Spartakist Nr. 173

September 2008

 

Drittes US-Bundesberufungsgericht verweigert Berufung

Freiheit für Mumia, sofort!

Übersetzt aus Workers Vanguard Nr. 918, 1. August 2008, Zeitung der Spartacist League/U.S.

Am 22. Juli haben die Richter des Dritten Bundesberufungsgerichts der USA eine aus zwei Sätzen bestehende Entscheidung veröffentlicht, worin sie sich weigern, einen Antrag zu verhandeln, den Mumias Anwälte weniger als einen Monat zuvor am 27. Juni eingereicht hatten. Dieser Antrag, der sich auf die rassistische Manipulation der Geschworenenauswahl in Mumias Prozess von 1982 konzentrierte, ersuchte darum, dass das gesamte Gericht die Entscheidung überprüft, die ein Ausschuss von drei Richtern am 27. März fällte. Diese Entscheidung hielt Mumias abgekartete Verurteilung aufrecht und verdammte diesen Kämpfer für die Freiheit der Schwarzen entweder zu lebenslanger Haft oder zu einer neuen Anhörung zum Strafmaß, bei der auch die Todesstrafe wieder eingesetzt werden könnte (siehe auch „Free Mumia Abu-Jamal Now! New Legal Papers Filed“ [Freiheit für Mumia Abu-Jamal, sofort! Neue Unterlagen ans Gericht übergeben], Workers Vanguard Nr. 917, 4. Juli). Der Ausschuss von drei Richtern hatte eine Entscheidung des Bundesrichters William Yohn vom Dezember 2001 aufrechterhalten, der Mumias Todesurteil aufhob, während er gleichzeitig dessen abgekartete Verurteilung aufrechterhielt. Robert Bryan, Mumias Hauptverteidiger, kündigte an, dass er einen Antrag zur Prüfung durch das Oberste Gericht der Vereinigten Staaten einreichen würde – die letzte rechtliche Möglichkeit, die Mumia noch bleibt. Die Staatsanwaltschaft von Philadelphia, die vorher angekündigt hatte, dass sie versuchen würde die Todesstrafe wieder einzusetzen, erklärte kürzlich, dass sie unentschieden sei.

Weil Mumia in seiner Jugend ein Sprecher für die Black Panther Party war, danach ein preisgekrönter Journalist, bekannt als die „Stimme der Entrechteten“, und weil er ein Unterstützer der MOVE-Organisation in Philadelphia war, wurde ihm der Mord am Polizisten Daniel Faulkner in Philadelphia 1981 angehängt, und er wurde ausdrücklich wegen seiner politischen Ansichten zum Tode verurteilt. Seit 26 Jahren wollen die Bullen, die Staatsanwälte, bürgerliche Politiker und deren Schakale in den Medien Mumias Blut sehen, weil sie in Mumia eine Stimme des ungebrochenen Widerstandes gegen alle Formen rassistischer Diskriminierung und das Gespenst der Revolte der Schwarzen sehen.

Dass die Gerichte erneut Amerikas berühmtestem Klassenkriegsgefangenen Gerechtigkeit verwehren würden, war jedem klar, der sehen wollte. Ein Gericht nach dem anderen weigerte sich, den Berg an Beweismaterial für Mumias Unschuld auch nur zu berücksichtigen, einschließlich des Geständnisses von Arnold Beverly, dass er, nicht Mumia, den Polizisten Faulkner erschoss. Dieselben Gerichte haben wiederholt ihre eigenen Präzedenzfälle und Regeln zugunsten von speziellen „Mumia-Regeln“ verworfen, um diese „Stimme der Entrechteten“ in der Gefängnishölle festzuhalten.

Die Batson-Entscheidung des Obersten Gerichts von 1986, die den Ausschluss von Geschworenen auf der Grundlage ihrer Rasse verbietet, wurde verhöhnt, als das Dritte Bundesberufungsgericht am 27. März das überwältigende Beweismaterial für die rassistische Beeinflussung der Zusammensetzung der Geschworenen in Mumias Prozess von 1982 abwies. Damals nutzte die Staatsanwaltschaft 11 ihrer 15 Möglichkeiten, Geschworene ohne Angabe von Gründen abzulehnen, um schwarze Geschworene loszuwerden. Indem das Dritte Bundesberufungsgericht eine neue, den Argumenten der Staatsanwaltschaft entnommene Regel verkündete, bestimmte seine Entscheidung, dass Mumias Begehren zurückgewiesen werden muss, weil er und seine Anwälte es versäumten, Beweise für die rassische Zusammensetzung des gesamten zur Auswahl stehenden Pools von möglichen Geschworenen für diesen Prozess zu erbringen. Der Journalist Linn Washington aus Philadelphia erfasste das kafkaeske Wesen der Gerichtsentscheidung: „Diese ursprüngliche Ablehnung zum Beispiel legte Abu-Jamals Prozessverteidiger von 1982 zur Last, dass er nicht juristische Standards befolgte, die das Oberste Gericht der Vereinigten Staaten erst 1986 schuf – also ganze vier Jahre nach dem Prozess. Diese Ablehnung legte Abu-Jamals Anwälten von 1995 zur Last, dass sie bestimmte Beweise für die Diskriminierung bei der Geschworenenauswahl nicht vorlegten, woran sie der Anhörungsrichter 1995 hinderte, bis hin zur kurzzeitigen Verhaftung einer Anwältin, die Einspruch gegen diese Behinderung seitens des Richters erhob“ (CounterPunch, 26./27. Juli). Tatsächlich unterdrückte der Richter Albert Sabo eine Vorladung des Geschworenen-Beauftragten des Bezirks Philadelphia und verwarf einen Antrag zur Feststellung der Namen, Adressen und der Rasse eines jeden Mitglieds des Geschworenen-Pools für Mumias Prozess von 1982. Die Anwältin, die verhaftet wurde, war Rachel Wolkenstein, Anwältin des Partisan Defense Committee und von 1995 bis 1999 Mitglied von Mumias Rechtsverteidigungsteam. Zusammen mit Jonathan Piper, einem weiteren mit dem PDC verbundenen Anwalt, trat Wolkenstein aus dem Verteidigungsteam aus, als der damalige Hauptverteidiger Leonard Weinglass das Beverly-Geständnis unterdrückte.

Seitdem das Partisan Defense Committee – eine mit der Spartacist League verbundene klassenkämpferische, nichtsektiererische Organisation zur rechtlichen und sozialen Verteidigung [Schwesterorganisation in Deutschland ist das Komitee für soziale Verteidigung, KfsV, verbunden mit der Spartakist-Arbeiterpartei Deutschlands, SpAD] – und die SL 1987 Mumias Fall aufgriffen, traten wir dafür ein, alle möglichen rechtlichen Mittel auszuschöpfen. Gleichzeitig haben wir immer gegen jegliche Illusionen in die Gerichte des kapitalistischen Klassenfeindes gekämpft. Wir bestanden darauf, dass die Gerichte nur reagieren würden, wenn sie fürchteten, dass eine Hinrichtung oder lebenslange Haft Mumias einen zu hohen Preis in der Form von sozialem und Klassenkampf bedeuten würde. Die Macht, die die Gerichte zum Nachgeben zwingen kann, ist die Macht der multirassischen Arbeiterklasse, die unabhängig vom kapitalistischen Staat und in Opposition zu ihm und seinen politischen Vertretern – ob Demokraten, Republikaner oder Grüne – mobilisiert werden muss.

Dieses Programm der klassenkämpferischen Verteidigung ist diametral dem der Liberalen und Reformisten entgegengesetzt, die die gefährliche Illusion verbreiten, dass die Gerichte Mumia Gerechtigkeit gewähren könnten. Diese Illusionen finden ihren Ausdruck in der Unterordnung der Forderung für Mumias Freiheit unter den Ruf nach einem „neuen Verfahren“. Dies wurde viele Jahre lang von der Workers World Party (WWP), der International Socialist Organization (ISO), Socialist Action, der International Concerned Family and Friends of Mumia Abu-Jamal (ICCFMAJ), geführt von Pam Africa, und der Mobilization to Free Mumia Abu-Jamal in San Francisco, geführt vom Obermacker Jeff Mackler von Socialist Action, verbreitet und spielte eine Schlüsselrolle bei der Demobilisierung dessen, was einst eine Massenbewegung war. Warum sollte man auch auf der Straße oder in Gewerkschaften mobilisieren, wenn Mumia Gerechtigkeit von den Gerichten erlangen kann?

Obwohl diese Gruppen vorerst ihre Plakate für ein „neues Verfahren“ in die Ecke gestellt haben mögen, sind sie dennoch nicht weniger unterwürfig, was ihr Vertrauen auf den kapitalistischen Staat und dessen politische Vertreter angeht. Das kann man an ihren Bemühungen für die diesjährigen Präsidentschaftswahlen erkennen, die darauf zielen, die Demokraten zum „Kämpfen“ zu bringen, um den Posten des Oberbefehlshabers des US-Imperialismus zu übernehmen. Obwohl sie nicht ganz so weit gingen, Barack Obama – einen Befürworter der Todesstrafe und scharfen Kritiker der kürzlichen Entscheidung des Obersten Gerichts der USA, Hinrichtungen wegen Kindesvergewaltigung zu verbieten – direkt zu unterstützen, hat eine ganze Reihe von Reformisten versucht, auf seine Kampagne durch diese oder jene List Druck auszuüben. Dazu gehört auch die Unterstützung von Cynthia McKinney, der Präsidentschaftskandidatin der kapitalistischen Grünen Partei. Am Vorabend der Vorwahlen der Demokraten in Pennsylvania und der Demonstration in Philadelphia vom 19. April, zu der die ICFFMAJ aufgerufen hatte, veröffentlichte ein Vertreter der New York Coalition to Free Mumia Abu-Jamal eine undatierte Erklärung mit dem Titel „No Justice, No Peace“ [Keine Gerechtigkeit, kein Frieden], die krass die Logik hinter den Illusionen zum Ausdruck brachte, die von Reformisten wie Workers World geschürt werden: „Sowohl Hillary Rodham Clinton als auch Barack Obama unterstützen die Todesstrafe, obwohl sie wissen, dass das System nicht perfekt ist und nicht von Gewaltverbrechen abschreckt. Schauen wir mal, wo sie bezüglich Mumia Abu-Jamals stehen, der keine gewalttätige Vergangenheit hatte; tatsächlich ist es genau anders herum, wie ihr ja schon wisst. Es ist nicht zu spät, sie zu zwingen, Mumia und all den anderen politischen Gefangenen, die im Gefängnis verrotten, Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.“

Inzwischen hat Workers World Cynthia McKinney unterstützt, die sich für Mumia Abu-Jamal ausgesprochen hatte. Vielen Jugendlichen, Schwarzen und anderen erscheint McKinney als eine radikale Alternative zu Obama. Doch ungeachtet all ihrer Behauptungen, sie sei „unabhängig“ von den Demokraten, veröffentlichte McKinney, die selbst jahrelang schwarze Politikerin der Demokratischen Partei war, eine Glückwunsch-Botschaft an Obama, nachdem Clinton ihr Ausscheiden aus den Vorwahlen bekannt gab. McKinney erklärte: „Aus dem Munde von Barack Obama klang das Wort ,Veränderung‘ nicht einfach wie eine weitere hohle Wahlkampflosung. Es spornte Millionen von Menschen – hauptsächlich junge Menschen – an, sich als Wähler registrieren zu lassen und im politischen System aktiv zu werden.“ Die Funktion der Grünen ist, Leute für die Demokraten zu ködern, und McKinney ist eine kapitalistische Politikerin. Wie wir in „For a Workers Party to Fight for a Workers Government!“ [Für eine Arbeiterpartei, um für eine Arbeiterregierung zu kämpfen!] (WV Nr. 917, 4. Juli) schrieben:

„Eine Stimme selbst für den linkesten bürgerlichen Kandidaten ist in der Tat eine Stimme des Vertrauens in die Reformierbarkeit des Kapitalismus und eine Stimme gegen die Notwendigkeit einer Arbeiterpartei und der sozialistischen Revolution. Es ist eine Stimme für das Fortbestehen eines brutalen Systems, das auf Ausbeutung, Unterdrückung und Krieg basiert. Für die WWP und ihresgleichen ist das kein Problem; heute begeistert sich die WWP für McKinney, während sie in der Vergangenheit den Demokraten Jesse Jackson im Jahr 1988 unterstützte sowie andere schwarze Demokraten, einschließlich der damaligen Demokratin McKinney im Jahr 2004 und Charles Barron, Mitglied des New York City Council, im Jahr 2006.“

Sofort nach der Entscheidung des Dritten Bundesberufungsgerichtes vom 27. März hielten das PDC und seine internationalen Schwesterorganisationen Notfallproteste ab. Das PDC rief auch zu internationalen Einheitsfrontprotesten auf, unter den Losungen: „Mumia Abu-Jamal ist unschuldig! Freiheit für Mumia, sofort! Weg mit der rassistischen Todesstrafe!“ Im April wurden in Oakland, London, Toronto, Sydney, Chicago, Los Angeles und Mexiko-Stadt Proteste abgehalten. Diese Proteste brachten Individuen und Organisationen zusammen, die unterschiedliche politische Ansichten vertraten – Gewerkschafter, Antirassisten, Todesstrafen-Gegner, Aktivisten für die Rechte von Homosexuellen, Linke und andere – vereint im Kampf für Mumias Freiheit. Grundlegend für diese Einheitsfrontproteste war das Verständnis, dass sich der Kampf für Mumias Freiheit auf die Tatsache stützen muss, dass er unschuldig ist – das Opfer eines rassistischen politischen Komplotts.

Das PDC und seine Schwesterorganisationen organisierten auch international klassenkämpferische Kontingente in einer Reihe von Protesten, zu denen andere Gruppen aufgerufen hatten. Die Kontingente drückten unser Verständnis aus, dass die Arbeiterklasse mobilisiert werden muss, um für Mumias Freiheit zu kämpfen, und zwar ohne jegliche Illusionen in die „Gerechtigkeit“ der kapitalistischen Gerichte. Zusätzlich zu den Einheitsfrontlosungen marschierten diese Kontingente unter den Losungen: „Es gibt keine Gerechtigkeit in den kapitalistischen Gerichten! Mobilisiert die Macht der Arbeiterklasse – für Massenproteste!“ (siehe auch „Protests Demand: Free Mumia Now!“, WV Nr. 914, 9. Mai [oder: „Internationale Proteste fordern: Mumia muss jetzt freikommen!“, Spartakist Nr. 171, Mai 2008]).

Unser Kampf für Mumias Freiheit ist Teil unseres Kampfes gegen die Unterdrückung der Schwarzen, die im amerikanischen Kapitalismus verwurzelt ist. Die brutale staatliche Repression gegen militante Schwarze soll nicht nur Kämpfer für die Rechte der Schwarzen terrorisieren, sondern all jene, die gegen kapitalistische Ausbeutung und Unterdrückung kämpfen könnten. Die Rassentrennung, Diskriminierung, Arbeitslosigkeit und damit einhergehende Einkerkerung von Massen schwarzer Jugendlicher bilden einen Keil, der die Arbeiterklasse gespalten halten soll. Der Kampf gegen rassistische Unterdrückung und zur Verteidigung der Gefangenen des Klassenkriegs wie Mumia ist Bestandteil des Kampfes für die Einheit der multirassischen Arbeiterklasse gegen ihren kapitalistischen Klassenfeind.

Die Schlacht für Mumias Freiheit trifft den Kern des rassistischen amerikanischen Kapitalismus und seines Staats. Wir kämpfen für Mumias Freiheit als Teil unseres Kampfes für die Befreiung der Schwarzen, basierend auf dem Programm des revolutionären Integrationismus. Wir kämpfen gegen jede Erscheinung von rassistischer Unterdrückung – ein Kampf, der nur siegreich sein kann durch die volle soziale, politische und ökonomische Integration von Schwarzen in einer egalitären sozialistischen Gesellschaft. Die doppelt unterdrückten schwarzen Arbeiter werden, wenn sie für ein revolutionäres Programm gewonnen sind, eine führende Rolle spielen im Kampf für die Emanzipation der schwarzen Massen und aller arbeitenden Menschen durch die Beseitigung des gesamten Systems der kapitalistischen Ausbeutung. Wie wir in dem Dokument „Black and Red – Class Struggle Road to Negro Freedom“ [Schwarz und Rot – der klassenkämpferische Weg zur Befreiung der Schwarzen] darlegten, das auf der Gründungskonferenz der Spartacist League/U.S. im Jahr 1966 angenommen wurde:

„Der Kampf der schwarzen Menschen dieses Landes für Freiheit ist zwar Teil des Kampfes der gesamten Arbeiterklasse, aber dennoch mehr als nur jener Kampf. Die Schwarzen sind eine unterdrückte, durch Rasse und Hautfarbe definierte Kaste, die hauptsächlich die am meisten ausgebeuteten Schichten der amerikanischen Arbeiterklasse umfasst… Wegen ihrer Lage als unterdrücktester und gleichzeitig bewusstester und erfahrenster Teil [der Arbeiterklasse], werden revolutionäre schwarze Arbeiter eine herausragende Rolle in der kommenden amerikanischen Revolution spielen.“

Die Zeit ist knapp. Mumia hat fast das Ende des Rechtswegs erreicht, und es gibt keinen Grund zu glauben, dass er vor dem Obersten Gericht der Vereinigten Staaten, das aus Befürwortern einer neuen Rassentrennung besteht, ein besseres Ergebnis erreichen kann. Der Kampf für Mumias Freiheit verkörpert den Kampf gegen dieses System von kapitalistischer Ausbeutung und rassistischer Unterdrückung. Das unterstreicht die dringende Notwendigkeit, die soziale Macht der Arbeiter für seine Verteidigung zu mobilisieren. Mumia Abu-Jamal ist unschuldig! Freiheit für Mumia, sofort! Weg mit der rassistischen Todesstrafe!