Spartakist Nummer 157

Winter 2004/2005

Lehren des Opel-Streiks:

Für eine klassenkämpferische Gewerkschaftsführung!

Keine Entlassungen, Werkschließungen, Lohnraub oder Maßregelungen!

Volle Staatsbürgerrechte für alle Immigranten!

Für eine Arbeiterregierung, die die Kapitalisten enteignet!

Brecht mit der Sozialdemokratie, ob SPD oder PDS!

Nachfolgend drucken wir ein Spartakist-Flugblatt vom 1. November 2004 ab.

Die Arbeiter von Opel Bochum haben auf die von den GM-Bossen angedrohten Massenentlassungen und Werkschließungen machtvoll reagiert mit einem Streik und der Besetzung der Tore, so dass an die anderen europäischen GM-Fabriken keine Teile mehr ausgeliefert werden konnten. Die IG-Metall-Führung agitierte von Anbeginn für den Abbruch des Streiks und viele Arbeiter waren verunsichert, weil sie gegen ihre Führung streikten. Gleichzeitig brachten bürokratische Manöver des Betriebsrats und der IG-Metall-Führung bei der Opel-Betriebsversammlung die Führung des Streiks zum Schweigen. Eine Ausweitung des Streiks war enorm wichtig, damit er gewinnen konnte. Notwendig war, alle GM-Fabriken dicht zu machen. Aber nicht nur bei GM. Ver.di und transnet hätten Solidaritätsstreiks von Lastwagenfahrern, Hafen- und Bahnarbeitern organisieren müssen, so dass keine Autos und keine Teile für andere GM-Fabriken transportiert werden konnten.

Den Arbeitern bei VW wird jetzt mit Massenentlassungen von 30 000 gedroht und es sollen 30 Prozent der Lohnkosten eingespart werden, wogegen erste Warnstreiks stattfanden. Gegen die zunehmenden Angriffe ist gemeinsamer internationaler Klassenkampf notwendig, statt „Friedenspflicht“ und verräterische „Sozialpartnerschaft“, die von der sozialdemokratischen Gewerkschaftsführung gepredigt wird. Notwendig ist der Bruch mit der Politik der Klassenzusammenarbeit, die von Gewerkschaftsbürokraten betrieben wird, die mit der SPD-Regierung und den Bossen unter einer Decke stecken. Die Angriffe kann nur eine Führung zurückschlagen, die nicht bereit ist, die Interessen der Arbeiter ihren imperialistischen Herrschern unterzuordnen. Für eine klassenkämpferische Gewerkschaftsführung! Im nächsten Kampf müssen gewählte Streikkomitees an die Stelle der Gewerkschaftsbürokraten treten! Für Streikpostenketten, die niemand überquert! Für gewerkschaftliche Ordnertrupps, die die Streikposten gegen Streikbrecher und die professionellen Streikbrecher der Polizei verteidigen! Wenn mit Werkschließungen gedroht wird, dann müssen die Betriebe besetzt werden, was die Frage stellt, welche Klasse herrscht! Die Arbeiter können nicht gewinnen, wenn nach den Regeln der Bosse gespielt wird.

Der Streik bei Opel hat einen Geschmack gegeben von der potenziellen ökonomischen Macht der Arbeiterklasse. Jetzt geht es darum, die politischen Lehren zu ziehen. Die prokapitalistischen Gewerkschaftsführungen denken, dass die Gewerkschaften ihnen gehören. Wir brauchen einen politischen Kampf gegen die sozialdemokratischen Ausverkäufer. Für eine klassenkämpferische Führung, die die Kämpfe führt in dem Bewusstsein, dass die Manager und Besitzer der Fabriken keine Partner sind, sondern unsere Feinde, egal ob sie Deutsche oder Amerikaner sind oder sonst wo herkommen. Dagegen wird aber von Gewerkschaftsbürokraten und auch von „Linken“ deutscher Nationalismus betrieben, wie von der PDS-nahen jungen Welt (19. Oktober), die den Ersten Bevollmächtigten der IG Metall Bochum, Ludger Hinse, zitiert: „Dies ist ein gutes Zeichen von Europa nach Amerika, dass das ‚alte Europa‘ sich nicht alles gefallen lässt.“ Die nationalistische Logik dahinter ist, dass deutsche Kapitalisten besser seien als amerikanische. Was aber ist mit den deutschen Kapitalisten wie z. B. DaimlerChrysler, die auf dem amerikanischen Kontinent nach der Übernahme von Chrysler durch Mercedes 26 000 Arbeiter feuerten oder die in Argentinien mit den Militärs kooperierten und in den 70er-Jahren Gewerkschafter an das brutale Militärregime auslieferten? Nieder mit der nationalistischen Ideologie vom „Standort Deutschland“, die die Arbeiter an ihre Unterdrücker kettet! Für internationale Solidarität mit den Klassenbrüdern und ­schwestern in Polen, der Türkei, Schweden, den USA usw. Polnische und andere Arbeiter aus osteuropäischen EU-Ländern werden rassistisch diskriminiert, da ihnen eine rechtmäßige Arbeitsaufnahme hier verweigert wird. Sie werden rechtlos gemacht, um sie noch mehr ausbeuten zu können und ihnen die Beteiligung an den Streiks und Kämpfen hier unmöglich zu machen. Die Gewerkschaften müssen alle Arbeiter organisieren, egal woher sie kommen und welchen Status sie haben. Nieder mit der rassistischen Festung Europa! Für die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa!

Brecht mit der Sozialdemokratie, ob SPD oder PDS!

Der Streik bei Opel Bochum hat gezeigt: Die Arbeiterklasse braucht keine neue sozialdemokratische Partei wie die Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit! Die Arbeiterklasse braucht eine Partei in der Tradition von Lenin, Liebknecht, Luxemburg und Trotzki, die nicht den Kapitalismus verwalten will, sondern dafür kämpft, das Eigentum den Bossen zu entreißen und die Kontrolle über die Industrie, die Banken und den Transport zu übernehmen. Wir brauchen eine Partei, die dafür kämpft, die Arbeiter zum Sturz des Kapitals, zur Enteignung der Industrie zu organisieren, und die die Gesellschaft von neuem in Gang setzt im Interesse von allen Arbeitern und Unterdrückten.

Die Gewerkschaftsführung und die Sozialdemokratie arbeiteten hart daran, den Streik zu isolieren und zu beenden. Sobald der Streik in anderen Werken Wirkung zu zeigen drohte, griff man zu einer breiten Diffamierungskampagne gegen „Extremisten“. Arbeitern in Bochum wurde von den Bossen mit fristloser Kündigung gedroht. IG-Metall-Boss Hinse hetzte im Tagesspiegel (19. Oktober), die MLPD habe der „ahnungslosen Weltpresse Interviews gegeben“, und die Frankfurter Rundschau assistierte: „Im Betriebsrat beschwert man sich intern über ‚Spaltungsversuche‘ von ‚KPD-Leuten‘“. Tatsächlich sind es Gewerkschaftsbürokraten wie Hinse und Gesamtbetriebsratsbonze Klaus Franz, die die Einheit der Arbeiter im Kampf spalteten, indem sie z. B. die Rüsselsheimer Arbeiter nicht in den Kampf führten und den Streik insgesamt hintertrieben. Schluss mit der antikommunistischen Hetze gegen kämpferische Arbeiter und Führer des Streiks! Ein Betriebsrat und ein Arbeiter der Endmontage bei Opel Bochum wurden fristlos entlassen, weil sie andere Arbeiter aufforderten mit zu streiken. Keine Maßregelungen gegen Streikführer und Arbeiter! Weg mit den fristlosen Entlassungen! Ein Angriff auf einen ist ein Angriff auf alle! Spendet für die bedrohten Arbeiter! Spendenkonten: „Solidaritätskreis Opel“, Sparkasse Bochum, BLZ 430 500 01, Konto-Nr. 741 63 40 oder „Sonderkonto Belegschaft Opel Bochum“, Degussa-Bank, BLZ 500 107 00, Konto-Nr. 23 54 48.

Die reformistische MLPD spielte tatsächlich eine Rolle bei dem Kampf und hat zum Teil das Vertrauen der Arbeiter gewonnen, weil sie als kämpferische Gewerkschafter anerkannt werden. Die MLPD kritisiert aber im Grunde nicht die existierende Gewerkschaftsführung und die Sozialdemokratie, da sie, wie es der MLPD-Vorsitzende Stefan Engel in Bochum am 21. Oktober rechtfertigte, die Einheit mit den sozialdemokratischen Arbeitern im Kampf nicht gefährden wolle. In einem Streik oder einer anderen Aktion will man die breitest mögliche Einheit der Arbeiter in der Aktion erreichen; das kann aber nicht mit einem unkritischen Schweigen über die Führung erreicht werden, die gerade versucht, die Arbeiterklasse zu spalten, weil sie die Einheit mit den Kapitalisten sucht und der kapitalistischen SPD/Grünen-Regierung verpflichtet ist. Im Sommer hatte die MLPD über den Kampf bei DaimlerChrysler sogar der Gewerkschaftsführung Rückendeckung gegeben, als die MLPD-nahe Betriebszeitung Die Stoßstange schrieb: „Mit der Einführung der 40-Stunden-Woche als Regelarbeitszeit in Sindelfingen sind sie nicht durchgekommen! Dieser Erfolg ist nicht hoch genug einzuschätzen“ („Ein zukunftsweisender Kampf – Arbeiterbewegung gestärkt“, 27. Juli). Was der Daimler-Abschluss tatsächlich bedeutet: Neu eingestellte Arbeiter bekommen wesentlich weniger Lohn, das Küchenpersonal – hauptsächlich Frauen – und andere, von denen viele Immigranten sind, müssen länger arbeiten ohne Lohnausgleich, während die machtvollen Produktionsarbeiter noch weitgehend verschont wurden. Die Arbeiterklasse wurde also weiter gespalten in Junge und Alte, Frauen und Männer, Immigranten und Deutsche. Letztlich sind die Bosse mit allen ihren Forderungen durchgekommen. Wer Niederlagen beschönigt und der Arbeiterklasse nicht die Wahrheit sagt, der wird die Arbeiter nicht zum Sieg führen können.

Die Angriffe der Kapitalisten finden statt vor dem Hintergrund der Massenarbeitslosigkeit in der früheren DDR und den anderen ehemaligen deformierten Arbeiterstaaten Osteuropas und der Sowjetunion. Die Konterrevolution in der DDR, die auch von der MLPD enthusiastisch begrüßt wurde, war der entscheidende Angriff auf die Errungenschaften der Arbeiterklasse. Wir Spartakisten verteidigten die geplante Wirtschaft der DDR und der anderen Arbeiterstaaten als den einzigen Weg gegen Massenarbeitslosigkeit und Verelendung der Arbeiterklasse. Um diese effektiv zu machen, brauchte es den Sturz der stalinistischen Bürokratie und deren Ersetzung durch in Fabriken und Kasernen gewählte Arbeiter- und Soldatenräte und die Ausweitung der Planwirtschaft auf die hoch entwickelten kapitalistischen Länder. Wir kämpften für die revolutionäre Wiedervereinigung Deutschlands durch eine politische Revolution im Osten und eine sozialistische Revolution im Westen!

Die Kapitalisten versuchen mit Hilfe ihrer SPD-geführten Regierung die Profitrate zu erhöhen, um mit dem US-Imperialismus konkurrieren zu können. Und zwar letztendlich auch militärisch; deshalb schwätzt SPD-Kriegsminister Struck davon, Deutschland am Hindukusch zu verteidigen. Der deutsche Imperialismus ist zurzeit nur schwächer, aber keineswegs friedliebender als sein US-Rivale. Bundeswehr raus aus dem Balkan und Afghanistan! Um das Geld dafür zu haben, müssen die Errungenschaften der Arbeiter, die in Klassenkämpfen durchgesetzt wurden, zerstört werden. Ein siegreicher Streik kann das Signal dafür sein, die ganzen Angriffe der SPD/Grünen-Regierung – von den Hartz-Gesetzen über Agenda 2010, den „Krieg gegen Terror“, welcher sich gegen Immigranten richtet, bis zu den Angriffen auf die Gewerkschaften, Tariflöhne usw. – zurückzuschlagen. Frauen und Immigranten haben eine wichtige Rolle in diesem Kampf gespielt. Immigranten, ihren Familien und Kindern droht mit der Einführung der Hartz-Gesetze bei längerer Arbeitslosigkeit der Verlust der unbeschränkten Aufenthaltserlaubnis, und Arbeiter, die Jahrzehnte hier gearbeitet haben, und ihre hier geborenen Kinder werden dann von Abschiebungen bedroht. Volle Staatsbürgerrechte für alle Immigranten! Noch mehr Frauen droht die verstärkte Abhängigkeit von Mann und Familie, wenn sie ihre Arbeit verlieren. Dagegen muss die Arbeiterbewegung kämpfen: Für kostenlose Kinderbetreuung rund um die Uhr! Gleicher Lohn für gleiche Arbeit! Für Frauenbefreiung durch sozialistische Revolution!

Nazis starteten am 19. Oktober in Bochum eine Provokation und versuchten ihr rassistisches, mörderisches Gift zu verbreiten. Sie werden mehr Zulauf bekommen, wenn die Angriffe der Kapitalisten nicht durch Klassenkampf zurückgeschlagen werden. Für Arbeiter/Immigrantenmobilisierung, um die Nazis von den Straßen zu fegen!