Spartakist Nummer 159 (Spartakist-Jugend)

Sommer 2005

Kirchen, NGOs und CIA-Kohle

Sozialforen – ein Schwindel

Nachfolgend drucken wir die Übersetzung eines Artikels aus Workers Hammer Nr. 191, Sommer 2005, ab.

Wenn die Kampagne „Make Poverty History“ [Lasst Armut Geschichte sein] tatsächlich irgend etwas damit zu tun hätte, gegen die Geißel von Armut, AIDS, Analphabetentum sowie allseitiges Elend und Mittellosigkeit der Völker Afrikas anzugehen, würde sie dann von Tony Blair und Gordon Brown unterstützt werden? Diese Irak-Schlächter versuchen, Labours Popularität bei den Wählern zu Hause wiederherzustellen und das Ansehen des blutgetränkten britischen Imperialismus aufzupolieren. Hinter ihnen steht ein ganzer Klüngel von Prominenten, religiösen Wohltätigkeitsvereinen, NGOs [Nichtregierungsorganisationen], Gewerkschaftsbürokraten und Reformisten wie der Socialist Workers Party (SWP, in Deutschland Linksruck), die den Schwindel „Make Poverty History“ unterstützen.

Nicht jeder lässt sich von Tony Blairs und Gordon Browns neu entdeckter Sorge um die Belange der Armen übertölpeln. In einem Brief an den Glasgower Herald (6. Juni) gibt es die trockene Bemerkung: „Gordon Browns Ernsthaftigkeit über die Ausmerzung der Armut ist so ernsthaft wie und direkt proportional zu seiner Bereitschaft, eine Demonstration von Bankiers, Finanziers und Aktienhändlern durch die Straßen von Edinburgh zu führen mit einem Banner ,Lang lebe die Kubanische Revolution!‘“. Was imperialistische Heuchelei über Hilfe für die „Dritte Welt“ angeht, so finden wir gut, wie Engels 1845 bürgerliche Wohltätigkeit charakterisiert hat. An die englische Bourgeoisie gerichtet schrieb er: „Als ob dem Proletarier damit gedient wäre, daß ihr ihn erst bis aufs Blut aussaugt, um nachher eure selbstgefälligen, pharisäischen Wohltätigkeitskitzel an ihm üben zu können und vor der Welt als gewaltige Wohltäter der Menschheit dazustehen, wenn ihr dem Ausgesogenen den hundertsten Teil dessen wiedergebt, was ihm zukommt!“ (Die Lage der arbeitenden Klasse in England). Die arbeitenden Massen und Unterdrückten der Welt „bis aufs Blut aussaugen“ ist genau das, worum es bei den G8 geht.

Für diejenigen, die gegen das G8-Treffen protestieren wollen, sich aber nicht dem Wanderzirkus „We are the world“ anschließen möchten, gibt es die eiserne Faust staatlicher Repression. Monatelang haben die Boulevardpresse und andere Medien die Schauergeschichten der Polizei von „gewalttätigen“ Anarchisten, die den G8-Gipfel angreifen, nachgeplappert. Eine Armee von 10.000 Bullen wurde mobilisiert; ein fünf Meilen langer Zaun wurde errichtet um das Fünf-Sterne-Hotel in Gleneagles, wo das Treffen stattfinden wird; und es wurde berichtet, dass die USA einen Flugzeugträger voller Marines vor der Westküste Schottlands stationieren.

Das sind die Methoden, wie die kapitalistischen Herrscher mit jedem Protest, der ihrer Meinung nach gegen ihre Herrschaft gerichtet ist, umzugehen pflegen: staatliche Repression einerseits und politische Übernahme andererseits. An der Spitze der Mechanismen zur Übernahme von „Anti-Globalisierungs“-Protesten stehen das Welt-Sozialforum (WSF) und das Europäische Sozialforum (ESF), die hauptsächlich von denselben Kräften geführt und organisiert werden, die „Make Poverty History“ anführen. Von Anfang an, seit 2001, wurden diese Sozialforen dazu benutzt, die Welle von Massenprotesten zu entschärfen, die sich gegen G8, Welthandelsorganisation (WTO), Internationaler Währungsfonds (IWF) und andere imperialistische Agenturen richten und für die die Proteste von Seattle 1999 ein Beispiel sind. Der Zweck war es, radikale Jugendliche wegzuholen von offenen Auseinandersetzungen mit den Kräften des kapitalistischen Staats und sie hinter der „demokratischen Alternative“ des parlamentarischen Reformismus zusammenzutreiben, aber gleichzeitig so zu tun, als wären diese Schwatzbuden „außerparlamentarisch“. Der Einsatz von Tränengas, Wasserwerfern und Kugeln des kapitalistischen Staats, wie im Juli 2001 in Genua geschehen, galt niemals dem WSF und ESF, denn diese Sozialforen wurden von verschiedenen Agenturen der imperialistischen Herrscher unterstützt und finanziert.

Das liegt daran, dass die Sozialforen und die so genannte „antikapitalistische“ Bewegung in Wirklichkeit keine grundsätzliche Bedrohung für die kapitalistische Herrschaft darstellen. Ihre Organisatoren teilen den vorherrschenden Mythos der „nachsowjetischen“ Welt: dass Klassenkampf gegen die kapitalistische Ordnung ein Ding der Vergangenheit sei; dass die Arbeiterklasse als ein Faktor für gesellschaftliche Veränderungen ohne Bedeutung sei und das Beste, was man erreichen könne, sei es, dem System ein „menschliches“ Antlitz zu geben. In Wahrheit ist das kapitalistische System wie eh und je von der Arbeiterklasse abhängig, die die Macht hat, den Kapitalismus zu stürzen. Um das zu erreichen, muss sich die Arbeiterklasse bewusst werden, dass ihre eigenen Interessen mit denen der Kapitalisten unvereinbar sind. Die Sozialforen sind ein Hindernis für dieses Klassenbewusstsein.

Sozialforen und staatliche Finanzierung

Die Europäischen und Welt-Sozialforen wurden alle vom kapitalistischen Staat desjenigen Landes finanziert, in dem sie jeweils stattfanden, und erhielten offizielle Unterstützung entweder von der bürgerlichen Stadtregierung oder vom Bürgermeisteramt. Die Liste der Sponsoren für das WSF beinhaltete nicht nur die Regierung der Stadt Porto Alegre, die Landesregierung von Rio Grande do Sul und die Bundesregierung von Brasilien, sondern auch die Banco do Brasil und ihre größte Erdöl-Gesellschaft, Petrobras! Das ESF von 2002 wurde von der Stadt Florenz finanziert und das ESF von 2003 in Paris von der Chirac-Regierung. Das Londoner ESF von 2004 hatte als Geldgeber und Gastgeber das Bürgermeisteramt von New Labour unter Ken Livingstone, der die imperialistische Bombardierung Serbiens unterstützt und den Polizeiterror gegen „antikapitalistische“ Demonstranten am Maifeiertag 2000 bejubelt hatte.

Die Sozialforen waren ebenfalls alle dominiert von den zu Unrecht so bezeichneten „Nichtregierungs“organisationen (NGOs). Natürlich sind diese Organisationen, die von Kirchen und kapitalistischen Staaten die Zustimmung und einen Großteil ihrer Geldmittel erhalten, kaum unabhängig von den Regierungen, denen gegenüber sie zur Rechenschaft verpflichtet sind. Wohltätigkeitsvereine sind seit langem das „menschenfreundliche“ Gesicht imperialistischer Einmischung und von multinationalen Konzernen, die danach streben, die Länder der „Dritten Welt“ wirtschaftlich auszuplündern. Bekannte NGOs bei Sozialforen waren Oxfam, War on Want und Christian Aid. Der Hauptsponsor von NGOs rund um die Welt sind die Vereinten Nationen, die selber geschaffen wurden, um den Verwüstungen durch den Imperialismus, besonders den US-Imperialismus, einen menschenfreundlichen Anstrich zu geben. Zu dieser Tradition passend erhielt das Welt-Sozialforum in Porto Alegre im Januar 2003 eine Unterstützungsbotschaft von UN-Generalsekretär Kofi Annan.

Wie das alte Sprichwort sagt: „Wes Brot ich ess, des Lied ich sing.“ Und während all die Sozialforen gegen die wahrlich grausame und durchgeknallte Bush-Regierung in den USA wettern, gehören zu den Geldgebern des WSF immerhin solche Stiftungen wie der Rockefeller Brothers Fund und die Ford Foundation. Die Rockefeller-Stiftung wurde benutzt, um das Ansehen der Rockefellers wieder aufzubessern, nachdem bei dem Massaker am 20. April 1914 in Ludlow, Colorado, 20 Menschen – einschließlich Kindern – von Firmen-Wachschutz und -Miliz während eines erbitterten Kampfes der Bergarbeitergewerkschaft ermordet wurden. Die Ford Foundation wurde 1936 bekannt auf dem Gipfel der Arbeiterkämpfe in der Automobilindustrie der USA. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde sie zu einem Kanal für CIA-Gelder an antikommunistische Machenschaften rund um die Welt.

Während die Welt-Sozialforen von manchen der berüchtigtsten Agenturen des US-Imperialismus finanziert wurden, waren sie nicht so freundlich zu denjenigen, die man für eine potentielle Bedrohung der Interessen des Imperialismus hielt. Die Erklärung in der Grundsatz-Charta des WSF: „Weder RepräsentantInnen von Parteien noch militärische Organisationen können am Forum teilnehmen“, wurde dazu benutzt, die Zapatistas auszuschließen sowie die FARC (Revolutionäre Armee von Kolumbien). Selbst die Madres de Plaza de Mayo, eine Organisation von Müttern der Linken, die während der argentinischen Militärdiktatur 1976–1983 „verschwunden“ worden sind, wurde vom WSF 2002 ausgeschlossen. Andererseits wurden verschiedenen kapitalistischen Regierungschefs – die an der Spitze von „besonderen Formationen bewaffneter Menschen“ stehen, besser bekannt als kapitalistischer Staat – ein herzliches Willkommen entgegengebracht.

Ein scharfsinniger Artikel von Rajani X Desai mit der Überschrift „The Economics and Politics of the World Social Forum“ in Aspects of India’s Economy (September 2003) erfasste den Zweck und Charakter der Sozialforen:

„Während mehrere politische Kräfte, die für einen Systemwechsel kämpfen, von den WSF-Treffen ausgeschlossen wurden, waren politische Führer der imperialistischen Staaten scharenweise anwesend. Nicht nur das WSF als Institution erhält Gelder von Agenturen, die gebunden sind an imperialistische Interessen und Operationen, sondern auch unzählige Institutionen, die am WSF teilnehmen, sind von solchen Agenturen abhängig. Die Auswirkungen davon kann man an der Geschichte einer dieser Agenturen sehen, der Ford Foundation, die international mit der Central Intelligence Agency [CIA] der USA eng zusammengearbeitet hat und in Indien geholfen hat, die Regierungspolitik zu Gunsten der amerikanischen Interessen zu gestalten.“

Linker Deckmantel für Klassenzusammenarbeit

Die Tatsache, dass die Welt- und Europäischen Sozialforen alle von verschiedenen kapitalistischen Regierungen und Agenturen gekauft und bezahlt wurden, ist kein großes Problem für die SWP. Wie SWP-Führer (und prominenter Sprecher auf der Bühne von Sozialforen) Alex Callinicos es schamlos formulierte: „Wir haben alle verstanden, dass ein Massen-Sozialforum Geld braucht, und Geld bedeutet Kompromisse“ (International Socialist Tendency Discussion Bulletin, Januar 2005). In der Tat! Solche Ansichten sind kaum eine Eigenart von Callinicos. Das erste Welt-Sozialforum im Jahr 2001 wurde teilweise organisiert vom pseudo-trotzkistischen Vereinigten Sekretariat (VS). Dort wurden junge Radikale mittels scherzhafter „Teilnehmer-Etats“ im Verwalten einschneidender Sparmaßnahmen für den kapitalistischen Staat geschult. Das WSF war für die kapitalistischen Gönner, die es finanzierten, das Geld wert. Heute verwaltet die Arbeiterpartei (PT) des brasilianischen Präsidenten Lula – mit der Hilfe eines „Genossen Ministers“, der ein Mitglied des VS ist – den kapitalistischen Staat in Brasilien und befolgt sklavisch die Befehle des IWF, indem sie der verarmten Bevölkerung einschneidende Sparmaßnahmen verordnet.

Beim letzten WSF im Januar wurde Lula von vielen Teilnehmern kräftig ausgepfiffen, die gegen seine offene Gefügigkeit gegenüber und Zusammenarbeit mit IWF und Weltbank sind. Aber die Wahrheit ist, dass Lula die Politik und das Programm des WSF auf der Ebene der Staatsmacht repräsentiert. Genau das ist bekannt als Volksfront: ein klassenkollaborationistischer politischer Block von Organisationen der Arbeiterklasse mit kapitalistischen Agenturen, bei dem die Politik des proletarischen Teils des Blocks untergeordnet ist der Politik der Bourgeoisie, der Verteidigung des bürgerlichem Staates und des Kapitalismus. Wie Lulas Regierung in Brasilien werden Volksfronten von den Herrschern eingesetzt, damit sie den Arbeitern den Kahlschlag effektiver verkaufen, als es die diskreditierten bürgerlichen Parteien können.

Da Lula inzwischen wegen seiner Angriffe auf brasilianische Arbeiter und Bauern diskreditiert ist, war der neue Held des WSF 2005 Venezuelas Präsident Hugo Chávez. Das war eine ziemliche Kehrtwende, denn zum WSF 2003, als er gegen die Versuche der US-Regierung, ihn zu stürzen, kämpfte, war er nicht eingeladen und bekam keinen offiziellen Status, als er trotzdem auftauchte. Chávez‘ Beliebtheit bei den Unterdrückten in Venezuela rührt von der Tatsache her, dass er die Öl-Einnahmen dazu benutzt hat, Reformen zugunsten der Armen einzuführen, und dass er nicht als ein Lakai der USA gilt. Aber das sind noch nicht einmal grundlegende Strukturreformen, schon gar keine soziale Revolution, und sie unterliegen den Schwankungen der Weltmarktpreise für Erdöl.

Chávez ist ein bürgerlicher Nationalist, der für den Kapitalismus in Venezuela regiert. Nationalistischer Populismus und wirtschaftlicher Neoliberalismus sind lediglich alternative Methoden der Herrschaft derselben Kapitalistenklasse. Es ist eine Tatsache, dass viele der Großgrundbesitzer und Kapitalisten in Venezuela über Chávez schimpfen wie auch die Neokonservativen in der Bush-Regierung, die im April 2002 einen Militärputsch gegen ihn unterstützt hat. Aber rationalere Vertreter des Imperialismus sehen in Chávez, mit seiner populären Anziehungskraft, einen Mann, dem man vertrauen kann, dass er ihre Investitionen schützt. Den Sieg von Chávez 2004 beim Volksentscheid über seine Abberufung wurde als ein Garant für „Stabilität“ begrüßt von solchen Sprachrohren des Imperialismus wie der Financial Times und der New York Times. Wie wir in Workers Vanguard Nr. 831, 3. September 2004, schrieben (übersetzt in Spartakist Nr. 156, Herbst 2004):

„Die sich unmittelbar aufdrängende Perspektive besteht nicht nur darin, sich den Vorstößen des US-Imperialismus in Venezuela und anderen Ländern zu widersetzen; man muss auch dafür kämpfen, die Unterstützung der Arbeiterbewegung für Chávez oder die Opposition zu erschüttern und eine revolutionäre internationalistische Arbeiterpartei zu schmieden, um die Arbeiterklasse zur Macht zu führen. Das erfordert einen unnachgiebigen Kampf gegen den Nationalismus in Venezuela, der die Klassenlinien vernebelt. Nur der siegreiche Kampf für die Herrschaft der Arbeiterklasse, das heißt eine sozialistische Revolution auf dem gesamten amerikanischen Kontinent, wird den Landlosen Land garantieren und es den Ölarbeitern und anderen Proletariern ermöglichen, in den Genuss des durch ihre Arbeit geschaffenen Reichtums zu kommen.“

Indem die Sozialforen bürgerliche Nationalisten wie Chávez als Kämpfer gegen „Globalisierung“ hinstellen, machen sie sich nützlich gegen den Kampf um eine sozialistische Revolution und ketten die Arbeiterklasse an ihre „eigene“ nationale Kapitalistenklasse. Tatsächlich wurden die Welt-Sozialforen alle deshalb in Ländern der „Dritten Welt“ wie Brasilien und Indien abgehalten, um die Klassengegensätze zwischen der Arbeiterklasse dieser Länder und ihren einheimischen bürgerlichen Ausbeutern zu verbergen. Die Botschaft war, man könne sich darauf verlassen, dass die Bourgeoisie des „Globalen Südens“ sich „den Menschen“ anschließt und gegen „Globalisierung“ kämpft. Aber die Hauptsorge der Kapitalisten der „Dritten Welt“ gilt der Verteidigung ihrer Profite, bei der sie von den Imperialisten abhängig sind und für die sie die maximale Ausbeutung der Arbeiterklasse brauchen.

Mit demselben Ziel, die Ausgebeuteten an ihre Ausbeuter zu ketten, schürt das ESF die Illusion in ein humanes „Soziales Europa“ unter dem Kapitalismus, im Gegensatz zum „neoliberalen“ Modell, das von den USA und Britannien repräsentiert wird. Gerade die Propaganda für diese Vision eines „Sozialen Europas“ hat das ESF attraktiv gemacht für die prokapitalistischen Gewerkschaftsführer sowie die sozialdemokratischen Politiker vom ganzen Kontinent. Die politische Perspektive des Europäischen Gewerkschaftsbundes wurde von dessen Generalsekretär bei den Protesten gegen den EU-Gipfel 2000 in Nizza zum Ausdruck gebracht: „Nötig ist die Einbeziehung der Gewerkschaften und NGOs in die Entscheidungsfindungs-Strukturen in Brüssel... Wir stimmen zu, dass Europa konkurrenzfähiger werden muss, ja. Aber das neue Europa muss ebenfalls eine würdevolle Lebensqualität für alle seine Bürger beinhalten“ (zitiert in „The Economics and Politics of the World Social Forum“). „Konkurrenzfähiger“ werden bedeutet, größere Profite aus dem Schweiß und der Schufterei der Arbeiterklasse herauszuholen. Die Bürokraten des britischen Trades Union Congress (TUC) unterstützten das ESF 2004 in London und benutzten es als Gelegenheit, um Sobhi Al-Mashadani vom Irakischen Gewerkschaftsbund (IFTU) auftreten zu lassen, der eine Marionette des Marionettenregimes der Imperialisten im Irak ist. Dies war nach der Konferenz der Labour Party, wo auf Geheiß der Gewerkschaftsbürokraten ein anderer IFTU-Repräsentant, Abdullah Muhsin, die imperialistische Besetzung unterstützte, indem er mit dafür sorgte, dass ein Antrag abgeschmettert wurde, der einen schnellen Abzug britischer Truppen aus dem Irak forderte.

Workers Power im Banne ihrer eigenen Hypnose

In ihrer Broschüre Anti-Capitalism: Summit Sieges and Social Forums [Anti-Kapitalismus: Gipfel-Belagerungen und Sozialforen] (2005) posiert die Liga für die Fünfte Internationale (L5I) von Workers Power [in Deutschland Gruppe Arbeitermacht, GAM] als linker Kritiker von WSF-Organisatoren wie Bernard Cassen und Susan George von ATTAC, einer Organisation, die gegründet wurde, um für eine Steuer auf internationale Finanztransaktionen und gegen „Neoliberalismus“ einzutreten. Trotz der Tatsache, dass ihre Büros mit Unterstützern der Kommunistischen Partei Frankreichs und des VS besetzt sind, gibt ATTAC nicht vor, gegen Kapitalismus zu sein. Es ist eine völlig bürgerliche Organisation, die mit ihren engen Beziehungen zur französischen Volksfront-Regierung von Lionel Jospin geprahlt hat. Doch in Bezug auf Cassen und George argumentiert die L5I: „Wir brauchen keinerlei künstliche Spaltung mit ihnen herbeizuführen. Aber ebenso brauchen wir uns vor einer Spaltung mit ihnen nicht zu fürchten. Wenn wir entschlossen vorangehen, werden sie uns sofort im Stich lassen.“ Mit einer „künstlichen Spaltung“ meint die L5I eine Spaltung entlang von Klassenlinien. Die L5I ist nicht gegen Klassenzusammenarbeit; sie will bloß eine militantere Volksfront.

Tatsächlich haben L5I, Workers Power und ihre Jugendgruppe Revolution die verrückte Vorstellung, dass sie nicht nur eine „Bewegung“, sondern sogar eine „revolutionäre“ Partei aus diesen klassenübergreifenden, staatlich finanzierten Bündnissen aufbauen können: „Die antikapitalistische Bewegung, die Arbeiterbewegung, die Bewegung der rassisch und national Unterdrückten, Jugendliche, Frauen, alle muss man zusammenbringen, um eine neue Internationale zu schaffen – eine Weltpartei der sozialistischen Revolution“ (Anti-Capitalism: Summit Sieges and Social Forums). Workers Power beschwert sich lauthals über die Vorherrschaft rechter Bürokraten und versucht gleichzeitig, „demokratische Strukturen“ innerhalb der Sozialforen zu erreichen, um die Umwandlung der Bewegung hinzukriegen. Sie drängen darauf, „Initiativen wie die Versammlung Sozialer Bewegungen“ zu nutzen, „um dauerhafte Delegierten-basierte, gewählte Koordinierungsgremien vorzuschlagen, die den Weg bereiten können für einen strukturierten Kongress, in dem organisatorische und politische Vorschläge ausdiskutiert, geändert und angenommen werden können“.

In der Gleichung von Workers Power gibt es keinerlei Kampf gegen den ganzen Zweck dieser Sozialforen, die auf der Aufrechterhaltung des kapitalistischen Systems aufbauen und lediglich versuchen, ihm eine „demokratischere“ und „menschenfreundlichere“ Kosmetik zu verpassen. Aber selbst Workers Power ist gezwungen zuzugeben, dass diesen Versammlungen eine Konzeption fehlt vom „kapitalistischen Staat als dem Feind“, von „der Arbeiterklasse als der Kraft“ und vom „Sozialismus als der einzig möglichen Basis für die ,andere Welt‘, die sie aufbauen will“ (Workers Power, März 2005).

Die Wirklichkeit der Klassenzusammenarbeit wurde krass deutlich beim ersten ESF in Florenz 2002. Die L5I schwärmte: „Die reine Euphorie darüber, ,tout ensemble‘ (alle zusammen) zu sein, bedeutete, dass sogar unverbesserliche Reformisten wie revolutionäre Energiebündel sprachen. Auch wurde jeder mitgerissen von der Dringlichkeit, alles Mögliche zu tun, um George Bushs Krieg gegen den Irak zu stoppen.“ „Alles Mögliche“ beinhaltete einen expliziten Appell an Europas imperialistische Herrscher, sich gegen die US-Pläne zur Invasion des Irak zu stellen, unterzeichnet von einem Spektrum der europäischen Linken einschließlich SWP, Workers Power und Revolution bei einem Brüsseler Treffen zur Vorbereitung des ESF von Florenz. Darin hieß es: „Wir fordern alle Staats- und Regierungschefs Europas auf: Sprechen Sie sich öffentlich gegen diesen Krieg aus, unabhängig davon, ob die UNO ihn am Ende billigt oder nicht! Fordern Sie von George W. Bush, auf seine Kriegspläne zu verzichten“ (Liberazione, 13. September 2002). Dieser jämmerliche Appell an die „friedliebenden“ kapitalistischen Herrscher Europas dient nur dazu, die Ausgebeuteten an ihre Ausbeuter zu ketten.

Die Hauptakteure hinter dem ESF von Florenz waren italienische reformistische Massenparteien wie Rifondazione comunista (RC) und Demokratische Linke (DS). In den 1990er-Jahren bildete DS einen Teil der „Olivenbaum“-Koalitionsregierung, die im Dienste des italienischen Imperialismus Terror gegen Immigranten und scharfe Angriffe auf die Arbeiterklasse durchführte. Bis Ende 1998 bildete RC eine stillschweigende Koalition mit DS. Das ESF bietet diesen vollendeten Volksfront-Politikern eine billige Möglichkeit, Unterstützung zurück zu gewinnen, so dass sie wieder an die Regierung kommen können. Ebenso wurde das Pariser ESF organisiert von der Kommunistischen Partei (PCF) und Alain Krivines pseudotrotzkistischer Ligue communiste révolutionnaire (LCR). Dieselben Kräfte arbeiten heute in Frankreich, wo Chiracs Regierung völlig diskreditiert ist durch die Abstimmung gegen die EU-Verfassung, fieberhaft daran, ein neues Bündnis der Klassenzusammenarbeit zusammenzustellen, in der Hoffnung, die Regierung zu übernehmen. Das bedeutet, die Angriffe auf Sozialleistungen durchzuführen und auch den rassistischen „Krieg gegen den Terror“.

Die Volksfront: keine Taktik, sondern das größte Verbrechen

Die grundlegende Aufgabe revolutionärer Marxisten ist es, die Arbeiterklasse und radikale Jugendliche von der Vorstellung zu brechen, sie könnten eine gemeinsame fortschrittliche Zukunft mit den Vertretern der herrschenden Kapitalistenklasse aushandeln, die verantwortlich ist für Ausbeutung, imperialistischen Krieg, Rassismus sowie Frauen- und sexuelle Unterdrückung. Da die Arbeiterklasse den Reichtum der kapitalistischen Gesellschaft produziert, und die Profite der Bourgeoisie, ist sie der einzige Faktor mit der sozialen Macht und dem objektiven Interesse, das kapitalistische System zu stürzen und seinen Staat zu zerschmettern. Dies erfordert eine sozialistische Revolution, die die Diktatur der Bourgeoisie durch einen Arbeiterstaat ersetzt, der eine vergesellschaftete, geplante Wirtschaft verteidigen und verwalten wird. Im internationalen Rahmen würde damit die Grundlage geschaffen, den Mangel zu beseitigen und für die Bedürfnisse der ganzen Menschheit zu produzieren. Das einzige Werkzeug, das den proletarischen Kampf für den Sturz des Kapitalismus organisieren kann, ist eine revolutionäre Avantgardepartei.

Das ist entgegengesetzt zur Klassenzusammenarbeit der Sozialforen. Die Sozialforen – zugeschnitten auf die Ansichten von Aktivisten, die genug haben von parlamentarischer Politik und Parteien – sind Volksfronten, die den Mythos verbreiten, ein „Volksbündnis“ mit angeblich „fortschrittlichen“ Kapitalisten könne mit den verheerenden Auswirkungen des Imperialismus Schluss machen. Die Volksfront war die bevorzugte Waffe der Stalinisten in den 1930er-Jahren, eingesetzt zu dem Zweck, eine Arbeiterrevolution zu verhindern. Trotzki war vehement gegen die Volksfront und warnte unablässig vor ihren schrecklichen Konsequenzen für die Arbeiterklasse. Wie der damalige trotzkistische Führer James Burnham 1937 in seiner Broschüre „The People’s Front, the New Betrayal“ [Die Volksfront, der neue Verrat] betonte:

„Wenn das Proletariat, durch seine Parteien, sein eigenes unabhängiges Programm aufgibt, heißt das, dass es sein unabhängiges Funktionieren als Klasse aufgibt... Durch das Akzeptieren des Programms der Volksfront akzeptiert es damit die Ziele eines anderen Teils der Gesellschaft; es akzeptiert das Ziel der Verteidigung des Kapitalismus, während die ganze Geschichte beweist, dass nur der Sturz des Kapitalismus den Interessen des Proletariats dienen kann.“

Die Volksfront hatte oft blutige Konsequenzen für die Arbeiterklasse und die Unterdrückten. Ein klassisches Beispiel ist Chile 1973, wo Salvador Allende und seine reformistischen Kollegen die revolutionär gesinnte Arbeiterklasse in eine Koalitionsregierung mit den Kapitalisten führten. Allende gelobte, die kapitalistische Ordnung und den Staat nicht in Frage zu stellen; er beendete die Landbesetzungen der Bauern und die Übernahme von Fabriken durch Arbeiter. Mit Hilfe des US-Imperialismus wandte sich die chilenische Bourgeoisie dann an General Augusto Pinochet, um die Arbeiterklasse und ihre Führer (einschließlich Allende) anzugreifen, und errichtete eine brutale Militärdiktatur, die 30.000 Menschen umbrachte.

Von Seattle zu den Sozialforen

In der Hoffnung, militante Jugendliche anzusprechen, die die Sozialforen als endlose Schwatzbuden verachten, plädiert die L5I für eine Rückkehr zu den Straßendemonstrationen von Seattle und Genua. Ihre Broschüre verkündet: „Fünf Jahre lang hat unsere Bewegung die Gipfel der Reichen und Mächtigen belagert... Sie muss zur Straße zurückkehren und ihre Absicht durch direkte Massenaktion zeigen; eine Welt aufzubauen ohne Klassen, Unterdrückung, Rassismus, Krieg und Imperialismus.“ Aber die Politik des WSF ist eine Erweiterung und kein Gegensatz zu der Politik von Seattle. Zwar war Seattle für viele Jugendliche attraktiv, die gegen die internationalen Auswirkungen des Kapitalismus sind, aber politisch hatten dort die Sozialdemokraten und Gewerkschaftsbürokraten das Sagen, die mit ihren antikommunistischen Tiraden gegen China die Interessen der imperialistischen Herrscher wiedergeben; deren Ziel ist die Wiederherstellung des Systems der kapitalistischen Ausbeutung im chinesischen deformierten Arbeiterstaat. Protest durch „direkte Aktion“ auf der Grundlage von proimperialistischer Volksfrontpolitik ist nichts anderes als „militante“ Klassenzusammenarbeit.

Hintergrund für die starke Vermehrung der Sozialforen sind die Konterrevolution in der ehemaligen UdSSR und die ideologische Kampagne der Bourgeoisie vom „Tod des Kommunismus“. Typisch für den Rückgang des Bewusstseins, der durch die Zerstörung der Sowjetunion herbeigeführt wurde, ist die bei jungen Linken weit verbreitete Vorstellung, dass die Arbeiterklasse bedeutungslos sei als Faktor für eine gesellschaftliche Veränderung oder bloß ein weiteres Opfer von Unterdrückung. Unterdessen rechtfertigen Gewerkschaftsbürokraten jetzt den Verrat von Arbeiterkämpfen damit, dass sie argumentieren, „Globalisierung“ mache den Klassenkampf ineffektiv, weil die Kapitalisten die Produktion leicht in Niedriglohnländer Asiens oder Osteuropas verlagern können. Es hat zwar in den letzten Jahrzehnten bestimmte quantitative Veränderungen in der Weltwirtschaft gegeben, aber „Globalisierung“ ist kein qualitativ neues Phänomen. Die Tatsache, dass die kapitalistische Marktwirtschaft „global“ ist, dass Banken und Konzerne diejenigen (Niedriglohn-)Länder aussuchen, wo sie den höchsten Gewinn machen können, und die Internationalisierung des Finanzkapitals wurden von W. I. Lenin vor fast 90 Jahren erklärt:

„Der Imperialismus ist der Kapitalismus auf jener Entwicklungsstufe, wo die Herrschaft der Monopole und des Finanzkapitals sich herausgebildet, der Kapitalexport hervorragende Bedeutung gewonnen, die Aufteilung der Welt durch die internationalen Trusts begonnen hat und die Aufteilung des gesamten Territoriums der Erde durch die größten kapitalistischen Länder abgeschlossen ist.“ (Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus)

Armut, Krankheit, Ausbeutung und Krieg sind keine Abweichungen im kapitalistischen System, sondern ein wesentlicher Bestandteil seiner Funktionsweise. Nur durch den Sturz des Kapitalismus können die Produktivkräfte so entwickelt werden, dass sie der gesamten Menschheit einen würdigen Lebensstandard bieten.

Als es nach dem Polizeimord an dem linken Demonstranten Carlo Giuliani in Genua 2001 eine internationale Hexenjagd gegen „Direkte-Aktion“-Anarchisten des Schwarzen Blocks gab, machte die Masse der sozialdemokratischen Linken in der Anti-Globalisierungs-Bewegung bei der Hetze mit, den Schwarzen Block als Gewalttäter und Provokateure hinzustellen. Wir von der IKL stachen hervor mit unserer offenen Verteidigung des Schwarzen Blocks gegen den kapitalistischen Staat und seine Lakaien. Gleichzeitig betonten wir:

„Den sehr zahlreichen jungen Radikalen, die von den ,Anti-Globalisierungs‘-Protesten in den letzten Jahren angezogen wurden, stellt sich die Frage: Wie verändert man die Welt? Zwar haben die Proteste mit Erfolg die Imperialisten dazu gezwungen, ihre zukünftigen Treffen in abgelegenen Provinznestern zu planen, doch dies behindert das Funktionieren des kapitalistischen Systems nicht im geringsten. Die Abschaffung von imperialistischer Ausbeutung erfordert eine politische Mobilisierung des Proletariats in einer gründlichen sozialistischen Revolution...

Notwendig ist eine neue, revolutionäre Führung der Arbeiterklasse, ein Volkstribun und Kämpfer für die Belange aller Unterdrückten. Es ist notwendig, mit der Politik der Klassenzusammenarbeit zu brechen, die von denen betrieben wird, die im Namen des ,kleineren Übels‘ die lebenswichtigen Interessen des Proletariats den Interessen seiner kapitalistischen Ausbeuter und Unterdrücker unterordnen. Es ist notwendig, eine revolutionäre Arbeiterpartei zu schmieden, die dafür kämpft, eine Arbeiterregierung zu errichten durch eine sozialistische Revolution gegen das gesamte kapitalistische System.“ („Blood and Bullets in Genoa“ [Blut und Kugeln in Genua], Workers Vanguard Nr. 762, 3. August 2001)

Wir Marxisten von der Spartakist-Jugend und der Internationalen Kommunistischen Liga verstehen, dass der Kampf für die Unabhängigkeit der Arbeiterklasse die Voraussetzung ist für die Emanzipation der Menschheit durch sozialistische Revolution. Unsere Haltung zu den Sozialforen, wie zu jeder anderen Volksfront, ist die, dass wir durch unsere Interventionen, in denen wir diesen Betrug präzise charakterisieren und erklären, gegen sie auftreten. Damit versuchen wir diejenigen, die wirklich gegen Unterdrückung und Ausbeutung kämpfen wollen, für ein internationalistisches, revolutionäres, proletarisches Programm zu gewinnen. Wir sind stolze Kommunisten und lehnen es ab, Lakaien der Sozialdemokraten, Gewerkschaftsbürokraten und ihrer kapitalistischen Herren zu sein. Tust du das auch – dann schließ dich uns an!