Spartakist Nr. 165 |
Winter 2006/2007 |
Verteidigt den deformierten Arbeiterstaat China!
Für proletarisch-politische Revolution!
Chinas "Marktreformen"—eine trotzkistische Analyse
Zweiter Teil
Wir drucken nachfolgend den zweiten und abschließenden Teil dieses Artikels ab, der aus Workers Vanguard Nr. 875, 1. September 2000, übersetzt ist. Eine Übersetzung des ersten Teils erschien in Spartakist Nr. 164, Herbst 2006.
Martin Hart-Landsberg und Paul Burkett haben in China and Socialism: Market Reforms and Class Struggle [China und der Sozialismus: Marktreformen und Klassenkampf] (ursprünglich erschienen als ausführlicher Artikel in Monthly Review, Juli/August 2004) sehr wenig zu sagen über China in der Mao-Ära. Und dieses Wenige ist verworren und widersprüchlich. Sie räumen ein: Zur Zeit von Maos Tod 1976 war das chinesische Volk immer noch weit davon entfernt, die Verheißungen des Sozialismus zu erreichen. Doch da eines ihrer Leitmotive ist, dass der Kapitalismus in China restauriert worden sei, halten sie offensichtlich Maos China für in gewisser Hinsicht sozialistisch und sehen es als etwas qualitativ anderes und Besseres als das, was in China heute existiert. In ihrer Erwiderung auf Victor Lippit, die in Critical Asian Studies (37:4, 2005) erschien, gibt es die Formulierung Chinas Entwicklung weg vom Sozialismus.
Lippit seinerseits argumentiert bei der Diskussionsrunde über China and Socialism, die in Critical Asian Studies veröffentlicht ist (37:3, 2005): Man kann ein solches System nicht ,Sozialismus nennen; ich selbst würde vorzugsweise den Ausdruck ,Staatismus [statism] benutzen. Darüber hinaus behauptet er, dass Sozialismus in der gegenwärtigen geschichtlichen Epoche nicht möglich sei, insbesondere in wirtschaftlich rückständigen Ländern. Wie Hart-Landsberg und Burkett definiert er nicht, was er mit Sozialismus meint. Aus dem Kontext erschließt sich, dass er darunter offensichtlich etwas versteht, was dem voll entwickelten Kommunismus nahe kommt: eine Gesellschaft, in der die Arbeitsproduktivität ein Niveau erreicht hat, das ausreicht, wirtschaftlichen Mangel zu überwinden.
Trotz ihres Bekenntnisses zu einem marxistischen theoretischen Rahmen halten Hart-Landsberg und Burkett offenkundig das Konzept der Diktatur des Proletariats zum Verständnis Chinas nach 1949 für nicht relevant. Doch Karl Marx entwickelte dieses Konzept zur Erklärung einer nachrevolutionären Gesellschaft, die noch immer durch wirtschaftlichen Mangel und Ungleichheit, Unterschiede bei den Arbeitslöhnen und einen staatlichen Zwangsapparat gekennzeichnet ist:
Womit wir es hier zu tun haben, ist eine kommunistische Gesellschaft, nicht wie sie sich auf ihrer eignen Grundlage entwickelt hat, sondern umgekehrt, wie sie eben aus der kapitalistischen Gesellschaft hervorgeht, also in jeder Beziehung, ökonomisch, sittlich, geistig, noch behaftet ist mit den Muttermalen der alten Gesellschaft, aus deren Schoß sie herkommt. Demgemäß erhält der einzelne Produzent nach den Abzügen exakt zurück, was er ihr gibt...
Zwischen der kapitalistischen und der kommunistischen Gesellschaft liegt die Periode der revolutionären Umwandlung der einen in die andre. Der entspricht auch eine politische Übergangsperiode, deren Staat nichts andres sein kann als die revolutionäre Diktatur des Proletariats. (Kritik des Gothaer Programms [1875]; Hervorhebungen im Original)
Offenkundig unterschied und unterscheidet sich die Volksrepublik China von Mao Zedong bis Hu Jintao beträchtlich von dem normativen Begriff der Diktatur des Proletariats, den Marx in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelte. China ist ein national isolierter und bürokratisch regierter Arbeiterstaat in einem wirtschaftlich rückständigen Land, das feindlichen und mächtigeren kapitalistisch-imperialistischen Staaten gegenübersteht.
Bekanntermaßen glaubten Karl Marx und Friedrich Engels, dass proletarische Revolutionen zuerst in Westeuropa ausbrechen und sich dann auf Nordamerika ausdehnen würden. Dementsprechend stellten sie sich die Diktatur des Proletariats als einen relativ kurzen, harmonischen Übergang zum Sozialismus vor. Der tatsächliche Verlauf der Geschichte, angefangen mit der ersten erfolgreichen sozialistischen Revolution im wirtschaftlich rückständigen Russland 1917, erwies sich als komplexer und widersprüchlicher. Dennoch glaubte die bolschewistische Partei von W.I. Lenin und Leo Trotzki nie, dass der Sozialismus in Russland alleine aufgebaut werden könne. Tatsächlich konzentrierten sie ihre Aktivitäten, angefangen mit der Gründung der Dritten Internationale, auf den Aufbau revolutionärer Arbeiterparteien rund um den Erdball, um den Kampf für den proletarischen Sturz der kapitalistischen Herrschaft weltweit zu führen.
Jedoch legte das Scheitern der internationalen Revolution, vor allem die Niederlage der deutschen Revolution von 1923, und die zunehmende Isolation der jungen sowjetischen Arbeiterrepublik in Verbindung mit den Verwüstungen durch den Ersten Weltkrieg und den Bürgerkrieg die materielle Grundlage für das Wachstum eines nationalistischen Bürokratentums. Von 1923/24 an machte die Sowjetunion unter der zunehmend despotischen Herrschaft Josef Stalins eine bürokratisch-nationalistische Degeneration durch. Dennoch blieb die sowjetische Weltmacht zum Teil ein Gegengewicht zum Weltimperialismus und ermöglichte so die Chinesische Revolution von 1949 und die Konsolidierung des aus ihr hervorgegangenen bürokratisch deformierten Arbeiterstaats. Während des Koreakriegs Anfang der 1950er-Jahre drohten die US-Herrscher nicht nur mit dem Einsatz von Atomwaffen gegen Rotchina, sondern zogen dies tatsächlich in Erwägung. Sie taten es nicht hauptsächlich aus Furcht, dies könnte zum Krieg mit einer atomar bewaffneten UdSSR führen.
Der Sieg der von den Kommunisten geführten, auf der Bauernschaft basierenden Roten Armeen über die bürgerlich-nationalistische Guomindang 1949 zerschlug den Militärapparat des halbkolonialen chinesischen kapitalistischen Staates. Chiang Kai-shek und seine Kumpane flohen mit den Überresten ihrer Armee unter dem Schutz des amerikanischen Imperialismus auf die Insel Taiwan. Das neue Regime der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) errichtete sofort ein politisches Macht- und Organisationsmonopol. So wurde die chinesische Bourgeoisie politisch enteignet, und ein paar Jahre später wurde die Wirtschaft verstaatlicht. Gleichzeitig wurde jegliche Bewegung der Arbeiterklasse in Richtung unabhängiger politischer Betätigung schonungslos unterdrückt. Mao und seine Kollegen waren dabei, einen Staat zu errichten, für dessen grundlegende wirtschaftliche und politische Strukturen die Sowjetunion unter Stalin als Vorbild diente.
Maos China: Ideologie und Realität
In den 1960er-Jahren war der Maoismus mit seinen Appellen an Gleichheitssinn, Massenmobilisierungen und Moral anstelle materieller Anreize für viele linke Intellektuelle rund um die Welt attraktiv. Hart-Landsberg und Burkett nehmen diese Haltung wieder auf, obgleich sie gegenüber Maos China viel kritischer eingestellt sind als die frühere Generation westlicher maoistischer Intellektueller wie etwa Paul Sweezy. Dennoch beschreiben sie China in der Mao-Ära als ein Land, in dem Vollbeschäftigung, grundlegende soziale Sicherheit und allgemeine Gleichheit für die arbeitenden Menschen Chinas erreicht worden seien.
Gewiss, die Einkommensverteilung in China war bei weitem egalitärer als in den neokolonialen kapitalistischen Ländern Asiens wie Indien oder Indonesien. Aber sie war nicht egalitärer als in der Sowjetunion in dieser Periode und war in manch wichtiger Hinsicht tatsächlich weniger egalitär. Mitte der 1950er-Jahre führte China in den staatseigenen Betrieben eine Lohn- und Gehaltsstruktur ein, die nach dem Vorbild der Sowjetunion ausgerichtet war, und diese Struktur wurde die ganze Mao-Ära hindurch beibehalten. Das Einkommensverhältnis zwischen dem obersten Verwaltungsrang und dem untersten Rang der Arbeiterklasse war 15 zu 1. Darüber hinaus konnten, wie in der UdSSR, hochrangige Partei- und Regierungsfunktionäre, Betriebsleiter und dergleichen in China ihr offizielles Einkommen durch verschiedene Formen des Parasitentums und der Korruption aufbessern und taten dies auch.
Die zunehmende sozioökonomische Kluft zwischen dem ländlichen und dem städtischen China hatte ihren Ausgangspunkt nicht in den marktorientierten Reformen Deng Xiaopings. Sie war schon in den letzten Jahren der Mao-Ära ausgeprägt. Zwischen 1952 und 1975 stieg der durchschnittliche Pro-Kopf-Verbrauch der nicht-landwirtschaftlichen Bevölkerung um 83 Prozent im Vergleich zu nur 41 Prozent bei den ländlichen Werktätigen (Carl Riskin, Chinas Political Economy: The Quest for Development since 1949 [Chinas politische Ökonomie: Das Streben nach Wachstum seit 1949], 1987). Im Jahre 1980 (zu Beginn der Reform-Ära) konsumierten Stadtbewohner 60 Prozent mehr Lebensmittelgetreide pro Kopf und aßen fast zweieinhalbmal soviel Fleisch wie Mitglieder der Landkommunen. Beim Besitz von Komsumgütern (z.B. Uhren, Nähmaschinen, Radios) war der Unterschied sogar noch größer. Der durchschnittliche Gesamtkonsum im städtischen China war zwei- bis dreimal höher als auf dem Land.
Dagegen schrumpfte in der Sowjetunion in den 1960er- und 1970er-Jahren die Kluft zwischen dem Lebensstandard der ländlichen und der städtischen Bevölkerung merklich. Ein großer Teil der landwirtschaftlichen Kollektivbetriebe wandelte sich freiwillig in Staatsbetriebe um, deren Arbeiter einheitliche Löhne und Sozialleistungen erhielten, unabhängig von den Schwankungen des landwirtschaftlichen Ertrags und der Einkaufspreise der Regierung. Anfang der 1980er-Jahre stiegen die Einkommen der Bauern in der UdSSR tatsächlich stärker als jene der Fabrik- und Büroarbeiter. Dieses größere Ausmaß an Egalitarismus war nur möglich, weil die Sowjetunion zu diesem Zeitpunkt ein weit höheres Produktivitätsniveau erreicht hatte als China.
Die wirtschaftliche Strategie, die die KPCh-Bürokratie während der Mao-Ära verfolgte, ähnelte im Wesentlichen der von Stalins Russland der 1930er-Jahre. Das Konsumniveau sowohl der Bauern als auch der Arbeiter wurde niedrig gehalten, um den wirtschaftlichen Überschuss zu maximieren, der dann vor allem für Investitionen in die Schwerindustrie verwendet wurde. Zwischen 1952 und 1975 lag die durchschnittliche industrielle Wachstumsrate bei 11 Prozent pro Jahr. Zu Beginn dieser Periode machte die industrielle Produktion 20 Prozent von Chinas gesamter Produktion aus; am Ende waren es 45 Prozent. Der Aufbau eines bedeutenden, relativ modernen Industriesektors während der Mao-Ära legte die Grundlage für die hohen wirtschaftlichen Wachstumsraten und die allgemeine Verbesserung des Lebensstandards unter Deng und seinen Nachfolgern. Jedoch begrenzte der äußerst kapitalintensive Charakter dieser industriellen Investitionen die Ausweitung der städtischen Arbeiterklasse und die entsprechende Reduzierung des sozialen Gewichts der Bauernschaft. Zwischen 1952 und 1975 wuchs die nicht-landwirtschaftliche Komponente der Arbeitskräfte nur von 16 auf 23 Prozent.
In den letzten Jahren der Mao-Ära stieß dann die Wirtschaftsstrategie des Regimes auf zunehmende Schwierigkeiten und Widersprüche und rief allgemeine Unzufriedenheit hervor. Die Arbeitsproduktivität hatte, größtenteils wegen der Inkompetenz des bürokratischen Kommandotums, seit Mitte der 1950er-Jahre stagniert, sie war nur um weniger als ein Prozent pro Jahr gestiegen. Um dies auszugleichen, wurde ein immer größerer Anteil des gesamten nationalen Einkommens für Investitionen in die Schwerindustrie verwandt, von 24 Prozent Mitte der 50er-Jahre ansteigend bis auf 33 Prozent Anfang der 70er-Jahre. Die enormen wirtschaftlichen Ressourcen für die industrielle Expansion wurden vor allem der Bauernschaft abgepresst durch massive Besteuerung und Zwangslieferungen von Getreide und anderen landwirtschaftlichen Produkten zu künstlich niedrigen Preisen. Außerdem wurden die Reallöhne der städtischen Arbeiter zwei Jahrzehnte lang praktisch eingefroren. Der amerikanische linke Intellektuelle Maurice Meisner, der im allgemeinen Maos China ganz freundlich gegenübersteht, erkannte dennoch:
Konsum und allgemeiner Lebensstandard fielen, während die Akkumulationsrate stieg, um das hohe Tempo der Entwicklung der Schwerindustrie aufrechtzuerhalten. Ohne wirkliche Fortschritte in der Produktivität ist es unwahrscheinlich, dass diese hohen Akkumulations- und Investitionsraten viel länger hätten aufrechterhalten werden können, ohne die Bevölkerung weiter verarmen zu lassen. (The Deng Xiaoping Era: An Inquiry into the Fate of Chinese Socialism, 19781994 [Die Deng-Xiaoping-Ära: Eine Untersuchung über das Schicksal des chinesischen Sozialismus, 19781994], 1996)
Bei ihrer Verurteilung Chinas in der Reform-Ära messen Hart-Landsberg und Burkett der Abschaffung der garantierten lebenslangen Anstellung in staatseigenen Unternehmen wichtige Bedeutung bei, sie sehen dies als einen entscheidenden Schritt in Richtung auf die angebliche Restauration des Kapitalismus. Sie schreiben in ihrer Erwiderung auf Lippit: Solch eine materielle Unsicherheit entspricht tatsächlich dem Wesen der sozialen Trennung der Arbeiter von ihren Produktionsbedingungen, wie sie im Kapitalismus existiert.
Gewiss, die chinesischen Arbeiter betrachteten garantierte lebenslange Anstellung und Sozialleistungen (die eiserne Reisschüssel genannt) als eine der wichtigsten sozialen Errungenschaften der Revolution von 1949. Doch ein Land so arm und wirtschaftlich rückständig wie China konnte ganz offensichtlich nicht Hunderten von Millionen Bauern Arbeitsplätze in staatseigenen Industrieunternehmen zur Verfügung stellen, noch dazu mit lebenslanger Garantie und einem Niveau an Löhnen und Sozialleistungen, das zwei- bis dreimal so hoch war wie das Einkommen der Mitglieder von Landkommunen.
Um die soziale Ordnung aufrechtzuerhalten, hinderte das KPCh-Regime während der Mao-Ära Bauern gewaltsam daran, auf der Suche nach Arbeit in die Städte abzuwandern. Darüber hinaus stellte das Regime nicht jedem aus der wachsenden städtischen Arbeiterschaft einen Arbeitsplatz im staatseigenen Sektor zur Verfügung. Während der Kulturrevolution wurden an die 17 Millionen städtische Jugendliche nach ihrem Schulabschluss in die Landkommunen verschickt und dabei zwangsweise von Familie und Freunden getrennt. Was glauben Hart-Landsberg und Burkett wie viele dieser Jugendlichen hätten, falls sie die Wahl gehabt hätten, sich dafür entschieden, lieber in einem landwirtschaftlichen Kollektivbetrieb zu arbeiten, anstatt fast jeden Job in der Stadt, in der sie lebten, anzunehmen, selbst wenn der nicht mit lebenslanger Garantie verbunden war und unter dem allgemeinen Lohnniveau bezahlt wurde? In den letzten Jahren der Mao-Ära waren die Landkommunen zu einem enormen Reservoir versteckter Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung geworden.
Zweck der Kulturrevolution war es unter anderem, die Lebensbedingungen der Arbeiterklasse im Namen eines vorgetäuschten sozialistischen Egalitarismus zu beschneiden. Außerdem war eine garantierte lebenslange Anstellung in einem bestimmten Betrieb wirtschaftlich nicht vernünftig und behinderte zunehmend die Maximierung der Arbeitsproduktivität durch Neuinvestitionen. Ein Großteil von Chinas Industrieanlagen war während des ersten (und sehr erfolgreichen) Fünfjahresplans Mitte der 50er-Jahre errichtet worden. Sie enthielten die modernste Technologie, die China damals via der Sowjetunion zur Verfügung stand. In den 70er-Jahren waren dann viele Industrieunternehmen technologisch veraltet. Die Maximierung der Arbeitsproduktivität für ein gegebenes Maß an Investitionen erforderte die Schließung mancher Unternehmen und ihre Ersetzung durch neue oder eine Neuausrüstung mit neueren, arbeitssparenden Technologien. In jedem Fall würde eine große Anzahl individueller konkreter Arbeitsplätze abgeschafft werden.
Eine wirklich sozialistische Regierung würde die überzähligen Arbeiter anderswo zu vergleichbaren Löhnen und Sozialleistungen einstellen, einschließlich staatlich finanzierter Vorsorge für Umzug und Umschulung. Natürlich taten Deng und seine Nachfolger das nicht. Arbeiter, die aus staatseigenen Unternehmen entlassen wurden, wurden sich selbst überlassen und viele erlitten wirkliche Entbehrungen. Aber, um es nochmal zu sagen, auch das Mao-Regime hatte die Reallöhne zwei Jahrzehnte lang praktisch eingefroren mittels bürokratischen Kommandowesens und polizeistaatlicher Repression.
Die von Deng initiierten marktorientierten Reformen waren ein Versuch, innerhalb des Rahmens des stalinistischen Bonapartismus gegen die Unfähigkeit der bürokratischen Kommandoorganisation anzugehen. Wie wir in den 1980er-Jahren schrieben:
Im Rahmen des Stalinismus gibt es also eine innere Tendenz, die zentrale Planung und Leitung zu ersetzen durch Marktmechanismen. Da Manager und Arbeiter nicht der Disziplin der Sowjetdemokratie (Arbeiterräte) unterworfen werden können, sieht die Bürokratie die einzige Antwort auf die wirtschaftliche Ineffizienz immer mehr darin, die Wirtschaftsakteure der Disziplin marktwirtschaftlicher Konkurrenz zu unterwerfen. (Für zentrale Planung durch Sowjetdemokratie, abgedruckt in Marktsozialismus in Osteuropa, Spartakist-Broschüre, August 1989)
Widersprüche der Reform-Ära
Als Mao starb, hatte China zwar einen bedeutenden, relativ modernen schwerindustriellen Sektor aufgebaut, war aber immer noch ein vorwiegend bäuerliches Agrarland. Mehr als Dreiviertel der Arbeitskräfte war in der Landwirtschaft beschäftigt, und über 80 Prozent der Bevölkerung lebten auf dem Lande. Ein Anstoß für die Marktreformen war, dass der landwirtschaftliche Ertrag nicht mit dem industriellen Wachstum Schritt hielt; tatsächlich war das niedrige landwirtschaftliche Produktivitätsniveau eine grundlegende Barriere für eine rasche und extensive Industrialisierung. Heute arbeiten mehr als 50 Prozent der Arbeitskräfte in der Fertigung, auf dem Bau, im Transportwesen und im Dienstleistungssektor, und 40 Prozent der Bevölkerung leben in der Stadt. Von einem marxistischen Standpunkt aus betrachtet ist dies eine fortschrittliche Entwicklung von historischer Bedeutung. Das gilt ebenso für die damit einhergehende quantitative und qualitative Erweiterung von Chinas industrieller Leistungsfähigkeit.
Gleichzeitig ging die Politik der Beijinger Stalinisten auf Kosten bedeutender Teile der Arbeiterklasse und der Werktätigen auf dem Lande und stieß sie ins Elend, erweiterte die Kluft zwischen dem ländlichen und dem städtischen China, brachte eine Klasse kapitalistischer Unternehmer mit familiären und finanziellen Verbindungen zur KPCh-Bürokratie wie auch zu den chinesischen Offshore-Kapitalisten hervor und schuf eine Schicht von wohlhabenden Managern/Freiberuflern/Technokraten, die einen Lebensstil wie im Westen genießen.
Hart-Landsberg und Burkett einerseits und Lippit andererseits präsentieren die Gegenpole dieses Widerspruchs. Erstere suchen sich Beweismaterial dafür, dass sich für die Werktätigen Chinas alles verschlechtert hat. Sie verweisen auf die krasse und wachsende soziale Ungleichheit, die Zunahme der städtischen Arbeitslosigkeit, die Verschlechterung der öffentlichen Gesundheitsversorgung und der Grundschulausbildung. Lippit wählt Beweismaterial für das Gegenteil aus. Er betont, dass die große Mehrheit der Werktätigen auf dem Lande wie in der Stadt eine beträchtliche Verbesserung ihres Lebensstandards erfahren haben, wenn auch in sehr ungleichem Verhältnis. Er zitiert Untersuchungen, die zeigen, dass während der letzten Jahrzehnte Hunderte von Millionen Bauern der Armut entronnen sind.
Weder in China and Socialism noch in ihrer Erwiderung auf Lippit zitieren Hart-Landsberg und Burkett die leicht zugänglichen Statistiken, die einen grundlegenden Maßstab für die Veränderung der wirtschaftlichen Lage der Arbeiterklasse erkennen lassen. Zwischen 1979 und 1998 gab es einen jährlichen Zuwachs von 4 Prozent beim preisbereinigten Einkommen für Arbeiter in der Fertigungsindustrie. Nur 1988 und 1989 gab es ein Absinken wegen der damals außerordentlich hohen Inflationsrate. Zwischen 1999 und 2002 stiegen (laut China Labor Statistical Yearbook von 2003) die Löhne jährlich im Durchschnitt um nahezu 12 Prozent. In den letzten Jahren kam es in größeren Industriezentren wie Shenzhen und Shanghai sogar zu einem Arbeitskräftemangel, insbesondere bei Facharbeitern. Infolgedessen bieten Arbeitgeber höhere Löhne und bessere Sozialleistungen an, um Arbeitskräfte anzulocken. Hong Liang, ein Ökonom bei der Wall-Street-Firma Goldman Sachs, bemerkte dazu: Wir erleben ein Ende der goldenen Periode extrem niedriger Arbeitskosten in China (New York Times, 3. April).
Jedoch bedeutete Chinas wirtschaftliche Wachstumsrate von nahezu 10 Prozent über mehr als zwei Jahrzehnte nicht für alle Teile der chinesischen Arbeiterklasse eine Verbesserung ihres Lebensstandards. Ganz im Gegenteil. Seit Mitte der 90er-Jahre wurden kleine und mittlere staatseigene Betriebe privatisiert, für gewöhnlich an ihre ehemaligen Betriebsleiter zu Schleuderpreisen verkauft. Infolge dieser Privatisierungen sowie von Fusionen und direkten Betriebsschließungen wurden etwa 20 bis 30 Millionen Arbeiter entlassen, darunter verhältnismäßig viele Frauen. Die glücklicheren unter ihnen fanden neue Jobs, hauptsächlich im privaten Sektor, mussten aber im Allgemeinen Lohneinbußen hinnehmen und erhielten nur wenige oder gar keine der ausgiebigen Sozialleistungen, die die staatseigenen Unternehmen geboten hatten.
Eine große Region wurde ganz besonders durch die Schließungen wirtschaftlich verwüstet: der nordöstliche Rostgürtel, wo ein großer Teil der älteren Industrieanlagen konzentriert war. Hier sind ganze 40 Prozent der Arbeiterklasse arbeitslos. Die allgemeine Arbeitslosigkeit wird auf 6 bis 13 Prozent der wirtschaftlich aktiven städtischen Bevölkerung geschätzt. Die Nationale Entwicklungs- und Reformkommission, eine Regierungsbehörde, die die Wirtschaftspolitik beaufsichtigt, rechnet damit, dass bei einem geplanten Wirtschaftswachstum von 8 Prozent in diesem Jahr elf Millionen zusätzliche Arbeitsplätze in China geschaffen werden. Das ist weniger als die Hälfte der offiziellen Zahl von 25 Millionen städtischer Arbeitsloser plus der neuen Berufsanfänger (Economist [London], 25. März).
Es ist allgemein anerkannt, dass die Reform-Ära eine Zunahme der Ungleichheiten mit sich brachte, sowohl innerhalb der Städte als auch zwischen städtischen und ländlichen Gebieten. Zusätzlich zu der neuen Klasse der reichen Kapitalisten existiert im städtischen China nun eine bedeutende Schicht kleinbürgerlicher Freiberufler, deren Lebensstandard im Großen und Ganzen dem ihrer Kollegen in den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern ähnelt. Inzwischen hat laut dem China Human Development Report 2005, herausgegeben vom Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen, die Kluft zwischen dem durchschnittlich verfügbaren Einkommen städtischer und ländlicher Chinesen das Verhältnis 3,2 zu 1 erreicht.
Solche Statistiken sollten nicht die Tatsache verschleiern, dass in bedeutender Hinsicht auch eine beträchtliche Verbesserung der Lebensbedingungen der Bauernschaft stattgefunden hat. Der Verbrauch an Elektrizität wuchs in den ländlichen Gebieten zwischen 1978 und 1997 fast um das Achtfache. Die meisten Bauernfamilien besitzen einige Haushaltsgeräte. Lippit weist darauf hin, dass 1997 zwei Drittel der ländlichen Haushalte zumindest einen Schwarzweiß-Fernseher besaßen, ein grundlegendes Mittel für den Zugang zum modernen Kulturleben.
Jedoch haben sich in anderer bedeutender Hinsicht die Lebensbedingungen der Bauernschaft verschlechtert. Die Landkommunen der Mao-Ära sorgten für eine rudimentäre medizinische Versorgung, für Grund- und Hauptschulbildung, Altersrenten und andere Sozialleistungen. Zwischen 1980 und 1983 löste das Deng-Regime die Kommunen auf und ersetzte sie durch landwirtschaftliche Familienbetriebe mit langfristigen Pachtverträgen das System der Eigenverantwortlichkeit der Haushalte. Die sozialen Programme, die ehemals von den Kommunen bereitgestellt worden waren, sollten von der lokalen Regierung übernommen werden. In Anbetracht der extremen Dezentralisierung von Chinas staatlichem Finanzwesen waren die dürftigen Einnahmen der ländlichen Städte und Dörfer dafür völlig unzureichend. Bauernfamilien mussten aus eigener Tasche für medizinische Versorgung und für die Ausbildung ihrer Kinder zahlen. Die sozialen Folgen waren absehbar:
Trotz lobenswerten Fortschritts bei der Bereitstellung eines Zugangs zu Bildung bleiben ernsthafte Unausgewogenheiten bestehen. Ländliche Gebiete hinken weit hinter den Städten her, und Chinas analphabetische Bevölkerung ist in ländlichen Gebieten konzentriert. Große Unterschiede gibt es weiterhin in der Qualität der Schulen, und die Kluft zwischen den Bildungsmöglichkeiten nimmt mit dem Alter der Schüler zu.
Ein bedeutsames Auseinanderklaffen gibt es auch weiterhin bei der Gesundheit der städtischen und der ländlichen Einwohner und unter Bewohnern unterschiedlicher Regionen. Die Kinder- und Müttersterblichkeit ist auf dem Lande doppelt so hoch wie in den Städten Alle Indikatoren weisen auf ausgeprägte Defizite der Ernährung ländlicher Kinder gegenüber städtischen Kindern hin. (China Human Development Report 2005)
Es kam zu einem scharfen Anstieg der offiziell so genannten Vorkommnisse von Massenunruhen auf dem Lande. Diese Bauernproteste und -aufstände richteten sich gegen die Beschlagnahme von Land durch lokale Funktionäre ohne angemessene Entschädigung und gegen willkürliche Besteuerung, Korruption und andere bürokratische Übergriffe. Daraufhin versprach das Hu-Jintao-Regime, unter der Losung eines neuen Sozialismus auf dem Lande, die Lebensbedingungen der Bauernschaft zu verbessern. Die Steuerbelastung wurde verringert, Unterrichtsgebühren an Grund- und Hauptschulen werden für viele Schüler auf dem Land abgeschafft und die Zentralregierung hat vor, mehr Geld für soziale Programme und Infrastrukturinvestitionen in ländlichen Gebieten auszugeben. Jedoch betonte der Economist (11. März):
Diese Maßnahmen sind keine Vorboten irgendeiner nennenswerten politischen Schwerpunktverschiebung. Die Ausgaben der Zentralregierung für den ländlichen Bereich belaufen sich immer noch auf nur 8,9 Prozent der gesamten Regierungsausgaben, ein Anstieg gegenüber den 8,8 Prozent des letzten Jahres, aber ein Rückgang im Vergleich zu den 9,2 Prozent im Jahr 2004. Die Abschaffung der landwirtschaftlichen Steuer und anderer Gebühren, die den Bauern auferlegt waren, werden jedem Landbewohner durchschnittlich 156 Yuan (19 Dollar) im Jahr ersparen rund 4,8 Prozent des Nettoeinkommens.
Eine wirkliche Verringerung der Kluft zwischen dem ländlichen und dem städtischen China erfordert eine massive Umverteilung und Neuzuweisung wirtschaftlicher Ressourcen. Die Einführung moderner Technologie auf dem Lande von Mähdreschern über Kunstdünger bis zum gesamten Komplex einer auf wissenschaftlicher Basis betriebenen Landwirtschaft erfordert eine qualitativ höhere industrielle Basis, als sie zur Zeit existiert. Im Gegenzug würde ein Anwachsen der landwirtschaftlichen Produktivität eine gewaltige Ausweitung der Industriearbeitsplätze in den städtischen Gebieten zunehmend notwendiger machen, um die enorme Menge an Arbeitskraft zu absorbieren, die auf dem Land nicht mehr benötigt wird. Dies wäre zweifellos ein langwieriger Prozess, vor allem angesichts der noch immer beschränkten Größe und der relativ niedrigen Produktivität von Chinas industrieller Basis. Sowohl das Tempo als auch letztendlich die Realisierbarkeit dieser Perspektive überhaupt hängen von der Hilfe ab, die China von einem sozialistischen Japan oder einem sozialistischen Amerika bekommen würde, was die Notwendigkeit einer internationalen proletarischen Revolution unterstreicht.
Chinas Proletariat und die sozialistische Weltrevolution
Während Hart-Landsberg und Burkett argumentieren, dass sich die Lebensbedingungen für die Bauernschaft und die Arbeiterklasse Chinas während der Reform-Ära verschlechtert haben, liegt der springende Punkt ihrer Position auf einer ganz anderen Ebene. Sie verdammen die Entwicklung der größten Industriearbeiterklasse der Welt und setzen dies mit der Restauration des Kapitalismus gleich. Hier ist ihre anarcho-populistische Weltsicht einem marxistischen Verständnis des sozialen Fortschritts und des Klassenunterschieds zwischen Arbeitern und Bauern direkt entgegengesetzt. In ihrer Antwort auf Lippit zitieren sie zustimmend eine Erklärung von Tai-lok Lui, einem linken Akademiker, der sich an der Diskussion um China and Socialism in Critical Asian Studies beteiligt hatte: Die Wirtschaftsreform nach 1978 brachte die wirkliche Proletarisierung von Chinas Arbeitern und Bauern mit sich. Sie wurden wirklich dem Markt unterworfen und vom Besitz der Produktionsmittel getrennt.
Was meint Tai-lok, der Marktreformen mit der Restauration des Kapitalismus gleichsetzt, wenn er schreibt, dass das enorme Wachstum von Chinas Proletariat einherging mit dessen Trennung vom Besitz der Produktionsmittel? Worauf er sich vermutlich bezieht, außer auf Privatisierungen in der Industrie, ist die Liquidierung der Landkommunen der Mao-Ära, die die große Mehrheit der Bevölkerung umfassten. Diese Kommunen waren im Wesentlichen eine Ansammlung rückständiger Bauernhöfe, die arbeitsintensive Methoden und relativ primitive Technik benutzten. Insoweit China unter Mao relativ egalitärer war als unter Deng, war dies eine Gleichheit der Armut in einer überwiegend ländlichen Gesellschaft.
Um die historische Bedeutung der Umwandlung eines großen Teils von Chinas Bauernschaft in Proletarier zu verstehen, ist es nützlich, zurückzublicken auf Karl Kautskys Werk Die Agrarfrage (1899). Lenin betrachtete dies als einen sehr wichtigen Beitrag zum Verständnis der modernen Weltwirtschaft. (Kautskys späterer rechter Revisionismus und seine Feindschaft gegen die bolschewistische Revolution schmälern nicht den Wert seiner früheren Werke.) Es gibt natürlich einen grundlegenden Unterschied zwischen dem Klassencharakter des kaiserlichen Deutschlands im späten 19. Jahrhundert, das Kautsky beschrieb, und der Volksrepublik China. Dennoch kann man eine Parallele erkennen hinsichtlich der gesellschaftlichen Auswirkungen der Proletarisierung von Chinas Bauernschaft unter der marktsozialistischen Wirtschaft. Kautsky schrieb:
Und die Fabrik vereinigt die zerstreuten Arbeitskräfte, erleichtert ihre Verständigung untereinander; sie bringt das Fabrikdorf in engeren Verkehr mit der Außenwelt, denn sie entwickelt die Verkehrsmittel und bringt intelligente Arbeitskräfte aus der Stadt ins Dorf. So wird sie ein Mittel, einen Theil der ländlichen Bevölkerung dem städtischen Proletariat näher zu bringen, in ihr allmälig Interesse und Verständniß für seinen Emanzipationskampf zu erwecken und sie schließlich unter günstigen Umständen zu thätiger Theilnahme daran zu veranlassen.
Tatsächlich standen Wanderarbeiter vom Lande an vorderster Front bei den jüngsten Arbeitskämpfen in China. Im Südosten traten viele junge Wanderarbeiterinnen in Streik oder weigerten sich anderweitig, unter entsetzlichen Arbeitsbedingungen ausgebeutet zu werden, und bewirkten damit seit dem Sommer 2004 eine ernsthafte Arbeitskräfteknappheit. In Shanghai und Beijing haben Wanderarbeiter, die bis zu 80 Prozent der Arbeitskräfte in der boomenden Bauindustrie ausmachen, für bessere Arbeitsbedingungen gekämpft und sie auch errungen.
Die Beschränkungen, sich frei vom ländlichen ins städtische China zu bewegen, wurden zwar in den letzten Jahrzehnten gelockert, doch nicht aufgehoben. Wanderarbeiter, die zu den gefährlichsten und niedrigsten Arbeiten gezwungen sind, haben nicht die gleichen Rechte wie legal in der Stadt lebende Menschen und sind gewöhnlich gezwungen, in abgesonderten Gegenden zu leben. Viele städtische Arbeiter sehen auf Wanderarbeiter herab, von denen man annimmt, dass sie Arbeitsplätze stehlen und Löhne drücken. Eine revolutionäre Avantgardepartei im heutigen China würde dafür kämpfen, alle Sektoren der Arbeiterklasse im Bündnis mit den Landarbeitern und den städtischen Armen zu vereinigen. Untrennbar verbunden mit der Perspektive einer proletarisch-politischen Revolution ist der Kampf dafür, dass Wanderarbeiter alle Rechte erhalten, die den gesetzmäßigen Einwohnern zustehen, einschließlich des Zugangs zu Gesundheitsversorgung, Wohnungen und öffentlicher Bildung, und dass sie gleichen Lohn für gleiche Arbeit erhalten.
Die Debatte über China und den Sozialismus zwischen dem liberalen Lippit und den selbst ernannten Marxisten Hart-Landsberg und Burkett beschränkt sich auf einen von allen geteilten grundlegend falschen Rahmen. Auf wirtschaftlicher Ebene lehnen beide Seiten das marxistische Verständnis ab, dass der Kapitalismus ein Hemmnis für die globale Entwicklung der Produktivkräfte ist und dass sich letztere nur auf Grundlage einer geplanten internationalen sozialistischen Wirtschaft weiterentwickeln können. Auf politischer Ebene lehnen beide Seiten die Perspektive einer proletarischen Revolution ab, den einzigen Weg zur Erlangung einer solchen Gesellschaft, die das Problem des Mangels endgültig löst.
In seiner bahnbrechenden Untersuchung der stalinistischen Degeneration der UdSSR, Verratene Revolution (1936), zitierte Trotzki Marx Kommentar aus Die deutsche Ideologie (1846): Die Entwicklung der Produktivkräfte [ist] auch deswegen eine absolut notwendige praktische Voraussetzung, weil ohne sie nur der Mangel verallgemeinert, also mit der Notdurft auch der Streit um das Notwendige wieder beginnen und die ganze alte Scheiße sich herstellen müßte Mit der ganzen alten Scheiße meint Marx Klassenunterdrückung, Ungleichheit und Ausbeutung. Die Stalinisten wiesen dieses materialistische Verständnis rundheraus zurück und predigten die Idiotie, der Sozialismus könne in einem einzigen Lande aufgebaut werden, wenn nur eine imperialistische Militärintervention verhindert werden könne. Mit dieser Perversion des Marxismus ging einher der Verrat der Stalinisten an proletarischen Revolutionen weltweit. In der Sowjetunion war das Endergebnis eine verheerende kapitalistische Konterrevolution. In China hat stalinistische Misswirtschaft eine Gesellschaft hervorgebracht, die von Widersprüchen und sozialer Unzufriedenheit strotzt.
In der Volksrepublik China kann man heute beides sehen: die gewaltigen Vorteile, die ein Sturz des kapitalistischen Systems mit sich bringt vor allem eine wirtschaftliche Wachstumsrate, die die von kapitalistischen Neokolonien wie Indien bei weitem in den Schatten stellt wie auch die zutiefst negativen Auswirkungen stalinistischer bürokratischer Herrschaft. Letztere beinhalten eine stark angestiegene Ungleichheit, das Wachstum neuer, mit der parasitären Bürokratie verflochtener bürgerlicher Kräfte und die drohende Gefahr einer kapitalistischen Konterrevolution, die die von Chinas Arbeiter- und Bauernmassen erkämpften Errungenschaften zerstören würde. Eine leninistisch-trotzkistische Partei muss geschmiedet werden, um Chinas riesige und mächtige Arbeiterklasse, an der Spitze der Bauern und der städtischen Armen, in einer proletarisch-politischen Revolution zu führen. Wie Trotzki in Verratene Revolution schrieb:
Es handelt sich nicht darum, eine herrschende Clique durch eine andere zu ersetzen, sondern darum, die Methoden selbst zu ändern, nach denen die Wirtschaft und die Kultur geleitet werden. Das bürokratische Selbstherrschertum muss der Sowjetdemokratie Platz machen. Die Wiederherstellung des Rechts auf Kritik und wirklich freie Wahlen ist die notwendige Vorbedingung für die weitere Entwicklung des Landes. Das setzt voraus, dass den Sowjetparteien, angefangen mit der Partei der Bolschewiki, die Freiheit wiedergegeben wird und dass die Gewerkschaften wiederauferstehen. Auf die Wirtschaft übertragen, bedeutet die Demokratie die radikale Revision der Pläne im Interesse der Werktätigen Die ,bürgerlichen Verteilungsnormen werden auf das unbedingt Notwendige zurückgeführt werden, um in dem Maße, wie der gesellschaftliche Reichtum wächst, der sozialistischen Gleichheit Platz zu machen Die Jugend wird frei atmen, kritisieren, sich irren und reifen können Schließlich wird die Außenpolitik zu den Traditionen des revolutionären Internationalismus zurückkehren.