ungeheuerlicher Weise der Hamas die Schuld am israelischen Angriff und forderte diese auf, „mit dem Blutvergießen aufzuhören“.

Diese Aufforderung liegt ganz auf der Linie der Bush-Regierung, die, wie nicht anders zu erwarten, verkündete, dass sie „Hamas für verantwortlich hält“. Während des Präsidentschaftswahlkampfs hatte der neu gewählte Präsident Barack Obama von den Demokraten eindeutig seine Unterstützung für die israelischen Angriffe auf Hamas erklärt: „Wenn jemand mein Haus mit Raketen beschießt, wo meine beiden Töchter nachts schlafen, würde ich alles tun, was in meiner Macht steht, um das zu stoppen. Und dasselbe würde ich von den Israelis erwarten.“

Auch die deutsche Regierung gibt der Hamas die Verantwortung für den von Israel geführten Krieg gegen die Palästinenser. So erklärte Außenminister Steinmeier (SPD) in Bild am Sonntag (28. Dezember 2008): „Hamas muss den unerträglichen Raketenbeschuss auf Israel sofort und dauerhaft einstellen!“ Dies gerade in dem Augenblick, wo Israel dabei ist, mehr als hundert Tonnen Bomben auf Gaza abzuwerfen. Nicht nur das, er gibt der Hamas noch die Schuld für „die prekäre Situation der Bevölkerung im Gazastreifen“ – was für ein Zynismus! In den letzten sieben Jahren wurden mehr als 5000 Palästinenser durch das hochgerüstete Israel umgebracht, während der Beschuss durch selbstgebaute Raketen aus dem Gazastreifen 14 israelische Opfer kostete, wie der Guardian (30. Dezember 2008) berichtete.

In einer Erklärung vom 27. Dezember forderte Wolfgang Gehrcke, Obmann der Linksfraktion im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages: „Die arabischen Staaten müssen den Raketenangriffen gegen Israel entgegentreten“, und weiter: „Die Bundesregierung muss in der Europäischen Union umgehend eine Friedensinitiative auf den Weg bringen. Die EU sollte gemeinsam mit der Arabischen Liga und besonders engagierten arabischen Staaten wie Ägypten, Jordanien und Saudi-Arabien Kontakte und Verhandlungen mit beiden Seiten aufnehmen.“ Gehrcke und die LINKE fordern eine aktivere Intervention der Imperialisten – vor allem Deutschlands, Frankreichs, und der Kern-EU-Länder, aber auch der USA mittels des „Nahost-Quartetts“ (USA, EU, UNO, Russland) – und verbreiten die Lüge, diese können den Interessen der Palästinenser und des „Friedens“ im Nahen Osten dienen. Der deutsche Imperialismus, verantwortlich für den industriellen Massenmord an sechs Millionen Juden und grauenvoller Schlächter in zwei Weltkriegen, ist wie der US-Imperialismus der Todfeind der Arbeiter und Unterdrückten der Welt. Der US-Imperialismus ist verantwortlich für das Massaker an Hunderttausenden in den besetzten Ländern Irak und Afghanistan. Der deutsche Imperialismus beteiligt sich an den Besetzungen in Afghanistan und auf dem Balkan und versucht so, seine blutigen Interessen in einer Weltlage zu behaupten, die momentan von der überragenden militärischen Vorherrschaft der USA gekennzeichnet ist. Bundeswehr raus aus Afghanistan und dem Balkan! USA raus aus Irak und Afghanistan! Nieder mit dem Imperialismus!

Sowohl das Volk der palästinensischen Araber als auch das hebräischsprachige Volk erheben in Israel/Palästina den Anspruch auf das gleiche kleine Stück Land. Unter dem Kapitalismus kann das eine Volk seine nationale Selbstbestimmung zwangsläufig nur auf Kosten des anderen Volkes ausüben. Die nationale Befreiung der Palästinenser – einschließlich des Rechts auf Rückkehr aller Flüchtlinge und ihrer Nachkommen in die Heimat – erfordert notwendigerweise Arbeiterrevolutionen, die den zionistischen Staat von innen her zerschmettern und die das haschemitische Königreich Jordanien, die baathistischen Bonapartisten Syriens und die kapitalistischen Herrscher im Libanon – alles Länder mit einem erheblichen palästinensischen Bevölkerungsanteil – wegfegen. Wir setzen auf das Proletariat in der ganzen Region, wie in Ägypten, das in den letzten paar Jahren ein Zentrum von Arbeiterstreiks und Demonstrationen gewesen ist. Für eine sozialistische Föderation des Nahen Ostens!

Die israelische Gesellschaft ist keine durchgängig reaktionäre Masse, sondern eine Klassengesellschaft, in der die Arbeiterklasse von ihrer „eigenen“ herrschenden Klasse ausgebeutet wird. Wir haben keine Illusionen, dass es leicht sein wird, den Chauvinismus der hebräischen Arbeiterklasse zu erschüttern. Es wird wohl umwälzende Ereignisse erfordern – wie eine militärische Niederlage oder revolutionäre Aufstände in der Region – um das israelische Proletariat vom Zionismus zu brechen. Diese Aufgabe wird nicht leichter durch die verbrecherischen Bombenanschläge des wahllosen Terrors, den palästinensische Kräfte gegen israelische Zivilisten ausüben. Diese Anschläge treiben die hebräische Bevölkerung nur noch weiter in die Arme der zionistischen Herrscher. In Israel/Palästina, wie in der ganzen Region, geht es entscheidend darum, revolutionäre Arbeiterparteien zu schmieden, die international für eine sozialistische Revolution kämpfen.

Nach Workers Vanguard Nr. 927, 2. Januar 2009