Spartakist Nr. 169

Winter 2007/2008

 

Sozialdemokratie treibt im Namen von „Demokratie“ und „Arbeiterrechten“ Konterrevolution voran

Verteidigt China gegen Imperialismus und innere Konterrevolution!

Für proletarisch-politische Revolution!

Merkels Empfang des Dalai Lama markiert einen vorläufigen Höhepunkt in der andauernden antikommunistischen Kampagne der Bourgeoisie und ihrer Ideologen gegen den deformierten Arbeiterstaat China. Nach Merkel empfing US-Präsident Bush den Dalai Lama – sicher kein Zufall. Über die „Unterdrückung von Tibet“ werden Krokodilstränen vergossen und die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) zur Einhaltung der „Menschenrechte“ ermahnt (zu Dalai Lama und Tibet siehe Artikel Seite 24). Dies wird angesichts der herannahenden Olympischen Spiele in Beijing 2008 weiter zunehmen. Merkels Provokation hat harsche diplomatische Reaktionen in Beijing ausgelöst. Die Welt Online (15. November 2007) schreibt: „Pekinger Strategen verfolgen dabei nicht nur, welchen Kurs die EU gegenüber China einschlägt, sondern auch wie eng das einst unter Jacques Chirac und Gerhard Schröder auf Distanz zu den USA gegangene Europa sich wieder Washington annähert. Die neue Nähe schmeckt Peking nicht. Die Zeitung ,Global Times‘ erschien mit der missbilligenden Schlagzeile: ,England, Frankreich und Deutschland wetteifern darum, sich den USA einzuschmeicheln.‘“ Tatsächlich begann die EU Ende November massiven Druck auszuüben, damit die chinesische Währung, der Yuan, aufgewertet wird, und der Vorsitzende der Eurogruppe, Jean-Claude Juncker, droht kaum verhüllt mit einem Handelskrieg gegen China: „Protektionismus liegt in der Luft“, warnte Juncker (Handelsblatt, 29. November 2007). Währenddessen rüsten die US-Imperialisten, die mit Japan ein anti-chinesisches Militärabkommen geschlossen haben, Taiwan mit Patriot-Raketensystemen auf. Gemeinsames Ziel der Imperialisten ist es, militärisch und ökonomisch den Druck auf China zu erhöhen und es politisch mit einer neuen „Menschenrechts“kampagne zu isolieren.

Merkels Empfang führte zu Auseinandersetzungen in der CDU/SPD-Regierung. Außenminister Steinmeier (SPD) kritisierte den CDU-Konfrontationskurs:

„Aber im Grundsatz – daran halten Außenminister und Kanzlerin fest – setzen sie auf unterschiedliche Wege, um die Menschenrechtslage in China zu verbessern… [Steinmeier] wirbt für ,langfristige Strukturen‘ in der China-Politik und erinnert an das Projekt Schröders, der vor sieben Jahren den Rechtsstaatsdialog begann, ein akademisches Projekt deutscher und chinesischer Juristen. Für wirtschaftliche Kontakte sei Rechtssicherheit notwendig, so wurde Peking seinerzeit gelockt, wozu dann auch die Freiheitsrechte gezählt wurden.“ (FAZ.NET, 23. November 2007)

SPD wie CDU wollen den chinesischen deformierten Arbeiterstaat durch Konterrevolution zerstören, nur verfolgen sie unterschiedliche Strategien, wie der deutsche Imperialismus seine Interessen durchsetzen kann. Die SPD ist darum besorgt, dass Merkels Nähe zu den USA deutschen Interessen in China (und Russland) schaden könnte. Als Kanzler fuhr Schröder fast jedes Jahr mit Wirtschaftsdelegationen nach China. Auch die SPD betreibt die antikommunistische „Menschenrechts“kampagne, aber mehr im Hintergrund. Während Merkel Töne anschlägt, die an Ronald Reagan im zweiten Kalten Krieg erinnern, ist die SPD-Politik eine Fortsetzung ihrer „Ostpolitik“, die von Egon Bahr (SPD) Mitte der 60er-Jahre entwickelt und als „Wandel durch Annäherung“ bezeichnet wurde. „Wandel“ meinte immer kapitalistische Konterrevolution, aber im Namen von „Demokratie“, „sozialer Marktwirtschaft“ und „Menschen“- und noch zynischer „Arbeiterrechten“.

Wie im Kalten Krieg gegen die Sowjetunion verstehen die Imperialisten unter „Menschenrechten“ vor allem eines: das Recht der Bourgeoisie zur uneingeschränkten Ausbeutung und Knechtung der arbeitenden Massen. Und dieses „Recht“ wurde in China durch die Revolution 1949 „verletzt“, die die Bourgeoisie vom chinesischen Festland vertrieb. Trotz der Marktreformen ist China nicht kapitalistisch. Der durch die Marktreformen geschaffene Privatsektor einschließlich der ausländischen Unternehmen ist vor allem Leichtindustrie. Die Schwerindustrie – Stahl, Nichteisenmetalle, Schwermaschinenbau, Telekommunikation, Energie, Petrochemie – ist in Staatsunternehmen konzentriert, die strategisch weitaus bedeutender sind. Das staatliche Eigentum von Land hat verhindert, dass eine Schicht reicher Großgrundbesitzer entsteht, die die ländlichen Gebiete dominieren würden. Die staatliche Kontrolle über das Finanzsystem hat bisher die Volksrepublik China vor den Manövern des spekulativen Kapitals schützen können, die in so vielen kapitalistischen Neokolonien die Wirtschaft ruiniert haben.

Als stärkster der verbliebenen deformierten Arbeiterstaaten ist China seit der konterrevolutionären Zerstörung der deformierten Arbeiterstaaten Osteuropas und insbesondere des degenerierten Arbeiterstaats Sowjetunion 1991/92 ins Fadenkreuz der Imperialisten gerückt. Als Konsequenz aus der verräterischen stalinistischen Politik des „Sozialismus in einem Land“ und der damit verbundenen Illusion einer „friedlichen Koexistenz“ des chinesischen Arbeiterstaats mit dem Imperialismus macht die chinesische Bürokratie Zugeständnisse an die Imperialisten. So unterstützt sie den „Krieg gegen den Terror“, trägt die Sanktionen gegen den Iran und die Kampagne zur nuklearen Entwaffnung Nordkoreas mit. Trotzdem ist China heute von einem ganzen System von US-Militärbasen umzingelt. Es steht neben Nordkorea auf der Liste des Pentagon als Ziel eines möglichen nuklearen Erstschlags der USA, und das US-Programm der Nationalen Raketenabwehr hat das strategische Ziel, Chinas bescheidene nukleare Kapazitäten zu neutralisieren. Japan und die USA kooperieren militärisch und ordnen ihre Rivalitäten der gemeinsamen Feindschaft gegen die asiatischen Arbeiterstaaten unter. Wir sind dafür, dass China und Nordkorea Atomwaffen entwickeln, testen und herstellen, um sich gegen den US- und den japanischen Imperialismus zu verteidigen. Wir kämpfen für die bedingungslose militärische Verteidigung Chinas und der anderen deformierten Arbeiterstaaten Nordkorea, Kuba und Vietnam gegen Imperialismus und innere Konterrevolution.

Das Schicksal von China, dem bevölkerungsreichsten Land der Erde, wo die Bourgeoisie durch die 1949er Revolution enteignet wurde, ist von zentralem Interesse für die Arbeiter auf der ganzen Welt. Die Arbeiter müssen für das Verständnis gewonnen werden, China gegen innere Konterrevolution und gegen die eigene Bourgeoisie zu verteidigen. Letztendlich kann nur eine politische Revolution in China zur Errichtung der politischen Herrschaft von Arbeiterräten führen und es kann nur eine Ausweitung der Chinesischen Revolution die Verteidigung und den Ausbau ihrer Errungenschaften sichern. Das zentrale Hindernis für dieses revolutionäre Bewusstsein in Deutschland ist das sozialdemokratische Programm, im eigenen Land nationalistischen Protektionismus und Klassenzusammenarbeit mit der Bourgeoisie zu betreiben und in den verbliebenen deformierten Arbeiterstaaten die Konterrevolution unter dem Deckmantel von „Menschenrechten“ und „Demokratie“ voranzutreiben.

„Marktreformen“ verschärfen Widersprüche im chinesischen Arbeiterstaat

Um die Konterrevolution voranzutreiben, erhöhen die Imperialisten einerseits den militärischen Druck auf China und treiben andererseits ihre wirtschaftliche Durchdringung unter Ausnutzung von Chinas „Marktreformen“ voran. Die Marktreformen der letzten Jahrzehnte haben die Widersprüche im chinesischen deformierten Arbeiterstaat enorm verschärft. Aber entgegen dem in der Linken weit verbreiteten Bild, China wäre schon kapitalistisch oder unumkehrbar auf dem Weg dahin, ist die stalinistische Bürokratie unfähig, eine kalte, schrittweise Restauration des Kapitalismus von oben herbeizuführen. Trotzki erklärte bezüglich des degenerierten Arbeiterstaats Sowjetunion in Verratene Revolution 1936, dass „die Weiterentwicklung der angehäuften Gegensätze sowohl zum Sozialismus hin als auch zum Kapitalismus zurückführen kann, h) auf dem Wege zum Kapitalismus eine Konterrevolution den Widerstand der Arbeiter brechen müsste, i) auf dem Wege zum Sozialismus die Arbeiter die Bürokratie stürzen müssten“.

Die herrschende stalinistische Bürokratie ist eine zerbrechliche, widersprüchliche Kaste, keine homogene Klasse die Privateigentum an Produktionsmitteln besitzt. Die sich anhäufenden Widersprüche in China werden früher oder später zum Zusammenbruch des stalinistischen Bonapartismus und zu einer politischen Zersplitterung der herrschenden Kommunistischen Partei führen. Aber ob dem eine kapitalistische Konterrevolution folgt, die den Widerstand der chinesischen Arbeiterklasse zerbricht und den deformierten Arbeiterstaat zerstört, oder aber eine proletarisch-politische Revolution, die die Herrschaft der stalinistischen Bürokratie stürzt und die politische Herrschaft von Arbeiterräten in China errichtet und für eine internationale Ausweitung der Revolution kämpft, wird eine Frage des Kampfes sein. Wir kämpfen – basierend auf unserer bedingungslosen militärischen Verteidigung der deformierten Arbeiterstaaten gegen imperialistische Angriffe und innere Konterrevolution – für proletarisch-politische Revolutionen zum Sturz der stalinistischen Bürokratien und zur Errichtung der Herrschaft von Arbeiterräten.

Mit der Chinesischen Revolution 1949 wurde die kapitalistische Herrschaft zerstört und die chinesische Gesellschaft grundlegend umgewandelt. Dieser Sieg wurde von Mao Zedongs Volksbefreiungsarmee errungen, die ihre Basis in der Bauernschaft hatte. Die Kapitalisten und die Großgrundbesitzer flohen nach Taiwan, wo sie unter dem Schutz des US-Imperialismus standen. Eine Nation, die von den Imperialisten geteilt und ausgeplündert worden war, wurde vereinigt. China wurde als Arbeiterstaat mit zentral geplanter Wirtschaft wieder aufgebaut und machte sozial einen gewaltigen Sprung vorwärts. Das Land wurde an die Bauern verteilt, die Schlüsselindustrien enteignet und ein wesentlicher Teil staatlicher Industrie aus dem Boden gestampft. Der befreiende Einfluss der Revolution wird am Status der chinesischen Frauen sichtbar, die gewaltige Fortschritte über ihre frühere miserable Existenz machten, die durch das barbarische „Fußbinden“ symbolisiert wurde.

Die KP Chinas war aber keine auf der Arbeiterklasse basierende Partei, sondern stützte sich auf die Bauern. 1927 hatte sie die Arbeiterklasse fallengelassen, nachdem die bürgerliche Guomindang die aufständischen Arbeiter Shanghais massakriert hatte. Nur aufgrund einer außergewöhnlichen historischen Situation war sie in der Lage, den Kapitalismus zwei Jahrzehnte später zu stürzen. Die Arbeiterklasse war durch die grauenhafte Unterdrückung sowohl der Guomindang als auch der japanischen Imperialisten atomisiert. Die bürgerliche Herrschaft war nach der Niederlage Japans im Zweiten Weltkrieg unstabil, und das Guomindang-Regime verrottete innerlich. Dazu kam die Existenz des Arbeiterstaates Sowjetunion, der der neuen Volksrepublik ökonomische und militärische Hilfe bieten konnte. Von Anfang an unterdrückte das KPCh-Regime unabhängige Aktionen der Arbeiterklasse, während es fälschlicherweise vorgab, den Sozialismus in einem Land aufzubauen. Das stand in scharfem Widerspruch zu den Anfängen der Sowjetunion in der Oktoberrevolution 1917 – einer proletarischen Revolution, geführt von Lenins und Trotzkis Bolschewistischer Partei, die den Marxismus in die Tat umsetzte. Die Oktoberrevolution zeigte, dass die Arbeiterklasse die Macht übernehmen und durch demokratisch gewählte Arbeiterräte ausüben kann. Die internationalistische frühe Sowjetunion wurde zum Leuchtfeuer der Arbeiter und Unterdrückten weltweit.

Der Führung der Bolschewiki war klar, dass Arbeiterrevolutionen in den höher entwickelten Ländern notwendig waren, um eine international geplante Wirtschaft zu errichten und die gesellschaftlichen Wachstumsraten und den Reichtum zu erzeugen, die als Basis für den Sozialismus notwendig sind – eine auf Gleichheit basierende Gesellschaft ohne materielle Not. Aber die revolutionären Aufstände insbesondere in Deutschland wurden niedergeschlagen, durch den Verrat der prokapitalistischen Sozialdemokraten und weil erfahrene Parteien wie die Bolschewiki fehlten, die die Massen zur Eroberung der Staatsmacht hätten führen können. Im Fahrwasser dieser Niederlagen und insbesondere der Niederlage der deutschen Revolution 1923 übernahm in der Sowjetunion Ende 1923, Anfang 1924 eine konservative nationalistische Bürokratie die politische Macht. Im Verlauf der Degeneration des Arbeiterstaats wandten sich Stalin und seine Clique vom proletarischen Internationalismus ab und schufen das antimarxistische Dogma vom „Aufbau des Sozialismus in einem Lande“. Wenig später sabotierten sie, auf der Suche nach einer „friedlichen Koexistenz“ mit dem Imperialismus, revolutionäre Möglichkeiten im Ausland, nicht zuletzt die zweite Chinesische Revolution 1925–27, die sie ruinierten, indem sie die junge chinesische KP der bürgerlichen Guomindang unterordneten.

Den antirevolutionären Charakter der chinesischen Bürokratie kann man historisch an ihrer Allianz mit dem US-Imperialismus gegen die Sowjetunion sehen, eine logische Folge der Suche nach „friedlicher Koexistenz“ mit den Herrschenden in Washington. Während 1972 Bomben auf Vietnam niederregneten, empfing Mao Zedong US-Präsident Nixon in Beijing. Diese Politik wurde auch von Maos Nachfolger Deng Xiaoping fortgesetzt. 1979, vier Jahre nachdem die heldenhaften Vietnamesen die USA besiegt hatten, marschierten chinesische Truppen krimineller Weise in Vietnam ein. Wenig später unterstützte China die von der CIA unterstützten islamischen Mörderbanden in Afghanistan, die gegen die sowjetische Rote Armee kämpften. In vielerlei Hinsicht haben sowohl der Mao- als auch der Deng-Flügel der Bürokratie dem Imperialismus geholfen, die Sowjetunion zu zerstören. Und nicht zuletzt war es Maos Allianz mit dem US-Imperialismus, die den Weg ebnete für Deng, die Tür für die ökonomische Durchdringung Chinas durch den Imperialismus zu öffnen.

Die 1978 von Deng initiierten marktorientierten Reformen wurden durch die früher erzielten Erfolge der Planwirtschaft unter Mao ermöglicht. Sie waren ein Versuch, innerhalb des Rahmens des stalinistischen Bonapartismus gegen die Unfähigkeit der bürokratischen Kommandowirtschaft anzugehen. Wie wir in den 1980er-Jahren schrieben:

„Im Rahmen des Stalinismus gibt es also eine innere Tendenz, die zentrale Planung und Leitung zu ersetzen durch Marktmechanismen. Da Manager und Arbeiter nicht der Disziplin der Sowjetdemokratie (Arbeiterräte) unterworfen werden können, sieht die Bürokratie die einzige Antwort auf die wirtschaftliche Ineffizienz immer mehr darin, die Wirtschaftsakteure der Disziplin marktwirtschaftlicher Konkurrenz zu unterwerfen.“ („Für zentrale Planung durch Sowjetdemokratie“, abgedruckt in „Marktsozialismus“ in Osteuropa, Spartakist-Broschüre, August 1989)

Die stalinistische Bürokratie öffnete das Land für imperialistische Investitionen, privatisierte strategisch nicht wichtige Unternehmen und gab schließlich das staatliche Außenhandelsmonopol auf. Die Planwirtschaft wurde durch Marktmechanismen ersetzt und die Landwirtschaft entkollektiviert, so dass den Bauernfamilien ihre eigenen kleinen Äcker langfristig verpachtet wurden. Mit der Zeit schaffte das Regime die „Eiserne Reisschüssel“ ab, die darauf basierte, dass Arbeitern auf Lebenszeit ein Arbeitsplatz garantiert wurde, was die städtischen Arbeiter als eine wesentliche Errungenschaft der 1949er Revolution ansahen. Aber ein so armes und rückständiges Land wie China konnte offensichtlich nicht Hunderten Millionen von Bauern einen Job mit lebenslanger Garantie in der staatlichen Industrie bieten, und das auf einem wesentlich höheren Lohnniveau als dem Einkommen von Mitgliedern einer ländlichen Kommune.

Tatsächlich ist die Industrie gewaltig gewachsen und über die Hälfte der arbeitenden Bevölkerung ist nun in der Produktion, beim Transport, Bau und im Dienstleistungssektor beschäftigt. Bis zu 150 Millionen Bauern wurden in dieser Periode Proletarier. Laut Monthly Labor Review (Juli 2005) gab es in China 2002 doppelt so viele Industriearbeiter wie in den G7-Staaten zusammengenommen. Das ist eine fortschrittliche Entwicklung von großer historischer Bedeutung. Die Entwicklung in China stellt das Wachstum in kapitalistischen Neokolonien weit in den Schatten, ob es die „Tigerstaaten“ wie Indonesien und Südkorea sind oder auch Indien, das etwa zur gleichen Zeit wie China seine Unabhängigkeit errang, aber kapitalistisch blieb. Indiens Bruttosozialprodukt pro Kopf der Bevölkerung ist nur halb so groß wie Chinas, während die Armutsrate Chinas nur die Hälfte Indiens beträgt. Die Unterernährung von Kindern ist in China 75 Prozent niedriger als in Indien. Die Alphabetisierung von Frauen beträgt in China 90 Prozent, das ist fast doppelt so hoch wie in Indien.

China ist heute ein Land, das vor Unzufriedenheit brodelt. Einerseits hat die ökonomische Durchdringung durch die Imperialisten die Kräfte für eine innere Konterrevolution enorm gestärkt. Eine Klasse kapitalistischer Unternehmer ist entstanden mit familiären und finanziellen Verbindungen zur KPCh-Bürokratie wie auch zu den chinesischen Kapitalisten in Taiwan und Hongkong. Eine Schicht von wohlhabenden Managern, Freiberuflern und Technokraten wurde geschaffen, die einen Lebensstil wie im Westen genießen. Auf der anderen Seite betrieben die Beijinger Stalinisten eine Politik auf Kosten bedeutender Teile der Arbeiterklasse und der Werktätigen auf dem Lande und stießen sie ins Elend. Wichtige soziale Errungenschaften wie die Gesundheitsversorgung wurden ausgehöhlt, Millionen Arbeitslose suchen nach neuen Jobs und werden, wenn überhaupt, im Privatsektor zu weitaus schlechteren Bedingungen ohne die Sozialleistungen des Staatssektors beschäftigt. 150 Millionen Wanderarbeiter sind vom Land in die Städte gezogen, wo sie unter schrecklichen Bedingungen, mit wenig politischen Rechten schuften, oft verachtet von der angestammten städtischen Arbeiterschaft. Als Ergebnis davon gibt es massenhaft Kämpfe: Arbeiter, die gegen Nichtauszahlung von Löhnen, gegen Entlassungen oder Arbeitsbedingungen protestieren; Bauern, die gegen Korruption, illegalen Landklau durch Parteibürokraten oder gegen Umweltverschmutzung protestieren. Wir unterstützen diese Kämpfe. Die herrschende Bürokratie ist ganz klar gespalten zwischen Elementen, die die Wirtschafts„reformen“ unvermindert fortsetzen wollen, denjenigen, die mehr staatliche Interventionen wollen und anderen, die zu einer bürokratisch geplanten Wirtschaft zurückkehren wollen.

Nach Statistiken der Bürokraten gab es allein 2005 offiziell 87 000 Proteste. Doch Militanz auf der ökonomischen Ebene ist nicht genug. Die Arbeiterklasse muss den Kampf auf der politischen Ebene aufnehmen. Es bedarf einer revolutionären Avantgardepartei in China, die für eine proletarisch-politische Revolution kämpft. Eine solche Partei würde dafür kämpfen, alle Sektoren der Arbeiterklasse im Bündnis mit den Landarbeitern und den städtischen Armen zu vereinigen. Wanderarbeiter müssen alle Rechte erhalten, die den gesetzmäßigen Einwohnern zustehen – einschließlich des Zugangs zu Gesundheitsversorgung, Wohnungen und öffentlicher Bildung –, und gleichen Lohn für gleiche Arbeit. Arbeiter im privaten Sektor dürfen nicht schlechter gestellt sein als Arbeiter im staatlichen Sektor. Die Investitionen der Imperialisten im Privatsektor müssen im Interesse der Arbeiterklasse neu verhandelt werden.

Wie wir in unserem Artikel „Chinas ,Marktreformen‘ – eine trotzkistische Analyse“ (Spartakist Nr. 164, Herbst 2006 und Nr. 165, Winter 2006/2007) erklären, erfordert eine wirkliche Verringerung der Kluft zwischen Stadt und Land eine massive Umverteilung und Neuzuweisung wirtschaftlicher Ressourcen. Die Einführung moderner Technologie auf dem Lande erfordert eine qualitativ höhere industrielle Basis, als sie zurzeit existiert. Im Gegenzug würde ein Anwachsen der landwirtschaftlichen Produktivität eine gewaltige Ausweitung der Industriearbeitsplätze in den städtischen Gebieten notwendig machen, um die enorme Menge an Arbeitskraft zu absorbieren, die auf dem Land nicht mehr benötigt wird. Das wäre zweifellos ein langwieriger Prozess, vor allem angesichts der noch immer beschränkten Größe und der relativ niedrigen Produktivität von Chinas industrieller Basis.

Dies alles zeigt die strategische Notwendigkeit der Ausweitung der Chinesischen Revolution auf fortgeschrittene kapitalistische Länder wie Japan und die Notwendigkeit einer internationalen Planwirtschaft; denn davon hängen sowohl das Tempo als auch letztendlich die Realisierbarkeit dieser Perspektive überhaupt ab. Ein rotes Arbeiterräte-China wäre ein Leuchtfeuer für die unterdrückten arbeitenden Massen Asiens und der ganzen Welt. Es würde die Arbeiter Japans radikalisieren. Eine siegreiche proletarisch-politische Revolution wäre ein Todesstreich gegen die Propaganda der Bourgeoisie vom „Tod des Kommunismus“ und würde die gebeutelten Massen der ehemaligen Sowjetunion und Osteuropas wieder aufrichten und die Arbeiter Westeuropas inspirieren.

Protektionistische Hetze gegen China

Es gibt eine zunehmende Kampagne der Bourgeoisie in Deutschland, eine „chinesische Bedrohung“ an die Wand zu malen. In der Ausgabe vom 27. August 2007 hetzt Der Spiegel mit dem Leitartikel: „Die gelben Spione – Wie China deutsche Technologie ausspäht“. Der Titel hält, was er verspricht, und hetzt rassistisch und antikommunistisch: „Jeder Student, jeder Geschäftsmann“ aus China wird „als Spitzel, als Denunziant“ dargestellt, „800.000 Spitzel“ weltweit, und „allein in Deutschland studieren mehr als 27.000 Chinesen“. Da wird China beschuldigt, Trojaner in Regierungscomputer geschleust zu haben – ein Vorgehen, das die deutsche Regierung gerade gegen die eigenen Staatsbürger plant!

Der Spiegel entrüstet sich über den chinesischen Arbeiterstaat: „Er raubt dabei nicht nur Regierungsgeheimnisse – das allein wäre schon schlimm genug. Er raubt auch gleich noch das Volksvermögen: deutsches Know-how. Den einzigen nennenswerten Rohstoff, den die Bundesrepublik im internationalen Wettbewerb um Wohlstand zu bieten hat.“ So wird die Lüge verbreitet, Chinas ökonomische Entwicklung bedrohe den Lebensstandard der Arbeiterklasse in Deutschland, und nicht die deutsche Bourgeoisie, die die Ausbeutung hier ständig verschärft. Mit dieser Hetze soll ein Klima geschaffen werden, in dem die Bourgeoisie ihren allseitigen Lohn- und Sozialraub gegen die arbeitende Bevölkerung weiter vorantreiben kann, um mehr Profite zu scheffeln und gegen die imperialistischen Konkurrenten zu expandieren.

Was das „deutsche Know-how“ angeht, so zeigt ein kurzer Blick auf die Geschichte, dass das gar nicht so deutsch ist, wie der chauvinistische Spiegel es uns glauben machen möchte. Die industrielle Revolution in Deutschland wurde im 19. Jahrhundert mit Know-how durchgeführt, das samt und sonders von der damals führenden Industriemacht England geklaut worden war. Ob Dampfmaschine, mechanische Textilmaschinen oder Stahlerzeugung – alles wurde bei Betriebsbesichtigungen in England ausspioniert und nachgebaut oder durch das Anwerben englischer Fachkräfte ins Land geholt. Und Japan und die anderen kapitalistischen Mächte, die nach England aufstiegen, sind nicht anders vorgegangen.

Grundlegender dienen die ganzen nationalistischen protektionistischen Kampagnen dazu, Arbeiterkämpfe zur Verteidigung von Löhnen und Sozialleistungen abzuwürgen. Dabei stellt die Gewerkschaftsbürokratie den Transmissionsriemen für dieses bürgerliche Programm in die Arbeiterklasse dar. Statt die Arbeiter zur Verteidigung ihrer Interessen im Klassenkampf gegen die Bosse zu mobilisieren, spielen die Gewerkschaftsbürokraten mit ihrem Programm von Klassenzusammenarbeit die Berater der Kapitalisten, wie diese ihren Laden besser führen können.

Während Protektionismus eine mögliche Option für die Bourgeoisie darstellt, ist er tödliches Gift für die Arbeiterklasse. Denn sie wird damit entlang nationaler Linien gespalten und der eigenen Bourgeoisie untergeordnet. Und so stellt die Gewerkschaftsbürokratie die multiethnische deutsche Arbeiterklasse gegen die Arbeiterklassen anderer Länder, z. B. gegen die „Billiglohnkonkurrenz“ aus China oder Osteuropa. Mit Forderungen nach Einfuhrbeschränkungen oder Strafzöllen hält sich die sozialdemokratische Gewerkschaftsbürokratie sehr bewusst zurück, denn sie teilt zutiefst die nationalistische Logik vom „Standort Deutschland“ und weiß, dass das Wohlergehen der deutschen Industrie vom Export abhängt.

Ein Beispiel ist Hamburg. Die Kampfbereitschaft der Hafenarbeiter gegen das EU-Port-Package wurde unter der Losung „Hafenarbeit für Hafenarbeiter“, die sich direkt gegen Seeleute richtete, von der Gewerkschaftsbürokratie in protektionistische Gleise hinter die „eigenen“ Bosse gelenkt. Hand in Hand damit erklärten die Gewerkschaftsspitzen den Arbeitern bei der Demonstration am 11. Januar 2006: „Wenn sich hier in den Hamburger Hafenunternehmen in Zukunft mächtige Global Player aus Hongkong und Singapur einkaufen können, dann dauert es nicht mehr lange, bis asiatische Sozialstandards mit Tagelöhnerei und Mini-Bezahlung, mit Heuern und Feuern hier an Land gebracht werden.“ Was die Ver.di-Bürokraten hier an die Wand malen, dient der nationalistischen Stimmungsmache, mit der sie versuchen, die Arbeiter hinter den „eigenen“ Bossen und deren Regierung zu versammeln. Tatsächlich hat es im Hamburger Hafen seit Jahrzehnten keinen Streik gegeben, trotz unaufhörlicher Angriffe der deutschen Bosse, und auch der 24-Stunden-Streik am 11. Januar 2006 war so organisiert, dass er den Bossen nicht wehtat. Gegen das Gift nationalistischer Abschottung muss die Arbeiterklasse gewonnen werden für ein klassenkämpferisches Programm auf internationalistischer Basis: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit, egal wer sie verrichtet! Ob Seeleute oder Immigranten, die Hafenarbeiter müssen sich mit allen, die im Hafen entladen, verbünden, sie in einer Gewerkschaft organisieren und für vollen Tariflohn für alle kämpfen. Das Gleiche gilt für Hafentrucker und alle anderen, die im Hafen unter Tarif schuften müssen. Hafentarif für Hafenarbeit! Organisiert die Unorganisierten! Volle Staatsbürgerrechte für alle Immigranten! Weg mit dem Arbeitsverbot gegen osteuropäische Arbeiter!

Ein Artikel der IG Metall Wolfsburg vom 21. April 2005 fasst die protektionistischen Rechtfertigungen zusammen, mit denen die Gewerkschaftsbürokraten die Kämpfe gegen die damaligen massiven Angriffe der Bosse auf strategische Teile der Arbeiterklasse wie bei VW und DaimlerChrysler ausverkauften:

„Die Ankündigung der Verlagerung sei längst keine Drohung mehr, sondern Realität. ,Täglich gehen 1000 Arbeitsplätze in Deutschland verloren‘, rechnet der Gewerkschafter vor… Beschäftigungssicherung heißt aber nicht Beschäftigungsversicherung, schränkt [der 2. Bevollmächtigte der IG Metall Frank] Patta ein: ,Unsere Prozesse und Strukturen müssen wieder effizienter werden. Nur wenn wir bei Volkswagen wettbewerbsfähige Autos produzieren und verkaufen, bleiben auch unsere Jobs sicher – bis 2011 und darüber hinaus.‘“

Nach Zugeständnissen der Wolfsburger IG Metall an die VW-Bosse wurde nun die Produktion von Modellen aus Brüssel und Südafrika nach Wolfsburg verlagert und mehr als die Hälfte der Stellen in Brüssel gestrichen. Während die IG-Metall-Bürokraten und Betriebsratsfürsten auch gern mal von internationaler Solidarität schwätzen, wurde hier der Kampf der belgischen VW-Arbeiter um ihre Arbeitsplätze für einen weiteren schmutzigen nationalistischen Deal mit den VW-Bossen brutal verraten.

Die Arbeiterklasse in Deutschland muss sich mit dem machtvollen chinesischen Proletariat solidarisieren, auf Grundlage der Verteidigung des deformierten Arbeiterstaats China gegen den gemeinsamen Klassenfeind: die imperialistische Bourgeoisie. Nicht nur würde eine Konterrevolution in China noch schlimmeres Elend für die chinesische arbeitende Bevölkerung bedeuten, als es schon in Osteuropa und der Ex-Sowjetunion der Fall ist. Eine Konterrevolution würde die Imperialisten auch zu einer erneuten Angriffswelle gegen die Arbeiterklasse hier ermutigen, genau so, wie es schon nach der Zerstörung von DDR und Sowjetunion der Fall war.

Die konterrevolutionäre Rolle der Sozialdemokratie

Die Unterstützung der eigenen Bourgeoisie durch nationalistischen Protektionismus wird von Gewerkschaftsbürokraten und Sozialdemokratie ergänzt durch das Widerkäuen der „Menschenrechts“kampagne der Bourgeoisie, die sie um die noch gefährlichere Variante der „Arbeiterrechte“ erweitern. Seit der Oktoberrevolution 1917 hat die Sozialdemokratie im Namen von „Demokratie“ gegen Arbeiterstaaten gehetzt. Das ergibt sich aus dem Charakter von SPD und Linkspartei als bürgerlichen Arbeiterparteien, also Parteien, deren Basis in der Arbeiterklasse liegt, vor allem durch ihre Verbindung mit den Gewerkschaften, die jedoch voll und ganz durch Programm und Führung dem Kapitalismus verpflichtet sind. Die Sozialdemokratie basiert auf einer dünnen privilegierten Schicht von Arbeiteraristokraten, die von der Bourgeoisie mit Hilfe von Extraprofiten aus der Ausbeutung der neokolonialen Völker bestochen wird. Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs, eines imperialistischen Raubkriegs, im August 1914 ging die Sozialdemokratie offen auf die Seite ihrer jeweils „eigenen“ Bourgeoisie über. Sie hetzte die Arbeiter als Kanonenfutter auf ihre Klassenbrüder der jeweils anderen Länder.

Nach dem Krieg erschütterte eine revolutionäre Welle die kapitalistische Welt. Geführt von Lenins und Trotzkis Bolschewiki stürzten die Arbeiter in Russland im Oktober 1917 die Bourgeoisie, zerschlugen deren kapitalistischen Staat und errichteten einen Arbeiterstaat. In Westeuropa gelang es der Sozialdemokratie aufgrund der Unerfahrenheit der jungen, gerade erst gegründeten kommunistischen Parteien, die Herrschaft der Bourgeoisie zu retten. In Deutschland organisierte die SPD die Freikorps und ließ Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg ermorden, womit sie die junge KPD köpfte. Während die SPD-Führer Friedrich Ebert, Philipp Scheidemann und Gustav Noske die Revolution im Blut abertausender Arbeiter ertränkte, hetzte der linke Sozialdemokrat Karl Kautsky von der USPD gegen die Diktatur des Proletariats und propagierte die Illusion der „reinen Demokratie“. In Die proletarische Revolution und der Renegat Kautsky von 1918 erklärte Lenin, dass die „Demokratie“ eine Staatsform ist. Und der Staat – im Kern Polizei, Armee und Gerichte – ist nicht neutral. Daher stellt sich für Marxisten immer die Frage: Demokratie – für welche Klasse. Aus der Pariser Kommune 1871 zog Marx die entscheidende Lehre, dass das Proletariat die bürgerliche Staatsmaschine nicht einfach übernehmen kann, sondern sie zerschlagen, „zerbrechen“ und durch einen eigenen Staat ersetzen muss: die Diktatur des Proletariats. Und genau das machten Lenins und Trotzkis Bolschewiki in der Oktoberrevolution 1917.

Die Agentur der SPD für jede Art von verdeckten konterrevolutionären Umtrieben ist die treffend benannte Friedrich-Ebert-Stiftung (FES). Friedrich Ebert war der sozialdemokratische Henker der Novemberrevolution 1918/19, berühmt für seinen Ausspruch 1918: „Wenn der Kaiser nicht abdankt, dann ist die soziale Revolution unvermeidlich. Ich aber will sie nicht, ja, ich hasse sie wie die Sünde.“ Die FES ist eine klassische „Nicht“regierungsorganisation („N“GO) und eng mit DGB- und SPD-Führung verbunden. Gelegentlich verkauft sie sich als eine Institution der deutschen Arbeiterbewegung. Sie dient aber dem deutschen Imperialismus, dessen Interessen sie in der Welt zu fördern sucht. Über sie liefen die CIA- und andere Gelder, um die Revolution in Portugal 1974 niederzuschlagen. Als linke Aufständische in Lateinamerika an die Macht drängten, mischte die FES kräftig mit, um zu verhindern, dass diese dem kubanischen Weg folgten und den Kapitalismus stürzten. Und sie war an vorderster Front dabei, die Konterrevolution in Osteuropa und der Sowjetunion zu fördern. Sie ist das Instrument, das den chinesischen Arbeitern die Konterrevolution schmackhaft machen soll im Austausch für ein bisschen Mitbestimmung in den Betrieben und natürlich für „Demokratie“. Dabei nutzt sie die tatsächlichen Konflikte in der chinesischen Gesellschaft und gibt sich gegenüber den Arbeitern das Image, auf ihrer Seite gegen Ausbeutung, fürchterliche Arbeitsbedingungen usw. zu stehen.

Das gleiche betreibt auch die sozialdemokratische DGB-Bürokratie. Die IG Metall Wolfsburg berichtete folgendes über die erste Reise einer offiziellen DGB-Delegation seit der Niederschlagung des Massakers am Tiananmen-Platz 1989:

„Der [Allgemeine Chinesische Gewerkschaftsbund] ACGB hat weit über 100 Millionen Mitglieder. Er ist aber keine Gewerkschaft im westlichen Sinne. Dazu fehlen ihm die notwendigen Voraussetzungen wie politische Unabhängigkeit, Gegnerfreiheit und demokratische Strukturen. Die chinesischen Gewerkschaften verstehen sich vielmehr als eine Vorfeldorganisation der Kommunistischen Partei. Trotzdem wollen die deutschen Gewerkschaften mit der chinesischen Organisation in einen kritischen Dialog eintreten. Karl Feldengut [Leiter der Internationalen Abteilung des DGB] formuliert dies nach der Reise so: ,Wir wollen die wachsenden Wirtschaftskontakte zu China nutzen, um dort für freie Gewerkschaften, Mitbestimmung und Tarifverträge zu werben.‘“ (19. April 2005)

Dass die DGB-Gewerkschaftsbürokraten den chinesischen Gewerkschaftsbund in Sachen „demokratischer Strukturen“ und mangelnder „Gegnerfreiheit“ belehren, ist ja wohl ein schlechter Witz. Der DGB wird bürokratisch durch die Sozialdemokratie – SPD und seit 1990 zunehmend die Linkspartei – kontrolliert, eine Kontrolle, die die Sozialdemokratie mit Säuberungen und Ausschlüssen durchgesetzt hat, bei denen sie Kommunisten und andere linke Gegner bis aufs Messer bekämpft hat. Der Kampf für Gewerkschaften in China, die von der stalinistischen Bürokratie unabhängig sind, muss auf der bedingungslosen militärischen Verteidigung des chinesischen deformierten Arbeiterstaates basieren. Unabhängige Gewerkschaften müssen in unversöhnlicher Feindschaft gegen die Imperialisten und ihre ideologischen Agenturen wie die FES und den ganzen Schwarm anderer konterrevolutionärer „N“GOs stehen. Verteidigung von Arbeiterrechten setzt vor allem die Verteidigung des chinesischen Arbeiterstaates und seiner kollektivierten Wirtschaft voraus.

SPD-„Ostpolitik“: Im Namen von „Arbeiterrechten“ für Konterrevolution

Was „freie Gewerkschaften“ angeht, so sollte die polnische Solidarność ein warnendes Beispiel für chinesische Arbeiter und Linke sein. In Polen waren die Bestrebungen der Arbeiterklasse von den Stalinisten immer wieder enttäuscht worden, so dass bis 1980 eine Mehrheit des traditionell prosozialistischen polnischen Proletariats in die Arme der katholischen Kirche getrieben worden war. Solidarność festigte sich bis September 1981 um ein Programm für die kapitalistische Konterrevolution – ihre Forderung nach „freien Wahlen“ sollte unter dem Deckmantel parlamentarischer Regierungstätigkeit eine kapitalistische Restauration durchführen. Wir beschrieben damals Solidarność als eine gelbe Gewerkschaft für CIA und Bankiers, von denen sie Millionen Dollar erhielt, und riefen dazu auf: „Stoppt die Konterrevolution der Solidarność!“ Wir betonten, dass die polnische Arbeiterklasse eine trotzkistische Partei braucht. Als im Dezember 1981 General Wojciech Jaruzelski den Versuch von Solidarność unterdrückte, die Macht an sich zu reißen, unterstützten wir diese Maßnahme. Gleichzeitig warnten wir, dass die Stalinisten in der Lage wären, den polnischen Arbeiterstaat an den Kapitalismus auszuverkaufen, was sie schließlich 1989/90 auch taten. Die pseudotrotzkistische Linke schwelgte dagegen in „Solidarität mit Solidarność“ und kritisierte die SPD dafür, nicht aggressiv genug zu sein. Heute kann man in Polen die Ergebnisse der Verteidigung von „Arbeiterrechten“ à la SPD sehen: Großteile der polnischen Wirtschaft – Bergbau, Schwer- und Textilindustrie – sind massiv zerstört worden, die Arbeitslosigkeit liegt bei 16 Prozent und es gibt kaum Arbeitslosenhilfe. Frauenrechte wurden zerschlagen und ein reaktionäres klerikales kapitalistisches System wurde errichtet.

Ein gutes Beispiel, wie die Kampagnen für Betriebsräte und Mitbestimmung der Konterrevolution dienen, ist die DDR 1989/90. Wenige Monate nach dem Aufstand auf dem Tiananmen-Platz in Beijing brach das stalinistische Honecker-Regime im Herbst 1989 zusammen. In der DDR begann sich eine proletarisch-politische Revolution zu entwickeln. Wir mobilisierten alle Kräfte unserer Internationale, um mit den ostdeutschen Arbeitern eine revolutionäre Führung aufzubauen. Ohne Wenn und Aber kämpften wir gegen eine kapitalistische Konterrevolution. Wir kämpften für die revolutionäre Wiedervereinigung Deutschlands, d. h. für proletarisch-politische Revolution zum Sturz der stalinistischen Bürokratie in der DDR und für soziale Revolution in Westdeutschland zum Sturz der Herrschaft der Bourgeoisie, für ein rotes Rätedeutschland. Wir riefen zur Gründung von Arbeiter- und Soldatenräten auf, um die Arbeiter als Klasse für sich zu organisieren, als Anwärter auf die politische Herrschaft. Gegen Illusionen in eine Reformierung der SED/PDS kämpften wir für den Aufbau einer neuen leninistisch-egalitären Partei. Wir warnten vor der SPD als dem Trojanischen Pferd der Konterrevolution. Ein detaillierter Bericht findet sich in: „Revolution vs. Konterrevolution in Deutschland 1989/90“, Spartakist-Extrablatt, 4. April 2000. Eine Auswertung unserer Intervention gibt es im Spartacist, deutsche Ausgabe Nr. 15, Frühjahr 1993.

Und auch die SPD intervenierte. Anfang Oktober 1989 gründete sich die SDP, die ostdeutsche Sozialdemokratische Partei, die im Wesentlichen aus evangelischen Pfaffen bestand. Kein Zufall, denn von Anfang an spielte die evangelische Kirche Deutschlands (EKD) eine zentrale Rolle bei der Ausarbeitung und Implementierung der sozialdemokratischen „Ostpolitik“. So forderte die EKD schon 1965 in ihrer „Ostdenkschrift“ die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze, um engere Verbindungen nach Osten knüpfen zu können, was mit dem herrschenden offenen Revanchismus brach. Erhard Eppler war ein zentrales Verbindungsglied zwischen evangelischer Kirche und SPD. Anfang der 1980er-Jahre, mit Aufkommen der nationalistischen Friedensbewegung in Westdeutschland, intensivierte die SPD durch die EKD ihre Kontakte zu kleinbürgerlich-pazifistischen Oppositionsgruppen in der DDR.

Gegen unsere Forderung von 1989/90 nach „Arbeiter- und Soldatenräte an die Macht!“ machten Kapitalisten, Sozialdemokraten, stalinistische Kombinatsdirektoren und DDR-Oppositionsgruppen wie die Vereinigte Linke (VL) eine Kampagne für Betriebsräte und Mitbestimmung. Wie wir in Spartakist Nr. 68 vom 1. März 1990 warnten: „Der PDS-Vorsitzende Gregor Gysi sagte am 7. Januar in einem Referat zum Auftakt der Wahlkampagne, ,Mitbestimmung der Werktätigen‘ sei im Falle von ,Joint Ventures‘ notwendig, und Betriebsräte seien eine Form der ,Demokratisierung der Wirtschaft‘. Im Gegenteil, hier geht es um den Ausverkauf unserer Wirtschaft, unserer VEBs, der Arbeiter, der DDR.“ Den DDR-Arbeitern sollte verschleiert werden, dass sie mit dem Ausverkauf ihrer Betriebe an das westdeutsche Kapital als Klasse entmachtet werden sollten. „Mitbestimmung“ ist eine klassenkollaborationistische Illusion in eine Versöhnung der Interessen der Ausgebeuteten mit ihren Ausbeutern; dies zeigte sich dann nach der Wiedervereinigung, als die DDR-Industrie von der Bourgeoisie mittels der Treuhand zerschlagen wurde. Wir schrieben:

„Aber auf einer Betriebsrätekonferenz, zu der die VL-Initiativgruppe aufgerufen hatte, hatten Berichte über die realen Bedingungen der ,Mitbestimmung‘ in der Bundesrepublik eine ,ernüchternde‘ Wirkung, schreibt Neues Deutschland (5. Februar [1990]).

So dient der Aufruf zu Betriebsräten oft dazu, ein Programm für die Restauration des Kapitalismus zu verschleiern. Dagegen ruft die Spartakist-Arbeiterpartei auf: ,Arbeiter- und Soldatenräte an die Macht!‘ In unserem ,Offenen Brief an alle Kommunisten‘ (Arprekorr Nr. 18, 12. Januar) schrieben wir: ,Die SED-PDS schlägt jetzt vor, Betriebsräte zu bilden, „bevor das Kapital kommt“ (ND vom 11.1.). Die Spartakisten rufen auf, Arbeiter- und Soldatenräte zu bilden, um zu verhindern, daß das Kapital kommt!‘ “

Das Potenzial für eine proletarisch-politische Revolution in der DDR kam in der von uns initiierten prosozialistischen Einheitsfrontkundgebung gegen die faschistische Schändung des Ehrenmals von Berlin-Treptow am 3. Januar 1990 zum Ausdruck, die von der SED-PDS aufgegriffen worden war. Dort riefen wir Trotzkisten vor mehr als 250 000 Demonstranten zur politischen Revolution auf und warnten vor der SPD als Trojanischem Pferd für die Konterrevolution. Gorbatschow wurde sich der Gefahr einer politischen Revolution bewusst, die sich auch auf die Sowjetunion ausgebreitet hätte. Er sah seine Techtelmechtel mit den Imperialisten gefährdet und trieb die kapitalistische Wiedervereinigung Deutschlands beschleunigt voran, die er nun mit der CDU des damaligen Kanzlers Helmut Kohl durchzog.

Die SED fügte sich diesem Verrat und wurde unter Modrows „Deutschland einig Vaterland!“ zur sozialdemokratischen PDS. Diese Kapitulation demoralisierte die prosozialistischen Arbeiter, die auf die SED-PDS in der Hoffnung geschaut hatten, sie wäre ein Hindernis für die Konterrevolution. Rückständigere Schichten in der Arbeiterklasse und im DDR-Kleinbürgertum, die den Illusionen von sozialem Wohlstand durch einen Anschluss erlegen waren, wurden ermutigt. So erzielte das von der westdeutschen Bourgeoisie mit Abermillionen DM finanzierte konservative Wahlbündnis bei der Volkskammerwahl am 18. März 1990 einen überwältigenden Wahlsieg, der das Schicksal der DDR besiegelte. Wie wir im Dokument der Zweiten Internationalen IKL-Konferenz schrieben, zeigt die IKL-Intervention in die DDR deutlich, dass unser Programm von politischer Revolution und Verteidigung der Errungenschaften der Oktoberrevolution konkret dem stalinistischen Programm von Kapitulation und Konterrevolution gegenüberstand (siehe Spartacist, deutsche Ausgabe Nr. 15, Frühjahr 1993).

1992 verteidigte sich die SPD gegen Vorwürfe aus dem bürgerlichen Lager, nicht antikommunistisch genug gewesen zu sein und die SED hofiert zu haben: „Nein, die Sozialdemokraten haben überhaupt keinen Grund, ihr Licht unter den Scheffel zu stellen. Ihre Ostpolitik war erfolgreich: Sie hat den Gegner SED umarmt, bis er schließlich in der freundlichen Umklammerung erstickte. So nüchtern, bar jeder ideologischen Verklärung, ist das zu sehen“ („Die Neue Gesellschaft“, Frankfurter Hefte, 1992). Wahrlich, sie waren und sind ein Trojanisches Pferd für Konterrevolution.

Die aus PDS und WASG geformte Linkspartei tritt in die Fußstapfen ihrer großen Schwester, was „Menschenrechts“imperialismus und Hetze gegen China angeht. 2005 erklärte die PDS: „Das EU-Waffenembargo gegen die Volksrepublik China sollte nicht aufgehoben werden, sondern zu einem generellen Verbot von Rüstungsexporten ausgeweitet werden“ (Pressedienst, 15. April 2005). Damit bezog die PDS eine Seite mit dem Imperialismus, der China bedroht, und stellte sich gegen die Möglichkeit Chinas, sich militärisch zu verteidigen. Hieran kann man sehen, wie Pazifismus immer nur die Arbeiter entwaffnet und nicht die Bourgeoisie: Ein ökonomisch und militärisch rückständiger Arbeiterstaat wird daran gehindert, an modernere Waffen zu kommen, um sich gegen die hoch gerüsteten Imperialisten verteidigen zu können. Das knüpft nahtlos an die Politik von Entwaffnung neokolonialer kapitalistischer Länder an, wie die PDS-Unterstützung für die Hungerblockade gegen den Irak in den 1990er-Jahren, die 1,5 Millionen Irakern das Leben kostete und den US-Krieg und die Besetzung des Irak vorbereitete. Was imperialistische Interventionen angeht, so unterstützt die Linkspartei sie, wenn sie denn nur den Segen der UNO haben.

Pseudolinke im Nachtrab der Sozialdemokratie

Hinter der Sozialdemokratie trabt die Gewerkschaftslinke einher. Und so findet man im Labournet, einem Forum der Gewerkschaftslinken, viele Artikel zu China, die antikommunistische „Menschenrechte“ und „Arbeiterrechte“ beschwören. Eine zentrale Rolle spielt hier das „Asienhaus“ in Essen, das diverse Projekte in China betreut, die mit „Demokratie“ und Ökologie zu tun haben. Das Asienhaus wird u. a. vom Evangelischen Entwicklungsdienst, der NRW-Stiftung Umwelt und Entwicklung und der grünen Heinrich-Böll-Stiftung finanziert. Ein mit ihm verbundener Redakteur der taz kritisierte auf den Internet-Seiten des Asienhauses die China-Politik Merkels unter der Überschrift „Neue Töne machen noch keine andere Politik“. Das heißt: Merkel ist ihnen noch nicht antikommunistisch genug. Da wird dann der ganze Dreck der imperialistischen Hetzkampagne gegen China aufgetischt: „Hierzulande hat sich Chinas Image wegen gefährlichen Billigprodukten, ökologischem Raubbau, schamloser Produktpiraterie und frecher Spionage in Regierungscomputern in letzter Zeit rapide verschlechtert.“ Ganz wie im Spiegel, wenn auch bereinigt um die zutiefst rassistischen Töne von der „gelben Gefahr“, wird doch eine „Bedrohung“ Deutschlands, ja ganz Europas beschworen:

„Denn der Aufstieg des Reichs der Mitte wird hierzulande immer weniger als Chance und immer stärker als Bedrohung wahrgenommen. Doch das zeigt wie die deutsche Imagekampagne nur die realen Machtverhältnisse. Die Chinesen sind sich ihres weiteren machtpolitischen und wirtschaftlichen Aufstiegs sicher, während die Deutschen um den Klassenerhalt kämpfen und dabei auch noch um die Chinesen werben müssen.“ (3. September 2007)

Das Labournet ist voll mit Links auf Artikel des China Labour Bulletin (CLB). Das CLB und sein Gründer Han Dongfang haben direkte Beziehungen zu den europäischen und amerikanischen Imperialisten. Han, nach dem Führer von Solidarność auch „chinesischer Lech Walesa“ genannt, ist seit Jahren regelmäßig ein Sprecher für das Washingtoner Radio Free Asia (RFA), zu dem die CLB-Website einen Link anbietet. Das RFA ist die Radiostation der CIA und arbeitet u. a. unter Aufsicht von Condoleezza Rice, die in seinem Aufsichtsrat sitzt. In Europa bietet sich CLB-Sprecher Cai Chongguo den Imperialisten als China-„Spezialist“ an. Die französischen Pseudotrotzkisten von Lutte Ouvrière (LO) luden Cai Chongguo zu ihrer alljährlichen LO-Fête ein, wo Cai in seinen Eröffnungsbemerkungen offen zugab: „Ich spreche drei bis vier Mal pro Woche für die BBC, Radio Free Asia, Radio France Internationale und die Deutsche Welle. Und natürlich auch manchmal für die chinesische Abteilung der Voice of America.“ Zwei Wochen zuvor war Cai von der EU eingeladen worden, in Berlin zum Thema „Arbeitsrecht“ zu sprechen, was nach Protesten der chinesischen Regierung abgesagt wurde. Unsere französischen Genossen der LTF denunzierten LO für ihre Einladung von Cai, womit LO ihre historische Unterstützung für ähnliche konterrevolutionäre Kräfte im Kalten Krieg gegen die Sowjetunion fortsetzt (siehe Workers Vanguard Nr. 896, 3. August 2007).

Am 14. März gab es in Hamburg eine Veranstaltung von Labournet, Asienhaus und die mit der Linkspartei verbundene Gruppe von Gewerkschaftslinken Jour fixe, bei der chinesische Arbeiterinnen über schreckliche Arbeitsbedingungen beim Konzern Gold Peak berichteten, wo sie und andere Arbeiterinnen mit Kadmium vergiftet wurden. Was für Solidarität die Veranstaltung im Sinn hatte, wurde gleich zu Anfang vom Sprecher der Gewerkschaft ver.di klargemacht. Er wies auf ihre Geschichte von „erfolgreicher Unterstützung“ für Arbeiterkämpfe hin, und dabei besonders auf ihre Einladung von Vertretern von Solidarność, die sie damals unterstützt haben. Unsere Genossen warnten vor Konterrevolutionären wie Han Dongfang und erklärten, wie die Konterrevolution von Solidarność die polnischen Arbeiter ins Elend gestürzt hat. Das ist es, wozu die Veranstalter den berechtigten Kampf der Gold-Peak-Arbeiterinnen missbrauchen wollten.

Pseudotrotzkisten für Konterrevolution in China

Die Mehrheit der sozialdemokratischen Pseudotrotzkisten behauptet, dass China kapitalistisch sei. Das ist keine fehlerhafte Analyse, sondern ein antikommunistisches Programm für Konterrevolution. Die Methode ist nicht neu. Schon der zentristische Sozialdemokrat Karl Kautsky bezeichnete die Sowjetunion als „staatskapitalistisch“, um seine antibolschewistischen Tiraden zu rechtfertigen. Tony Cliff tischte diese „Theorie“ neu auf, um seine öffentliche Weigerung zu rechtfertigen, den nordkoreanischen deformierten Arbeiterstaat Anfang der 50er-Jahre im Koreakrieg gegen den eigenen britischen Imperialismus zu verteidigen. Dies war eine feige Kapitulation vor der damals regierenden Labour Party, wofür die Cliff-Anhänger aus der Vierten Internationale ausgeschlossen wurden. Wo sich das imaginäre „Dritte Lager“ der Cliff-Anhänger befand, zeigte sich 1991, als sie auf Jelzins Barrikaden standen und seinen konterrevolutionären Putsch bejubelten: „,Der Kommunismus ist gescheitert‘, deklarieren unsere Zeitungen und Fernsehen. Es ist ein Faktum, das jeden Sozialisten erfreuen sollte“ (Klassenkampf, September 1991). Weit davon entfernt, „ein Schritt seitwärts“ zu sein, wie die Cliff-Anhänger bis heute behaupten, war die Konterrevolution in der Sowjetunion ein verheerender Rückschritt. Der ökonomische Zusammenbruch ist beispiellos für eine moderne Gesellschaft. Das Bruttosozialprodukt fiel um mehr als 80 Prozent zwischen 1991 und 1997. Die Lebenserwartung war im Jahr 2000 niedriger als Ende des 19. Jahrhunderts, Arbeitslosigkeit und Elend grassieren. Eine Konterrevolution in China hätte noch verheerendere Auswirkungen als die in der Sowjetunion.

Auch das Komitee für eine Arbeiterinternationale (CWI), in Deutschland die Sozialistische Alternative (SAV), behauptet, dass China kapitalistisch sei:

„In China wurde der Kapitalismus unter der Führung der stalinistischen herrschenden Partei in engem Zusammenspiel mit dem ausländischen Kapitalismus durch den Prozess der Globalisierung wiedererschaffen. Die chinesische Kapitalistenklasse ist extrem abhängig von diesem Staat, hauptsächlich um sich vor der Arbeiterklasse zu schützen. Daher sind demokratische Bestrebungen sowie der Wunsch nach Regimewechsel bei ihr fast nicht vorhanden.“ („China at the crossroads [China am Scheideweg], www.chinaworker.tk, 24. Mai 2007)

Laut CWI also hat die stalinistische Bürokratie sich in eine herrschende Klasse verwandelt und der Arbeiterstaat wurde einfach so ein kapitalistischer Staat. Das ist, wie Trotzki schon in „Der Klassencharakter des Sowjetstaats“ 1933 erklärte, das Zurückspulen des reformistischen Films vom friedlichen schrittweisen Übergang des Kapitalismus zum Sozialismus, wie es das zutiefst sozialdemokratische Programm des CWI auch tatsächlich vorsieht. Für sie ist „Sozialismus“ die „Überführung der Banken und Konzerne in Gemeineigentum“ durch eine sozialdemokratische Mehrheit im bürgerlichen Parlament. Tatsächlich müsste eine kapitalistische Konterrevolution auf dem politischen Niveau siegen und den chinesischen Arbeiterstaat zerstören und deswegen ist die imperialistische Bourgeoisie zutiefst feindlich gegen den chinesischen Arbeiterstaat und schreit zusammen mit ihren sozialdemokratischen Handlangern nach „Demokratie“.

Also ruft das CWI zu „permanenter Revolution“ in China für „demokratische Veränderung“ auf. Dies ist eine Perversion von Trotzkis Theorie der permanenten Revolution, da es den Klassencharakter des chinesischen Staates verleugnet, um im Namen von „Demokratie“ mit konterrevolutionären Kräften gemeinsame Sache zur Zerstörung des deformierten Arbeiterstaats zu machen. Dies ist deutlich zu sehen an der CWI-Kritik am CIA-Liebling Han Dongfang. Das CWI wirft Han Illusionen in die Stalinisten vor, da er angeblich den offiziellen Gewerkschaftsbund „zu einem demokratischen kämpferischen Standpunkt“ gewinnen will. Dies sei „völlig unrealistisch“! Demgegenüber tritt das CWI für „unabhängige“ Gewerkschaften ein, so wie sie Solidarność in den 1980er-Jahren mit aufgebaut haben. Ja, das CWI tritt kaum verhüllt für die Legalisierung der völlig konterrevolutionären Guomindang (GMD) ein, die durch die 1949er Revolution vom Festland vertrieben worden war: „Marxisten unterstützen das Recht aller Parteien, außer Faschisten (die Terror gegen die Arbeiterklasse und alle demokratischen Rechte einsetzen), sich unabhängig vom Staat zu organisieren. Dies bedeutet, dass wir nicht gegen die Legalisierung der GMD eintreten, so sehr wir auch ihre arbeiterfeindliche Politik ablehnen.“

Das steht ganz in der Kontinuität des CWI – seiner Unterstützung der Konterrevolution in den deformierten Arbeiterstaaten Osteuropas und im degenerierten Arbeiterstaat Sowjetunion. 1991 unterstützte es im Namen von „Demokratie“ Jelzins konterrevolutionären Putsch in der Sowjetunion. Heute bekrittelt es das mit seiner Unterstützung herbeigeführte kapitalistische Russland: „Aber zehn Jahre danach sind Russland und Indonesien kaum blühende Demokratien. Im Gegenteil, beide sind Pseudodemokratien, in denen die wahre Macht bei nicht gewählten Eliten liegt anstatt bei gewählten Politikern.“ Hier verherrlichen diese Parlamentsfetischisten die bürgerliche Demokratie. In ihrem klassisch sozialdemokratischen Weltbild wird „sozialistische Demokratie“ erreicht durch „gewählte Politiker“, die über eine Mehrheit im bürgerlichen Parlament die „wahre Macht“ gewinnen. Wie Marx und Lenin erklärten, ist jeder Staat ein Instrument der Klassenherrschaft, einschließlich der modernen bürgerlich-parlamentarischen Republik, wo die demokratischen Regierungsformen besonders effektiv die Herrschaft der Bourgeoisie verschleiern. So fragte Lenin Karl Kautsky, wie er auch heute die CWI fragen könnte: „Ist es denkbar, daß der gelehrte Kautsky nie davon gehört hat, wie Börse und Bankiers sich die bürgerlichen Parlamente um so vollständiger unterwerfen, je stärker die Demokratie entwickelt ist?“ (1918). Es bedarf einer sozialistischen Revolution, die die bürgerliche Staatsmaschinerie zerschlägt und durch die Diktatur des Proletariats ersetzt, eine Tatsache, die das CWI wie Kautsky verabscheut.

Auch rückständigere kapitalistische Staaten mit „Pseudodemokratie“ sind dem CWI immer noch lieber als der deformierte chinesische Arbeiterstaat. So unterstützt das CWI die Unabhängigkeit Taiwans, was es damit abdeckt, dass es Taiwan zu einer eigenen Nation umdichtet. Peter Taaffe erklärt: „Es gibt nun klar ein Bewusstsein einer getrennten Einheit, Taiwan, und ein breites ,nationales Bewusstsein‘ unter der Mehrheit der Bevölkerung“ („Marxists, Taiwan and the National Question“ [Marxisten, Taiwan und die nationale Frage], 26. August 2005). Taiwan war jahrhundertelang Teil von China. 1949 floh die chinesische Bourgeoisie vor Maos Truppen dorthin, wo sie unter dem Schutz des US-Imperialismus herrschte. Für die Imperialisten, vor allem Japan und die USA, ist Taiwan ein Dolch an der Kehle des chinesischen deformierten Arbeiterstaats und ein Sprungbrett für die Konterrevolution auf dem Festland. Und so rüsten sie es bis an die Zähne auf. In einem militärischen Konflikt zwischen China und Taiwan – der durchaus einen konterrevolutionären imperialistischen Angriff auf China nach sich ziehen könnte – haben wir natürlich eine Seite mit dem deformierten Arbeiterstaat, den wir militärisch bedingungslos verteidigen. Die Beijinger Bürokraten verfolgen die Politik von „einem Land, zwei Systemen“, mit der die Bürokratie der chinesischen Bourgeoisie signalisieren möchte, dass sie ihr Eigentum im Falle einer Wiedervereinigung respektieren würde. Wir kämpfen dagegen für eine revolutionäre Wiedervereinigung von China und Taiwan durch eine proletarisch-politische Revolution auf dem Festland und eine soziale Revolution zum Sturz der chinesischen Bourgeoisie in Taiwan.

Das CWI dagegen bezieht eine Seite mit der taiwanesischen Bourgeoisie und den Imperialisten, die es unterstützt. Der wirkliche Grund ist wieder sozialdemokratische Unterstützung von „Demokratie“: „Dennoch ist das chinesische Regime eine Diktatur. Außerdem, vom Standpunkt der taiwanesischen Massen aus, würden diese sich nicht unter dessen Kontrolle stellen wollen, sondern die demokratischen Rechte bevorzugen, derer sie sich unter einem bürgerlich-demokratischen Regime wie in Taiwan erfreuen, wie begrenzt diese auch sein mögen“ („Marxists, Taiwan and the National Question“). In Deutschland – bis zur kapitalistischen Wiedervereinigung eine Nation, die wie China heute durch eine Klassenlinie gespalten war – argumentierte das CWI 1989/90 genau anders herum. Damals rief es: „Deutschlandpolitik der SPD – Offensive für Einheit und Sozialismus nötig“ (Februar 1990) und erklärte: „Wir unterstützen die Vereinigung jeder Nation – auch der deutschen – als eine historisch fortschrittliche Entwicklung und als ein demokratisches Recht“ (Voran-Extrablatt, 25. Januar 1990). Eines bleibt in beiden Fällen beim CWI konstant: Es steht immer auf Seiten der Konterrevolution, des „demokratischen“ Kapitalismus gegen die „stalinistische Diktatur“, die in Wirklichkeit eine, allerdings deformierte, Form der Diktatur des Proletariats war.

Das kommt heute sicher nicht gut an, besonders bei ihren ostdeutschen Mitgliedern, die mit ihren Familien direkt die „Wonnen“ kapitalistischer parlamentarischer Demokratie in der Ex-DDR erleben: Deindustrialisierung, 17 Prozent Arbeitslosigkeit, über 1 Million Auswanderer seit 1990, Naziterror auf den Straßen gegen Linke und Immigranten bis hin zu „national befreiten Zonen“ usw. Und so wollen sie heute ihre Unterstützung der Konterrevolution in der DDR 1989/90 rechtfertigen, indem sie sagen, dass die damalige westdeutsche SAV-Führung einen Fehler begangen habe, weil sie im Februar 1990 glaubte, dass „Deutschland nur auf sozialistischer Basis wiedervereint werden könnte“. Dies ist einfach eine Abdeckung, und an ihrer sozialdemokratischen Politik hat sich nichts geändert. Heute sind sie wieder dabei, die Konterrevolution in China zu unterstützen, indem sie den Arbeitern und linken Jugendlichen hier einreden, es gäbe dort nichts zu verteidigen, und Hand in Hand damit schlimmste Versöhnung gegenüber der eigenen „demokratischen“ imperialistischen Bourgeoisie betreiben.

Einerseits haben die Marktreformen gewaltige Kräfte in China für eine kapitalistische Konterrevolution herangezüchtet. Demgegenüber ist dort aber auch eins der mächtigsten Industrieproletariate der Welt entstanden, das in zahllosen Kämpfen seine ökonomischen Interessen zu verteidigen versucht. Wie Trotzki erklärte:

„Der Arbeiterstaat muß so aufgefaßt werden, wie er in dem unbarmherzigen Laboratorium der Geschichte entstanden ist und nicht wie ein ,sozialistischer‘ Professor ihn sich vorstellt, der nachdenklich mit dem Finger in der Nase bohrt. Es ist die Pflicht der Revolutionäre, jede Eroberung der Arbeiterklasse zu verteidigen, auch wenn sie durch den Druck feindlicher Kräfte entstellt sein mag. Wer alte Positionen nicht verteidigen kann, wird niemals neue einnehmen.“ („Bilanz der finnischen Ereignisse“, 1940)

Die Frage von Revolution und Konterrevolution in China ist von zentralem Interesse für die Arbeiterklasse in aller Welt. Wir kämpfen für den Aufbau von trotzkistischen Parteien weltweit. Die Arbeiterklasse in Deutschland muss für das Verständnis gewonnen werden, China gegen die eigene Bourgeoisie und deren sozialdemokratische Agenturen zu verteidigen. Das ist ein zentraler Bestandteil davon, die Arbeiter von ihren Illusionen in die bürgerliche Demokratie zu brechen und letztlich für den Sturz des deutschen Imperialismus zu mobilisieren, für die Errichtung eines roten Rätedeutschlands als Teil der Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa.