Spartakist Nr. 161 |
Winter 2005/2006 |
Infineon-Streik: Polizei-Angriff auf Streikende
Punkt null Uhr am 24. Oktober traten die Arbeiter von Infineon in München-Perlach in den Streik und legten die Produktion lahm. Sie kämpften gegen die Bedrohung ihrer Existenz durch die Vernichtung von 800 Jobs wegen der geplanten Schließung ihres Werks. Sechs Stunden vor dem ursprünglich geplanten Streikbeginn machten kämpferische Streikpostenketten der IG Metall alle Tore dicht. Die Arbeiter hatten Pläne der Bosse mitbekommen, Streikbrecher vor Streikbeginn in den Betrieb zu schleusen. Verstärkt durch Abordnungen von Vertrauensleuten und Betriebsräten von Siemens, BMW, MAN und anderen blockierten über hundert Arbeiter zwei Busse voller Streikbrecher, die um 4.30 Uhr auftauchten. Türkische und andere immigrierte Arbeiter spielten eine sehr wichtige, kämpferische Rolle bei den Streikpostenketten. Und auch die Arbeiterinnen standen in der ersten Reihe. Dutzende Polizisten rückten an und versuchten, die Eröffnung einer Gasse für die Streikbrecher zu erzwingen. Doch die Streikbrecher kamen nicht durch. Ein Team unserer Genossen, das sich gerade wegen unserer Abokampagne in der Region befand, fuhr gleich am Montagmorgen zu Infineon, reihte sich in die Streikpostenkette ein, verkaufte unsere Zeitung und diskutierte mit den Arbeitern.
Im Laufe des ersten Tages nahmen die Provokationen der Bosse dramatisch zu. In einem potenziell tödlichen Angriff auf die Streikpostenkette fuhr ein Streikbrecher-Bus einen Arbeiter an, der ins Krankenhaus musste. Zum Glück stellten sich die Verletzungen als nicht schwer heraus. Immer wieder versuchten Streikbrecher zu Fuß in den Betrieb zu gelangen. Bei einer weiteren Eskalation wurde eine Arbeiterin von einem als Zivilisten getarnten Bullen angegriffen und ging zu Boden. Als andere Streikposten ihr zur Hilfe eilten, zog der Bulle eine Pistole und bedrohte sie! Dies war Auftakt zu einem Bullenangriff auf die Arbeiter. Einem, der zu Boden gegangen war, wurden die Arme auf den Rücken verdreht. Zwei wurden festgenommen. Doch die Streikpostenkette stand. Diese brutale Polizeiprovokation ist eine Bedrohung des elementaren Rechts auf Streik. Die Arbeiterbewegung und Linke muss dagegen protestieren! Nieder mit Polizeiterror gegen Streikpostenketten! Solche Staatsprovokationen gegen Streiks müssen durch den Aufbau von Massenstreikpostenketten beantwortet werden. Für Massenstreikpostenketten, die niemand überquert! Potenzial gab es genug. Die Abordnungen der Gewerkschaftsaktivisten, die unter Opferung ihres Urlaubs auf eigene Initiative aus Metallbetrieben ganz Bayerns gekommen waren, zeigen das. Wenn diese Angriffe eines beweisen, dann ist es, dass die Polizei kein Teil der Arbeiterbewegung ist, sondern die professionellen Streikbrecher im Dienst der Kapitalistenklasse. Doch anstatt andere Belegschaften zu mobilisieren, organisiert die sozialdemokratische Gewerkschaftsführung die streikbrecherische Polizei im Gewerkschaftsbund! Polizei raus aus dem DGB!
Schon bevor der Streik losging, verschickten die Infineon-Bosse Drohbriefe an die Belegschaft, in denen sie mit Sanktionen und Entlassung drohten, falls man sich am Streik beteiligt. Gleichzeitig versuchten sie, in Dresden Streikbrecher zu mobilisieren, nach dem Motto, sonst wären die Dresdner oder die Leute aus Regensburg dran. Skandalöserweise wurden sie dabei vom Dresdner Betriebsratsvorsitzenden der streikbrecherischen Arbeitsgemeinschaft Unabhängiger Betriebsangehöriger (AUB) unterstützt. Wichtig war, dass eine IG-Metall-Vertrauensleutedelegation aus dem Dresdener Infineon-Werk da war, die mit einem Transparent gegen Streikbruch eintraten. Sie hatten vorm Werk in Dresden ein Flugblatt verteilt, in dem sie die Belegschaft aufriefen, sich nicht als Streikbrecher gegen die Münchner missbrauchen zu lassen. Sie erklärten gegen die Bosse: Aber sie sind nicht nur Spalter der Belegschaften, nein, sie treiben mit ihrer Politik auch die Spaltung zwischen Ost und West voran, indem sie ostdeutsche Arbeiter als Streikbrecher missbrauchen und damit uns der Schamlosigkeit preisgeben. Durch die kapitalistische Wiedervereinigung wurde fast die gesamte Industrie in der Ex-DDR zerstört und eine fast tariflose Niedriglohn-Zone geschaffen, wodurch die Arbeiterklasse in Ost und West gespalten wird. Durch ihren Kampf konnten die Infineon-Arbeiter deutlich bessere Abfindungen durchsetzen, aber von einem Sieg kann nicht die Rede sein, da das Werk trotzdem geschlossen wird. Kurz darauf kündigten die Infineon-Bosse am 17. November die Zerschlagung des Konzerns und die Auslagerung der Chip-Produktion an, was das Aus für Dresden bedeuten kann. Das zeigt, wie Klassenzusammenarbeit mit den Bossen den Arbeiterinteressen schadet. Für eine klassenkämpferische Gewerkschaftsführung!