Spartakist Nr. 170

März 2008

 

Die Russische Revolution von 1917

Vom Kornilow-Putsch zur Oktoberrevolution

Zweiter Teil

Spartakist-Jugend

Nachfolgend drucken wir den zur Veröffentlichung redigierten zweiten und abschließenden Teil eines Schulungsvortrags ab, den die Genossin Diana Coleman im Rahmen einer Schulungsreihe zu Leo Trotzkis Die Geschichte der Russischen Revolution (1932) hielt, die im Januar 2006 als Schulung für junge Genossen der Spartacist League/U.S. stattfand. Übersetzt aus Workers Vanguard Nr. 877 und 879, 29. September und 27. Oktober 2006. Der erste Teil erschien in Spartakist Nr. 169 (Winter 2007/2008).

Die Frage war, ob die Partei ihre Arbeit an die Entwicklung einer bürgerlichen Republik anpassen oder sich das Ziel der Machtergreifung durch das Proletariat setzen sollte. Je weiter man zur Basis der Partei herabstieg, desto mehr Mitglieder waren für den Boykott des Vorparlaments. Die Kiewer Stadtkonferenz rief zum Boykott auf und erklärte: „Man darf keine Zeit mit Geschwätz und Säen von Illusionen vergeuden“ (zitiert in Trotzkis Geschichte). So korrigierte die Partei umgehend ihre Führer. Letztendlich kamen die Bolschewiki nur zum Vorparlament, um das Ganze in einer zehnminütigen Rede Trotzkis öffentlich anzuprangern, und gingen dann wieder.

Die Bolschewisierung der Massen schritt im ganzen Lande voran, wie auch die Landbesetzungen der Bauern – ein regelrechter Bauernkrieg auf dem Lande. Dies war ein notwendiger Bestandteil der Revolution. Die Kompromissler der Menschewiki und Sozialrevolutionäre (SR) waren entsetzt, trösteten sich aber mit dem Gedanken, dass dies nur die unwissenden „dunklen Massen“ waren. Ihr Bolschewismus, schrieb Suchanow verächtlich, „war nichts anderes als Haß gegen die Koalition und Sehnsucht nach Land und Frieden“ (zitiert in Trotzkis Geschichte). Als wäre das so wenig! Hass gegen die Koalition bedeutete ein Verlangen, der Bourgeoisie die Macht zu entreißen. Land und Frieden war das gewaltige Programm, das die Bauern- und Soldatenmassen unter der Führung der Arbeiter auszuführen gedachten.

Die Agitation für den Zweiten Sowjetkongress war weithin sehr populär bei den Massen, denn jeder wusste, es würde eine bolschewistische Mehrheit geben. Dementsprechend war er bei den Kompromisslern der Menschewiki und SR unpopulär, die versuchten, den Kongress aufzuschieben. Wie jede Form einer repräsentativen Regierung waren die Sowjets nicht vollkommen; insbesondere in Zeiten scharfer Veränderungen im Bewusstsein hinkten sie hinter den Massen her. Im September sieht man Lenin sehr spezielle Artikel schreiben wie „Die drohende Katastrophe und wie man sie bekämpfen soll“, in denen er die sozialistischen Aufgaben darlegte, die das Proletariat in Angriff nehmen muss, selbst in dem Bewusstsein, dass Russland ein rückständiges Land war: Nationalisierung der Banken und Arbeiterkontrolle über die Industrie. Er schrieb: „Vorwärtsschreiten … ist unmöglich, ohne zum Sozialismus zu schreiten, ohne Schritte zum Sozialismus zu machen (Schritte, die bedingt sind und bestimmt werden durch den Stand der Technik und der Kultur: Man kann den maschinellen Großbetrieb in die bäuerliche Landwirtschaft nicht ,einführen‘, in der Zuckerfabrikation kann man ihn nicht abschaffen).“

Lasst mich noch einmal über den Krieg sprechen. In seiner Geschichte sagte Trotzki über die bolschewistische Zeitung Prawda, die im März den revolutionären Defätismus abgelehnt hatte, in scharfem Ton: „Der ,Defätismus‘ war keinesfalls eine Erfindung der feindlichen Presse unter dem Schutze der Zensur, er wurde von Lenin mit der Formel gegeben: ,Die Niederlage Rußlands ist das kleinere Übel.‘ Das Erscheinen des ersten revolutionären Regiments und sogar der Sturz der Monarchie änderte an dem imperialistischen Charakter des Krieges nichts.“ Vom Februar bis zum Oktober benutzten die Bolschewiki die Forderung nach Frieden immer offener, da die proletarische Machtergreifung, als notwendige Vorbedingung zur Verwirklichung dieser Forderung, jetzt auf der Tagesordnung stand. Lenin distanzierte sich nie von seinen beißenden Polemiken von vor 1917 gegen die Sozialpazifisten wie Kautsky oder diejenigen, die ihnen gegenüber vermitteln wollten, wie Trotzki damals. Diese Polemiken spielten eine entscheidende Rolle dabei, Trotzki für den Bolschewismus und echten revolutionären Internationalismus zu gewinnen. Für Lenin waren jetzt jegliche Forderungen nach Frieden untrennbar verbunden mit der bevorstehenden sozialistischen Revolution und der Machtergreifung.

Lenin hielt am 14. Mai 1917 eine lehrreiche Rede mit dem passenden Titel „Krieg und Revolution“. Zuerst spricht er über die Notwendigkeit, den „Klassencharakter des Krieges“ zu verstehen, d. h., wofür der Krieg geführt wird und welche Klassen ihn in Szene setzen und dabei die Regie führen. Er sagte:

„Wir Marxisten sind nicht unbedingte Gegner eines jeden Krieges. Wir sagen: Unser Ziel ist es, die sozialistische Gesellschaftsordnung zu errichten… Aber im Krieg um diese sozialistische Gesellschaftsordnung werden wir unabwendbar Verhältnisse antreffen, wo der Klassenkampf innerhalb einer jeden einzelnen Nation mit einem durch eben ihn, diesen Klassenkampf, erzeugten Krieg zwischen verschiedenen Nationen zusammentreffen kann, und wir können darum die Möglichkeit revolutionärer Kriege, d. h. solcher Kriege, die aus dem Klassenkampf entstanden sind, von revolutionären Klassen geführt werden und direkte, unmittelbare revolutionäre Bedeutung haben, nicht leugnen.“

Lenin verhöhnt die Erklärungen der menschewistischen und sozialrevolutionären Versöhnler für „Frieden ohne Annexionen“, die gleichzeitig Minister in der Provisorischen Regierung haben, die der Armee aufträgt, in die Offensive zu gehen. Er sagt weiter:

„Den Krieg hat die russische Revolution nicht verändert, aber sie hat Organisationen geschaffen, die es in keinem einzigen Land gibt… [Wir haben] über ganz Rußland hin das Netz der Sowjets der Arbeiter-, Soldaten- und Bauerndeputierten… Das eben ist sie, die Revolution, die ihr letztes Wort noch nicht gesprochen hat. Das eben ist die Revolution, die es in Westeuropa unter solchen Bedingungen nicht gegeben hat. Das eben sind die Organisationen jener Klassen, die in der Tat keine Annexionen brauchen…“

Lenin spricht hier von Doppelherrschaft. Am Schluss dieses Artikels sagt er:

„In diesem Krieg siegen wird einzig und allein die Arbeiterrevolution in einigen Ländern. Der Krieg ist kein Kinderspiel, der Krieg ist eine unerhörte Sache, der Krieg kostet Millionen Opfer, und es ist nicht so leicht, ihn zu beenden.

Die Soldaten an der Front können die Front nicht vom Staat trennen und selbständig entscheiden. Die Soldaten an der Front – das ist ein Teil des Landes. Solange der Staat Krieg führt, wird auch die Front leiden… Ob ihr einen baldigen Frieden erhaltet, hängt nur davon ab, wie die Entwicklung der Revolution verlaufen wird.“

In diesem Artikel und in vielen anderen seht ihr Lenins Internationalismus: „Wenn die Macht in die Hände der Sowjets der Arbeiter-, Soldaten- und Bauerndeputierten übergeht, dann werden sich die Kapitalisten gegen uns aussprechen: Japan wird gegen uns sein, Frankreich gegen uns, England gegen uns; gegen uns werden die Regierungen aller Länder sein. Gegen uns werden die Kapitalisten sein, für uns die Arbeiter. Dann ist Schluß mit dem Krieg, den die Kapitalisten angefangen haben.“ Ihr seht auch, wie er die Situation der Doppelherrschaft aufgreift und tatsächlich plant, was nach der Machtergreifung der Sowjets geschehen wird. Es gibt eine Menge Artikel, in denen er die Idee verspottet, Friedenskonferenzen und Friedensresolutionen könnten den interimperialistischen Krieg beenden, und erklärt, dass nur die proletarische Machtergreifung dazu imstande sei. Obgleich die Bolschewiki gewiss Massenverbrüderungen an der Front unterstützten, was Lenin als „instinktive“ Reaktion bezeichnete, mussten die Soldaten verstehen, dass dies den Krieg nicht beenden würde.

Ich empfehle das Buch Kronstadt and Petrograd in 1917 von dem bolschewistischen Matrosenführer F. F. Raskolnikow. Es ist eine sehr lebendige und lesbare Darstellung des revolutionären Kronstadt und der bolschewistischen Arbeit in Armee und Marine. Trotzki erzählt, wie Matrosen aus Kronstadt das Land mit besonderen Vollmachten des Kronstädter Sowjets bereisten, die ihnen kostenloses Reisen erlaubten und sie dazu berechtigten, bei örtlichen Komiteeversammlungen abzustimmen, zu sprechen und sie sogar einzuberufen. Raskolnikow beschreibt eine der Rundreisen, die er zu verschiedenen Schiffen der aktiven Marine unternahm, „die sich damals noch nicht von dem Einfluss ,kompromisslerischer‘ Stimmungen gelöst hatten“. Einmal entlarvte er einen ehemaligen Herausgeber einer Publikation der „Schwarzhunderter“ [Pogromisten], der als SR stellvertretender Vorsitzender eines Sowjets geworden war. Ein anderes Mal sprach er etwas nervös zu einer Schiffsbesatzung, die erst wenige Monate zuvor eine Resolution für „Krieg bis zum Ende“ angenommen hatte, wurde aber leidenschaftlich begrüßt, als er den Krieg, die Regierung und die Koalition mit der Bourgeoisie geißelte. Auf einem anderen Schiff warf ein rechter Offizier seinen Genossen von Deck. Anderswo sprach er vor einer Gruppe bolschewistisch gesinnter Esten mit Hilfe eines Dolmetschers. Es ist amüsant zu lesen.

Der Fall von Riga und „Landesverteidigung“

Im ersten Band der Geschichte der Russischen Revolution sagt Trotzki über die liberale Bourgeoisie: „Äußerlich blieb die Politik des Liberalismus aggressiv-patriotisch, annexionistisch, unversöhnlich. In Wirklichkeit war sie widerspruchsvoll, treubrüchig und wurde schnell defätistisch.“ Da die liberale Bourgeoisie nicht daran glaubte, die Februarrevolution zur Förderung des Krieges ausnutzen zu können, hatte sie vor, „den Krieg gegen die Revolution auszunutzen“. Trotzki bemerkte: „Heute ging es nicht um die Sicherung der vorteilhaftesten internationalen Bedingungen für das bürgerliche Rußland, sondern um Rettung des bürgerlichen Regimes selbst, wenn auch um den Preis einer weiteren Schwächung Rußlands.“

Am 20. August besetzten deutsche Streitkräfte den wichtigen russischen Seehafen Riga. Baltische Matrosen hatten gekämpft, um die Zufahrtswege nach Petrograd zu sichern, wie sie sagten, „nicht im Namen der Verträge unserer Regierer mit den Alliierten… aber im Namen der Wacht über die Zugänge zum Revolutionsherd Petrograd“. Trotzki nennt dies „den tiefen Widerspruch ihrer Lage als Avantgarde der Revolution und als unfreiwillige Teilnehmer des imperialistischen Krieges“. Diese Geschehnisse stellten den Internationalismus der Bolschewiki auf die Probe. Keine Minute lang wollten sie vor dem russischen Volk und den Arbeitern der Welt die Verantwortung für den Krieg mit den herrschenden Gruppen teilen.

Aus Furcht, eine Verteidigungsstimmung könnte in eine Politik der Landesverteidigung umschlagen, schrieb Lenin: „Wir werden Landesverteidiger werden erst nach dem Übergang der Macht an das Proletariat … Weder die Einnahme Rigas noch die Einnahme Petrograds werden uns zu Landesverteidigern machen.“ „Der Fall Rigas“, schrieb Trotzki aus dem Gefängnis, „ist ein harter Schlag. Petrograds Fall wäre ein Unglück. Aber der Fall der internationalen Politik des russischen Proletariats wäre eine Katastrophe.“ In der ersten Oktoberwoche nahm die Furcht vor einem deutschen Angriff auf Petrograd wieder stark zu.

Die Provisorische Regierung begann emsig Pläne zur Aufgabe Petrograds und zur Einrichtung der Regierung in Moskau zu schmieden. Rabinowitsch [The Bolsheviks Come to Power (Die Bolschewiki kommen an die Macht), 1976] sagt vorsichtig: „Es gibt keine Beweise, dass die Provisorische Regierung je ernsthaft den Gedanken hegte, Petrograd kampflos den Deutschen zu übergeben“, doch er ist wenigstens aufrichtig genug, zu sagen, weshalb jeder genau dies vermutete. Rodsjanko, der ehemalige Vorsitzende der Staatsduma, sagte: „Petrograd scheint bedroht… Ich sage, zur Hölle mit Petrograd… Die Leute befürchten, dass unsere zentralen Institutionen in Petrograd zerstört würden. Dazu will ich sagen, ich wäre froh, wenn diese Institutionen zerstört würden, denn sie haben Russland nichts als Kummer bereitet.“ Die Arbeiter und Bauern zweifelten, besonders nach Rodsjankos offenherzigem Geständnis, nicht daran, dass die Regierung sie durch die Schule des deutschen Generals Ludendorff schicken wollte. Hier klingt der „Patriotismus“ der französischen Bourgeoisie von 1871 an, die Bismarck anbettelte, einzumarschieren und die Pariser Kommune zu zerschlagen.

Lenin rief jetzt zum Aufstand auf, nicht zuletzt, weil Petrograd mit seinem mehrheitlich bolschewistischen Sowjet ein Blutbad von Seiten des deutschen Imperialismus drohte; es gab eine Verschwörung zwischen Kerenski und den anglo-französischen Imperialisten, Petersburg an die Deutschen preiszugeben und so die Revolution zu unterdrücken. Lenin rief auf zum Sturz der Kerenski-Regierung und zu ihrer Ersetzung durch eine Arbeiter- und Bauernregierung, um „den Weg zu bahnen für den Frieden, für die Rettung Petrograds und der Revolution, für die Übergabe des Bodens an die Bauern und der Macht an die Sowjets“. Die Verschiebung des propagandistischen Schwerpunkts durch die Bolschewiki veranlasste Lenin 1918 zu der Bemerkung: „Wir waren Defätisten unter dem Zaren, aber unter Zereteli und Tschernow waren wir keine Defätisten.“ Die Bolschewiki gaben eine defätistische Haltung gegenüber der russischen bürgerlichen Regierung niemals auf – sie änderten nur wegen des damals in Russland wütenden Klassenkriegs deren taktische Anwendung.

Die revolutionäre Krise reift heran

Die Bolschewiki mussten als Organisation beschließen, mit der Revolution fortzufahren. Bis auf eine wurden alle Kopien des Briefes Lenins, auf den ich vorhin verwies, mit dem Titel „Die Bolschewiki müssen die Macht ergreifen“ von der Mehrheit des Zentralkomitees verbrannt, die versuchte, Lenins Appelle nicht in die Hände der Arbeiter-Bolschewiken gelangen zu lassen. Lenin, immer noch im Untergrund, tobte und schrieb an jeden: Smilga, einen Parteilinken und Vorsitzenden der Regionalkomitees der Sowjets, Krupskaja in Petrograd, die seine Briefe vor dem Wyborger Bezirkskomitee verlas. Als er am 29. September „Die Krise ist herangereift“ schrieb, bot er seinen Rücktritt vom Zentralkomitee an, um die Hände frei zu haben, sich an die Parteimitgliedschaft zu wenden. Ein Arbeiter des Wyborger Bezirkskomitees sagte: „[Wir] erhielten … von Iljitsch einen Brief zur Weitergabe an das Zentralkomitee … Den Brief lasen wir und waren paff. Es stellte sich heraus, daß Lenin schon längst vor dem Zentralkomitee die Frage des Aufstandes erhob. Wir machten Lärm und begannen nachzudrücken.“

Anfang Oktober – und jetzt über die Köpfe des bolschewistischen Zentralkomitees hinweg – schrieb Lenin direkt an die Petrograder und Moskauer Komitees: „Zögern ist ein Verbrechen, den Sowjetkongreß abwarten … ein törichtes Spiel mit Formalitäten, ein Verrat an der Revolution.“ Er bemerkte, dass die Massen genauso leicht von den Bolschewiki enttäuscht sein könnten wie sie es von anderen Parteien waren, sollten die Bolschewiki es versäumen zu handeln. Wie in Trotzkis Lehren des Oktober dargestellt, war die grundlegende Position der Rechten in der Partei unter der Führung Sinowjews und Kamenjews, dass die Partei bei einem bewaffneten Aufstand, dessen Ausgang äußerst zweifelhaft sein würde, alles riskieren würde, wo sie doch „ein Drittel der Sitze [der Konstituierenden Versammlung], ja vielleicht noch mehr bekommen“ könnten. Dieser rein parlamentarische, sozialdemokratische Kurs wurde nur schwach verhüllt durch ihre Erklärung, dass natürlich die Sowjets wichtig seien und dass die Doppelherrschaft auf unbegrenzte Zeit bestehen bleiben würde. Nein, das war nicht möglich; es hätte einen weiteren Kornilow gegeben oder dieser selbst wäre zurückgekommen.

Selbstverständlich würden wir, hätte sich Sinowjews und Kamenjews Politik durchgesetzt, heute von den gewaltigen Kräften hören, die gegen die Revolution aufgeboten wurden, und dass diese ohnehin unmöglich war. Wie so viele Niederlagen von Deutschland und China in den 20er-Jahren bis Spanien in den 30er-Jahren, die auf das Fehlen einer Avantgardepartei mit einer gestählten revolutionären Führung zurückzuführen sind, würde die Niederlage – hätten die Bolschewiki es versäumt, die Oktoberrevolution anzuführen – der objektiven Lage und der Rückständigkeit der Massen zugeschrieben werden. Dies nenne ich die stalinistische Theorie der Krise der Gefolgschaft, die etwa lautet: „Wir versuchten euch zu führen, doch ihr wolltet nicht folgen.“

Die erste Machtprobe in der bolschewistischen Führung bezüglich des Aufstands war die berühmte Sitzung vom 10. Oktober, wo man sich mit zehn zu zwei Stimmen für den Aufstand aussprach – Sinowjew und Kamenjew stimmten dagegen. Die Resolution beginnt, typisch für Lenin, mit der internationalen Lage, d. h. dem Heranreifen der Weltrevolution; der Aufstand in Russland wird nur als ein Glied in der Gesamtkette angesehen. Die Idee, einen Sozialismus in einem Lande zu haben, hatte damals niemand im Sinn, nicht einmal Stalin.

Rabinowitsch erzählt eine amüsante Geschichte über die Sitzung vom 10. Oktober:

„Dies sollte Lenins erste direkte Konfrontation mit dem Zentralkomitee sein, seit er aus Finnland zurückgekehrt war; sie war auf Lenins Geheiß von Swerdlow sorgfältig vorbereitet worden. In einer ironischen Wendung des Schicksals wurde das Treffen in der Wohnung des linken Menschewiken Suchanow abgehalten, jenes unübertroffenen Chronisten der Revolution, der es irgendwie fertig gebracht hatte, bei fast jedem wichtigen politischen Treffen in Petrograd seit der Februarrevolution aufzutauchen. Doch bei dieser Gelegenheit war Suchanow nicht anwesend. Seine Frau, Galina Flakserman, eine bolschewistische Aktivistin seit 1905 … hatte einst Swerdlow die Benutzung von Suchanows Wohnung angeboten, sollte es nötig werden… Flakserman ihrerseits versicherte, dass ihr lästiger Gatte in dieser historischen Nacht wegbleiben würde. ,Das Wetter ist miserabel, und du musst mir versprechen, nicht zu versuchen, heute Nacht noch nach Hause zu kommen‘, hatte sie ihm den besorgten Rat erteilt, als er an jenem Morgen früh zur Arbeit aufbrach.“

War wohl eine etwas angespannte persönliche Beziehung!

Die Resolution vom 10. Oktober war ungeheuer wichtig. Sie verlieh den überzeugten Befürwortern eines Aufstands schlagartig den festen Boden der Parteimehrheit. Die Arbeiter bewaffneten sich, bildeten sich aus und stellten die Roten Garden auf. Arbeiter der Waffenfabriken schleusten Waffen direkt an die Arbeiter. Aber das Treffen vom 10. Oktober beseitigte beileibe nicht die Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Führung. Es gab ein weiteres Treffen am 16. Oktober, wo sich Lenin wieder für einen Aufstand aussprach und Kamenjew und Sinowjew abermals dagegen stimmten. Am nächsten Tag gaben Kamenjew und Sinowjew gegenüber Maxim Gorkis Zeitung eine öffentliche Erklärung gegen den Aufstand ab, die am 18. Oktober veröffentlicht wurde. Lenin nannte sie Streikbrecher und forderte ihren Ausschluss aus der Partei. Dies geschah nicht, da der Aufstand dazwischenkam. Stalin versuchte in der bolschewistischen Zeitung die Meinungsverschiedenheiten zu vertuschen und rechtfertigte Kamenjew und Sinowjew, um sich für den Fall des Scheiterns des Aufstands alle Türen offen zu halten.

Die Partei, die Sowjets und die Machteroberung

Bei den Meinungsverschiedenheiten Kamenjews und Sinowjews mit Lenin handelte es sich um prinzipielle Fragen: Ergreifung der Staatsmacht oder nicht. Grundlegender geht es nicht. Trotzki hatte taktische Differenzen mit Lenin: Sollte der Aufstand vom Sowjet oder direkt durch die Partei geleitet werden? Trotzki spricht über die Wichtigkeit der Sowjetlegalität für die Massen und die Zweckmäßigkeit, als Verteidiger der Sowjets angesehen zu werden. Aber Trotzki hatte nicht die naive Hoffnung, der Sowjetkongress selbst könne die Machtfrage entscheiden. In Trotzkis Kapitel „Die Kunst des Aufstandes“ kann man sehen, dass er 1917 schließlich Lenin in der Parteifrage verstanden hatte. Er schrieb: „Zur Machteroberung genügt dem Proletariat nicht der elementare Aufstand. Nötig ist die entsprechende Organisation, nötig der Plan, nötig die Verschwörung. So ist die Leninsche Fragestellung.“ Er fährt fort:

„Die Organisation, mit deren Hilfe das Proletariat imstande ist, nicht nur die alte Macht zu stürzen, sondern auch sie abzulösen, sind die Sowjets… Freilich, die Sowjets an sich lösen die Frage noch nicht. In Abhängigkeit von Programm und Führung können sie verschiedenen Zwecken dienen. Das Programm wird den Sowjets von der Partei gegeben… Die Aufgabe der Machteroberung kann nur gelöst werden durch eine bestimmte Verbindung von Partei und Sowjets oder anderen, den Sowjets mehr oder weniger gleichwertigen Massenorganisationen.“

Die Regierung hatte vor, die Petrograder Garnison an die Front zu schicken. Unter den Petrograder Regimentern herrschten völliger Aufruhr und Verweigerung. In diesem Moment Anfang Oktober brachten die Kompromissler der Menschewiki und SR im Petrograder Sowjet, der eine bolschewistische Mehrheit hatte, eine Resolution ein. Rabinowitsch beschreibt dies:

„Der Menschewik Mark Broido legte den Delegierten eine gemeinsame Resolution der Menschewiki und SR vor, die einerseits die Garnisonssoldaten aufforderte, sich auf die Verlegung an die Front vorzubereiten, sie andererseits aber damit zu beruhigen versuchte, dass sie die Einrichtung eines besonderen Ausschusses zur Bewertung des Verteidigungsbedarfs und zur Ausarbeitung militärischer Verteidigungspläne vorsah, um im Volk Vertrauen zu erwecken. Im Grunde genommen zielte die Resolution darauf ab, die Zusammenarbeit zwischen dem Petrograder Sowjet und der Regierung im Interesse der Kriegsanstrengungen zu fördern.“

Die waren nicht schlecht überrascht, als die Bolschewiki diesen Vorschlag begierig aufgriffen, was zur Gründung des Militärischen Revolutionskomitees führte, das den Aufstand organisierte! In einer interessanten Passage in der Geschichte schreibt Trotzki:

„Die Formulierungen waren allumfassend und gleichzeitig zweideutig: sie bewegten sich fast sämtlich an der Grenze zwischen Verteidigung der Hauptstadt und bewaffnetem Aufstande. Aber diese zwei bisher einander ausschließenden Aufgaben hatten sich jetzt tatsächlich einander genähert: nachdem er in seine Hände die Macht genommen, wird der Sowjet auch die militärische Verteidigung Petrograds auf sich nehmen müssen. Das Element der Verteidigungsmaske war nicht gewaltsam von außen hineingetragen worden, sondern ergab sich bis zu einem gewissen Grade aus den Bedingungen des Vorabends des Aufstandes.“

Das Militärische Revolutionskomitee hatte einen linken Sozialrevolutionär als formellen Vorsitzenden, ging aber auf bolschewistische Weise vor, mit Trotzki als seinem politischen Hauptführer. In einem Akt, den man im Grunde einen „kalten Aufstand“ nennen könnte, riss der bolschewistisch geführte Sowjet die Kontrolle über die Formationen bewaffneter Menschen der Provisorischen Regierung aus den Händen. Am 13. Oktober beschloss die Soldatensektion des Petrograder Sowjets, den militärischen Oberbefehl vom Oberkommando an das Militärische Revolutionskomitee zu übertragen. Mit anderen Worten, der Sowjet hatte nun praktisch die Staatsmacht inne. Am 21. oder 22. Oktober erklärte das Militärische Revolutionskomitee dem militärischen Oberkommando unumwunden, dass es nicht mehr im Dienst sei. Genau hier nennt es Rabinowitsch einen Aufstand. Die Truppen waren bereit, die Roten Garden waren bereit.

Am 24. Oktober lieferte Kerenski auf ziemlich törichte Weise den Funken, indem er die bolschewistische Zeitungsredaktion zu schließen versuchte. Das Militärische Revolutionskomitee schickte eine Abteilung, um die Zeitung wieder in Gang zu bringen, und begann, Regierungseinrichtungen und Kommunikationszentren zu besetzen. Lenin war immer noch besorgt. Er schrieb:

„Ich schreibe diese Zeilen am 24. abends…

Unter Aufbietung aller Kräfte bemühe ich mich, die Genossen zu überzeugen, daß jetzt alles an einem Haar hängt, daß auf der Tagesordnung Fragen stehen, die nicht durch Konferenzen, nicht durch Kongresse (selbst nicht durch Sowjetkongresse) entschieden werden, sondern ausschließlich durch die Völker, durch die Masse, durch den Kampf der bewaffneten Massen…

Wer soll die Macht übernehmen?

Das ist jetzt nicht wichtig: Mag sie das Revolutionäre Militärkomitee übernehmen ,oder eine andere Körperschaft‘…“

Lenin war so aufgeregt, dass er verkleidet das bolschewistische Hauptquartier im Smolny aufsuchte, wo sich der Petrograder Sowjet befand, um zu sehen was geschah. Auch nach einem Tag hatten sie noch nicht das Winterpalais eingenommen (wo die Provisorische Regierung ihren Sitz hatte), wegen eines überkomplizierten Plans. Ein Bolschewik erinnerte sich, dass Lenin „in einem kleinen Raum im Smolny wie ein Löwe im Käfig auf- und abging. Er musste das Winterpalais haben, koste es, was es wolle: Es blieb die letzte Schranke auf dem Weg zur Arbeitermacht. W. I. schimpfte… er schrie… er war bereit, auf uns zu schießen“. Kerenski entkam im Schutze eines Diplomatenfahrzeugs unter amerikanischer Flagge. Es wird euch interessieren, dass Kerenski schließlich hier in den USA landete, der Heimstatt von Gusanos aller Art, beim Hoover-Institut in Stanford. Dort schrieb und lehrte er über den Kampf gegen den Kommunismus – etwas, worin er Zeit seines Lebens nicht gerade erfolgreich gewesen war.

Die Geburt des sowjetischen Arbeiterstaats

Als der Zweite Sowjetkongress eröffnet wurde, feuerte der Kreuzer Aurora immer noch auf das Winterpalais. Als Antwort auf den Aufstand und die „Machtergreifung“, die jetzt vom Militärischen Revolutionskomitee offen verkündet wurde, verließen die Menschewiki und Sozialrevolutionäre den Kongress, wobei einige kundtaten, sie würden sich mit der Mehrheit der Stadtduma-Delegierten zum Winterpalais begeben, um mit der Provisorischen Regierung zu sterben. Sie entfernten sich unter einer Flut von Rufen wie „Speichellecker der Bourgeoisie“ und „gut, dass wir euch los sind“. Nur die linken Sozialrevolutionäre und einige wenige Überbleibsel des linken Menschewismus blieben. Die Versöhnler wollten mit dem Arbeiterstaat nichts zu tun haben. Immer bereit zu einer Koalition mit der Bourgeoisie, lehnten sie eine Koalition mit den Bolschewiki ab.

Lenin erhob sich und eröffnete seine Rede mit dem berühmten Satz: „Wir beginnen jetzt mit dem Aufbau der sozialistischen Ordnung.“ Die Drei-Punkte-Agenda lautete: Beendigung des Krieges, Landverteilung an die Bauern und Errichtung einer sozialistischen Diktatur. Das Friedensdekret versprach ein Ende der Geheimdiplomatie und bot den Regierungen und Völkern der Krieg führenden Länder sofortige Verhandlungen an, um einen demokratischen Frieden ohne Annexionen und Reparationen sicherzustellen. Das Landdekret, im Wesentlichen vom Agrarprogramm der linken SR übernommen, schaffte das Privateigentum an Boden ab und sah die Übertragung allen privaten und kirchlichen Grundbesitzes an Landkomitees und Sowjets von Bauerndelegierten vor, zur Verteilung an die Bauernschaft je nach Bedürftigkeit. Eine neue revolutionäre Regierung der Volkskommissare, die zunächst ausschließlich aus Bolschewiki bestand, wurde ernannt, die über die nächste Periode die Verstaatlichung der Banken vorantrieb, die Industrie wieder in Gang setzte und die Grundlagen des neuen Sowjetstaates legte.

Sehr wichtig war, dass sie daran arbeiteten, die Dritte (Kommunistische) Internationale als das notwendige Instrument zur Durchführung der sozialistischen Weltrevolution einzuberufen. Sie kämpften mit allen möglichen Mitteln entschlossen für die Ausweitung der Revolution auf die fortgeschrittenen Industrieländer Europas. Lest den aufschlussreichen Brief von Victor G. an Workers Vanguard (siehe „On Lenin’s Address to Petrograd Soviet“ [Über Lenins Rede vor dem Petrograder Sowjet], WV Nr. 861, 6. Januar 2006), wie sich die Darstellung von Lenins Rede an den Petrograder Sowjet, die in den Gesammelten Werken erscheint, von anderen damaligen Zeitungsberichten unterscheidet, die Lenins Argumente für eine internationale Ausweitung der Revolution hervorhoben.

Das Schreckgespenst der „demokratischen“ Konterrevolution

Lasst mich kurz auf zwei abschließende Debatten eingehen: Die Frage einer breiten sozialistischen Koalition und die Konstituierende Versammlung. Was die erste Frage anbelangt, so folgt der Historiker Rabinowitsch der Meinung Suchanows und seinesgleichen, die es damals für entsetzlich hielten, dass die Bolschewiki die Versöhnlerparteien, die Menschewiki und die rechten Sozialrevolutionäre, nicht in die Regierung einluden. Es überrascht nicht, dass sich innerhalb der bolschewistischen Partei unter anderen Kamenjew und Sinowjew, die den Aufstand von vorneherein abgelehnt hatten, für die Bildung einer Koalitionsregierung mit den Versöhnlern der Menschewiki und rechten Sozialrevolutionäre stark machten. Suchanow beklagt die Tatsache, dass die Menschewiki und die Menschewiki-Internationalisten durch ihren Auszug aus dem Kongress „den Bolschewiki eigenhändig ein Monopol über den Sowjet, über die Massen und über die Revolution gaben“.

Die Bolschewiki waren nicht aus Prinzip gegen eine Koalition. Sie waren bereit, mit einer jeden Partei zu koalieren, wenn diese die Sowjet-Regierungsform anerkennen würde, was bedeutete, den Oktoberaufstand als Realität zu akzeptieren und die Tatsache, dass die Sowjets eine bolschewistische Mehrheit hatten und die Bolschewiki deshalb auch die Mehrheit in der Regierung bilden würden. Doch dies war ein großes „Wenn“. Wenigstens ist Rabinowitsch ehrlich genug, uns zu sagen, was das Problem dabei war: Die Menschewiki und Sozialrevolutionäre waren nicht nur aus dem Sowjet ausgezogen, sondern:

„Der anfängliche erbitterte Widerstand gegenüber dem bolschewistischen Regime sammelte sich in dem Allrussischen Komitee für die Rettung des Vaterlandes und der Revolution, das am 26. Oktober vor allem von den Menschewiki und den Sozialrevolutionären in der Petrograder Stadtduma organisiert wurde…

Führer des Komitees zur Rettung verfassten auch Pläne, einen Aufstand in Petrograd mit dem Einzug von Krasnows Kosaken in die Hauptstadt abzustimmen, den man jeden Augenblick erwartete.“

Sie scheiterten natürlich, doch sie verloren keine Minute, die Konterrevolution zu organisieren, keine einzige Minute. Lasst mich eine allgemeine Regel aufstellen: Man ist schlecht beraten, eine Koalition mit denjenigen einzugehen, die aktiv den Sturz des Arbeiterstaates betreiben und euch alle umbringen wollen.

Trotzki stellt fest, dass es um „nichts weniger als um die Liquidierung des Oktober“ ging, indem man die Revolution ins Fahrwasser eines bürgerlichen Regimes zurückzulenken versuchte. Da die bolschewistische Opposition damit an die Öffentlichkeit gegangen war, brandmarkte Lenin sie schließlich öffentlich als Zauderer und Zweifler: „Schämen sollen sich alle Kleingläubigen… alle, die sich von der Bourgeoisie verwirren ließen, alle, die sich vom Geschrei der unmittelbaren und mittelbaren Helfershelfer der Bourgeoisie irreführen ließen.“ Diese Versöhnler machten einen Rückzieher, besonders, als sich herausstellte, dass es niemanden mehr gab, mit dem man eine Koalition hätte eingehen können. Die schlimmste Parteikrise war überwunden. Ein paar linke Sozialrevolutionäre traten schließlich der Regierung bei – zumindest bis die Sowjetregierung 1918 den Vertrag von Brest-Litowsk unterschrieb.

Schließlich will ich noch auf die Konstituierende Versammlung eingehen. Ich war beruhigt herauszufinden, dass ein neuer Genosse der Jugend in der Bay Area, der über die Konstituierende Versammlung sprechen wollte, sich keine Sorgen darüber machte, dass die Bolschewiki sie aufgelöst hatten. Er wollte wissen, weshalb sie überhaupt zu ihr aufgerufen hatten! Ein besserer Impuls, wie ich meine. Wir schrieben einen guten Artikel über konstituierende Versammlungen mit dem Titel „Wann und warum eine revolutionäre Konstituante?“ (übersetzt in Kommunistische Korrespondenz Nr. 25, Juni 1979). Dort wird argumentiert, dass in rückständigen Ländern unter autokratischer oder militärischer bonapartistischer Herrschaft der Kampf für eine souveräne, auf allgemeinem Stimmrecht basierende, konstituierende Versammlung unter bestimmten Bedingungen der Hebel für eine Vereinigung der arbeitenden Massen unter der proletarischen Avantgarde sein kann. Aus solchem Verständnis heraus kämpften die Bolschewiki 1917 das ganze Frühjahr und den Sommer über für Wahlen zu einer konstituierenden Versammlung, zu einer Zeit, als die Regierung sich aus Furcht, dies würde zu einem Bauernaufstand führen, weigerte sie abzuhalten. Dieses Stadium war vorüber, als die Arbeiter die Staatsmacht ergriffen hatten, doch die Bolschewiki sagten die Wahlen zur Konstituierenden Versammlung nicht einfach ab, denn eine prosowjetische Mehrheit hätte sich im Gefolge der bäuerlichen Landbesetzungen sehr wohl ergeben können. Dies wäre zur Stützung der Autorität der Sowjets bei den Bauern im bevorstehenden Bürgerkrieg von Nutzen gewesen.

Jedoch sollte es nicht so kommen. Durch das Zusammenwirken der alten Wahllisten und der Art und Weise, wie parlamentarische Wahlen dem Kleinbürgertum das Stimmenübergewicht einräumen, gewannen die Sozialrevolutionäre, Kadetten und Menschewiki die Mehrheit der Sitze in der Konstituierenden Versammlung. Sie war eine rückschrittliche Macht und konnte zum Schwerpunkt für die Kräfte der bürgerlichen Restauration werden. So verlangten die Bolschewiki klugerweise, die Konstituierende Versammlung solle in ihrer ersten Amtshandlung die siegreiche Sowjetmacht anerkennen. Erst als sie das verweigerte, verfügte das Exekutivkomitee des Sowjets die Auflösung der Versammlung. Die Auflösung der Konstituierenden Versammlung beendet dieses Kapitel der Geschichte der Russischen Revolution und der Geschichte der bolschewistischen Partei. Die Meinungsverschiedenheiten drehten sich um die grundlegenden Fragen: Sollen wir um die Macht kämpfen, können wir die Macht ergreifen? Durch internen und externen Kampf lösten sie diese Fragen mit einem Ja.

Somit bleibt die Oktoberrevolution unser Kompass. Sie zeigt, wie eine revolutionäre Partei die arbeitenden Massen von den reformistischen Klassenverrätern für sich gewinnen und zur Macht führen kann. Um Trotzki zu zitieren: „Ohne die Partei, außerhalb der Partei, unter Umgehung der Partei, durch ein Parteisurrogat kann die proletarische Revolution nicht siegen.“