Spartakist Nr. 163 |
Sommer 2006 |
Verteidigt den deformierten Arbeiterstaat China!
Für proletarisch-politische Revolution!
Nachfolgender Artikel wurde übersetzt aus Workers Vanguard Nr. 869, 28. April 2006, Zeitung unserer amerikanischen Genossen der Spartacist League/U.S.
In der letzten Zeit kamen Differenzen innerhalb der chinesischen Staatsbürokratie über die Richtung der Wirtschaftspolitik deutlich zum Vorschein. Eine Reihe von stalinistischen Bürokraten und Ideologen sind besorgt darüber, dass Entlassungen und andere Fehlentwicklungen Ergebnis von Beijings Marktreformen, die den Investitionen westlicher und japanischer Imperialisten und der chinesischen Übersee-Bourgeoisie Tür und Tor öffneten die Grundlage schaffen für eine unkontrollierbare soziale Explosion.
Unruhen richten sich gegen Korruption, soziale Ungleichheit, Verlust von Sozialleistungen und Beschlagnahmung von Bauernland durch Regierungsstellen ohne gerechte Entschädigung. Die Statistik der chinesischen Regierung spricht von 87 000 Protesten allein im letzten Jahr, in die Massen involviert waren ein Durchschnitt von etwa 240 pro Tag. Die Privatisierung vieler staatseigener Fabriken hatte zum Ergebnis, dass Millionen entlassen wurden. Die Unruhen haben bei einer Anzahl von Treffen und Foren, die von der KPCh (Kommunistische Partei Chinas) gesponsert wurden, zu Debatten geführt zwischen führenden Elementen der Bürokratie, die die wirtschaftliche Öffnung unvermindert fortsetzen wollen, selbst ernannten Neo-Marxisten, die das Wüten der Marktreformen durch stärkere staatliche Intervention im Zaum halten wollen, und maoistischen Konservativen, deren Ziel die Rückkehr zu einer bürokratisch geplanten Wirtschaft ist. Im März entbrannte auf einer Sitzung der gesetzgebenden Körperschaft, des Nationalen Volkskongresses, eine Kontroverse über einen Gesetzesvorschlag zum Schutz privater Eigentumsrechte, mit dem Ergebnis, dass der Gesetzentwurf erst einmal auf Eis gelegt wurde.
Die Situation in China wirft ein Schlaglicht auf das trotzkistische Verständnis, dass dieses Land ein deformierter Arbeiterstaat ist, in dem eine privilegierte, parasitäre Bürokratie auf den vergesellschafteten Eigentumsformen thront, die durch die Revolution von 1949 geschaffen wurden. Die Bürokratie lässt sich von dem Wunsch leiten, ihre Privilegien zu schützen, und verteidigt daher das Staatseigentum nur insoweit, als sie das Proletariat fürchtet. Wir als Marxisten haben die Position, dass eine vergesellschaftete Wirtschaft mit zentralisierter Wirtschaftsplanung auf der Grundlage von Arbeiterdemokratie von entscheidender Bedeutung für die Entwicklung der Produktivkräfte ist. Marxisten wollen die schöpferische Kraft der Menschheit frei setzen, die durch das kapitalistische System und frühere Formen einer in Klassen geteilten Gesellschaft gefesselt ist. Diese Vorstellung von einer kommunistischen Zukunft setzt eine weltweite Wirtschaftsordnung voraus, die darauf basiert, dass die Produktionsmittel der fortgeschrittenen kapitalistischen Länder durch internationale proletarische Revolution enteignet wurden.
Unsere Broschüre Marktsozialismus in Osteuropa (August 1989) erklärt dazu:
Die stalinistischen Regime haben eine eigene Tendenz, die zentrale Planwirtschaft preiszugeben zugunsten von wirtschaftlichen Arrangements, die folgende wesentliche Merkmale tragen: Produktionsmenge und Preise werden bestimmt durch den atomisierten Wettbewerb zwischen einzelnen Betrieben; die Investitionshöhe sowie die Gehälter des Managements und die Löhne der Arbeiter sind an die Rentabilität des Unternehmens gekoppelt; unrentable Betriebe werden stillgelegt, das Ergebnis ist Arbeitslosigkeit; Preissubventionen werden abgeschafft, das Ergebnis ist eine höhere Inflationsrate; der Einfluss der kleinkapitalistischen Unternehmer wird erweitert, besonders im Dienstleistungssektor; verstärkte Wirtschafts- und Finanzbeziehungen zum westlichen und japanischen Kapitalismus, einschließlich Joint ventures, werden gefördert. Diese Maßnahmen laufen nicht auf einen schleichenden Kapitalismus hinaus, wie es viele westliche bürgerliche Kommentatoren und auch nicht wenige konfuse Linke behaupten. Dennoch werden dadurch die inneren Kräfte für eine kapitalistische Konterrevolution gestärkt.
Die grundlegende Schwäche der zentralen Planung in China, wie sie unter Mao Zedong existierte, bestand darin, dass sie auf bürokratischen Kommandos und Willkür beruhte und nicht auf Sowjetdemokratie (Arbeiterräten). Das Ergebnis beschrieb Leo Trotzki hinsichtlich der Sowjetunion unter Stalin in Verratene Revolution (1936): Die Sowjetproduktion scheint geprägt vom grauen Stempel der Indifferenz. In einer nationalisierten Wirtschaft sind die Demokratie des Produzenten und Konsumenten, Kritik- und Initiativfreiheit, d. h. Bedingungen, die mit einem totalitären Regime der Angst, der Lüge und der Kriecherei unvereinbar sind, die Voraussetzung für Qualität.
Viele der regierungskritischen Bürokraten und Intellektuellen zumindest diejenigen, denen das KPCh-Regime jetzt gestattete, sich öffentlich zu äußern haben ein bescheidenes Reformprogramm, dessen letztendliches Ziel es ist, die Herrschaft der stalinistischen Bürokratie zu bewahren. Sie fordern einfach mehr regulierende Eingriffe des Staates nicht einmal unbedingt eine Rückkehr zur staatlichen Planung. Ein Vertreter dieses Trends ist Cheng Enfu, leitender Direktor des Instituts für Marxismus an der chinesischen Akademie für Sozialwissenschaften, der erklärte: Wenn man marxistische Wirtschaftsvorstellungen akzeptiert, wird man auch der Meinung sein, dass die Regierung eine gewisse Kontrolle über die Marktwirtschaft haben sollte (Knight Ridder, 22. Februar).
Cheng war am 12. März in New York City bei einem Treffen des Left Forum [Linkes Forum] als Redner geladen zu dem Thema: Was Marxisten über Chinas gegenwärtige Entwicklung denken. Cheng bezeichnete sich als Neo-Marxist und erklärte, in China sei der Anteil des Privateigentums zu hoch und in einer privatisierten kapitalistischen Gesellschaft ist es unmöglich, Harmonie zu verwirklichen. Gleichzeitig verteidigte er Beijings Politik der Öffnung d. h. gegenüber dem kapitalistischen/imperialistischen Eindringen als sehr richtig.
Ein Spartacist-Sprecher aus dem Publikum nahm zunächst jene Forumsteilnehmer aufs Korn, die argumentierten, dass in China der Kapitalismus restauriert worden sei. Für die Sozialdemokraten und andere hinter dem Left Forum ist die Vorstellung, dass China kapitalistisch sei, eine passende Rechtfertigung für die Weigerung, China gegen die Imperialisten zu verteidigen. Unser Genosse führte aus: China ist nicht kapitalistisch. Den Kern der Wirtschaft bildet vergesellschaftetes Eigentum... Wir treten ein für die bedingungslose militärische Verteidigung des deformierten Arbeiterstaats China gegen einen imperialistischen Angriff und eine Konterrevolution. Dann erklärte er, dass wir Gegner der stalinistischen Misswirtschaft sind:
Notwendig ist eine politische Revolution, um Arbeiterdemokratie zu errichten und dadurch den Arbeiterstaat zu stärken. Ein weiteres entscheidendes Problem der Wirtschaft ist auch, dass sie auf dem antimarxistischen Dogma vom ,Sozialismus in einem Land aufgebaut wurde. Das Problem des Mangels in China und das trifft für die gesamte Welt zu kann nur durch eine internationale sozialistische Revolution gelöst werden.
Ein Regime von Arbeiter- und Bauernräten würde wieder eine zentrale Planwirtschaft errichten und damit einhergehend ein staatliches Außenhandelsmonopol. Gleichzeitig würde es versuchen, aus der internationalen Arbeitsteilung Nutzen zu ziehen durch Förderung eines hohen Niveaus von Exporten und Importen, und es würde Wirtschaftsvereinbarungen mit den USA und anderen Kapitalisten neu verhandeln zum Vorteil der Arbeiter.
Eine logische Konsequenz aus Sozialismus in einem Land ist das vergebliche Streben der Bürokratie nach friedlicher Koexistenz mit dem Imperialismus, eine Politik, die schon immer die Verteidigung der Arbeiterstaaten unterminiert hat, nicht zuletzt durch den Verrat an proletarischen Revolutionen auf der ganzen Welt. Als Chinas Präsident Hu Jintao im April in Washington George W. Bush überschwänglich begrüßte, erinnerte das daran, dass Beijing den Krieg gegen Terror unterstützt, der sich gegen Arbeiter, die Unterdrückten und überhaupt jeden richtet, von dem die US-Imperialisten denken, dass er ihnen im Weg steht. Washington verfolgt eine Doppelstrategie zur Vorbereitung der kapitalistischen Konterrevolution in China, eine Kombination von ökonomischer Durchdringung und militärischem Druck. Die USA und Japan haben stärkere militärische Zusammenarbeit vereinbart, dazu gehört ein Abkommen, Taiwan zu verteidigen und der militärischen Bedrohung durch China entgegenzutreten. Bush ermutigt auch Indiens Atomprogramm mit dem Ziel, die militärische Schlinge um China weiter zuzuziehen.
Es ist die historische Rolle der chinesischen Arbeiterklasse, eine leninistisch-trotzkistische Partei aufzubauen, die den Kampf für eine proletarisch-politische Revolution führen kann. Wie unsere Genossen der Spartakist-Gruppe Japan in dem Artikel Warum China nicht kapitalistisch ist Verteidigt die Errungenschaften der Revolution von 1949, weitet sie aus! (WV Nr. 850, 10. Juni 2005) schrieben:
Die chinesischen Arbeiter und Bauern haben in den vergangenen zehn Jahren viele Kämpfe geführt, aber diese verlaufen isoliert voneinander und haben keine Führung mit der Perspektive, die politische Herrschaft der Bürokraten zu stürzen und die Macht in die Hände von Arbeiter-, Soldaten- und Bauernsowjets zu legen. Eine internationale trotzkistische Partei würde nicht nur die spontanen und örtlich begrenzten Arbeiterkämpfe koordinieren und führen, sondern auch den Kampf gegen die korrupte Bürokratie in China mit dem der Arbeiter Nordkoreas und Vietnams gegen deren stalinistische Herrscher verbinden. Eine solche Partei würde Hand in Hand mit ihren Genossen in Japan arbeiten, die für eine Arbeiterrevolution kämpfen, und gemeinsam mit den Klassenkämpfen der militanten philippinischen und südkoreanischen Arbeiter gegen deren kapitalistische Herrscher.