Spartakist Nr. 171

Mai 2008

 

Weltweite Notfallproteste gegen Urteil des US-Bundesgerichts

Nachfolgender Artikel wurde übersetzt aus Workers Vanguard Nr. 912, 11. April 2008.

Nach der mündlichen Anhörung in Mumias Fall vor dem Dritten Bundesberufungsgericht im vergangenen Mai kündigten das Partisan Defense Committee, die Labor Black Leagues und die Schwesterorganisationen des PDC weltweit Notfallproteste für den Tag nach einer negativen Gerichtsentscheidung an. Nach dem Urteil des Bundesgerichts vom 27. März, das die abgekartete Verurteilung Mumia Abu-Jamals bekräftigte, während es eine neue Anhörung zum Strafmaß anordnete, veranstalteten das PDC und die LBLs Notfallproteste in New York, Chicago, Oakland und Los Angeles. Mit den Sektionen der Internationalen Kommunistischen Liga verbundene Verteidigungsorganisationen hielten ebenfalls Protestkundgebungen ab, am 28. März in Toronto, Berlin und London und am 29. März in Paris, Hamburg und Sydney. Am 28. März organisierten unsere Genossen in Mexiko-Stadt eine Kundgebung an der UNAM (Nationale Autonome Universität Mexikos), während in Vancouver, Kanada, Genossen eine Einheitsfrontkundgebung an der Universität von British Columbia durchführten. Zu den Protestveranstaltungen kamen Gewerkschafter, Studenten, antirassistische Aktivisten wie auch Wortführer einiger unserer politischen Widersacher in der Linken. Diese Demonstrationen waren die Ausgangsbasis für die Einheitsfrontproteste, zu denen – als Teil des Kampfes zur Wiederbelebung der Bewegung für Mumia – für April in Städten rund um die Welt aufgerufen wurde (siehe die Kampagnenankündigung, Seite 9).

In New York nahmen etwa 130 Demonstranten an der Protestkette teil, zu der PDC und LBL im Zentrum von Manhattan aufgerufen hatten. Die PDC-Rechtsanwältin Rachel Wolkenstein nannte das Urteil empörend und fügte hinzu: „Wieder einmal beweist Mumias Fall unzweifelhaft die Ungerechtigkeit, die im kapitalistischen Rechtssystem existiert.“ In einer Erklärung für eine Pressekonferenz am 31. März in Philadelphia, die von Pam Africa, Koordinatorin der International Concerned Family and Friends of Mumia Abu-Jamal, einberufen worden war, bemerkte Wolkenstein: „Das Urteil des Dritten Bundesberufungsgerichtes schuf eine Reihe neuer ,Mumiagesetze‘ – Ausnahmen von wohletablierten juristischen Präzedenzfällen.“ Weiter erklärte sie: „Jeder mögliche juristische Weg muss energisch verfolgt werden, um das Urteil des Berufungsgerichts anzufechten. Aber wir können uns keinerlei Illusionen leisten. Der Druck, der die Gerichte zum Nachgeben zwingen kann, ist der von internationalen Massenprotesten, die sich zentral auf die Macht der Arbeiterbewegung stützen.“

Bei der Protestveranstaltung in New York City hielt Mumias Tochter Goldii eine energische Rede, in der sie dazu aufrief, den Kampf für die Freiheit Mumias fortzusetzen:

„Mumia Abu-Jamal ist in keiner Weise schuldig. Er ist ein unschuldiger Mann, und sein Leben wird vom Staat bedroht wegen nichts, nur wegen seiner politischen Ansichten. Wir müssen den Leuten klar machen, allen Leuten hier draußen auf den Straßen, dass Mumia Abu-Jamal unschuldig ist! Wir werden ihn nicht sterben lassen!… Das Beweismaterial für seine Unschuld existiert. Doch sie versuchen es zu leugnen, weil sie ihn fürchten, wegen seiner Wortgewandtheit, seiner Intelligenz…

Ihr Leute auf der Straße, ihr müsst aktiv werden! Ihr müsst ein paar Wahrheiten vom Partisan Defense Committee lesen, euch über Mumia Abu-Jamal informieren. Bitte, wir dürfen das nicht zulassen!“

Auf der New Yorker Kundgebung sprach auch Monique Code, für Mumias Sohn Jamal Hart, der 1998 aufgrund gefälschter Anklagen wegen Schusswaffenbesitzes in einem abgekarteten Verfahren zu fünfzehneinhalb Jahren Gefängnis verurteilt worden war – die Rache des Staates für sein Engagement in der Kampagne für die Freiheit seines Vaters. Charles Jenkins, Mitglied des Ortsverbands 100 der Transport Workers Union (TWU) [Transportarbeitergewerkschaft] und Zweiter Vizepräsident der Ortsgruppe der Coalition of Black Trade Unionists [Vereinigung schwarzer Gewerkschafter] von New York City rief dazu auf, die Arbeiterbewegung zu mobilisieren: „Wir haben hier einige Brüder von der TWU, und wir wollen zusammen die Führung in Zugzwang bringen, sich der Frage zu stellen, dass nicht Politikern Geld in die Taschen gesteckt wird, sondern dass man für die sozialen Fragen kämpft, die jeden von uns betreffen. Freiheit für Mumia! Die Arbeiterbewegung muss ihren Teil zu diesem Kampf beitragen.“

Tom Cowperthwaite sprach für die LBL und wies auf die soziale Macht hin, die seine Gewerkschaft, TWU-Ortsverband 100, an den Tag gelegt hatte, als sie im Dezember 2005 trotz Antistreikgesetzen streikte und New York City für drei Tage lahmlegte. Er sagte: „Stellt euch vor, eine unserer Forderungen wäre ,Freiheit für Mumia!‘ gewesen!“ Er betonte die Notwendigkeit, Illusionen in kapitalistische Politiker der Demokraten wie Barack Obama zu bekämpfen, Illusionen, die ein Hindernis für das Bewusstsein sind, das notwendig ist, die unabhängige Macht der Arbeiterbewegung zu mobilisieren.

Mehrere PDC- und Spartacist-Unterstützer nahmen auch an einer Protestveranstaltung teil, die am selben Tag in Harlem stattfand, zu der die New York Free Mumia Coalition aufgerufen hatte, nachdem PDC und LBL bereits Pläne für Notfallproteste vorgelegt hatten. Diese Kundgebung, die keine Redner hatte und an der nahezu alle linken Gruppen der Stadt teilnahmen, brachte etwa 200 Leute auf die Beine. Ihr folgte ein Planungstreffen für die Demonstration am 19. April in Philadelphia, auf dem die Führerin des Bündnisses, Suzanne Ross, erklärte: „Wenn es uns gelingt, genug Druck auf die Straße zu bringen, dann wird Hillary Clinton möglicherweise Mumia unterstützen – für einen kurzen Moment – um die Stimmen der Schwarzen zu bekommen“! Einige Leute stöhnten vor Fassungslosigkeit, und ein PDC-Unterstützer platzte heraus: „Bist du noch ganz bei Sinnen?!“ Ross’ Erklärung ist der kristallisierte (und hirnlose) Ausdruck davon, wie die Reformisten den Kampf für Mumias Freiheit einer liberalen Druckausübe-Politik unterordnen.

Auf der Protestveranstaltung von PDC und LBL in Oakland, an der mehr als 100 Leute teilnahmen, sprach Fred Hampton jr. Sohn des 1969 von den Chicagoer Bullen in Zusammenarbeit mit dem FBI getöteten Führers der Black Panther Party, zu der Menge: „Wir haben klar gemacht, dass das gleiche US-COINTEL-Programm, das Fred Hampton im Visier hatte, seit er vierzehn war, das gleiche COINTELPRO, das Mumia Abu-Jamal im Visier hatte, seit er sechzehn war, das gleiche COINTELPRO, das das Kopfgeld auf Assata Shakur, unsere Harriet Tubman von heute, in die Höhe getrieben hat…, dass dasselbe Programm zur Bekämpfung von Aufständischen, dasselbe bösartige COINTELPRO weitergeht.“ In Oakland sprach auch, neben anderen Gewerkschaftern, Jack Heyman, ein Vertreter des Ortsverbandes 10 der Hafenarbeitergewerkschaft ILWU.

Beim Berliner Notfallprotest, zu dem das Komitee für soziale Verteidigung (KfsV) aufgerufen hatte, zeigte Steffen Singer, Sprecher der Spartakist-Arbeiterpartei Deutschlands, Sektion der Internationalen Kommunistischen Liga, wie reformistische Organisationen in Deutschland das neue Gerichtsurteil in Mumias Fall darstellten. Singer zitierte die Überschrift eines Kommentars in Neues Deutschland, Zeitung der Linkspartei, „Hoffnung für Mumia“, und erklärte: „Was diese Überschrift hieß, war: Bleibt zu Hause, vertraut den Gerichten, du musst nicht auf die Straße, alles wird gut.“ Diese Politik der Klassenzusammenarbeit, sagte Singer, müssen wir „konsistent bekämpfen, wenn wir wieder eine Massenbewegung auf die Straße kriegen wollen“.

Das KfsV gab am 3. April ein Flugblatt heraus, um einen klassenkämpferischen Block für eine Mumia-Demonstration am 12. April zu mobilisieren, zu der das Berliner Bündnis Freiheit für Mumia Abu-Jamal aufgerufen hatte. Das Flugblatt erklärt: „Nicht nur die multirassische Arbeiterklasse der USA, sondern auch die multiethnische Arbeiterklasse in Deutschland und Europa hat jedes Interesse, für Mumia zu kämpfen… Die kapitalistischen Herrscher Deutschlands nutzen rassistische Unterdrückung, um das multiethnische Proletariat zu spalten, das einen strategisch wichtigen Anteil von türkischen und kurdischen Arbeitern aufweist… [E]ine Gewerkschaft, die Mumia verteidigt, verteidigt sich selbst.“ Das Flugblatt ruft dazu auf, die türkische linke DHKP-C und die kurdische PKK zu verteidigen, die die deutsche Regierung als „Terroristen“ verfolgt.

Überall forderten die Notfallproteste – in ihren Reden, Sprechchören und Plakaten – Freiheit für alle Klassenkriegsgefangenen. In New York ertönten Sprechchöre für Freiheit für die Cuban Five und die acht überlebenden Mitglieder der MOVE 9. Die MOVE-Gefangenen haben an die 30 Jahre im Gefängnis verbracht – aufgrund abgekarteter Anklagen wegen des Todes eines Bullen in Philadelphia, der während des brutalen Polizeiangriffs auf das MOVE-Haus in Powelton Village im August 1978 im eigenen Polizeikreuzfeuer zu Tode kam. Eine Anhörung zur bedingten Haftentlassung für Debbie Africa, Janet Africa und Janine Africa ist für den 10. April angesetzt. Freiheit für alle MOVE-Gefangenen, sofort!

Auf der Protestveranstaltung in London griff Steve Hedley von der Gewerkschaft RMT (Rail, Maritime and Transport Workers, Transportarbeitergewerkschaft) die Frage auf, ob man einen neuen Prozess fordern soll, und bemerkte: „Niemals hat sich jemand dafür ausgesprochen, dass die Birmingham Six und die Guildford Four einen neuen Prozess haben sollten. Diese Leute waren unschuldig … es war ein Komplott. Wir alle wissen, dass gegen Mumia Abu-Jamal ein Komplott geschmiedet worden ist, es gibt absolut gar keine Notwendigkeit für einen neuen Prozess. Er ist unschuldig.“

Auf der Protestveranstaltung in Toronto sagte Fred Loft, Mitglied der Canadian Union of Public Employees [Gewerkschaft im öffentlichen Dienst]: „Wir, die Ureinwohner, haben den gleichen Fall mit Leonard Peltier. Leonard Peltier war ein unschuldiger Mann, der im Reservat von Pine Ridge zwei FBI-Agenten getötet haben soll. Alles gefälschte Beweise.“ Er bemerkte, dass Mumia „eine Zeit lang der Organisation der Black Panther angehört hat. Leonard Peltier wiederum gehörte zu AIM [American Indian Movement]“.

Bei jeder Protestveranstaltung betonten Redner der Spartacist League und anderer Sektionen der IKL, dass der Kampf für die Freiheit Mumias von zentraler Bedeutung ist für unsere Verteidigung der Arbeiterklasse und der Unterdrückten und für den Kampf für sozialistische Revolution. In Los Angeles bemerkte die SL-Rednerin Diana Coleman: „Der Kampf gegen den Kapitalismus zu Hause, einschließlich des Kampfes für Mumias Freiheit, bedeutet auch, gegen den Imperialismus nach außen hin zu kämpfen.“ Gegen die Unterstützung der reformistischen Linken für die konterrevolutionären Rufe nach „Freiheit für Tibet“ betonten die Redner unsere bedingungslose militärische Verteidigung des deformierten Arbeiterstaates China. Workers-Vanguard-Verkäufer machten auf unseren Artikel „Konterrevolutionäre Unruhen in Tibet“ in WV Nr. 911 aufmerksam [siehe Übersetzung auf Seite 24].

Mumia wird von der herrschenden Klasse gehasst und gefürchtet als „die Stimme der Entrechteten“ und als Symbol der Rebellion der Schwarzen. Das ist der Grund, weshalb ihn die kapitalistische herrschende Klasse tot sehen will. Wie das PDC betont hat, kämpfte Mumia für uns alle; jetzt müssen wir erneut kämpfen – bis er frei ist.