Spartacist (deutsche Ausgabe) Nummer 27

Frühjahr 2009

Gegen die Apologeten des Verrats der POUM, damals und heute

Trotzkismus kontra Volksfrontpolitik im Spanischen Bürgerkrieg

ÜBERSETZT AUS SPARTACIST, ENGLISCHE AUSGABE NR. 61, FRÜHJAHR 2009

Die Maitage von Barcelona im Jahr 1937 waren der Höhepunkt eines Jahrzehnts von Revolution und Konterrevolution in Spanien, das mit dem Sturz der Militärdiktatur von Primo de Rivera 1930 und dem Sturz der Monarchie ein Jahr später begonnen hatte und mit der Zerschlagung der Republik durch General Francisco Franco 1939 endete. Der Großteil der Bourgeoisie stellte sich hinter die Franco-Reaktion, die von Hitlers Deutschland und Mussolinis Italien unterstützt wurde. In der bürgerlichen republikanischen Regierung war nur der Schatten der Bourgeoisie vertreten, eine Handvoll Linksrepublikaner. Doch wie Trotzki immer wieder betonte, war dieser „Schatten“ der entscheidende Faktor für die Unterordnung der Arbeiterorganisationen unter die kapitalistische Ordnung und das Scheitern der proletarischen Revolution.

Parallel zum militärischen Konflikt zwischen Francos Streitkräften und den republikanischen Milizen tobte innerhalb des republikanischen Lagers ein Klassenkonflikt, bei dem die schwachen und zersplitterten Kräfte des bürgerlichen Staates versuchten, das bewaffnete aufständische Proletariat zu bändigen und zu unterdrücken mitsamt den embryonalen Machtorganen — den Milizen, Fabrikkomitees und Landwirtschaftskollektiven, die geschaffen worden waren, als die Arbeiter sich erhoben, um Francos Militärrevolte vom 19. Juli 1936 zurückzuschlagen. Im Zentrum dieses Konflikts stand Barcelona, Hauptstadt der Industriebastion Katalonien und Avantgarde des revolutionären Spaniens.

Wiederholte Zusammenstöße zwischen der Volksfrontregierung in Katalonien (der Generalitat) und den zum großen Teil anarchosyndikalistischen Arbeitern von Barcelona spitzten sich am Montag, den 3. Mai 1937 zu. Als die verhasste Sturmgarde (Guardia de Asalto) unter der Führung des stalinistischen Polizeichefs mit drei Lastwagen vorfuhr, um den Arbeitern der CNT (Nationale Föderation der Arbeit) die Telefónica (Haupttelefonzentrale) zu entreißen, die diesen strategischen Kommunikationsknotenpunkt besetzt hielten und kontrollierten, strömten Arbeiter überall in der Stadt auf die Straße und errichteten Barrikaden. Die bürgerlichen Streitkräfte wurden schnell in die Flucht geschlagen; Matrosen des Marinestützpunktes verbrüderten sich mit den Aufständischen. Ein Augenzeugenbericht von Lois Orr beschrieb die Episode:

„Am Dienstagmorgen beherrschten die bewaffneten Arbeiter den größten Teil von Barcelona. Die Montjuich-Festung, die den Hafen und die Stadt mit ihren Kanonen beherrscht, wurde von den Anarchisten gehalten; der Hafen Tibidabo und alle Vororte der Stadt, wo die Arbeiter wohnen, waren in ihren Händen; und die Regierungstruppen waren, außer bei einigen wenigen isolierten Barrikaden, zahlenmäßig weit unterlegen und im Zentrum der Stadt, dem bürgerlichen Viertel, zusammengeballt, wo sie leicht von allen Seiten eingeschlossen werden konnten, wie die Rebellen am 19. Juli 1936.“

—„May Events: A Revolution Betrayed“ [Mai-Ereignisse: eine verratene Revolution],
Information Bulletin, herausgegeben vom Internationalen Büro für die Vierte Internationale, Juli 1937

Für die heroischen Arbeiter Barcelonas war die Macht zum Greifen nah. Doch gegen Ende der Woche waren die Arbeiter entwaffnet und ihre Barrikaden niedergerissen — nicht als Folge einer militärischen Niederlage, sondern infolge von Sabotage, Verwirrung und Defätismus, den die Arbeiterirreführer verbreiteten. Den Kern der kapitalistischen Regierung Kataloniens bildeten, wie bei der Zentralregierung in Valencia (vorher in Madrid), die Stalinisten und Sozialisten (die sich in Katalonien zur Vereinigten Sozialistischen Partei [PSUC] zusammengeschlossen hatten) und die Anarchosyndikalisten der Iberischen Anarchistischen Föderation (FAI) und der von ihr geführten Gewerkschaftsföderation CNT. Die zentristische Arbeiterpartei der Marxistischen Einheit (POUM), die selber für kurze Zeit ein Teil der kapitalistischen Generalitat war, gab der Volksfrontregierung von außen her ein linkes Gesicht. Die Stalinisten waren als Erste in die Volksfrontregierung eingetreten und hatten am lautesten die Unantastbarkeit des Privateigentums verkündet — sie waren „die kämpfende Avantgarde der bürgerlich-republikanischen Konterrevolution“ (Leo Trotzki, „Klasse, Partei und Führung“, 20. August 1940, Revolution und Bürgerkrieg in Spanien 1931–39, ISP-Verlag, Frankfurt/Main, 1975/76). Doch sie konnten die Barrikaden nicht niederreißen. Diese Aufgabe wurde von den Führern der CNT/FAI und der POUM erledigt, deren Militante die Barrikaden besetzt hielten. Die CNT-Führung forderte von den Arbeitern: „Legt Eure Waffen nieder“ (zitiert in Felix Morrow, Revolution und Konterrevolution in Spanien, Verlag Ergebnisse & Perspektiven, Essen, 1976). Die POUM-Führung richtete sich nach der CNT und ihre Zeitung La Batalla (6. Mai 1937) ermahnte die Aufständischen, „die Straßen zu verlassen“ und „an die Arbeit zurück[zukehren]“ (ebd.).

„Das einzige, was gesagt werden kann, ist, dass es über die Kraft der Massen ging, mitten im Kampf eine neue Führung aufzubauen, die den Erfordernissen der Revolution entsprochen hätte“, schrieb Trotzki in „Klasse, Partei und Führung“ — ein infolge seiner Ermordung durch den spanischen Stalinisten und sowjetischen GPU-Attentäter Ramón Mercader unvollendet gebliebener Artikel. Als die aufständischen Arbeiter gegen den Verrat ihrer CNT/FAI- und POUM-Führer vor Wut kochten, waren es nur die linksanarchistischen Freunde Durrutis und die trotzkistische Bolschewistisch-Leninistische Sektion Spaniens (SBLE), die die Revolution voranzutreiben suchten. Wenngleich letztendlich unfähig, organisatorisch oder politisch mit der CNT/FAI zu brechen, drängten die Freunde Durrutis die Arbeiter zum Kampf für die soziale Revolution. Die Stimme des revolutionären Marxismus wurde nur von der winzigen SBLE erhoben, die in einem Flugblatt erklärte:

„LANG LEBE DIE REVOLUTIONÄRE OFFENSIVE

Keine Kompromisse. Entwaffnung der republikanischen Nationalgarde und der reaktionären Assalto-Garden. Dies ist der entscheidende Moment. Das nächste Mal wird es zu spät sein. Generalstreik in allen Industriezweigen, ausgenommen jenen, die mit der Fortführung des Krieges verbunden sind, bis zum Rücktritt der reaktionären Regierung. Nur die proletarische Macht kann den militärischen Sieg sichern.“

—SBLE-Flugblatt, 4. Mai 1937, Information Bulletin, Juli 1937

Das war der entscheidende Augenblick. Ein Sieg in Barcelona hätte zu einem Arbeiter- und Bauernspanien führen und Europa am Vorabend des Zweiten Weltkriegs in revolutionärem Kampf entflammen können. Die Niederlage öffnete wütender Repression Tür und Tor und führte zur Unterdrückung der POUM und der Ermordung oder Inhaftierung ihrer Führer. Indem die Volksfront so das Proletariat entwaffnet hatte, machte sie den Weg frei für Francos Streitkräfte und eine blutige Herrschaft rechtsgerichteter Reaktion.

Volksfront: die Frage aller Fragen

Eine kritische Aneignung der Lehren dieser Niederlage ist sieben Jahrzehnte später für die Wiederschmiedung einer trotzkistischen Vierten Internationale nach wie vor unerlässlich. Der wesentliche Ausgangspunkt für eine solche Kritik ist die Sammlung von Trotzkis Schriften, von denen viele in diesem Artikel zitiert werden, die auf Englisch in The Spanish Revolution [Die Spanische Revolution] erschienen sind [und auf Deutsch in Revolution und Bürgerkrieg in Spanien 1931–39, ISP-Verlag]. Eine umfangreichere Sammlung gibt es auf Französisch in La révolution espagnole (1930–1940) [Die Spanische Revolution] (Les Éditions de Minuit, Paris, 1975), den von Pierre Broué herausgebrachten Schriften von Trotzki. Auch die Schilderung, die Felix Morrow mitten im Bürgerkrieg schrieb, Revolution und Konterrevolution in Spanien, ist von unschätzbarem Wert. Morrows Buch, eine lebendige Darstellung des Heroismus der Arbeiter und des Verrats ihrer Führer, geht von einer marxistischen Analyse und einem marxistischen Programm aus. Mehrere Monate nach den Maitagen von Barcelona fasste Trotzki den Konflikt folgendermaßen zusammen:

„Auf dem Territorium des republikanischen Spaniens rangen auf diese Weise zwei unversöhnliche Programme miteinander. Einerseits das Programm der Rettung des Privateigentums vor dem Proletariat, koste es, was es wolle, und — soweit es möglich ist — Rettung der Demokratie vor Franco. Auf der anderen Seite das Programm der Vernichtung des Privateigentums auf dem Wege der Machteroberung durch das Proletariat. Das erste Programm bringt, durch Vermittlung der Arbeiteraristokratie, der Spitzen des Kleinbürgertums und insbesondere der Sowjetbürokratie, die Interessen des Kapitals zum Ausdruck. Das zweite Programm übersetzte in die Sprache des Marxismus die nicht voll bewussten, aber mächtigen Tendenzen der revolutionären Massenbewegung. Zum Unglück für die Revolution stand zwischen der Handvoll Bolschewiki und dem revolutionären Proletariat die konterrevolutionäre Scheidewand der Volksfront.“

—„Die spanische Lehre: eine letzte Warnung“, 17. Dezember 1937

Dass es keine revolutionäre Partei gab, die die Arbeiter hätte zum Sieg führen können, lag vor allem an der politischen Kapitulation von Andrés Nin und Juan Andrade, ehemaligen Führern der Kommunistischen Partei Spaniens (PCE), die Anfang der 1930er-Jahre an der Spitze der trotzkistischen Linken Opposition in Spanien standen. Nin und Andrade warfen das angesammelte Kapital des spanischen Kommunismus über Bord, um an prinzipienlosen Blöcken und Manövern zu basteln, wobei sie schließlich mit dem rechtszentristischen Arbeiter- und Bauernblock (BOC) von Joaquín Maurín fusionierten und 1935 die POUM gründeten, die daraufhin 1936 bei der bürgerlichen Volksfront und der kapitalistischen Regierung Kataloniens unterkroch. Im Verlauf der stürmischen Kämpfe der 1930er-Jahre in Spanien wurden aus den Halbrevolutionären Nin und Andrade erst Nichtrevolutionäre und dann Konterrevolutionäre. Ihr Versagen bedeutete, dass nur eine Handvoll Bolschewiki übrig blieben, die im Feuer der Schlacht — ohne ausreichende Erfahrung, Wurzeln oder Ressourcen — für den Neuaufbau des Kerns einer revolutionären Avantgarde auf der Grundlage des von Trotzki umrissenen programmatischen Kurses kämpfen mussten.

Die Volksfront, eine Koalition aus bürgerlichen und Arbeiterparteien, war das Instrument zur Erdrosselung der Spanischen Revolution. Die ansonsten unbedeutenden Linksrepublikaner in der Volksfront dienten als Garant dafür, dass die Volksfront zur Aufrechterhaltung der bürgerlichen Herrschaft verpflichtet war, „als Verkörperung des Prinzips der ,demokratischen‘ Revolution, d.h. der Unantastbarkeit des Privateigentums“ (ebd.). Apologeten der POUM, die die Frage dieser auf Klassenzusammenarbeit beruhenden Koalition als „unbedeutendes, zeitweiliges, technisches Wahlabkommen“ abtaten, griff Trotzki vernichtend an, indem er hervorhob: „Die allerwichtigste Frage ist gegenwärtig die der Volksfront. Die linken Zentristen versuchen, diese Frage als ein taktisches oder gar ein technisches Manöver hinzustellen, damit sie mit ihrem Kram im Schatten der Volksfront hausieren gehen können. In Wirklichkeit ist die Volksfront die Hauptfrage proletarischer Klassenstrategie in dieser Epoche. Sie bietet auch das beste Kriterium für die Differenz zwischen Bolschewismus und Menschewismus“ („Die POUM und die Volksfront“, 16. Juli 1936).

Das gilt nach wie vor. Unzählige Bücher und Artikel wurden über den Spanischen Bürgerkrieg geschrieben, meistens mit dem Zweck, die verräterische Politik der Volksfront, die der Niederlage den Weg ebnete, zu rechtfertigen. Zu den wenigen Ausnahmen gehört Lessons of the Spanish Revolution [Lehren der Spanischen Revolution] (Free Press, London, 1953) von dem Linksanarchisten Vernon Richards, der zumindest eine aufrichtige Schilderung des Verrats der CNT/FAI-Führer liefert. Verschiedene pseudotrotzkistische Historiker liefern hochgebildete Darstellungen, in denen sie zwar Trotzki ausgiebig zitieren, aber dennoch die POUM-Zentristen freisprechen, gegen die Trotzki sein Feuer richtete. Am bekanntesten sind der verstorbene Pierre Broué —der ein führendes Mitglied der französischen Lambert-Gruppe und ein Herausgeber von Trotzkis Schriften auf Französisch sowie der Autor mehrerer Werke über den Spanischen Bürgerkrieg war — und die britischen Labour-Anhänger um Revolutionary History, einer „überparteilichen“ Publikation, die von einem Spektrum pseudotrotzkistischer Einzelpersonen und Gruppen getragen wird. Revolutionary History veröffentlichte zwei Artikel von Andy Durgan, einem Unterstützer der reformistischen britischen Socialist Workers Party [marx21 in Deutschland], deren langjähriger Gründer/Führer Tony Cliff inzwischen verstorben ist („The Spanish Trotskyists and the Foundation of the POUM“ [Die spanischen Trotzkisten und die Gründung der POUM], Revolutionary History Bd. 4, Nr. 1/2, Winter 1991/92, und „Marxism, War and Revolution: Trotsky and the POUM“ [Marxismus, Krieg und Revolution: Trotzki und die POUM], Revolutionary History Bd. 9, Nr. 2, 2006).

Im Grunde läuft die Verteidigung von Nin und der POUM durch die Reformisten auf eine zynische Anbetung der vollendeten Tatsache hinaus, wonach das Scheitern der Spanischen Revolution „beweist“, dass eine Revolution in Spanien nicht möglich gewesen sei. Das wiederum ist nur Ausdruck ihrer eigenen sozialdemokratischen Ablehnung jedweden Kampfes um proletarische Staatsmacht heute. Nachdem diese Opportunisten die Kräfte der kapitalistischen Konterrevolution in der ehemaligen Sowjetunion und in den deformierten Arbeiterstaaten Osteuropas bejubelt haben, stimmen sie jetzt in das Geheule vom „Tod des Kommunismus“ ein, wonach die Russische Revolution sich bestenfalls als ein gescheitertes Experiment erwiesen habe. So schreiben sie die Möglichkeit einer proletarischen Revolution in der Zukunft ab und verleugnen, durch ihre Umschreibung der Geschichte, revolutionäre Gelegenheiten in der Vergangenheit.

Unser Kompass ist die russische Oktoberrevolution von 1917. Die Spanische Revolution ist ein lehrreiches Negativbeispiel für die Notwendigkeit, revolutionäre Arbeiterparteien vom bolschewistischen Typ zu schmieden. Ziel unserer Rückschau auf dieses entscheidende Kapitel in der Geschichte der revolutionären Arbeiterbewegung ist es, die zukünftigen Kader der leninistischen Avantgarde, die den Kampf für neue Oktoberrevolutionen überall auf der Welt führen wird, auszubilden und zu bewaffnen.

Die Russische Revolution und das Trienio Bolchevista

Die Oktoberrevolution hatte eine ungeheure Wirkung auf die Arbeiter und Bauern Spaniens, nicht zuletzt weil sie im zaristischen Russland ein Land sahen, das ihrem eigenen ähnelte. Auch dort hatte sich eine dekadente Monarchie auf eine in mittelalterlichem Obskurantismus versumpfte Staatskirche und ein riesiges adeliges Offizierkorps gestützt. Auch dort war eine zahlreiche Bauernschaft von einer aus dem alten Feudaladel hervorgegangenen Klasse der Grundbesitzer brutal ausgebeutet worden. Auch dort war das städtische Proletariat jung, roh und kämpferisch, gerade mal eine oder zwei Generationen entfernt von seinen bäuerlichen Ursprüngen. Und wie das zaristische Russland war Spanien ein „Völkergefängnis“ zur nationalen Unterdrückung des baskischen und des katalanischen Volkes innerhalb der Staatsgrenzen und zur kolonialen Unterdrückung Marokkos.

Unter der Führung von Lenins Bolschewiki hatte das multinationale Proletariat Russlands an der Spitze der Bauernmassen die Staatsmacht erobert und die Klassendiktatur der Ausbeuter durch eine Diktatur des Proletariats ersetzt, die auf der Grundlage demokratisch gewählter Räte (Sowjets) der Arbeiter, Bauern und Soldaten organisiert wurde. Die neue bolschewistisch geführte Regierung holte Russland aus dem interimperialistischen Blutbad des Ersten Weltkriegs heraus und rief die Arbeiter aller Länder dazu auf, ihrem Beispiel zu folgen und für eine sozialistische Weltrevolution und eine globale, klassenlose, egalitäre Gesellschaft mitzukämpfen.

Spanien selbst steckte mitten in sozialem Aufruhr, als die Nachricht vom bolschewistischen Sieg eintraf, und diese Neuigkeit elektrisierte die Arbeiter- und Bauernmassen. „Mehr als jeder andere Einzelfaktor war die Revolution für das Gefühl der Hoffnung verantwortlich, das — vage, doch unwiderstehlich — die katalanischen Massen in dieser Periode durchdrang und davon überzeugte, dass der Anbruch einer Gesellschaft der Gleichheit und Gerechtigkeit für die Arbeiter nicht länger ein Traum, sondern eine Möglichkeit war“, schreibt Gerald H. Meaker in seiner faszinierenden Schilderung dieser Zeit, The Revolutionary Left in Spain, 1914–1923 [Die revolutionäre Linke in Spanien, 1914–1923] (Stanford University Press, Stanford, California, 1974). Es grassierte das „russische Fieber“ im bäuerlichen Süden, vor allem in Andalusien, wo die drei Jahre der Bauernaufstände als Trienio Bolchevista bezeichnet wurden und Arbeiter in einigen Städten Republiken „vom bolschewistischen Typus“ ausriefen. überall waren probolschewistische Versammlungen und Kundgebungen gang und gäbe. Während eines einwöchigen Streiks in Valencia 1919 wurden Straßen und Plätze umbenannt in „Lenin“, „Sowjets“ und „Revolución de Octubre“.

Doch in Spanien gab es keine revolutionäre marxistische Partei. Die Sozialistische Arbeiterpartei Spaniens (PSOE) nahm den Marxismus für sich in Anspruch, ähnelte jedoch mehr den russischen Menschewiki: Sie vertagte den Kampf für den Sozialismus auf die Zeit nach der Verwirklichung einer bürgerlich-demokratischen Etappe und lehnte die revolutionäre Mobilisierung der Arbeiterklasse ab zugunsten von bürgerlichem Parlamentarismus und Blockbildung mit der „demokratischen“ Bourgeoisie. Wenn auch Spanien im Ersten Weltkrieg offiziell neutral war, so stand die PSOE-Führung auf der Seite der „demokratischen“ Imperialisten Britannien und Frankreich (und ihrem autokratischen russischen Verbündeten) gegen Deutschland, das vom spanischen Thron unterstützt wurde. Der von der PSOE geführte Allgemeine Arbeiterbund (UGT) war älter und bei Kriegsausbruch bedeutend größer als die anarchosyndikalistische CNT, doch die militantesten Schichten der Arbeiterklasse in den Industriezentren von Katalonien orientierten sich nicht am Marxismus, sondern am Anarchismus.

Der spanische Anarchismus hatte seine Wurzeln in der ländlichen Bauernschaft und bei den kleinen Handwerkern in der städtischen Wirtschaft, die sich von der Industrialisierung bedroht fühlten. Die spanische Sektion der Ersten Internationale stellte sich größtenteils auf die Seite des Anarchisten Bakunin, als es zwischen ihm und Marx Anfang der 1870er-Jahre zur Spaltung kam. Schon am Anfang des 20. Jahrhunderts hatte sich in den nördlichen Gebieten Spaniens — vor allem in Asturien, der Provinz Biskaya und in Katalonien — eine ansehnliche Arbeiterklasse herausgebildet. Doch besonders in Katalonien, einem Zentrum des Anarchismus, basierte diese vor allem auf der Leichtindustrie und nicht auf modernen Fabriken, in denen Tausende von Industriearbeitern unter einem Dach konzentriert sind, wie es in Russland für den Wyborger Bezirk in St. Petersburg, eine bolschewistische Hochburg, typisch war. In Spanien passte sich der Anarchismus an den Aufstieg des Industrieproletariats durch die Bildung einer syndikalistischen Arbeiterbewegung an. Die Anarchosyndikalisten erkannten die einzigartige soziale Macht des Proletariats im Kampf gegen den Kapitalismus an, hatten aber wie die Anarchisten eine feindliche Einstellung gegenüber allen Parteien und Staaten und jeglicher Form zentralisierter Autorität.

Obwohl die CNT nach ihrer Gründung 1911 drei Jahre lang verboten war, wuchs sie mitten in den gesellschaftlichen Turbulenzen der Kriegsjahre und der Nachkriegszeit rasch an und gab 1919 voller Stolz eine Mitgliedschaft von 700000 an. Während die CNT wuchs, spaltete sich ihre Führung zunehmend in „reine“ Anarchisten wie Buenaventura Durruti — der sich Bakunins Vision einer Gesellschaft von kleinen autonomen Kommunen zu eigen machte und oft in guerilla-artigen/terroristischen „Affinitätsgruppen“ operierte — und „reine“ Syndikalisten wie Angel Pestaña, die im Grunde Gewerkschaftsreformisten waren, ganz ähnlich wie der PSOE/UGT-Führer Francisco Largo Caballero.

Sowohl in der sozialistischen als auch in der anarchosyndikalistischen Bewegung waren die Auswirkungen der bolschewistischen Revolution spürbar. Pazifistische/neutralistische Elemente, die gegen die alliiertenfreundliche Linie (Aliadofilismo) der PSOE-Mehrheit auftraten, schlossen sich zusammen aufgrund ihrer Unterstützung der Russischen Revolution und ihrer Opposition zur Etappenpolitik und politischen Blockbildung der Menschewiki mit liberalen bürgerlichen Parteien; doch dieser breite linke Flügel war auch gegen einen Bruch mit der reformistischen PSOE-Mehrheit. Als Erste spalteten sich von den Sozialisten 1920 die Jungsozialisten in Madrid unter der Führung von Juan Andrade ab. Mit ihren verhältnismäßig geringen und unerfahrenen Kräften verkündeten sie die Gründung der Kommunistischen Partei. Im folgenden Jahr spaltete sich ein Flügel der PSOE, dessen Hauptbasis in Asturien und Biskaya war, ebenfalls in Solidarität mit der Kommunistischen Internationale (KI) ab. Die organisatorische Einheit der beiden Parteien wurde erst 1922 nach starkem Drängen seitens der Komintern erreicht.

Die Wirkung des Russischen Oktober auf die militanten Gewerkschafter der CNT war wohl noch stärker. Einiges von der anfänglichen Begeisterung bei den radikalen Anarchisten beruhte zum Teil auf dem Missverständnis, dass die russischen „Maximalisten“, also die Bolschewiki, eigentlich Anarchisten seien. Doch wie Meaker bemerkt: „Unter dem Zauber der bolschewistischen Revolution begannen spanische Anarchisten wie nie zuvor sich Gedanken zu machen über die Nützlichkeit von Autorität und die Gründe für Gewalt. Die Idee der Diktatur des Proletariats begann sich bei ihnen überraschender Beliebtheit zu erfreuen, und es gab eine wachsende Akzeptanz für die leninistische Aussage, dass Revolutionen organisiert werden müssen, dass nicht alles dem Treiben der Spontaneität überlassen werden könne“ (Meaker, a.a.O.). Gegen die reformistische Sozialdemokratie gerichtet, bekräftigte Lenins Staat und Revolution (1917) erneut die unverfälschte marxistische Auffassung, dass der bürgerliche Staat zerschlagen und durch eine neue Staatsform, einen Arbeiterstaat, ersetzt werden müsse. Diese Schrift hatte auf Anarchisten in Spanien sowie auch international eine besondere Wirkung.

Doch sollte aus diesem fruchtbaren Boden keine kommunistische Massenpartei hervorgehen. Dieser Misserfolg lag vor allem an der Neutralität Spaniens im interimperialistischen Ersten Weltkrieg. Weder die PSOE noch die CNT erlebte eine derartig scharfe Polarisierung, wie sie in der Arbeiterbewegung der kriegführenden Länder vor sich ging. In diesen Ländern suhlten sich die sozialdemokratischen Irreführer in patriotischen Appellen zur „Verteidigung des Vaterlandes“ und wurden zu Rekrutierungsunteroffizieren ihrer „eigenen“ imperialistischen Herrscher, was erbitterte Spaltungen mit den Internationalisten provozierte, die an der revolutionären Einheit der Arbeiterklasse festhielten. (Selbst dann war die Spaltung zwischen dem reformistischen und dem revolutionär-internationalistischen Flügel anfangs häufig verwässert durch das Entstehen großer zentristischer Formationen wie derjenigen um Karl Kautsky in Deutschland.) Die Kommunistische Internationale zog viele Anarchisten und revolutionäre Sozialisten an, die vom erbärmlichen bürgerlichen Parlamentarismus der Zweiten Internationale abgestoßen worden waren — z.B. Victor Serge, Alfred Rosmer in Frankreich und eine Reihe von Aktivisten der International Workers of the World (IWW) in den USA, unter ihnen der Mitbegründer des amerikanischen Kommunismus und spätere Trotzkist James P. Cannon. Die 1921 gegründete Rote Gewerkschaftsinternationale, auch Profintern genannt, versuchte solche syndikalistischen Elemente zu erreichen, mit ihnen zu arbeiten und sie für den Kommunismus zu gewinnen.

Andrés Nin und Joaquín Maurín waren Führer des kommunistisch-syndikalistischen Flügels der CNT in Barcelona und kämpften für den Anschluss der CNT an die Kommunistische Internationale. Beide reisten 1921 nach Moskau, um an der Gründungskonferenz der Profintern teilzunehmen, die mit dem Dritten Weltkongress der KI zusammenfiel. Maurín kehrte nach Spanien zurück, wurde jedoch erst 1924 Mitglied der PCE. Seine in Katalonien konzentrierten Kommunisten-Syndikalisten behielten praktisch ihre völlige Unabhängigkeit von der übrigen PCE. Nachdem Nin ohne Erfolg versucht hatte, nach Spanien zurückzukehren, ging er nach Moskau zurück und wurde Sekretär der Profintern.

Als die revolutionäre Flut in Spanien zurückging, wurde die CNT offen antikommunistisch und brach 1922 alle Beziehungen zur Profintern ab. Konfrontiert mit dem Militärputsch von Miguel Primo de Rivera 1923, wollte sich weder die PSOE/UGT noch die katalanische CNT an Einheitsfrontprotesten mit der PCE gegen den Putsch beteiligen. Mit der Erklärung „Ich bin gekommen, um gegen den Kommunismus zu kämpfen“ inhaftierte Primo de Rivera PCE-Führer und schloss Parteibüros; sowohl die CNT als auch die PCE wurden in den Untergrund getrieben. Auch wenn einige PSOE-Führer verhaftet wurden, tolerierte die Diktatur die Reformisten, und UGT-Chef Largo Caballero wurde 1924 Mitglied in ihrem Staatsrat.

Der Aufstieg der stalinistischen Bürokratie

Die Isolation des noch jungen sowjetischen Arbeiterstaats in Verbindung mit der Verwüstung von Industrie und Infrastruktur durch den Ersten Weltkrieg und den Bürgerkrieg im Anschluss an die Russische Revolution begünstigte den Aufstieg einer Bürokratenschicht, die als Schiedsrichter über die knappen Ressourcen entschied. Die Bolschewiki wussten, dass der Erfolg der Revolution von ihrer Ausweitung auf die fortgeschritteneren Industrieländer in Europa abhing. Doch das Verpassen revolutionärer Gelegenheiten im Westen, insbesondere die gescheiterte Deutsche Revolution von 1923, und die anschließend um sich greifende Demoralisierung in der sowjetischen Arbeiterklasse stärkten und konsolidierten den Aufstieg der Bürokratie an die Macht. Von den Jahren 1923/24 an entriss die Bürokratie dem sowjetischen Proletariat die politische Macht.

Das war der Beginn einer politischen Konterrevolution. Die Sowjetunion stützte sich zwar immer noch auf die von der bolschewistischen Revolution errichteten kollektivierten Eigentumsformen, doch von nun an waren die Leute, die die UdSSR regierten, die Art und Weise, wie die UdSSR regiert wurde, und die Ziele, für die die UdSSR regiert wurde, nicht mehr die gleichen. Ideologisch wurde diese politische Konterrevolution in dem von Stalin Ende 1924 verkündeten nationalistischen, antimarxistischen Dogma vom „Sozialismus in einem Land“ festgeschrieben, das praktisch die eiserne Notwendigkeit zur internationalen Ausweitung der sozialistischen Revolution leugnete. Im Jahre 1926 gab die Sowjetbürokratie durch das Anglo-Russische Gewerkschaftskomitee den Irreführern des britischen Trades Union Congress linke Flankendeckung, als diese den Generalstreik verrieten. In der Chinesischen Revolution von 1925–27 wiesen Stalin/Bucharin die Kommunistische Partei Chinas an, sich im Namen der „Zwei-Etappen-Revolution“ in die bürgerlich-nationalistische Guomindang aufzulösen. Die Kommunistischen Parteien wurden überall auf der Welt zunehmend in Werkzeuge der Sowjetdiplomatie verwandelt mit dem Ziel, ihre jeweiligen Bourgeoisien zur „friedlichen Koexistenz“ mit der UdSSR zu drängen.

Trotzkis Kampf gegen die aufsteigende Bürokratie begann mit der russischen Opposition von 1923. In seinem „Programmentwurf der Kommunistischen Internationale — Kritik der grundlegenden Thesen“ (das Kernstück von Die Dritte Internationale nach Lenin) analysierte er 1928 den Zusammenhang von Stalins Dogma des „Sozialismus in einem Land“ mit der Zickzack-Politik von Kapitulationen durch die Komintern, vor allem dem Verrat an der Chinesischen Revolution. Trotzki, der 1927 aus der sowjetischen Kommunistischen Partei ausgeschlossen und 1929 aus der Sowjetunion ausgewiesen wurde, organisierte seine Unterstützer in der Internationalen Linken Opposition (ILO), die als ausgeschlossene Fraktion der Kommunistischen Internationale für deren Rückkehr auf den Weg des revolutionären Internationalismus kämpfte. Zu diesen Unterstützern gehörte Nin, der während seines Aufenthalts in Moskau für Trotzkis Kampf gegen die aufsteigende stalinistische Bürokratie gewonnen wurde.

Ursprünge der spanischen Linken Opposition

Die Diktatur von Primo de Rivera, den man an die Macht gebracht hatte, um dem aufrührerischen Proletariat des rückständigen Spanien die kapitalistische Ordnung aufzuzwingen, brach im Januar 1930 unter der Wucht der internationalen kapitalistischen Weltwirtschaftskrise zusammen, die vom Börsenkrach Ende 1929 ausgelöst worden war. Die aufgestauten Bestrebungen der Massen führten zu explosionsartigen Protesten. Im Mai lieferten sich Studenten und Arbeiter unter roten und republikanischen Fahnen in Madrid bewaffnete Schlachten mit der Polizei. Im Dezember inszenierten republikanische Armeeoffiziere eine Revolte gegen die Monarchie. Die Revolte wurde niedergeschlagen und ihre Anführer wurden hingerichtet, doch dies war schon die Totenglocke für die Monarchie. Bei den Kommunalwahlen vom April 1931 gewannen die Sozialisten und Republikaner eine überwältigende Mehrheit bei der städtischen Bevölkerung, König Alfonso XIII. floh, und unter der Führung einer Koalitionsregierung mit Beteiligung der PSOE wurde die Spanische Republik ausgerufen.

Im Februar 1930 gründeten Francisco Garcia Lavid (Lacroix) und andere im Exil lebende ehemalige PCE-Mitglieder in Belgien die spanische Kommunistische Opposition. In Spanien traten Juan Andrade und weitere ehemalige PCE-Kader ebenfalls der Linken Opposition bei. Ihnen schloss sich Nin später im gleichen Jahr nach seiner Ausweisung aus der Sowjetunion an. Nin verfügte innerhalb der spanischen Arbeiterbewegung über Autorität. Doch ein paar Jahre später sollte Trotzki über Nin schreiben: „Das größte Unglück für die spanische Sektion bestand darin, dass an ihrer Spitze ein bekannter Name mit einer gewissen Vergangenheit und dem Heiligenschein eines Märtyrers des Stalinismus stand, sie die ganze Zeit über verkehrt leitete und sie lähmte“ („Die POUM und die Volksfront“, 16. Juli 1936).

In einem Brief vom 25. Mai 1930 an die Exilgruppe in Belgien schrieb Trotzki: „Die Krise, die Spanien durchmacht, entwickelt sich einstweilen mit bemerkenswerter Planmäßigkeit, die der proletarischen Avantgarde eine gewisse Zeit zur Vorbereitung gewährt“ („Aufgaben der spanischen Kommunisten“). Die offizielle Kommunistische Partei hatte eine Führung ohne Autorität, hatte nur einige hundert Mitglieder und wurde durch internes Chaos zerrissen. Die PSOE, deren anfängliche Opposition zum bürgerlichen Ministerialismus lediglich ein Ausdruck mangelnder Gelegenheiten unter der Monarchie gewesen war, war von 1931 bis 1933 Teil eines zunehmend unpopulären kapitalistischen Regimes. Die anarchosyndikalistische CNT/FAI lehnte schon die Idee eines Kampfes für proletarische Staatsmacht ab und schwankte stattdessen zwischen dem Boykott aller politischen Aktivitäten und unterschwelliger Unterstützung der „demokratischen“ Bourgeoisie hin und her.

In Briefen aus der Ferne bemühte sich Trotzki, mit Nin und seinen Genossen zusammenzuarbeiten und sie anzuleiten, damit sie eine außerordentlich günstige Gelegenheit ausnutzen konnten. Auszüge aus der Korrespondenz zwischen Trotzki und Nin aus den Jahren 1931–33 wurden 1933 in einem International Bulletin veröffentlicht und in Revolution und Bürgerkrieg in Spanien 1931–39 nachgedruckt. Leider befinden sich die Originalbriefe nicht im Trotzki-Archiv in Harvard und scheinen verschollen zu sein. Die veröffentlichten Auszüge aus Trotzkis Briefen sind ein Musterbeispiel von politischer Klarheit, forschenden Fragen und kameradschaftlicher Überzeugungskunst, während Nins Briefe von Personalismus, Impressionismus und Ausflüchten wimmeln. „Klarheit, theoretische Präzision und infolgedessen politische Ehrlichkeit machen eine revolutionäre Tendenz unbesiegbar“, betonte Trotzki nachdrücklich („Aussprechen, was ist“, 12. April 1931). Doch Nin kümmerte sich nicht um theoretische Klarheit und Präzision. Er argumentierte: „Bei Leuten, denen wir die Grundbegriffe von Kommunismus beibringen müssen, können wir nicht mit Oppositionspropaganda beginnen“ (Brief an Trotzki, 12. November 1930). Stattdessen brüstete sich Nin mit seinem persönlichen Prestige und seinem Einfluss auf Maurín.

Nins zahlreiche politische Anwälte plädieren noch heute mit den gleichen Begründungen, die sich jahrzehntelang um kein Jota geändert haben, indem sie Trotzki wegen seiner angeblich „sektiererischen“ Haltung, wegen seiner angeblichen Unkenntnis der Lage in Spanien und wegen der „Barschheit“ seiner Polemiken anklagen. Dies war in den 1930er-Jahren der Refrain von etlichen ehemaligen Mitarbeitern und Verbündeten Trotzkis — wie Serge, Rosmer, George Vereecken in Belgien und Henricus Sneevliet in Holland —, die unter dem Druck des demokratischen „Antifaschismus“ Rechtfertigungen für Nin erdachten, während sie zugaben, dass er „Fehler“ gemacht habe. Wie Trotzki in einem Brief an Serge schrieb:

„… so sind Sie mit unserem Verhalten Andrés Nin gegenüber unzufrieden, ein Verhalten, das Sie ,sektiererisch‘ finden. Sie kennen nicht und können auch nicht die politische und persönliche Geschichte unserer Beziehung kennen.

Sie können sich leicht vorstellen, wie glücklich ich war, als Nin ins Ausland kam. Mehrere Jahre lang korrespondierte ich mit ihm ziemlich regelmäßig. Einige Briefe von mir waren wahrhafte ,Abhandlungen‘ über das Thema der gegenwärtigen Revolution, in der Nin eine aktive Rolle hätte spielen können und sollen. Ich denke schon, meine Briefe an Nin im Laufe von zwei oder drei Jahren würden einen Band mit mehreren hundert Seiten ergeben: Das soll zeigen, welche Bedeutung ich Nin und freundlichen Beziehungen zu ihm beimaß. In seinen Antworten versicherte mir Nin immer wieder seine Übereinstimmung auf theoretischer Ebene, aber er vermied es stets, praktische Probleme zu diskutieren…

Natürlich ist niemand verpflichtet, ein Revolutionär zu sein. Aber Nin stand an der Spitze der spanischen Bolschewiki-Leninisten, und schon aus diesem Grunde trug er eine schwere Verantwortung, der er in der Praxis nicht nachkam, während er mir die ganze Zeit über Sand in die Augen streute.“

—„Ist eine Versöhnung mit Nin möglich?“,
3. Juni 1936

Eine Partei, noch einmal eine Partei, und zum dritten: eine Partei

In einem Artikel von 1931, „Die Revolution in Spanien“, umriss Trotzki das Programm und die Strategie, die für spanische Revolutionäre der Leitfaden auf ihrem Weg an die Macht hätten sein können. Trotzki unterbreitete eine Reihe von Forderungen, die darauf abzielten, die demokratischen Bestrebungen der Arbeiter- und Bauernmassen mit dem Kampf für die Klassenherrschaft des Proletariats zu verbinden: Enteignung des Großgrundbesitzes zugunsten der armen Bauern; die Trennung von Kirche und Staat — Entwaffnung der Bollwerke klerikaler Reaktion und Übereignung des riesigen Reichtums der Kirche an die Massen; die Aufstellung von Arbeiter- und Bauernmilizen; die Verstaatlichung der Eisenbahnen, der Banken und der Bodenschätze; Arbeiterkontrolle der Industrie; das Recht auf nationale Selbstbestimmung für die Katalanen und Basken.

Hier wandte Trotzki Theorie und Programm der permanenten Revolution an, die sich im russischen Oktober 1917 als richtig erwiesen hatten und durch die Niederlage der Chinesischen Revolution von 1925–27 auf negative Weise bestätigt wurden. Angesichts des verspäteten Aufkommens des Kapitalismus in diesen Ländern konnten die historisch mit den bürgerlich-demokratischen Revolutionen des 17. und 18. Jahrhunderts verbundenen Aufgaben nur durch die Machtergreifung des Proletariats an der Spitze der Bauernmassen verwirklicht werden, wodurch notwendigerweise und unmittelbar nicht nur demokratische, sondern auch sozialistische Aufgaben auf die Tagesordnung gestellt würden.

Trotzki betonte die Wichtigkeit, den militanten einfachen Mitgliedern der CNT die Hand zu reichen, um sie von ihren anarchosyndikalistischen Vorurteilen zu brechen, und rief zu einer vereinigten Gewerkschaftsföderation auf. Er argumentierte, dass es notwendig sei, für die Bildung von Sowjets — Arbeiterjuntas — zu agitieren, da der Sowjet die Organisation des vereinigten proletarischen Kampfes gegen die Kapitalistenklasse ist, „die sich über das gegenwärtig Trennende in ihren Reihen auf politischer, nationaler, bezirklicher und gewerkschaftlicher Ebene erhebt...“ Er fuhr fort:

„Die proletarische Junta wird zur weiten Arena werden, in der jede Partei und jede Gruppe vor den Augen der breiten Massen dem Test unterworfen und geprüft wird. Die Kommunisten werden die Losung der Arbeitereinheitsfront der Koalitionspraxis der Sozialdemokraten und [von] Teilen der Syndikalisten mit der Bourgeoisie gegenüberstellen. Nur die vereinte revolutionäre Front wird das Proletariat befähigen, das nötige Vertrauen bei den unterdrückten Massen in Dorf und Stadt zu erlangen. Die Realisierung der Einheitsfront ist nur unter dem Banner des Kommunismus denkbar. Die Junta braucht eine führende Partei. Ohne eine starke Führung würde sie eine leere Organisationsform bleiben und unvermeidlich in Abhängigkeit von der Bourgeoisie geraten.“

—„Die Revolution in Spanien“, 24. Januar 1931

Vor allem galt, so Trotzki: „Für eine erfolgreiche Lösung aller dieser Aufgaben sind drei Bedingungen Voraussetzung: eine Partei, noch einmal eine Partei, und zum dritten: eine Partei!“ (ebd.).

Doch es war die Parteifrage, die Trotzki am stärksten von Nin trennte. Nin widersetzte sich anfangs Trotzkis Drängen, eine theoretische Zeitschrift herauszubringen, in der klare programmatische Grundlagen für eine bolschewistisch-leninistische Avantgarde dargelegt werden. Ebenso weigerte er sich, Trotzkis Aufforderung zu befolgen, die damals innerhalb der ILO stattfindenden politischen Kämpfe ernst zu nehmen, die notwendig waren, um echte Revolutionäre aus einer Vielzahl von Dilettanten, Amateuren und anderen auszusortieren, die zufällig von Trotzkis Kampf gegen den Stalinismus angezogen worden waren. Solche Debatten waren unabdingbar, um eine disziplinierte und politisch homogene internationale Tendenz zu schmieden und den deformierenden nationalen Druck zu bekämpfen. Doch die Führer der spanischen Opposition beteiligten sich nicht politisch an diesen Debatten und trugen sie auch nicht in ihre Sektion. Vielmehr ließen sie sich „von persönlichen Verbindungen, Sympathien oder Antipathien leiten“ (Trotzki, „Der Zustand der Linken Opposition“, 16. Dezember 1932).

Trotzki drängte Nin darauf, die Orientierung der ILO auf die KI umzusetzen mit dem Argument, die stalinistischen „Bürokraten dürfen nicht den Eindruck erwecken können, die Linke Opposition stehe den Arbeitern feindlich gegenüber, die dem Banner der offiziellen Kommunistischen Partei folgen“ („Aufgaben der spanischen Kommunisten“). Trotz der bürokratischen Gräueltaten, Lügen und des Verrats von Stalin & Co. zogen die Kommunistischen Parteien weiterhin diejenigen Elemente innerhalb der internationalen Arbeiterklasse an, die sich zur Russischen Revolution hingezogen fühlten und in ihren eigenen Ländern für eine Arbeiterrevolution kämpfen wollten. Darüber hinaus wäre es ein Verbrechen gewesen, das Banner der Kommunistischen Internationale kampflos oder ohne eine entscheidende Bewährungsprobe den Stalinisten zu überlassen.

Nin lehnte die internationale Perspektive der ILO ausdrücklich ab und sprach sich für einen spanischen Sonderweg aus: „In Spanien wird das Proletariat seine Partei außerhalb und ungeachtet der offiziellen Partei (die tatsächlich gar nicht existiert) organisieren“ (Brief an Trotzki, 3. Dezember 1930). Trotzki erwiderte: „Wenn auch die offizielle Partei nach Lage der Dinge heute schwach und unbedeutend sein mag, so birgt sie doch all die außen liegenden historischen Möglichkeiten in sich, in der UdSSR und in allem, was mit der UdSSR zusammenhängt. Aus diesem Grund scheint es mir gefährlich zu sein, sich empirisch nur von dem gegenwärtigen Kräfteverhältnis leiten zu lassen“ (Brief an Nin, 31. Januar 1931). Nin stellte sich taub gegenüber solchen Argumenten und benannte im März 1932 demonstrativ die spanische Gruppe von Linke Opposition in Linke Kommunisten (ICE) um.

Als Nin den Kampf der Linken Opposition ablehnte, hatte er stattdessen ein Auge auf die ehemalige Katalonische Föderation von Joaqín Maurín geworfen. Die Katalonische Föderation, die im Juni 1930 aus der PCE ausgeschlossen worden war, war eine nach rechts driftende zentristische Organisation, deren Politik von Trotzki als eine „Mischung von kleinbürgerlichen Vorurteilen, Unwissenheit, provinzieller ,Wissenschaft‘ und politischer Unehrlichkeit“ charakterisiert wurde („Der spanische Kommunismus und die Katalonische Föderation“, 8. Juli 1931). Im März 1931 tat sich die Katalonische Föderation mit der Kommunistischen Partei Kataloniens (einer kleinbürgerlichen, nicht mit der PCE verbundenen Gruppierung) zusammen, um eine „Massen“organisation zu gründen, den Arbeiter- und Bauernblock. Trotzki charakterisierte das Programm von Mauríns BOC als „,Kuomintangismus‘ reinsten Wassers, auf spanische Verhältnisse übertragen“ (d.h. Chiang Kai-sheks bürgerlich-nationalistische Guomindang) und als „eine Neuauflage der Arbeiter- und Bauernpartei“ („Die Plattform der Katalonischen Föderation“, 12. Juni 1931). Diese Zweiklassenformel war benutzt worden, um die Liquidierung in die Guomindang und andere bürgerlich-populistische Formationen wie die „Farmer-Labor Party“ in den USA zu rechtfertigen.

International war Maurín mit der Rechten Opposition verbunden, die sich um die Ansichten des ehemaligen Stalin-Verbündeten Nikolai Bucharin gruppiert hatte (der selbst ganz schnell vor Stalin kapitulierte), in Opposition zur Politik der sogenannten „Dritten Periode“. Diese Politik war von Stalin 1929 eingeführt worden für eine angeblich neue Periode, in der die internationale proletarische Revolution unmittelbar bevorstand. Die Kommunistischen Parteien begannen international einen abenteuerlichen und sektiererischen Kurs einzuschlagen, bei dem sie die reformistisch geführten Gewerkschaften zugunsten des Aufbaus von isolierten „roten“ Gewerkschaften abschrieben und jegliche gemeinsame Aktionen mit den Sozialdemokraten, die als „Sozialfaschisten“ bezeichnet wurden, ablehnten. Die Internationale Rechte Opposition war gegen diesen sektiererischen Kurs, aber ausgehend von der Perspektive einer sich entwickelnden Klassenzusammenarbeit; ihr oberster Wortführer war Heinrich Brandler, der beim Scheitern der Deutschen Revolution von 1923 die Leitung hatte. Gleichzeitig verteidigten die Brandlerianer die katastrophale Politik in China 1925–27 und das nationalistische Dogma vom „Sozialismus in einem Land“.

Trotzki führte wiederholt Kämpfe gegen jegliche Vermischung der Banner mit der Rechten Opposition. In der Sowjetunion war er kompromisslos gegen einen Block mit dem Bucharin-Flügel der Bürokratie eingetreten, dessen versöhnlerische Politik im Inland die Kräfte der kapitalistischen Restauration bestärkte, also die Schicht der wohlhabenden Bauern (Kulaken) und Kleinunternehmer. International bedeutete Einheit mit der Rechten Opposition die Liquidierung des Kampfes für eine kommunistische Avantgarde. Der von Nin und Andrade eingeschlagene Kurs, Maurín an sich zu ziehen, hat die Richtigkeit dieser Einschätzung überdeutlich bewiesen.

Die Französische Wende und prinzipienlose Zusammenschlüsse

Der Aufstieg von Hitlers Nazis an die Macht Anfang 1933 und die kriminelle Passivität der Führer der mächtigen kommunistischen und sozialdemokratischen Organisationen des deutschen Proletariats erschütterte die Arbeiterklasse international. Als das deutsche Debakel innerhalb der Dritten Internationale nicht einmal den Hauch einer Revolte auslöste, erklärte Trotzki die stalinisierte Komintern in der Frage der proletarischen Revolution für tot und rief zum Aufbau neuer kommunistischer Parteien auf, die das Banner des Leninismus vorwärts tragen sollten. „Die Erklärung der Vier“ (August 1933), die von Trotzki geschrieben worden war und zur Gründung einer neuen, Vierten Internationale aufrief, wurde unterzeichnet von Vertretern der ILO, der Sneevliet-Gruppe und einer weiteren Gruppe in Holland sowie der deutschen Sozialistischen Arbeiterpartei (SAP), einer Linksabspaltung von der deutschen Sozialdemokratie. Im Jahre 1934 konstituierte sich die ILO neu als die Internationale Kommunistische Liga (IKL).

Die Stalinisten gaben bald das Abenteurertum der „Dritten Periode“ auf. Durch den Nazi-Sieg in Panik geraten, bemühte sich Stalin um eine Allianz mit den imperialistischen „Demokratien“ — Britannien, Frankreich und den USA. Das Gebot der Stunde war nunmehr die „Volksfront“ gegen den Faschismus, später festgelegt auf dem Siebten Weltkongress der Kommunistischen Internationale 1935 und umgesetzt in Volksfrontkoalitionen mit Parteien der „demokratischen“ Bourgeoisien in Frankreich, Spanien und anderen Ländern. Stalins Erdrosselung der spanischen Arbeiterrevolution geschah im Dienste seiner erhofften Allianz mit Britannien und Frankreich, da er den Imperialisten beweisen wollte, dass die Komintern für die bürgerliche Ordnung keine Herausforderung mehr darstellte.

Der Nazi-Sieg in Deutschland fiel nach drei Jahren Weltwirtschaftskrise mit einem Wiederaufleben des Klassenkampfes in anderen Ländern zusammen. Die Radikalisierung eines Teils der Arbeiter und Jugendlichen fand ihren Ausdruck im Anwachsen lebendiger, kämpferischer linker Flügel in den sozialdemokratischen Parteien und, in den USA, im Aufstieg des Congress of Industrial Organizations (CIO). 1934 standen zum ersten Mal seit Jahren militante Sozialisten an der Spitze proletarischer Aufstände — in Österreichs Hauptstadt Wien und in Spaniens Bergbauregion Asturien. Trotzki drängte seine Unterstützer, für eine begrenzte Zeit in Parteien der Zweiten Internationale einzutreten, um mit revolutionär gesinnten Jugendlichen und Arbeitern zusammenzutreffen und sie für sich zu gewinnen. Zuerst in Frankreich 1934 umgesetzt, wurde diese Taktik als „Französische Wende“ bekannt und wurde bald in einer Reihe anderer Länder angewandt, darunter 1936/37 in den USA, wo die Trotzkisten eine ansehnliche Schicht von Jugendlichen und Gewerkschaftsaktivisten aus der Socialist Party gewannen.

In Spanien war die Situation für eine erfolgreiche Umsetzung dieser Taktik vielleicht am offensten. Renovación, die Madrider Zeitung der Sozialistischen Jugend (JS), die damals etwa 200 000 Mitglieder hatte, appellierte offen an die Trotzkisten als „die besten Revolutionäre und die besten Theoretiker in Spanien, die dazu eingeladen sind, in die Jugend und die Sozialistische Partei einzutreten, um eine Bolschewisierung zu beschleunigen“ (zitiert in Pierre Broué, „Trotsky et la révolution espagnole“, unsere Übersetzung). Selbst der eingefleischte Reformist Largo Caballero bekannte sich öffentlich zur sozialistischen Revolution und zur Vierten Internationale.

Kriminellerweise wiesen Nin und Andrade die Ermahnungen Trotzkis und die Appelle der Sozialistischen Jugend zurück und weigerten sich, ihre Organisation in die PSOE/JS hineinzuführen. Eine kleine Handvoll von ICE-Mitgliedern, unter ihnen der zukünftige Führer der trotzkistischen SBLE Manuel Fernández (Grandizo Munis), lehnte den Kurs von Nin/Andrade ab und trat der PSOE bei, doch ohne großen Erfolg. Munis schrieb später: „Doch was für eine kleine Gruppe unmöglich schien, hätte für ein ausreichend großes Kontingent der Kommunistischen Linken relativ einfach sein können. Es gibt keinen Zweifel daran, dass der Eintritt der CL [Kommunistische Linke] in die Sozialistische Partei den Verlauf der Spanischen Revolution völlig verändert hätte“ (Munis, Jalones de Derrota: Promesa de Victoria [España 1930–39] [Wendepunkte der Niederlage: Verheißung des Sieges, (Spanien 1930–39)], Verlag „Lucha Obrera“, Mexiko-Stadt, 1948). Im April 1936 wurde die JS von den Stalinisten übernommen, was der PCE erstmals eine Massenbasis verschaffte, während sich in Katalonien die PCE mit der PSOE zusammenschloss und die Vereinigte Sozialistische Partei Kataloniens gründete.

Nin und Andrade waren nicht die Einzigen, die sich hartnäckig weigerten, diese glänzende Gelegenheit zur Verstärkung der Kräfte des revolutionären Marxismus zu ergreifen, doch ihr Versagen kam das Proletariat am teuersten zu stehen. In den USA widersetzte sich eine kleine Minderheit um Hugo Oehler — ein effektiver Massenarbeiter, aber sektiererischer Holzkopf — dem Eintritt in die Socialist Party von einem ultralinken sektiererischen Standpunkt aus und spaltete sich bald von der trotzkistischen Mehrheit unter der Führung von James P. Cannon ab. International trat Oehler in einen verrotteten Block mit Nin und anderen ein, die die Französische Wende zugunsten einer opportunistischen Anpassungspolitik auf ihrem nationalen Terrain ablehnten.

Der asturische Aufstand

Ein spezieller Grund für die Radikalisierung an der Basis der Sozialistischen Partei Spaniens war Wut über die verbrecherische Rolle der Parteiführer in der ersten republikanischen Regierung, deren unerbittliche Angriffe auf die Arbeiterklasse und die Bauernschaft weitverbreiteten Hass und Abscheu hervorriefen. Die brutale Niederschlagung einer anarchistisch-inspirierten Bauernrevolte in Casas Viejas im Januar 1933 war der Punkt, an dem das Maß voll war und Neuwahlen erzwungen wurden. Die CNT forderte ihre Mitglieder auf, die Wahl zu boykottieren, und die Massen blieben in überwältigender Zahl der Wahl fern als Strafe für die republikanisch-sozialistische Regierung. Bei den Wahlen errangen die Parteien der klerikalen und monarchistischen Reaktion einen Erdrutschsieg.

Als im Oktober 1934 Mitgliedern der klerikalfaschistischen CEDA (Spanische Konföderation der Autonomen Rechten) angeboten wurde, ins Kabinett einzutreten, brachen in ganz Spanien Generalstreiks aus. Die Arbeiter Asturiens erhoben sich in einem Aufstand, der hauptsächlich von der PSOE-geführten Bergarbeitergewerkschaft ausging. Polizeikasernen wurden erstürmt, Maschinengewehre und andere (aus einer erstürmten Waffenfabrik beschlagnahmte) Gewehre wurden an die Arbeiter verteilt, und in der Hauptstadt Oviedo und in anderen Bezirken übernahmen die Aufständischen die Macht. „Die bittere Erfahrung der deutschen Arbeiter war jedermann gegenwärtig. Die spanischen Arbeiter waren entschlossen, diese Erfahrung nicht zu wiederholen“, schrieb Manuel Grossi, ein BOC-Mitglied und zentraler Führer der Asturischen Arbeiterallianz an der Spitze des Aufstands, in seiner Schilderung von 1935, The Asturian Uprising: Fifteen Days of Socialist Revolution [Der asturische Aufstand: Fünfzehn Tage sozialistische Revolution], Socialist Platform, London, 2000.

Hier war der Boden fruchtbar für die Verwirklichung von Trotzkis eindringlichen Aufrufen zum Aufbau von Arbeiterjuntas: breiten, autoritativen Räten, demokratisch gewählt von der Arbeiterklasse. So schrieb Trotzki 1931: „Nur durch Juntas, die den eigentlichen Kern des Proletariats erfassen, können sich die Kommunisten die Hegemonie im Proletariat und damit in der Revolution sichern. Nur mit dem wachsenden kommunistischen Einfluss in der Arbeiterklasse werden sich die Juntas in Kampforgane um die Macht verwandeln“ („Die Spanische Revolution und die ihr drohenden Gefahren“, 28. Mai 1931). Stattdessen schlossen sich Nins Linke Kommunisten den vom BOC ins Leben gerufenen „Arbeiterallianzen“ an. Diese Körperschaften waren weder von den aufständischen Arbeitern gewählt, noch war deren Teilnahme vorgesehen. Das Übereinkommen vom 28. März 1934, das die Asturische Arbeiterallianz ins Leben rief — die außer der ICE und dem BOC die PSOE/UGT, die PCE und die regionale CNT umfasste —, legte fest: „Mit dem Datum der Unterzeichnung dieses Paktes werden alle Propagandakampagnen, die dazu angetan sind, die Beziehungen zwischen den verschiedenen Parteien zu verschlechtern, aufhören“ (zitiert in The Asturian Uprising). Weit davon entfernt, ein Forum zu bieten, wo die konkurrierenden Parteien und Programme ausgetestet werden konnten, um so als Schmelztiegel zu dienen für die Schmiedung einer revolutionären Avantgarde, die eine Perspektive der proletarischen Macht verficht, war die Arbeiterallianz ein politischer Nichtangriffspakt auf Grundlage des kleinsten gemeinsamen Nenners der Übereinstimmung unter den Führungen der verschiedenen Organisationen.

Die asturische Revolte war ein Vorbote der bevorstehenden Revolution wie auch von deren Verrat und Niederlage. Zur Niederschlagung der asturischen Aufständischen wurde General Franco herbeigerufen. Zum ersten Mal wurden Fremdenlegionäre und maurische Truppen aus der spanischen Kolonie Marokko gegen das spanische Proletariat eingesetzt, Truppen, die später von Franco zur Zerschlagung der Spanischen Revolution verwendet werden sollten. Die Unterdrückung der isolierten asturischen Kommune — wobei 5000 Arbeiter getötet und 30000 inhaftiert wurden — bestärkte beim spanischen Proletariat erneut die Stimmung für Einheit unter den Arbeiterorganisationen. Diese Bestrebungen wurden von den Reformisten und Zentristen umgelenkt in eine Unterstützung für eine neue Koalition der Klassenzusammenarbeit.

Die Gründung der POUM

Auf einem nationalen Plenum im September 1934 erklärte die ICE von Nin/Andrade in einem Beschluss scheinheilig, die Umsetzung der Französischen Wende würde bedeuten, „uns selbst in einem amorphen Konglomerat zu ertränken“ (zitiert in Durgan, „The Spanish Trotskyists and the Foundation of the POUM“). Ein Jahr später, 1935, sollte sich die ICE in einem wahrhaft amorphen Konglomerat ertränken, als sie sich mit Mauríns BOC vereinigte, um die POUM zu gründen und dem Londoner Büro beizutreten. Das Londoner Büro, eine prinzipienlose Vereinigung verschiedener zentristischer Organisationen — vor allem der Independent Labour Party (ILP) in Britannien und der deutschen SAP — taumelte zwischen der Zweiten und der Dritten Internationale hin und her. Die einzige einigende Kraft dieser „Internationale“ bestand im Widerstand gegen die Bildung einer leninistisch-trotzkistischen Vierten Internationale, d.h. Widerstand gegen demokratisch-zentralistische Beschränkungen ihrer jeweiligen national-opportunistischen Neigungen und gegen die Prinzipien des proletarischen Internationalismus.

Die POUM war sektiererisch in der Form, opportunistisch in ihrem Wesen. Sie stellte sich organisatorisch den traditionellen Massenorganisationen des spanischen Proletariats entgegen. Doch dahinter stand der Unwille, die Irreführer von PSOE, PCE und CNT politisch zu konfrontieren. Während des Bürgerkriegs stellte die POUM ihre eigenen Milizen auf und isolierte so ihre Militanten von den Milizen der Organisationen, die die Loyalität der Masse der spanischen Arbeiterklasse für sich beanspruchten. Und die ganze Zeit über warf sie sich der Volksfront in die Arme, angefangen mit der Unterzeichnung des „Linken Wahlpaktes“ vom Januar 1936, eines Blocks der Klassenzusammenarbeit zwischen den Republikanern, der PSOE und der PCE.

Trotzki entlarvte die zynische Heuchelei und den krassen Opportunismus von Nin/Andrade:

„Es ist nicht überflüssig, bei dieser Gelegenheit daran zu erinnern, dass die spanischen ,Linken Kommunisten‘, wie bereits ihr Name sagt, sich bei jeder passenden Gelegenheit als unversöhnliche Revolutionäre gebärdeten. Im Besonderen verdammten sie die französischen Bolschewiki-Leninisten in Grund und Boden wegen ihres Eintritts in die Sozialistische Partei. Nie und nimmer! Unter keinen Bedingungen! Zeitweilig in eine politische Massenorganisation eintreten, um unversöhnlich in ihren Reihen gegen die reformistischen Führer für das Banner der proletarischen Revolution zu kämpfen — das ist Opportunismus; aber ein politisches Bündnis schließen mit den Führern der reformistischen Partei aufgrund eines wissentlich ehrlosen zur Täuschung der Massen und zur Deckung der Bourgeoisie dienenden Programms — das ist Heldentum! Kann man den Marxismus schlimmer herabwürdigen und prostituieren?“

—„Der Verrat der spanischen ,Arbeiterpartei für Marxistische Einheit‘“, 23. Januar 1936

Hier kommen die modernen Apologeten von Nin ihm wieder zur Hilfe. Durgan und der ehemalige POUM-Jugendführer Wilebaldo Solano behaupten in ihrem Nin vergötternden Werk, El POUM en la historia, Andreu Nin y la revolución española [Die POUM in der Geschichte, Andrés Nin und die Spanische Revolution] (Libros de la Catarata, Madrid, 1999), Trotzki und das Internationale Sekretariat (IS) der IKL hätten Nins Fusion mit Maurín zugestimmt. In Durgans Worten: „Die anfängliche Reaktion sowohl des IS als auch Trotzkis auf die Gründung der POUM, daran sollte man sich erinnern, war vorsichtiger Optimismus“ („Trotsky and the POUM“).

Dass dies eine Lüge ist, geht aus dem gesamten Quellenmaterial von Trotzkis Schriften über den BOC und die POUM hervor, wo Trotzkis unversöhnliche feindliche Haltung gegenüber deren zentristischer Politik klar zum Ausdruck kommt. Trotzki war bestimmt nicht optimistisch in Bezug auf die POUM. Der Fusion war ein heftiger Briefwechsel zwischen dem IS und der Nin-Führung vorausgegangen. In einem Brief vom Juli 1935 wandte das IS ein, dass die ICE „von dem Arbeiter- und Bauernblock aufgesaugt“ würde, ohne auch nur Fraktionsrechte zu haben, und dass „unter solchen Umständen von der neuen Partei nichts Gutes zu erwarten ist…
Welches Banner wird die neue Partei tragen? Das wohlbekannte Banner des London-Amsterdamer Büros“ (nachgedruckt in Trotzki, La révolution espagnole, unsere Übersetzung).

Nin wies diese Argumente von vornherein zurück und unterband jegliche weitere Diskussion mit der IKL, schwor aber, dass Maurín „alle unsere Grundprinzipien“ akzeptiere und stieß wütend hervor, das IS habe „einen grundlegenden Mangel an Verständnis der spanischen Verhältnisse“ („Brief des Nationalkomitees an das Internationale Sekretariat“, 21. Juli 1935; nachgedruckt ebd., unsere Übersetzung).

Durgan vertritt die Auffassung, Nins Fusion mit dem BOC sei vergleichbar mit der Fusion der Communist League of America von Cannon mit den nach links driftenden Zentristen der American Workers Party von A. J. Muste, durch die die Workers Party of the United States gebildet wurde. Doch im Gegensatz zur POUM, die dem Londoner Büro angehörte, sprach sich die Workers Party ausdrücklich für die Gründung der Vierten Internationale aus. Wie der Brief des IS vom Juli 1935 bemerkte: „Wenn die neue Partei, die ihr gründen wollt, eine klare Position bezüglich der Vierten Internationale (wie in Amerika und Holland) einnimmt, kann sie auf nationaler Ebene als neuer Anziehungspol eine große Rolle spielen. Unter solchen Bedingungen ist eine Fusion wünschenswert. Doch wenn sich die neue Partei als ein Instrument ,sozialistisch-kommunistischer Vereinigung‘ präsentiert … dann würde der Beitritt zu solch einer Partei die Liquidierung unserer Tendenz bedeuten.“ Durgan tut die Feindseligkeit der POUM gegenüber der Vierten Internationale ab, als wäre es eine drittrangige Frage. In Wirklichkeit war es die entscheidende Frage, die den revolutionären Marxismus von allen Sorten zentristischer Konfusion trennte.

Nins falsche Beteuerungen nachbetend schildert Durgan die Maurín-Gruppe, als hätte sie sich in Richtung Trotzkismus bewegt, und geißelt Trotzki für seine „anscheinende Ahnungslosigkeit bezüglich dieser Entwicklung in der Politik des BOC“ („Trotsky and the POUM“). Auch Maurín war „anscheinend ahnungslos“, was diese Entwicklung betrifft, wie er später klarmachte:

„In Theorie und Praxis kam der BOC einer linken Sozialistischen Partei nahe, die dazu imstande war, zu begreifen, was an der Russischen Revolution positiv und was negativ war. Der BOC war ideologisch beeinflusst von Marx und Engels, von Lenin und Bucharin, fast gar nicht von Trotzki und von Stalin überhaupt nicht.“

—zitiert in Georges Garnier, „Vorwort zur französischen Ausgabe“, The Asturian Uprising (unsere Übersetzung)

Tatsächlich stammt der einzige „Beweis“ für Trotzkis „vorsichtigen Optimismus“ bezüglich der Gründung der POUM, den Durgan ausgräbt, nicht aus einem Artikel Trotzkis, sondern aus einem Bericht von Jean Rous über die Fusion vom Oktober 1935; Rous war als der Delegierte des IS nach Spanien geschickt worden. Rous zitiert eine Äußerung von Trotzki: „Die neue Partei wird ausgerufen. Wir nehmen das zur Kenntnis. Soweit es von internationalen Faktoren abhängen kann, müssen wir alles nur Denkbare tun, dieser Partei zu helfen, Macht und Autorität zu gewinnen, was nur möglich ist auf dem Pfad eines konsequenten und kompromisslosen Marxismus“ (abgedruckt in La révolution espagnole [unsere Übersetzung]). Alles, was dies „beweist“, ist, dass Trotzki seine weitere Zusammenarbeit anbot — wenn die neue Partei dem Weg des konsequenten und kompromisslosen Marxismus folgen würde! Wie alle Opportunisten setzt Durgan taktische Flexibilität mit prinzipienlosem Versöhnlertum gleich.

Nin und Andrade hatten mit der IKL gebrochen und stellten Trotzki und das IS vor vollendete Tatsachen. Die Frage war, was konnte aus der Ferne getan werden, um den spanischen Trotzkismus zu retten? Trotzki nahm die Politik unter schweren Beschuss. Nachdem er das Vereinigungsmanifest gelesen hatte, betonte Trotzki die Notwendigkeit, erbarmungslos auf die Widersprüche und Ausflüchte der POUM einzuhämmern, vor allem auf die antirevolutionäre Bedeutung ihrer Zugehörigkeit zum Londoner Büro („Brief an einen Genossen“, 18. Oktober 1935). In seinem Artikel vom Januar 1936 warnte er vor jeglicher Konfusion innerhalb der IKL über den Charakter der Nin/Maurín-Gruppe und betonte seine unerbittliche Opposition gegenüber diesen zentristischen Renegaten und Verrätern:

„Die spanische Organisation der ,Linken Kommunisten‘, die stets eine konfuse Organisation gewesen ist, vereinigte sich —nach zahllosen Schwankungen nach rechts und nach links — auf einem zentristischen Programm mit Mauríns Katalanischer Föderation zur Partei für ,marxistische (?) Einheit‘. Von diesem Namen irregeleitet, sprachen einige unserer Publikationen von dieser neuen Partei als von einer sich der Vierten Internationale nähernden Organisation. Nichts ist gefährlicher, als die eigenen Kräfte zu übertreiben durch … vertrauensselige Einbildung. Die Wirklichkeit bereitet einem ja doch nur allzu bald eine bittere Enttäuschung.“

—„Der Verrat der spanischen ,Arbeiterpartei für Marxistische Einheit‘“

Zentristisches Schwanken und Volksfrontverrat

Der von den Republikanern initiierte „Linke Wahlpakt“ von 1936 war ein Traktat zur Verteidigung von Privateigentum und bürgerlicher Herrschaft. Er garantierte die Unantastbarkeit des Offizierskorps und der Kirche, lehnte jegliche Verstaatlichung von Agrarland, Industrie oder Banken ab und bekräftigte die nationale Unterdrückung Kataloniens und des Baskenlandes. Er bestätigte die koloniale Besetzung (Spanisch-)Marokkos und empfahl, dass Spaniens Außenpolitik den „Prinzipien“ jener imperialistischen Räuberhöhle namens Völkerbund genügen sollte. Zu den Unterzeichnern gehörten die PSOE/UGT, die PCE, die Syndikalistische Partei des ehemaligen CNT-Führers Angel Pestaña und für die POUM Juan Andrade. Obgleich nicht Unterzeichnerin, ermunterte die CNT ihre Mitglieder, für die Volksfront zu stimmen. Trotzki schrieb:

„Die meisten dieser Parteien standen an der Spitze der spanischen Revolution in den Jahren ihres Aufschwungs und taten alles, was in ihren Kräften stand, um sie zu verraten und in den Staub zu treten. Neu an alledem ist die Unterschrift der Partei Mauríns-Nins-Andrades. Die ehemaligen ,Linken Kommunisten‘ wurden schlichtweg Anhängsel der ,linken‘ Bourgeoisie. Schwerlich ist ein schmählicheres Abgleiten vorstellbar! …

Welche Ironie schon im Namen: ,Marxistische Einheit‘ … mit der Bourgeoisie. Die spanischen ,Linken Kommunisten‘ (Andrés Nin, Juan Andrade usw.) haben unsere Kritik an ihrer versöhnlerischen Politik oft mit Berufung auf unser Unverständnis für die ,besonderen Bedingungen‘ Spaniens abgewehrt. Ein übliches Argument aller Opportunisten, denn erste Pflicht eines wirklichen proletarischen Revolutionärs ist es, die besonderen Bedingungen seines Landes in die internationale Sprache des Marxismus zu übersetzen, die auch jenseits der Grenzen des eigenen Landes verstanden wird.“

—ebd.

Wieder einmal springt Durgan Nin zur Seite. Er tadelt zwar die POUM, weil sie den Wahlpakt formell unterzeichnet hat, schreibt aber: „Angesichts der politischen Lage blieb der POUM kaum eine andere Wahl, als den Pakt gegen die Rechte zu unterstützen, doch der einzig gangbare Weg, dies zu tun, ohne über die Position der Partei Verwirrung zu stiften, hätte unabhängig von außen sein müssen“ („The Spanish Trotskyists and the Foundation of the POUM“). Wieder wird hier, wie in den 1930er-Jahren und seitdem, Unterstützung für die Volksfront einfach als ein taktisches Manöver hingestellt und nicht, wie Trotzki es nannte, als „das größte Verbrechen“ — für das die Arbeiterklasse mit ihrem Blut bezahlt hat.

Die Wahl der Volksfrontregierung vom Februar 1936 unter dem Linksrepublikaner Manuel Azaña, der auch in der Koalitionsregierung von 1931–33 Premierminister gewesen war, eröffnete eine Periode massiver Arbeiter- und Bauernunruhen, darunter Landbesetzungen und Hunderte von Streiks zwischen Februar und Juli 1936. Die Volksfront setzte alles daran, das Proletariat zu unterdrücken, konnte aber ihre bürgerlichen Herren und Meister nicht zufriedenstellen. Am 17. Juli 1936 funkte Franco den Garnisonen in Spanien, sie sollten die Städte besetzen. Die Regierung riss sich darum, mit den Franco-Streitkräften eine Übereinkunft zu erzielen, und bemühte sich, jeglichen Widerstand der Arbeiterklasse zu verhindern. Am nächsten Tag gaben die PSOE- und PCE-Führer eine Loyalitätserklärung heraus, in der sie verkündeten: „Die Regierung befiehlt und die Volksfront gehorcht.“ Doch die Arbeiter waren nicht bereit, den Versuchen der Regierung, sie mit Lügen einzulullen, zu „gehorchen“. Am 19. Juli begannen Arbeiter der CNT/FAI und der POUM spontan mit der Errichtung von Barrikaden. Die Arbeiter, denen von der Volksfrontregierung Waffen verweigert wurden, konfiszierten Gewehr- und Dynamitlager und umzingelten und entwaffneten die Armeekasernen. Ein revolutionärer Aufstand hatte begonnen.

Innerhalb weniger Tage befand sich ganz Katalonien in den Händen des Proletariats. Am 20. Juli traf eine Kolonne von 5000 durch asturische Bergarbeiter ausgerüsteten Sprengstoff-Männern in Madrid ein, um die Straßen zu sichern. Bewaffnete Arbeiterkomitees ersetzten die Zollbeamten an den Grenzen; ein Gewerkschaftsbuch oder eine Mitgliedskarte einer linken Partei war alles, was notwendig war zur Einreise in das Land. Maßgebliche Teile der Bourgeoisie, insbesondere in Katalonien, flohen oder wurden vertrieben und strömten in die von Francos Armee kontrollierten Landesteile. Ein gemeinsames Komitee von UGT und CNT übernahm für den gesamten Verkehr in Spanien die Verantwortung. Arbeiter besetzten die zurückgelassenen Fabriken und riefen Arbeiterkomitees ins Leben, die die Produktion auf lokaler Ebene organisierten. Solche Kollektive oder Kooperativen wurden in der Schifffahrt, im Bergbau, bei der Stromerzeugung, im Transportwesen, bei der Gas- und Wasserversorgung und in vielen anderen Industriezweigen eingerichtet.

Die bürgerliche Regierung „regierte“ weiterhin, doch die Macht lag faktisch in den Händen der bewaffneten Arbeiter und ihrer Komitees. Dies war eine Situation der Doppelherrschaft. Wie Trotzki in Geschichte der russischen Revolution schrieb: „Die historische Vorbereitung einer Umwälzung führt in der vorrevolutionären Periode zu einer Situation, in der die Klasse, die das neue Gesellschaftssystem zu verwirklichen berufen ist, ohne bereits Herr im Lande zu sein, faktisch einen bedeutenden Teil der Staatsmacht in Händen hält, während der offizielle Staatsapparat noch im Besitz der alten Machthaber verbleibt“ (Fischer Verlag, Frankfurt am Main, 1973). Die Frage war, ob diese „Doppelherrschaft“, wie Trotzki sie nannte, zugunsten der Revolution oder der Konterrevolution aufgelöst werden würde. „Denn die Frage stand so“ in dem Zeitraum zwischen der Februar- und der Oktoberrevolution in Russland, erklärte Trotzki:

„Entweder erobert die Bourgeoisie tatsächlich den alten Staatsapparat und erneuert ihn für ihre eigenen Ziele, wobei die Sowjets verschwinden müssen, oder die Sowjets werden zur Grundlage eines neuen Staates, wobei sie nicht nur den alten Apparat, sondern auch die Herrschaft jener Klassen, denen er gedient, liquidieren. Die Menschewiki und die Sozialrevolutionäre hielten den Kurs auf die erste Lösung. Die Bolschewiki auf die zweite... Es siegten die Bolschewiki.“

—ebd.

Doch in Spanien gab es keine bolschewistische Partei. Die Stalinisten, Sozialisten und Anarchisten flehten die Bourgeoisie im Namen der „demokratischen Revolution“ an, sie möge die Macht zurücknehmen, die die Arbeiter den Kapitalisten mit der Waffe in der Hand entrissen hatten. Wie sich der CNT-Führer García Oliver erinnert, erklärte Luis Companys, Chef der bürgerlich-nationalistischen Esquerra in Katalonien, vor einer Versammlung anarchistischer Führer, nachdem die Arbeiter Franco zurückgeschlagen hatten:

„Ihr habt gesiegt, und alles liegt in eurer Macht; wenn ihr mich nicht braucht oder wenn ihr mich nicht als Präsidenten von Katalonien wollt, dann sagt es mir jetzt sofort, und ich werde nichts weiter sein als ein einfacher Soldat im Kampf gegen den Faschismus. Wenn ihr aber glaubt, dass ich euch auf diesem Posten, den ich im Falle eines faschistischen Sieges nur als toter Mann verlassen hätte, mit den Männern meiner Partei, meinem Namen und meinem Ruf in diesem Kampf von Nutzen sein kann — ein Kampf, der zwar heute in unserer Stadt zu Ende ist, von dem wir aber nicht wissen, wann und wie er im übrigen Spanien enden wird —, dann könnt ihr auf mich zählen, auf meine Loyalität als Mensch und als Politiker. Ich bin überzeugt, dass heute die ganze schändliche Vergangenheit stirbt, und ich wünsche aufrichtig, dass Katalonien seinen Platz an der Spitze der sozial fortschrittlichsten Länder einnehmen möge.“

—zitiert in Abel Paz, DurrutiLeben und Tode des spanischen Anarchisten, Edition Nautilus, Verlag Lutz Schulenburg, Hamburg, 1993

Das war alles, was die anarchistischen Führer zu hören brauchten. García Oliver schreibt am Schluss seiner Schilderung: „CNT und FAI entschieden sich für die Zusammenarbeit und die Demokratie; sie verzichteten auf den revolutionären Totalitarismus, der die Revolution in einer konföderalen und anarchistischen Diktatur erstickt hätte. Sie vertrauten dem Wort und der Person eines katalanischen Demokraten und behielten und unterstützten Companys als Präsidenten der Generalitat“ (Kollektivismus und Freiheit, Quellen zur Geschichte der sozialen Revolution in Spanien 1936–1939, Hrsg. Walther L. Bernecker, dtv-Dokumente, März 1980).

Doppelherrschaft ohne eine bolschewistische Avantgarde

Im Gegensatz zu den Sowjets in Russland wurden die verschiedenen Fabrik- und Milizkomitees in Spanien im Allgemeinen nicht gewählt. Ihre Zusammensetzung und ihr Charakter wechselten von Ort zu Ort, je nachdem welche Gruppe die Kontrolle hatte. Es war notwendig, sie durch die Wahl von jederzeit abrufbaren Delegierten aus den Fabriken und Kasernen in wirkliche Sowjets zu verwandeln und sie zu Organen des vereinigten proletarischen Kampfes gegen die Kapitalistenklasse im ganzen Land zu zentralisieren. „Nur wenn die Doppelherrschaft solche organisatorischen Ausmaße annimmt, wird die Wahl zwischen dem herrschenden Regime und einer neuen revolutionären Ordnung, in welcher die Räte zur Staatsform werden, auf die Tagesordnung gestellt“ (Morrow, Revolution und Konterrevolution in Spanien).

Das Zentralkomitee der Antifaschistischen Milizen (CCMA) stand an der Spitze des Netzwerks von Arbeiterkomitees in Katalonien. Es wurde am 21. Juli 1936 als ein 15-köpfiges Komitee errichtet, ihm gehörten nicht nur Vertreter der CNT, der UGT und anderer Arbeiterorganisationen, sondern auch der bürgerlichen Esquerra an. Angesichts der Beteiligung der Esquerra argumentiert der Historiker Agustín Guillamón in seiner nützlichen Darstellung der linksanarchistischen Freunde Durrutis: „Zu keinem Zeitpunkt existierte eine Doppelherrschaftssituation. Dies ist entscheidend für jegliches Verständnis der Spanischen Revolution und des Bürgerkriegs. Das CAMC war eine Agentur der Klassenzusammenarbeit.“ (The Friends of Durruti Group: 1937–1939, AK Press, San Francisco, 1996)

Die Einbeziehung der Esquerra in das CCMA war ein Ausdruck der Politik der Klassenzusammenarbeit der reformistischen und anarchistischen Führer. Doch das CCMA war nicht einfach nur eine Ausweitung der Volksfrontregierung, was durch die Tatsache verdeutlicht wird, dass es alsbald von dieser Regierung zerschlagen wurde. So erläuterte Morrow:

„Im Gegensatz zu einer Koalitionsregierung, die in Wirklichkeit auf der alten Staatsmaschinerie beruhte, stützte sich das von den Anarchisten beherrschte Zentralkomitee auf die Arbeiterorganisationen und Milizen. Die Esquerra und jene, die ihr am nächsten standen — die Stalinisten und die UGT — liefen fürs erste bloß hinterher. Die Dekrete des Zentralkomitees waren das einzige Gesetz in Katalonien. Companys gehorchte ihren Requisitionen und Finanzanordnungen, ohne zu fragen. Vermutlich als Zentrum zur Organisierung der Milizen beginnend, musste es zwangsläufig mehr und mehr Regierungsfunktionen übernehmen. Bald gründete es ein Amt der Arbeiterpolizei; dann ein Vorratsamt, dessen Wort in den Fabriken und Seehäfen Gesetz war…

Um das Zentralkomitee der Milizen scharten sich die mannigfaltigen Komitees der Fabriken, Dörfer, für Vorrat, Ernährung, Polizei usw. in der Form von vereinigten Komitees der verschiedenen antifaschistischen Organisationen, die in Wirklichkeit eine größere Autorität ausübten, als je eine ihrer Komponenten hatte. Nach der ersten Flutwelle der Revolution enthüllten die Komitees natürlich ihre grundlegende Schwäche: Sie waren auf gegenseitige Übereinkunft der Organisationen gegründet, aus denen sie ihre Mitglieder zogen, und nach den ersten Wochen gewann die Esquerra, unterstützt von den Stalinisten, ihren Mut zurück, und gab ihrem eigenen Programm Ausdruck. Die CNT-Führer begannen Konzessionen zu machen, die der Revolution abträglich waren. Von jenem Zeitpunkt an hätten die Komitees nur fortschrittlich funktionieren können, wenn man die Methode der gegenseitigen Übereinkunft aufgegeben und die Methode von Mehrheitsentscheidungen durch demokratisch gewählte Delegierte aus den Milizen und Fabriken angenommen hätte.“

—Morrow, a.a.O.

Ein konkreter Ausdruck des Kampfes gegen die Politik der Klassenzusammenarbeit, die die revolutionären Kämpfe des Proletariats blockierte, wäre die Forderung nach Ausschluss der Esquerra aus dem CCMA gewesen. Diese Forderung hätte beim militanten katalanischen Proletariat große Resonanz gefunden, dem von der Esquerra im Kampf gegen Franco Waffen verweigert worden waren und das dann erleben musste, wie die anarchistischen und reformistischen Führer nach dem Sieg der Arbeiter über Francos Truppen kehrtmachten und den bürgerlichen „Demokraten“ um den Hals fielen. Die Forderung nach Ausschluss der Esquerra aus dem CCMA hätte eine scharfe Klassenlinie gezogen, indem sie den Verrat der falschen Arbeiterführer klar gemacht und dadurch als Hebel gedient hätte, das Proletariat für das Banner der Arbeitermacht und für den Kampf zur Schmiedung einer revolutionären Partei zu gewinnen.

Gleichzeitig wäre der einfache Rausschmiss der Vertreter der Bourgeoisie aus dem CCMA kaum eine erschöpfende Antwort gewesen. Tatsächlich hatte die POUM in ihrer Hochburg Lérida Vertreter der Esquerra aus dem Ortskomitee der Arbeiter ausgeschlossen. Doch die POUM beugte sich der Volksfront und widersetzte sich der Gründung von demokratisch gewählten Juntas der Arbeiter, Bauern und Milizionäre, ja sie lehnte die Wahl solcher Komitees sogar in den von ihr kontrollierten Fabriken und Milizeinheiten ab.

Nin behauptete, in Spanien bräuchte man keine Sowjets, und versicherte lächerlicherweise, dass solche umfassenden und autoritativen Organe des Klassenkampfes in Russland entstanden seien, weil das Proletariat keine Kampftradition gehabt habe: „In Russland gab es keine demokratische Tradition. Es existierte dort im Proletariat keine Tradition der Organisierung und des Kampfes… Unser Proletariat hatte jedoch seine Gewerkschaften, seine Parteien, seine eigenen Organisationen. Aus diesem Grunde haben sich die Sowjets bei uns nicht gebildet.“ („Die grundlegenden Probleme der Macht“, La Batalla, 27. April 1937, zitiert in Morrow, a. a. O.) Dies zeigte Nins Unlust zum politischen Kampf mit der CNT und anderen Tendenzen. Dennoch besaß die POUM wirkliche Autorität durch ihre Fähigkeit, die Sprache der Revolution zu sprechen — Autorität, die sie dazu benutzen sollte, das Proletariat zu entwaffnen und das CCMA und die örtlichen Arbeiterkomitees aufzulösen.

Die Konterrevolution bewaffnet sich wieder

Im September 1936 geißelte Nin die Volksfrontregierung in Madrid und erhob die Forderung „Nieder mit den bürgerlichen Ministern“. Gleichzeitig erklärte Nin, dass sich Katalonien bereits unter einer Diktatur des Proletariats befinde! Im gleichen Monat wurde Nin selbst Minister des bürgerlichen Staates, als die POUM zusammen mit der CNT/FAI in die katalanische Generalitat eintrat. Nin wurde zum Justizminister ernannt — derselbe Posten, den Kerenski anfangs in der bürgerlichen Provisorischen Regierung in Russland innehatte! In dieser Funktion trug Nin die oberste Verantwortung beim Frontalangriff der republikanischen Regierung auf die sich bildenden proletarischen Machtorgane, die von den revolutionären Arbeitern Kataloniens errichtet worden waren. Das Kernstück dieses konterrevolutionären Angriffs war die „Militarisierung“ der Milizen: Eine Anordnung der Generalitat von Anfang Oktober verfügte die Auflösung des CCMA und die Unterordnung der Arbeitermilizen unter den bürgerlichen Staat. Die lokalen Komitees wurden ebenfalls aufgelöst und durch bürgerliche Gemeindeverwaltungen ersetzt. Ein mit „Indegeta“ signierter Artikel in La Batalla (7. Oktober 1936) der POUM erklärte unverblümt:

„Das Zentralkomitee der antifaschistischen Milizen wurde aufgelöst als logische Folge der Bildung der neuen Regierung des Rats der Generalitat. ,Doppelherrschaft‘, eine klassische revolutionäre Phase, war dem Kurs der Revolution völlig abträglich… Zwei Monate des Bürgerkriegs und der Revolution haben uns die Nachteile eines solchen Dualismus aufgezeigt.“

—zitiert in José Rebull, „On Dual Power“ [Über Doppelherrschaft], Oktober 1937, nachgedruckt in Revolutionary History Bd. 4, Nr. 1/2

Dem folgte eine Anordnung zur Entwaffnung aller städtischen Arbeiter. Im Namen der „Kollektivierung der Industrie“ sollte ein weiteres Dekret die Fabrikkomitees beseitigen, indem sie zunehmend unter die Knute eines von der Regierung ernannten Agenten gestellt wurden.

Nin begleitete den bürgerlich-nationalistischen Esquerra-Führer Luis Companys persönlich nach Lérida, um die Auflösung des dortigen von der POUM dominierten Komitees zu überwachen. Enric Adroher (Gironella), ein POUM-Führer, gab später zu, dass die Generalitat „eine einzige historische Mission … die Komitees zu liquidieren“, hatte und dass die POUM damit „betraut worden war, die revolutionären Kräfte zu überreden“, dies zu akzeptieren, nur um nach der Erledigung dieses „unschätzbaren Dienstes“ aus der Regierung ausgeschlossen zu werden (zitiert in Durgan, „Trotsky and the POUM“).

Nach ihrem Ausschluss aus der Generalitat im Dezember 1936 appellierte die POUM dann an diese bürgerliche Regierung, einen Kongress der Gewerkschaften, Bauern und Kämpfer einzuberufen. Wie Trotzki bemerkte, war dies nur ein Mittel, mit dem die POUM versuchte, einen Weg zurück in die Volksfrontregierung zu finden:

„Die Führer der POUM versuchen flehentlich, die Regierung zu überzeugen, sie möge den Weg zur sozialistischen Revolution einschlagen. Die POUM-Führer versuchen höflich und geduldig, den CNT-Führern endlich die marxistische Lehre vom Staat verständlich zu machen. Die POUM-Führer betrachten sich selbst als ,revolutionäre‘ Ratgeber der Volksfrontführung. Diese Position ist unproduktiv und eines Revolutionärs unwürdig.

Es kommt darauf an, die Massen offen und kühn gegen die Volksfrontregierung zu mobilisieren. Erkennbar für die syndikalistischen und anarchistischen Arbeiter muss man den Verrat jener Herrschaften aufdecken, die sich zwar selbst Anarchisten nennen, sich in Wirklichkeit aber als simple Liberale herausgestellt haben. Man muss erbarmungslos auf den Stalinismus als der schlimmsten Agentur der Bourgeoisie einschlagen. Sich selbst muss man als Führer der revolutionären Massen empfinden — und nicht als Ratgeber der bürgerlichen Regierung...

In La Batalla vom 4. April finden wir die ,dreizehn Punkte für den Sieg‘. Alle Punkte tragen den Charakter von Ratschlägen, die das Zentralkomitee der POUM der Regierung gibt. Die POUM verlangt die ,Einberufung eines Delegiertenkongresses von Arbeiter- und Bauernausschüssen und der Soldaten‘. Der Form nach scheint es sich um einen Kongress der Arbeiter-, Bauern- und Soldatenvertreter zu handeln. Peinlich daran ist nur, dass die POUM höflich die bürgerlich-reformistische Regierung darum ersucht, einen solchen Kongress einzuberufen, der sich dann ,friedlich‘ an die Stelle der bürgerlichen Regierung setzen sollte. So wird eine revolutionäre Losung in eine leere Phrase verwandelt!“

—„Ist in Spanien ein Sieg möglich?“, 23. April 1937

Die Rolle der anarchistischen CNT/FAI

Die Militarisierung der Milizen war ein Wendepunkt. Die republikanische Bourgeoisie, ermutigt durch den Verrat der Arbeiterirreführer, begann ihre Vorherrschaft wieder geltend zu machen. Die revolutionären Arbeiter wurden in die Defensive gedrängt. Franco begann mit der Belagerung von Madrid und zwang die Zentralregierung, nach Valencia umzuziehen. Die CNT/FAI-Führung akzeptierte die Unterordnung der Milizen unter den Staat im Austausch für die Zusage von vier Regierungsministerien in Valencia. „Da die Anarchisten das Ziel ablehnten, nämlich die Machteroberung, konnten sie“, wie Trotzki feststellte, „letzten Endes auch nicht umhin, das Mittel abzulehnen, d.h. die Revolution.“

„Genauer: Die anarchistischen Arbeiter waren bestrebt, den bolschewistischen Weg zu gehen (19. Juli 1936, Maitage 1937), während die Führer umgekehrt mit aller Kraft Massen ins Lager der Volksfront, d.h. des bürgerlichen Regimes zurücktrieben.

Die Anarchisten zeichneten sich durch fatales Unverständnis für die Gesetze der Revolution und ihre Aufgaben aus, als sie versuchten, sich auf ihre Gewerkschaften, d.h. mit Routine durchtränkten Organisationen der Friedenszeit zu beschränken, und alles, was jenseits der Gewerkschaftsgrenzen in den Massen, in den politischen Parteien und im Staatsapparat vor sich ging, ignorierten. Wären die Anarchisten Revolutionäre gewesen, so hätten sie vor allem zur Bildung von Sowjets aufgerufen, in denen sich Vertreter aller Werktätigen von Stadt und Land versammeln, darunter auch die unterdrücktesten Schichten, die niemals den Gewerkschaften angehörten. In diesen Sowjets hätten die revolutionären Arbeiter natürlich die dominierende Stellung innegehabt. Die Stalinisten wären eine winzige Minderheit gewesen. Das Proletariat wäre sich seiner unüberwindlichen Kraft bewusst geworden. Der bürgerliche Staatsapparat hätte in der Luft gehangen. Ein starker Hieb würde genügt haben, um diesen Apparat vollends zu zertrümmern…

Stattdessen erwiesen sich die Anarchosyndikalisten, die sich vor der ,Politik‘ in die Gewerkschaften verkriechen wollten, zum großen Erstaunen aller Welt und ihrer selbst als fünftes Rad am Wagen der bürgerlichen Demokratie.“

—„Die spanische Lehre: eine letzte Warnung“, 17. Dezember 1937

Trotz seiner scharfsichtigen Darstellung der verräterischen Rolle, die die CNT-Führung spielte, führt Vernon Richards diesen wiederholten Verrat nur auf die „Korrumpierung durch die Macht“ zurück (Lessons of the Spanish Revolution). Die Kapitulation der CNT vor Companys und dem bürgerlichen Staat war Ausdruck des radikalen Idealismus, der den Wesenskern des Anarchismus ausmacht — nicht ein Verstoß dagegen. Während der Anarchismus die politische Macht ablehnt, postuliert er stattdessen, dass die Befreiung von Unterdrückung ein Akt moralischer Erneuerung aller Menschen „guten Willens“ ist. Wie Morrow ausführte:

„Die Klassenkollaboration liegt in der Tat im Herzen der anarchistischen Philosophie verborgen. In den Zeiten der Reaktion ist sie durch den anarchistischen Hass auf die kapitalistische Bedrückung verborgen. Aber in einer revolutionären Periode der Doppelherrschaft muss sie an die Oberfläche kommen. Denn dann bietet der Kapitalist lächelnd an, beim Aufbau der neuen Welt teilzunehmen. Und die Anarchisten, die gegen ,alle Diktaturen‘, einschließlich der Diktatur des Proletariats, sind, werden vom Kapitalisten bloß verlangen, er solle seine kapitalistische Einstellung ablegen, dem er natürlich zustimmt, um so besser die Zerschlagung der Arbeiterklasse vorzubereiten.“

—Morrow, a. a. O.

Als die CNT eine Massenbasis hatte und unter den Bedingungen bürgerlicher Legalität arbeitete, handelte sie fast genauso wie jede andere Gewerkschaft. Trotzki schrieb 1938: „Als Organisationen der oberen Schichten des Proletariats entwickeln die Gewerkschaften, wie es die gesamte historische Erfahrung, darunter auch die noch ganz frische mit den anarchosyndikalistischen Gewerkschaften Spaniens, bezeugt, starke Tendenzen zur Versöhnung mit dem demokratisch-bürgerlichen Regime. In Perioden verschärfter Klassenkämpfe bemühen sich die leitenden Apparate, der Massenbewegung Herr zu werden, um sie unschädlich zu machen.“ („Die Gewerkschaften in der Übergangsepoche“, Leo Trotzki, Das Übergangsprogramm, Arbeiterpresse Verlag, Essen, 1997) Solange die Gewerkschaften nicht unter die Führung einer revolutionären Partei gelangen, die für proletarische Staatsmacht kämpft, werden sie als Hilfstruppen der bürgerlichen Demokratie agieren. Die CNT-Führer erwiesen sich, ungeachtet ihrer eher radikalen Rhetorik, genau als das, was sie auch waren: reformistische Gewerkschaftsbürokraten.

Die zunehmende Wut und Unzufriedenheit an der Basis der CNT über die Auflösung der Milizen kam zum Ausdruck in einer Gruppe von Anarchisten, den Freunden Durrutis, die schließlich die Forderung nach Arbeiterjuntas erhob. Gegründet im März 1937, benannte sich die Gruppe nach dem langjährigen radikalen Anarchisten Buenaventura Durruti, einem führenden Militanten in der FAI und Befehlshaber der CNT-Miliz an der Aragon-Front. Im November 1936 hatte Durruti öffentlich die Unterstützung der CNT-Führung für die Militarisierung der Milizen gegeißelt; er wurde noch im gleichen Monat unter fragwürdigen Umständen umgebracht. Wie Guillamón in The Friends of Durruti Group: 1937–1939 betont, war die Gruppe eine Vereinigung derjenigen radikalen anarchistischen Kämpfer, die sich gegen die Auflösung der Milizen wandten — wie Durrutis ehemaliger Mitarbeiter Pablo Ruiz —, mit anarchistischen Intellektuellen, die eine Beteiligung an der Regierung ablehnten. Zu den Letzteren gehörte Jaime Balius, einer der Hauptautoren für die Zeitung Solidaridad Obrera der CNT. Die Freunde hatten etwa 4000 oder mehr Militante und wichtige Wurzeln in der CNT/FAI. (Siehe „Trotzkismus und Anarchismus im Spanischen Bürgerkrieg“, Spartakist Nr. 156 und 157, Herbst 2004 und Winter 2004/2005.)

Obgleich die Freunde Durrutis nie den Sprung vom Anarchismus zum Marxismus schafften, trieb sie ihr Verlangen, der Arbeiterrevolution zum Sieg zu verhelfen, bis an die Grenzen der anarchistischen Ideologie. In einer Broschüre von 1938, Towards a Fresh Revolution [Hin zu einer neuen Revolution], erklärte Balius:

„Wir führen eine geringfügige Modifikation in unser Programm ein. Die Errichtung einer Revolutionären Junta.

Unserer Ansicht nach braucht die Revolution Organismen, die die Revolution leiten und feindliche Sektoren auf geordnete Art und Weise unterdrücken. Wie die gegenwärtigen Ereignisse gezeigt haben, lassen solche Sektoren ihre Zerstörung nicht zu, es sei denn, sie werden zerschlagen.“

—zitiert in Guillamón, The Friends of Durruti Group: 1937–1939

Diese „geringfügige Modifikation“, die die Notwendigkeit eines Repressionsorgans gegen „feindliche Sektoren“ anerkennt, lief auf eine stillschweigende Anerkennung der Notwendigkeit eines Arbeiterstaates hinaus, d.h. die Diktatur des Proletariats. Wie Lenin schrieb: „Sollen die Arbeiter ,die Waffen niederlegen‘, wenn sie das Joch der Kapitalisten abwerfen, oder sollen sie diese Waffen gegen die Kapitalisten ausnutzen, um deren Widerstand zu brechen? Aber die systematische Ausnutzung der Waffen durch eine Klasse gegen eine andere Klasse, was ist das denn anderes als eine ,vorübergehende Form‘ des Staates?“ (Staat und Revolution, 1917).

Seit Beginn der spanischen Ereignisse hatte Trotzki betont, man müsse sich an die CNT richten, denn sie „umfasst zweifellos die militantesten Elemente des Proletariats“:

„Hier hat eine Reihe von Jahren lang eine Auswahl stattgefunden. Diesen Verband zu stärken, ihn in eine echte Massenorganisation umzuwandeln, ist die Verpflichtung jedes fortgeschrittenen Arbeiters, und vor allem der Kommunisten…

Gleichzeitig jedoch haben wir keine Illusionen über das Schicksal des Anarchosyndikalismus als einer Lehre und einer revolutionären Methode. Der Anarchosyndikalismus entwaffnet das Proletariat durch das Fehlen eines revolutionären Programms und sein Unvermögen, die Rolle der Partei zu begreifen. Die Anarchisten ,verneinen‘ die Politik, bis sie von ihr an der Gurgel gepackt werden; dann bereiten sie den Boden für die Politik des Klassenfeindes vor.“

—„Die Revolution in Spanien“, 24. Januar 1931

Sowohl die ICE als auch Mauríns BOC hatten anfangs einige Leute innerhalb der CNT. In den Jahren 1932/33 festigte die anarchistische FAI ihren Griff auf die CNT und trieb die meisten Maurínisten hinaus (wie auch die reformistischen Syndikalisten um Pestaña). Der Anarchist Murray Bookchin, der sich über das angeblich autoritäre und brutale Regime von Lenins Bolschewiki ereifert, doziert zynisch über den bürokratischen Würgegriff der FAI über die CNT: „Man sollte sich nicht der Illusion hingeben, dass dieser Erfolg durch eine allzu feinfühlige Berücksichtigung demokratischer Nettigkeiten zustande kam“ (Bookchin, Introductory Essay, Hrsg. Sam Dolgoff, The Anarchist Collectives, Free Life Editions, New York, 1974).

Die CNT/FAI wurde, wie Trotzki bemerkte, ins Kielwasser der katalanischen Nationalisten gezogen; die Maurín-Gruppe wiederum befand sich im Schlepptau der Anarchosyndikalisten. Und Nin trottete der CNT/FAI und Maurín hinterher. Dieser politisch versöhnlerische Kurs begann sich unter dem Einfluss des Bürgerkriegs und der Volksfront voll zu entfalten. Andrade, Nins „linkes“ Sprachrohr, erkannte das bankrotte Vertrauen der POUM in die anarchosyndikalistischen Führer offen an: „Die Zukunft der Spanischen Revolution wird von der Haltung der CNT und der FAI abhängen und von der Fähigkeit, die ihre Führer (!) an den Tag legen, wenn sie den Massen, auf die sie Einfluss haben, eine Orientierung geben“ (zitiert in Adolphe, „History and Lessons of a Mistake“ [Geschichte und Lehren eines Fehlers], 28. Mai 1937, Information Bulletin, Juli 1937). Wie Morrow schrieb:

„Die Führung der POUM klammerte sich an die CNT. Statt dass sie mit den Anarcho-Reformisten kühn um die Führung der Massen kämpfte. Indem er sich mit ihnen identifizierte, suchte Nin nach einer trügerischen Stärke. Die POUM schickte ihre Militanten in die kleinere und heterogenere katalanische UGT, statt um die Führung der Millionen in der CNT zu kämpfen. Sie organisierte POUM-Milizkolonnen, die ihren Einfluss umschrieben, anstatt ihre Kräfte in die riesigen CNT-Kolonnen zu schicken, wo die entscheidenden Teile des Proletariats bereits versammelt waren. La Batalla berichtete über die Tendenz der CNT-Gewerkschaften, kollektiviertes Eigentum als ihr eigenes zu behandeln. Die anarcho-syndikalistischen Theorien, die diese Tendenz hervorbrachten, griff sie niemals an. Im folgenden Jahr führte sie niemals einen prinzipiellen Angriff gegen die anarcho-reformistische Führung, noch nicht einmal, als die Anarchisten die Vertreibung der POUM aus der Generalidad stillschweigend hinnahmen. Weit davon entfernt zur Einheit der Aktion mit der CNT zu führen, erlaubte es dieser falsche Kurs der CNT-FAI-Führung, der POUM völlig ungestraft den Rücken zuzukehren.“

—Morrow, a.a.O.

Die Durruti-Gruppe: Linke Anarchisten ohne Kompass

Die POUM pries anfangs (unkritisch, wie es scheint) die Freunde Durrutis. Im Nachhinein spielte Andrade die Bedeutung dieser linken Strömung innerhalb des Anarchosyndikalismus herunter und schrieb 1986: „Seither ist versucht worden, die ,Freunde Durrutis‘ als überaus repräsentative Organisation darzustellen, die das revolutionäre Bewusstsein der CNT-FAI artikulierte. In Wirklichkeit zählten sie organisatorisch nicht und verkörperten ideologisch gesehen nur monumentale Verwirrung“ (zitiert in Guillamón, a. a. O.). Durgan plappert das nach: „Es gibt auch eine Tendenz im trotzkistischen Schrifttum zur Spanischen Revolution, die Wichtigkeit der potenziellen Verbündeten der POUM im Mai 1937, der radikalen anarchistischen Gruppe der Freunde Durrutis, zu übertreiben“ („Trotsky and the POUM“).

Dies sind Alibis für die Weigerung der POUM, die Anarchosyndikalisten politisch zu bekämpfen. Die Durruti-Gruppe war zutiefst konfus. Doch sie war in politischer Bewegung. Hätte eine leninistische Partei auf diese Bewegung linker Anarchisten eingewirkt, dann hätten sich die Besten von ihnen von dem ideologischen Gepäck, das sie mitschleppten, befreit und für den Bolschewismus gewonnen werden können. Durch die Erfahrung der Volksfront und den Verrat der CNT/FAI-Führer hatten die Militanten der Durruti-Gruppe begonnen, entscheidende Aspekte der anarchistischen Doktrin empirisch zu verwerfen, darunter die „Ablehnung von Autorität“, mit der die CNT-Führer ihre Kapitulation vor Companys rechtfertigten. Vor seiner Auflösung rief der Gelsa-Sektor der Durruti-Kolonne an der Aragon-Front die CNT/FAI-Führung dazu auf, die Milizen unter einem zentralen Führungsstab zu reorganisieren, der demokratisch gewählten Delegierten verantwortlich wäre, und unternahm einige Schritte, dies zu verwirklichen. In ähnlichem Tenor schrieb Balius im Januar 1937:

„Jeder kommt langsam zu der Erkenntnis, dass das Proletariat für einen schnellen Sieg in diesem Kampf gegen den Faschismus eine Armee braucht. Aber eine eigene Armee, aus ihm selbst heraus geboren, von ihm selbst geleitet — wenigstens von ihm selbst kontrolliert… Eine Armee mit Führungsstab und Disziplin; einem Arbeiterführungsstab.“

—zitiert in Miquel Amorós, La Revolución traicionada: La verdadera historia de Balius y Los Amigos de Durruti, Virus, Barcelona, 2003
[Die verratene Revolution: Die wahre Geschichte von Balius und den Freunden Durrutis, unsere Übersetzung]

In einem seiner letzten Artikel in Solidaridad Obrera (6. Dezember 1936) der CNT, „Durrutis Testament“, schrieb Balius: „Durruti erklärte unumwunden, wir Anarchisten sollten verlangen, dass die Revolution einen totalitären Charakter hat“ (zitiert in Guillamón, a. a. O.). Balius bestritt später, dass die Gruppe jemals die Junta als das Organ einer neuen Klassenmacht in Betracht gezogen habe (siehe Ronald Fraser, Blood of Spain: An Oral History of the Spanish Civil War [Blut Spaniens: Eine mündliche Geschichte des Spanischen Bürgerkriegs], Pantheon Books, New York, 1979). Doch auf einem Plakat vom April 1937 rief die Gruppe ausdrücklich zu einer Arbeiterjunta auf, die die kapitalistische Generalitat-Regierung ersetzen soll: „Sofortige Errichtung einer Revolutionären Junta aus städtischen und ländlichen Arbeitern und aus Kämpfern... Statt der Generalidad eine Revolutionäre Junta!“

Doch die Freunde Durrutis blieben der CNT/FAI gegenüber bis zum Schluss loyal und behielten die Feindseligkeit von Anarchisten gegenüber politischen Parteien bei. So waren sie der Auffassung, die revolutionären Juntas dürften einzig und allein aus Delegierten bestehen, die von den Gewerkschaften gewählt werden. Damit würde den Massen der unorganisierten Arbeiter, die für gewöhnlich den unterdrückteren und weniger stabilen Schichten des Proletariats angehörten, eine Vertretung verweigert. Darüber hinaus neigten die Gewerkschaften als Organisationen des alltäglichen defensiven Kampfes in Friedenszeiten dazu, als konservative Bremse des revolutionären Kampfes zu fungieren. Trotzki schrieb: „Die Epigonen des Syndikalismus möchten einem weismachen, dass die Gewerkschaften für sich selbst ausreichend sind. Theoretisch bedeutet das nichts, aber praktisch heißt das die Auflösung der Avantgarde in die rückständigen Massen, d.h. in die Gewerkschaften“ („Kommunismus und Syndikalismus“, Oktober 1929, Marxismus und Gewerkschaft).

Die politikfeindliche Voreingenommenheit der Durruti-Gruppe zeigte sich auch in einer falschen Unterscheidung zwischen einer Kontrolle der Junta über die militärischen Einsätze und einer Kontrolle der Gewerkschaften über die Wirtschaft. Ihre Plattform von 1938 Hin zu einer neuen Revolution präzisierte: „Die Junta wird sich aus wirtschaftlichen Angelegenheiten heraushalten, welche die ausschließliche Domäne der Gewerkschaften sind.“ Aber man kann auf keinen Fall politische, militärische und wirtschaftliche Fragen voneinander trennen. Die Kampfkraft der proletarischen Armee hing von der Produktion von Waffen, Lebensmitteln und anderem Material ab; eine revolutionäre Junta könnte keinen Krieg führen, ohne derartige Überlegungen anzustellen, ebenso wenig wie die Gewerkschaften die wirtschaftlichen Angelegenheiten lenken könnten, ohne zu überlegen, was militärisch notwendig ist.

Diese Frage stellte sich konkret im Zusammenhang mit der Versorgung der Arbeiter mit geeigneten Waffen. Die CNT-Führer rechtfertigten ihre Unterstützung für den bürgerlichen Staat mit dem Argument, dass ein zentralisiertes Militär mit modernen Waffen gebraucht wurde, um den Krieg gegen Francos Armeen führen zu können. Hin zu einer neuen Revolution stellte fest: „Der Norden Spaniens hätte gerettet werden können, wenn man das für den Widerstand gegen den Feind notwendige Kriegsmaterial erhalten hätte. Die Mittel waren vorhanden. Die Bank von Spanien hatte ausreichend Gold, um den spanischen Erdboden mit Waffen zu überschwemmen. Warum geschah dies nicht?“ Die CNT konnte und wollte die Banken nicht beschlagnahmen, denn sie war selbst Teil des bürgerlichen Staates. Die Enteignung und Kollektivierung des Finanzwesens und der Industrie war die Aufgabe eines Arbeiterstaates auf der Grundlage einer zentralisierten Juntamacht. Doch die Durruti-Gruppe akzeptierte nicht, dass so etwas die Aufgabe eines zentralisierten Sowjetstaates ist, und blieb eine Antwort auf die Frage schuldig.

Die Position der Freunde zur nationalen/kolonialen Frage war wohl noch bezeichnender für ihr Unvermögen, einen vollständigen Bruch mit der CNT/FAI herbeizuführen. Die anarchistische Feindschaft gegenüber dem Staat schlechthin brachte sie logischerweise dazu, den Kampf für die Unabhängigkeit Spanisch-Marokkos abzulehnen. In ihrer Broschüre von 1938 beschrieb die Durruti-Gruppe Spanien als eine Kolonie, während sie kein einziges Mal die Unabhängigkeit Marokkos forderte. Vernon Richards’ Kritik an den CNT/FAI-Führern trifft genauso auf die Freunde Durrutis zu:

„Gemessen an den Taten der CNT wird es klar, dass die CNT kein revolutionäres Programm hatte, welches Marokko von einem Feind zu einem Verbündeten der Volksbewegung hätte machen können, und zu keiner Zeit schenkten die Führer anarchistischen Militanten in ihrer Mitte wie Camillo Berneri Beachtung, die darauf drängten, dass spanische Anarchisten Agitatoren nach N. Afrika schicken und unter den Arabern eine groß angelegte Propagandakampagne für die Autonomie durchführen sollten.“

Lessons of the Spanish Revolution

Die Marokkofrage spielte eine wichtige Rolle bei der Geburt der CNT, die sich nach einem Generalstreik von 1909 gegen die Einberufung von Reservisten zum Militär nach Marokko formierte. Gleich nach ihrer Gründung 1911 rief die CNT erneut zu einem Generalstreik auf, unter anderem gegen den Krieg in Marokko. Doch schon Ende 1936 dienten die CNT/FAI-Führer als Minister des spanischen bürgerlichen Staates, der dem marokkanischen Volk die koloniale Unterdrückung aufzwang.

Die Trotzkisten verkündeten: „Marokko den Marokkanern; in dem Augenblick, in dem diese Losung öffentlich verkündet wird, wird sie Aufruhr unter den unterdrückten Massen Marokkos entfachen und die Zersetzung der faschistischen Söldnerarmee bewirken“ („The Program of the Spanish Bolshevik-Leninists“ [Das Programm der spanischen Bolschewiki-Leninisten], Juli 1937, Revolutionary History Bd. 1, Nr. 2, Sommer 1988). Francos Stoßtruppen bestanden in erster Linie aus Marokkanern und der spanischen Fremdenlegion wie auch aus einigen von Mussolini und Hitler zur Verfügung gestellten Truppen. Vom Exil auf der Insel Réunion aus bat Abd-el-Krim, der Führer des Rifkriegs von 192126 gegen die französischen und spanischen Kolonialisten in Marokko, den PSOE-Premierminister Largo Caballero darum, seinen Einfluss bei der französischen Volksfrontregierung von Léon Blum für Krims Freilassung geltend zu machen, damit er nach Marokko zurückkehren könne, um einen Aufstand gegen Franco anzuführen. Doch die britischen und französischen Imperialisten, nach denen sich die Spanische Republik richtete, hätten einen solchen Schritt nicht gebilligt. Wie Morrow bemerkte: „Caballero wollte nicht fragen, und Blum wollte nicht bewilligen. Spanisch-Marokko wachzurütteln könnte die imperialistische Herrschaft in ganz Afrika bedrohen“ (Revolution und Konterrevolution in Spanien).

Der Kampf zur Schmiedung eines trotzkistischen Kerns

Durch Nins Liquidierung in die POUM 1935 — ein Verrat und ein Versagen historischen Ausmaßes — war über ein Jahr lang das Banner der Vierten Internationale aus Spanien verschwunden. In einem Artikel unmittelbar nach der Unterzeichnung des Volksfrontpaktes durch die POUM erklärte Trotzki, man müsse, „unbarmherzig den Verrat der Maurín, Nin, Andrade & Co. entlarven und den Grundstein legen für die spanische Sektion der Vierten Internationale“ („Der Verrat der spanischen ,Arbeiterpartei für Marxistische Einheit‘“). Ein paar Monate später schrieb er: „Eine marxistische Aktion kann in Spanien nur mit einer unversöhnlichen Verurteilung der ganzen Politik von Andrés Nin und Andrade beginnen, einer Politik, die nicht nur falsch, sondern auch verbrecherisch war und bleibt“ („Aufgaben der Vierten Internationale in Spanien“, 12. April 1936). Trotzki war der Auffassung: „Die wahrhaft revolutionären Elemente haben noch eine gewisse, sicherlich nicht allzu lange Zeit zur Verfügung, um mit sich selbst zu Rate zu gehen, ihre Kräfte zu sammeln und sich auf die Zukunft vorzubereiten“, und nannte die Aufgaben „für die spanischen Anhänger der Vierten Internationale … sonnenklar“:

„sie müssen

1. unbarmherzig den Massen gegenüber die Politik aller an der Volksfront teilnehmenden Führer verurteilen und anprangern,

2. in vollem Umfang die Erbärmlichkeit der Führung der ,Arbeiterpartei der Marxistischen Einheit‘ und besonders der ehemaligen ,Linken Kommunisten‘ — Andrés Nin, Andrade usw. — begreifen und vor den Augen aller bewussten Arbeiter ein deutliches Bild von ihnen zeichnen,

3. sich um das Banner der Vierten Internationale auf der Basis des ,Offenen Briefes‘ [Frühjahr 1935] scharen,

4. in die Sozialistische Partei und in die Vereinigte Jugend eintreten, um dort als eine Fraktion im Sinne des Bolschewismus zu arbeiten,

5. Fraktionen und andere Kader in den Gewerkschaften und anderen Massenorganisationen aufbauen,

6. ihre Hauptaufmerksamkeit den spontanen und halbspontanen Massenbewegungen zuwenden, ihre allgemeinen Züge untersuchen, d.h. die Temperatur der Massen und nicht der parlamentarischen Cliquen messen,

7. bei jedem Kampf anwesend sein, um ihm einen deutlichen Ausdruck zu geben,

8. immer darauf dringen, dass die kämpfenden Massen Aktionskomitees (Juntas, Sowjets) bilden und diese für diesen Zweck gewählten Komitees dauernd erweitern,

9. allen widersprüchlich gemischten Programmen (à la Caballero oder à la Maurín) das Programm der Machteroberung, der Diktatur des Proletariats und der sozialen Revolution gegenüberstellen.

Das ist der wirkliche Weg zur proletarischen Revolution. Es gibt keinen anderen.“

Dieser Brief wurde an einen Unterstützer in Spanien geschrieben, doch es ist nicht klar, ob er jemals angekommen ist oder in Spanien zirkulierte. Er wurde jedoch in der trotzkistischen Presse international veröffentlicht.

Es war notwendig, aufs Neue einen spanischen trotzkistischen Kern aufzubauen, der offen das Banner der Vierten Internationale hisste und den Massen ein unabhängiges Gesicht zuwandte. Dies erforderte auch einen Kampf gegen versöhnlerische Elemente innerhalb der IKL. Viele der älteren europäischen Oppositionskader — unter ihnen Vereecken und Sneevliet — waren vom zentristischen Londoner Büro beeinflusst und landeten schließlich auf der Seite von Nin gegen Trotzki. Ende Juli 1936 hielt die IKL eine Konferenz in Paris ab, aus der die Bewegung für die Vierte Internationale hervorging. Sneevliet verließ diese Konferenz nach ein paar Stunden, nachdem er erklärt hatte, er habe die Absicht, im Herbst an einer Konferenz des Londoner Büros teilzunehmen. Im Großen und Ganzen bestand das in Paris ansässige Internationale Sekretariat aus relativ jungen und unerfahrenen Leuten. Auch sie waren dem Druck der Volksfrontpolitik ausgesetzt, besonders ausgeprägt in Frankreich, das damals von der Volksfront unter Léon Blum regiert wurde. Jean Rous, einer der Führer der französischen Sektion, war 1936 der IS-Vertreter in Spanien.

So war bei Ausbruch des Spanischen Bürgerkriegs das internationale Zentrum der trotzkistischen Bewegung noch neu und ohne feste Gestalt. Vor allem hatte es fünf entscheidende Monate lang auf Trotzkis Eingreifen verzichten müssen. Ende August 1936, als Moskau den ersten einer Reihe von Schauprozessen ankündigte, die zu blutigen Massensäuberungen führten, war Trotzki auf Drängen der stalinistischen Bürokratie von der norwegischen Regierung interniert worden. Nachdem er gerade die Verratene Revolution beendet hatte, seine maßgebliche Analyse der stalinistischen Degeneration der Sowjetunion, sah sich Trotzki gleich mit der Aufgabe konfrontiert, die Verleumdungen seiner Person und der anderen alten Bolschewiki durch das Stalinregime zu entlarven. Im Dezember wurde Trotzki nach Mexiko ausgewiesen, wo er im folgenden Monat ankam. Dass er in diesem Zeitraum nicht aktiv in Spanien eingreifen konnte, war ein ungeheurer Verlust.

Eine Fülle dokumentarischen Materials von oder über die spanischen Trotzkisten und über die Debatten in der Vierten Internationale zu Spanien ist jetzt unter anderem in Einrichtungen wie Harvard und dem Hoover-Institut an der Stanford-Universität verfügbar. Doch die Arbeit, alles durchzusehen und ein vollständiges Bild der trotzkistischen Intervention zusammenzufügen, bleibt noch zu tun. Wir sind einige IS-Protokolle und -Briefwechsel und Berichte über Spanien durchgegangen sowie auch Memoiren von Teilnehmern und andere in Revolutionary History und in weiteren Quellen auf Englisch veröffentlichte Materialien. Wir haben auch die Sammlung spanischer trotzkistischer Quellen, die Agustin Guillamón in Documentación histórica del trosquismo español (1936–1948) [Historische Dokumentation des spanischen Trotzkismus (1936–1948)], Ediciones de la Torre, Madrid, 1996, zusammengestellt hat, durchgesehen. Doch selbst das beste biografische Material, wie Munis’ Jalones de Derrota: Promesa de Victoria, enthält wenig über die internen Debatten und Diskussionen, die zwischen der Liquidierung der ICE 1935 und dem Aufstand von Barcelona 1937 stattgefunden haben. So ist unser Wissen über die Arbeit der spanischen Trotzkisten bruchstückhaft, und wir können nur einige allgemeine Betrachtungen anstellen. Für eine umfassende Bewertung der Arbeit der Vierten Internationale in Spanien 1936/37 ist noch viel zu tun.

Versöhnlertum der POUM

Nach mehreren größtenteils erfolglosen Versuchen des IS, neue Kontakte in Spanien aufzubauen, nahm im Sommer 1936 die kleine Gruppe Bolschewiki-Leninisten (GBL) unter der Führung von Nicola di Bartolomeo (Fosco) mit dem IS Verbindung auf. Die GBL bestand zum Großteil aus Ausländern, viele davon Italiener wie Fosco, die in ihren Ländern Mitglieder der Linken Opposition gewesen und nach Spanien gekommen waren, um im Bürgerkrieg zu kämpfen. Die meisten von ihnen gingen sofort an die Front, um sich der POUM-Miliz anzuschließen. Die spanischen Trotzkisten ignorierten so gut wie völlig ihre wichtigste Aufgabe, nämlich die Herausgabe einer Zeitung mit theoretischen und polemischen Artikeln, um ihre Intervention programmatisch zu bewaffnen. Wie Lenin in seinem grundlegenden Werk Was tun? (1902) betonte, ist eine regelmäßige Parteipresse das entscheidende Gerüst für den Aufbau einer revolutionären Partei. Erst im April 1937 begann die Nachfolgeorganisation der GBL, die SBLE, eine Zeitung, La Voz Leninista (Leninistische Stimme), herauszugeben. Nur drei Nummern wurden produziert, bevor die SBLE 1938 unterdrückt wurde. Das Fehlen einer regelmäßigen Presse lähmte die Intervention der Trotzkisten ganz wesentlich.

Anstatt den Massen ihr eigenes unabhängiges Gesicht zuzuwenden, geriet die GBL ins Schlepptau der POUM. Fosco, der von Nin zum Verantwortlichen für die Organisierung ausländischer Freiwilliger für die POUM-Miliz ernannt wurde, gelobte seine Loyalität gegenüber der POUM als „der einzigen revolutionären Partei“ (La Batalla, 4. August 1936, in Guillamón, Documentación, unsere Übersetzung). Als eine IS-Delegation unter Jean Rous im August 1936 in Spanien ankam und die Ausgabe von La Lutte Ouvrière der französischen Trotzkisten mit dem Artikel „Der Verrat der spanischen ,Arbeiterpartei für Marxistische Einheit‘“ verteilte, war Fosco genauso aufgebracht wie die POUM-Führer. „Dies allein“, schrieb er später, „reichte aus, um die gesamte Politik des Internationalen Sekretariats für untauglich zu erklären“ (Guillamón, Documentación).

Rous bezeichnete Fosco als „einen Agenten der POUM in unseren Reihen, der die Repression der POUM gegen uns erleichterte“ (Bulletin Intérieur International Nr. 1, April 1937). Fosco wurde danach aus der GBL ausgeschlossen und veröffentlichte anschließend mehrere Nummern einer französischsprachigen Publikation, Le Soviet, zusammen mit Raymond Molinier, einem prinzipienlosen Taktierer, der Ende 1935 aus der französischen Sektion ausgeschlossen worden war. Aber es war nicht nur Fosco, der Trotzki für seine vernichtenden Angriffe auf die POUM-Führer geißelte: Sneevliet, Serge und Vereecken machten es auch. 1936/37 waren die jüngeren Elemente im IS in hitzige, aber oft ergebnislose, Kämpfe gegen die eindeutig POUM-freundlichen Ansichten von Sneevliet, Vereecken und Serge verwickelt. Zu den solideren Elementen im IS gehörten Erwin Wolf (Braun), ein tschechischer Oppositioneller, der für Trotzki in Norwegen als Sekretär gearbeitet hatte, und Rudolph Klement (Adolphe), der davor in der Türkei und in Frankreich Trotzkis Sekretär gewesen war.

In einem Brief vom 20. Dezember 1936 berichtete Rous: „Als Sneevliet nach Barcelona kam, verurteilte er in seiner Eigenschaft als Mitglied des Büros der Vierten Internationale öffentlich und kategorisch die politische Linie des IS, um die politische Linie der POUM zu preisen“ (ebd.). Vereecken verteidigte ebenso die POUM. Er gab zu, dass die POUM einige „Fehler“ gemacht hatte, war aber nicht bereit, diese beim richtigen Namen zu nennen — Verrat. Er sparte sich sein Feuer auf für Trotzkis „kriminelle“ Verurteilungen dieser „Fehler“. Als Vereeckens Zeitung einen Artikel der POUM brachte mit einer Einleitung, die Nin & Co. lobte, schrieb Trotzki einen Leserbrief:

„Sechs Jahre lang hat Nin nichts als Fehler begangen. Er hat mit Ideen geliebäugelt und ist Schwierigkeiten ausgewichen. Er hat keine Schlachten geliefert, sondern sich mit Winkelzügen begnügt. Er hat die Schaffung einer revolutionären Partei in Spanien verhindert. All die Führer, die ihm nacheiferten, tragen die gleiche Verantwortung. Sechs Jahre lang haben sie alles Menschenmögliche getan, um dieses heldenmütige Proletariat Spaniens, das voller Energien steckt, den schrecklichsten Niederlagen auszusetzen… Diese Jammerlappen! Und ihr druckt das mit eurer Zustimmung ab, anstatt den menschewistischen Verrätern, die sich mit scheinbolschewistischen Formeln abschirmen, das Fell zu gerben.

Erzählt mir nicht, dass die POUM-Arbeiter heroisch kämpfen usw. Ich weiß das so gut wie andere. Aber gerade ihre Kämpfe und Opfer zwingen uns, die Wahrheit und nichts als die Wahrheit zu sagen. Nieder mit der Diplomatie, dem Kokettieren und den Ausflüchten. Man muss auch die bitterste Wahrheit sagen können, wenn das Schicksal eines Krieges und einer Revolution davon abhängt. Uns verbindet nichts mit der Politik Nins, noch mit jemandem, der sie unterstützt, tarnt oder verteidigt.“

—„An die Redaktion von La Lutte Ouvrière“, 23. März 1937

Wutentbrannt antwortete Vereecken Trotzki: „Wir betrachten diesen Artikel wie auch die allgemeine Haltung unseres Büros und der französischen Sektion gegenüber der POUM als sektiererisch und gefährlich, und wenn wir versucht sein sollten, starke Worte zu gebrauchen, würden wir kriminell sagen“ (Vereecken, „For a Correct Policy in Respect to the Spanish Revolution and POUM“ [Für eine korrekte Politik in Bezug auf die Spanische Revolution und die POUM], nachgedruckt in Information Bulletin, Juli 1937). Vereecken betete Nins engstirnige Rechtfertigungen nach, die der Ablehnung der Lehren der bolschewistischen Revolution dienten: „Eine Partei ist nicht ein Stück Ware, das beliebig im- und exportiert werden kann. Die Spanische Revolution wird ,spanisch‘ sein, wie die Russische Revolution ,russisch‘ gewesen ist.“ Am Ende zog Vereecken die Schlussfolgerung: „Eines wollen wir mit aller Macht feststellen, dass die POUM die revolutionäre Organisation in Spanien ist“, und beklagte sich: „Die gesamte Aktivität des Büros ist auf den Aufbau einer revolutionären Partei außerhalb der POUM ausgerichtet“ (ebd.).

Leider war das nicht der Fall. Beeinträchtigt dadurch, dass Trotzki nicht zur Verfügung stand, und durch die Tatsache, dass die Meinungsverschiedenheiten bezüglich der POUM nicht völlig ausgekämpft worden waren, beugten sich anfangs Elemente innerhalb des IS dem Druck von POUM-Apologeten wie Sneevliet und Vereecken und begriffen nicht „in vollem Umfang die Erbärmlichkeit“ von Nin & Co. Damit wurde die Schwäche der Kräfte des spanischen Trotzkismus vor Ort noch verschlimmert. Diese waren durch die Rückkehr von Grandizo Munis im Oktober 1936 verstärkt worden, der zu der Handvoll von ICE-Kadern gehörte, die sich in der Frage des Eintritts in die PSOE/JS gegen Nin auf die Seite Trotzkis geschlagen hatten. Doch selbst danach waren die Trotzkisten in Spanien überwiegend Ausländer, politisch nicht zusammengeschweißt und dabei konfrontiert mit Massenorganisationen der Arbeiterklasse in einer revolutionären Situation.

Doch dies ist kein Argument gegen einen Kampf zum Aufbau der Führung der proletarischen Avantgarde, die so dringend notwendig war. Es war die oberste Pflicht der spanischen Trotzkisten, für eine Abspaltung und Umgruppierung revolutionärer Elemente von der POUM, den Anarchisten und anderen Arbeiterparteien zu kämpfen, um dadurch das für den Sieg entscheidende Instrument zu schmieden: eine leninistische Avantgardepartei. Stattdessen beschäftigten sich die spanischen Trotzkisten und das IS vornehmlich mit einem Eintritt in die POUM, den sie als einziges Mittel sahen, wodurch eine bolschewistische Partei geschmiedet werden könnte.

In einem Brief vom 24. August 1936 beschrieb Hans David Freund (Moulin), ein deutscher Emigrant, der später ein Führer der spanischen Bolschewiki-Leninisten wurde, die POUM als „eine zentristische Partei“, zog aber den Schluss: „Wir müssen auf die Bolschewisierung der POUM hinarbeiten, obgleich wir nicht vorhersagen können, ob sie das durch den Austausch ihrer gegenwärtigen Führung gegen eine andere oder durch die Fortentwicklung ihrer Führer in Richtung des Bolschewismus-Leninismus erreichen wird“ (Revolutionary History Bd. 4, Nr. 1/2). Mit der Unterstützung des IS und auf sein Drängen hin versuchten die Bolschewiki-Leninisten einen Eintritt in die POUM mit Fraktionsrechten einzufädeln.

Nins Antwort auf ihr erstes Ersuchen war die Mitteilung, die Trotzkisten könnten nur als Einzelpersonen beitreten, und die Forderung: „Ihr müsst öffentlich erklären, dass ihr euch von der Rufmord- und Verleumdungskampagne, die von den Publikationen der Möchtegern-4.-Internationale gegen unsere Partei geführt wird, distanziert und dass ihr dieser widersprecht“ (Brief von Nin an die Bolschewiki-Leninisten Barcelonas, 13. November 1936, Information Bulletin, Juli 1937). Die SBLE machte danach im April 1937 einen weiteren Eintrittsversuch mit einem scharfen polemischen Brief an die POUM-Führung (Information Bulletin, Juli 1937). Ebenfalls im Information Bulletin vom Juli 1937 veröffentlicht war Trotzkis Artikel nach den Maitagen in Barcelona, der davor warnte, sich auf die POUM zu versteifen:

„Die POUM verbleibt nach wie vor eine katalonische Organisation. Ihre Führer verhinderten ihren rechtzeitigen Eintritt in die Sozialistische Partei, wobei sie ihren grundsätzlichen Opportunismus mit einer starren Unversöhnlichkeit bemäntelten. Man kann jedoch hoffen, dass die Ereignisse in Katalonien Sprünge und Spaltungen in den Reihen der Sozialistischen Partei und der UGT nach sich ziehen. In diesem Falle wäre es verhängnisvoll, sich auf die Kader der POUM zu beschränken, die im Übrigen in den kommenden Wochen stark zurückgehen werden. Man muss sich in Katalonien an die anarchistischen Massen wenden, im übrigen Spanien an die sozialistischen und kommunistischen Massen. Es kann sich nicht darum handeln, die alten äußeren Formen beizubehalten, sondern um den Versuch, neue Stützpunkte für die Zukunft zu schaffen.“

—„Der Aufstand in Barcelona (Einige vorläufige Bemerkungen)“, 12. Mai 1937

Es steht außer Zweifel, dass die Trotzkisten Zugang zu den Mitgliedern der POUM hätten suchen müssen, die in den ersten Monaten des Bürgerkriegs von einigen Tausend auf etwa 30000 angewachsen war und deren linke Rhetorik, wie Trotzki sagte, „die Illusion [schuf], es bestünde eine revolutionäre Partei in Spanien“ („Die Schuld des Linkszentrismus“, 10. März 1939). Natürlich war es von außerhalb viel schwieriger, solch einen Zugang zu den Mitgliedern der POUM zu bekommen. Doch dies war keineswegs zu vergleichen mit der Situation, mit der die Trotzkisten zum Zeitpunkt der Französischen Wende konfrontiert waren, wo sie in große, sich in Aufruhr befindliche Parteien eintraten mit dem Ziel, eine vorübergehende Gelegenheit wahrzunehmen, und wo sie eine Presse herausgeben konnten, die ihre Ansichten und Grundsätze öffentlich unterstützte.

Die POUM war zum Klassenfeind übergegangen, als sie im Januar 1936 den „Linken Wahlpakt“ unterzeichnete. Wie Trotzki ausdrücklich betonte, musste der Kampf, revolutionäre Elemente unter der Mitgliedschaft der POUM zu gewinnen, mit einer „unversöhnlichen Verurteilung“ dieses Verrats beginnen. Die Forderung an die POUM, diesen Pakt zurückzuweisen, war die einzig prinzipienfeste Grundlage, um die Taktik des Entrismus auch nur in Erwägung zu ziehen. Nins Beteiligung an der katalanischen Volksfrontregierung als Justizminister war nur der konkrete Ausdruck seines ursprünglichen Verrats. Obgleich Nin im Dezember 1936 aus der Regierung rausgeschmissen wurde, blieb die gesamte Orientierung der POUM darauf ausgerichtet, den Wiedereintritt in die Regierung zu erreichen. Ein Eintritt in die POUM hätte, selbst mit Fraktionsrechten, die Trotzkisten der Disziplin der POUM unterworfen. Im Spanien von 1936/37 wäre das ein Verrat gewesen. Die POUM war kein Platz für Trotzkisten. Wie Trotzki in einer späteren Polemik gegen Sneevliet und Vereecken schrieb:

„Dass Vereecken die Frage auf das bloße Recht der Fraktionen aufs Dasein reduziert, zeigt lediglich, dass er die Trennungslinie zwischen Zentrismus und Marxismus völlig verwischt hat. Ein wirklicher Marxist würde sagen: ,Es heißt, in der POUM gebe es keine Demokratie. Das ist nicht wahr. Die Demokratie ist dort vorhanden — für die Rechten, für die Zentristen, für die Wirrköpfe, aber nicht für die Bolschewiki-Leninisten.‘ Mit anderen Worten, das Ausmaß der POUM-Demokratie ist vom realen Inhalt der zentristischen, dem revolutionären Marxismus von Grund auf feindlichen Politik bestimmt.“

—„Erprobung der Ideen und Individuen durch die Erfahrung der Spanischen Revolution“, 24. August 1937

Für die winzigen trotzkistischen Kräfte bestand die Aufgabe darin, den Kern einer Avantgardepartei durch Umgruppierung linksgerichteter Elemente der POUM und der Anarchosyndikalisten wie auch der Sozialistischen und der Kommunistischen Partei aufzubauen. Nur durch die Errichtung eines solchen Kerns als Stützpunkt konnte ein Hebel angesetzt werden, um die Massen der revolutionären Arbeiter von ihren Irreführern abzuspalten. Die Einheitsfronttaktik hätte eine wichtige Waffe sein können, um die Widersprüche zwischen der proletarischen Basis und den Führungen der reformistischen, zentristischen und anarchosyndikalistischen Tendenzen auszunutzen. In Verbindung mit der Freiheit der Kritik zur Entlarvung des Verrats der anderen Arbeiterorganisationen hätte die Einheit der Aktion gegen die Schläge der Reaktion dazu beigetragen, die politischen Grundlagen des Trotzkismus in lebendige Realität umzusetzen.

Mit ihrer Forderung nach einer „revolutionären Front des Proletariats“ aus POUM und CNT, die den Kampf gegen die Volksfront anführen sollte, passte sich die SBLE auch programmatisch der POUM an. In einem SBLE-Flugblatt vom Februar 1937 hieß es:

„Es ist notwendig, dringend notwendig, eine revolutionäre Front des Proletariats aufzubauen, die sich gegen die von der Volksfront verkörperte geheiligte Einheit erhebt…

Als die mächtigsten Organisationen der äußersten Linken müssen die POUM und die CNT die revolutionäre Front initiieren. Ihre Zielsetzungen wie auch der freie Zugang für alle Arbeiterorganisationen, die die verheerende Politik der Volksfront ablehnen, müssen klar festgeschrieben werden.“

—SBLE-Flugblatt, „Arbeiter der CNT, der POUM, der FAI, der JJ.LL. [Junge Libertäre]; alle Proletarier“, in Guillamón, Documentación (unsere Übersetzung)

Die SBLE-Losung war ein direktes Echo auf den Aufruf der POUM zur „revolutionären Arbeiterfront“, womit Nin den Abschluss eines Paktes mit den CNT-Führern zum Zwecke des Wiedereintritts in die katalanische Regierung meinte. Trotzki entgegnete, dass eine revolutionäre Einheitsfront des Proletariats erst durch die Schaffung von Sowjets und unter der Führung einer revolutionären Partei möglich sei. Die SBLE erhob zwar im Gegensatz zur POUM die Forderung nach Sowjets; dennoch konnte die Forderung nach einer „revolutionären proletarischen Front“, losgelöst von Sowjets und unter der Führung von CNT und POUM, nur Illusionen in die anarchistischen und zentristischen Irreführer schüren.

Nach seiner Ankunft in Mexiko im Januar 1937 nahm Trotzki seine Arbeit über Spanien wieder auf, ein Großteil davon Polemiken gegen Apologeten der POUM. Im IS erkannten Klement und Wolf allmählich einige Probleme an, die ihrem früheren partiellen Umgang mit dem POUM-freundlichen Opportunismus der holländischen und belgischen Führungen anhafteten. Auf einer IS-Sitzung im Mai 1937 kam es zu einem heftigen Kampf mit Vereecken, und es wurde eine selbstkritische Resolution angenommen bezüglich der früheren Einwilligung in die Forderungen Sneevliets, ihn in einem innerparteilichen Bulletin nicht zu kritisieren. Die Resolution räumte ein: „Das IS bedauert, kostbare Zeit bei dem fruchtlosen Versuch verloren zu haben, die Führung der [holländischen] RSAP davon zu überzeugen, einer internationalen Diskussion über diese Meinungsverschiedenheiten zuzustimmen.“ Wolf schrieb später in einem Bericht aus Spanien kritisch über „das allzu lange Schweigen und die Schwankungen des IS. Die POUM nutzte die Meinungsverschiedenheiten zwischen den verschiedenen Sektionen der IV. Internationale geschickt aus und schwächte die Argumentationskraft der spanischen BL“ (Wolf, „Interner Bericht“, 6./7. Juli 1937, in Guillamón, Documentación). Wolf gab auch zu: „In der Vergangenheit haben wir unser Augenmerk fast ausschließlich auf die POUM gerichtet. Die revolutionären anarchistischen Arbeiter wurden zu oft vergessen, mit der Ausnahme der Freunde Durrutis“ (ebd.). Schließlich erschien in „Resolutionen des Internationalen Büros für die 4. Internationale zur gegenwärtigen Lage in Spanien und den Aufgaben der Bolschewiki-Leninisten“ (undatiert) eine ausdrückliche Erklärung, dass es notwendig sei, eine unabhängige Partei aufzubauen:

„Die Aufgabe beim Aufbau einer neuen revolutionären Führung der 4. Internationale wird darin bestehen, nicht zum Ratgeber der Führung der POUM zu werden, sondern im Gegenteil, vor allem die Arbeiter direkt anzusprechen und ihnen auf der Grundlage der politischen Linie und des Programms der Bewegung für die 4. Internationale die Lage zu erläutern, wie sie ist.“

—nachgedruckt in Information Bulletin, Juli 1937

Wolf, der sich freiwillig gemeldet hatte, nach Spanien zu gehen, als das IS keinen anderen dazu bereiten Kader finden konnte, wurde kurz danach von stalinistischen GPU-Agenten in Spanien inhaftiert und ermordet, ebenso wie Freund (Moulin). Im folgenden Jahr wurde auch Klement von den Stalinisten ermordet.

Der Aufstand von Barcelona

Das letzte Kapitel des Verrats der POUM spielte sich im Mai 1937 auf den Straßen von Barcelona ab. Am 14. April ging die erbärmliche Gedenkfeier der Bourgeoisie zum Jahrestag der Gründung der Republik in den massenhaften Hungerunruhen der Frauen aus der Arbeiterklasse der Stadt unter. Wie Hugo Oehler in seinem Augenzeugenbericht von 1937 „Barricades in Barcelona“ [Barrikaden in Barcelona] (nachgedruckt in Revolutionary History Bd. 1, Nr. 2, Sommer 1988) wiedergibt, befahl am 29. April die Generalitat, dass alle Gruppen, „die nicht unmittelbar dem Rat der Generalitat unterstellt sind, umgehend die Straßen räumen, um die rasche Beseitigung von Unruhe und Schrecken, unter der Katalonien zur Zeit leidet, zu ermöglichen“ (zitiert ebd.). CNT, UGT, PSUC und POUM sagten artig ihre Erste-Mai-Demonstrationen ab. Am 3. Mai griffen stalinistisch geführte Sturmgarden die von CNT-Arbeitern besetzte Telefónica an, und in ganz Barcelona und seinen Vorstädten wurden Barrikaden errichtet.

Die SBLE kämpfte dafür, den CNT- und POUM-Mitgliedern auf den Barrikaden eine revolutionäre Führung zu geben. In ihrem Flugblatt vom 4. Mai 1937 spornten die Trotzkisten die Arbeiter an, die „revolutionäre Offensive“ zu ergreifen und „revolutionäre Verteidigungskomitees in den Betrieben, Fabriken und Bezirken“ zu gründen (nachgedruckt in Information Bulletin, Juli 1937). Ein POUM-Flugblatt erklärte hingegen, „Rückzug ist notwendig“, da die Arbeiter die konterrevolutionäre Provokation bereits zurückgeschlagen hätten (ebd.). Die POUM rief dazu auf, dass die Regierungstruppen die Straßen räumen sollten und die Arbeiterklasse ihre Waffen behalten sollte, und erklärte: „Die Erfüllung dieser ganz und gar akzeptablen Bedingungen kann dem Kampf ein Ende bereiten.“ Doch die Bourgeoisie und ihre stalinistischen Handlanger lehnten diese „ganz und gar akzeptablen Bedingungen“ ab — während die POUM-Führer dennoch auf jede erdenkliche Weise versuchten, „dem Kampf ein Ende zu bereiten“.

Trotz Verwirrung und Demoralisierung kehrten die Arbeiter immer wieder auf die Barrikaden zurück. Am Mittwoch, den 5. Mai, wütend über die Brutalität der Polizei, so berichtet Oehler, hat „das Proletariat mit erneuerter Energie, mit Besessenheit den Klassenfeind angegriffen“. Eine Abteilung der Durruti-Kolonne und etwa 500 POUM-Soldaten verließen die Aragon-Front — bewaffnet mit Maschinengewehren, Panzern und leichter Artillerie, um sich ihren Genossen auf den Barrikaden anzuschließen —, machten aber kehrt, als man ihnen verlogener Weise mitteilte, die Kämpfe wären zu Ende. An diesem Tag verteilten die Freunde Durrutis auch ein Flugblatt auf den Barrikaden, in dem sie verkündeten:

„Arbeiter! Eine revolutionäre Junta. Erschießt die Schuldigen. Entwaffnet die bewaffneten Truppen. Vergesellschaftet die Wirtschaft. Löst die politischen Parteien auf, die sich gegen die Arbeiterklasse gewendet haben. Wir dürfen die Straßen nicht aufgeben. Die Revolution über alles. Wir grüßen unsere Genossen von der POUM, die sich mit uns in den Straßen verbrüdert haben. Lang lebe die Soziale Revolution! Nieder mit der Konterrevolution!“

—zitiert in Guillamón, The Friends of Durruti Group: 1937–1939

Doch die Durruti-Gruppe hielt sich weiterhin an die CNT-Führung und war selber desorientiert angesichts der Weigerung von CNT und POUM, um die Macht zu kämpfen. Am 5. Mai trafen sich Vertreter der SBLE mit den Freunden Durrutis, um die Möglichkeit koordinierter Aktionen zu diskutieren — ohne Erfolg.

Am 6. Mai berichtet Oehler:

Solidaridad Obrera (CNT) erklärte heute Morgen: ,Die CNT und die UGT haben beide die Rückkehr zur Arbeit angeordnet.‘ Dieselbe Ausgabe wies jegliche Verantwortung für das Flugblatt der Freunde Durrutis zurück. La Batalla (POUM) erschien und wiederholte das anarchosyndikalistische Gequake: ,Jetzt, wo die konterrevolutionären Provokationen zerschlagen sind, ist es notwendig, sich vom Kampf zurückzuziehen. Arbeiter, kehrt zur Arbeit zurück‘... Als die POUM-Arbeiter auf den Barrikaden neben dem Hotel Falcon [POUM-Hauptquartier] dieses Blatt sahen, wurden sie wütend und weigerten sich, ihre Posten zu verlassen. Sie beschimpften ihre Führer als Verräter. Die Donnerstagsausgabe der Soli, wie die CNT-Zeitung genannt wurde, wurde wie frühere Ausgaben auf vielen Barrikaden verbrannt.“

—Oehler, a.a.O.

An diesem Tag übergaben die POUM-Führer die Büroräume von La Batalla kleinlaut der Polizei, und auf der Straße wurde der Leichnam des ermordeten Camillo Berneri gefunden, eines ehrenhaften linken Anarchisten und eines der ersten Opfer des erneuten weißen Terrors. Innerhalb weniger Wochen wurde Andrés Nin ebenfalls verhaftet und ermordet. Bis zum Schluss blieb er bei seinen Illusionen in die Volksfront und schlug die Warnung, die ihm ein wohlwollender Milizionär zukommen ließ, dass er verhaftet werden sollte, in den Wind. Juan Andrade sagte später dazu: „Keiner von uns hielt die Lage für so ernst, dass wir in Gefahr wären, verhaftet zu werden“ (zitiert in Ronald Fraser, Blood of Spain).

Oehler schließt seinen Bericht damit, dass er Trotzkis „Liquidatorentum“ verurteilt. Dabei macht er fälschlicherweise den bolschewistischen Führer für die Versuche der SBLE verantwortlich, in die POUM einzutreten. Doch Oehler sagt nichts über seine eigene, sehr reale politische Verantwortung für die POUM. In den Jahren 1934/35 verschaffte Oehlers fauler Block mit Nin gegen die Französische Wende Nin ein linkes politisches Deckmäntelchen, als dieser die spanischen trotzkistischen Kräfte in die POUM hineinliquidierte. Und während der Maitage von Barcelona war Oehler mit einer oppositionellen Gruppierung innerhalb der POUM verbunden, José Rebulls Zelle 72 in Barcelona. Ein „Augenzeugenbericht von Edward H. Oliver“ (wahrscheinlich ein Pseudonym von Oehler), der von Oehlers Revolutionary Workers League veröffentlicht wurde, pries unkritisch die Resolution des POUM-Ortskomitees von Barcelona, die die POUM, CNT und FAI als „Organisationen, deren Ziel die proletarische Revolution ist“, bezeichnete und dazu aufrief, „die revolutionäre Einheitsfront zu bilden, um zu versuchen, die Massen zu gewinnen“ (zitiert in Oliver, „Sixth Anniversary of the Spanish Republic in Barcelona“ [Sechster Jahrestsag der Spanischen Republik in Barcelona], datiert vom 16. April 1937). Diese Resolution bot laut Oliver „die erste klare Lösung für die Krise der Generalitat im Sinne der Arbeiter“ (ebd.).

Rebull verblieb während der gesamten Zeit ihres Verrats in der POUM. Gleich nach den Maitagen schrieb Rebull eine heftige Kritik an der Regierungslosung der POUM, worin kein einziges Wort über die Rolle der POUM beim Niederreißen der Barrikaden und bei der Untergrabung der Revolution vorkommt! (Siehe Rebull, „On the Slogan of ,A UGT-CNT Government‘“ [Zur Losung einer „UGT-CNT-Regierung“], Mai 1937, nachgedruckt in Revolutionary History Bd. 4, Nr. 1/2.)

Pierre Broué: Defätismus verkleidet als „Objektivität“

In einer Geschichte des Spanischen Bürgerkriegs, mitverfasst von Emile Témime, stellt Pierre Broué der POUM einen Persilschein aus, was ihre Rolle bei den Maitagen von Barcelona betrifft, und gibt im Grunde Nins/Andrades Version der Ereignisse wieder:

„Am 6. Mai war die Ordnung fast ganz wiederhergestellt. Feierlich erklärte Companys, es habe ,weder Sieger noch Besiegte‘ gegeben. Die Arbeitermassen hatten den Appell zur Ruhe befolgt. Auch die POUM beugte sich. Sie äußerte: ,Das Proletariat hat über die Gegenrevolution einen Teilsieg errungen… Arbeiter, kehrt zur Arbeit zurück!‘“

—Broué und Témime, Revolution und Krieg in Spanien (Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main, 1975)

Keineswegs „beugte sich“ die POUM angesichts des Rückzugs der Arbeiter, sondern prahlte in La Batalla (8. Mai 1937), selbst „zu denjenigen zu gehören, die am meisten dazu beigetragen haben, die Normalität wiederherzustellen“ (zitiert in Oehler, „Barricades in Barcelona“). Im Gegensatz dazu hätte eine leninistische Avantgarde die Chance genutzt, um die aufständischen anarchistischen Arbeiter von ihren Verrätern zu brechen und einen Kampf um die Macht zu führen. Doch Nin & Co. waren eine Bande zentristischer Kapitulanten, die zusammen mit den Verrätern der CNT/FAI die Arbeiter anwiesen, sich „zu beugen“.

„Wer in Spanien eine durchgreifende Revolution wollte, musste sich verlassen vorkommen“, schreiben Broué und Témime, womit sie stillschweigend den Eintritt der POUM in die Volksfront rechtfertigen. Die blutigen stalinistischen Säuberungen in der Sowjetunion, den Triumph des Faschismus in Deutschland und die angebliche Passivität des Proletariats in anderen Ländern vor Augen, behaupten sie: „Das Kräfteverhältnis im Weltmaßstab war der Spanischen Revolution von 1936 zweifellos viel weniger günstig als der Russischen von 1917–1919.“ Dann dozieren sie:

„Ob diese Isolierung durch eine mutige und entschlossene revolutionäre Politik hätte durchbrochen werden können, kann den Gegenstand endloser Diskussionen in der Ebene des Hypothetischen abgeben. Trockij z.B. vertrat die Ansicht, dass sich mit der Revolution in Spanien die Möglichkeit eröffnet habe, das weltpolitische Kräfteverhältnis umzukehren; erst der Sieg der gegenrevolutionären Kräfte in Spanien habe den Weg für die Entfesselung des zweiten Weltkrieges freigelegt…

Zu einem nicht unwesentlichen Teil bestimmte das Gefühl der völligen Isolierung die Haltung der spanischen Revolutionäre. Aus diesem Gefühl heraus verzichteten viele auf die Weiterführung der Revolution.“

—ebd.

Broué und Témime kommen auf dieses Thema am Schluss ihrer Darstellung der Maitage von Barcelona zurück:

„Freilich hätte man der Meinung sein können [!], dass die spontane Reaktion der Arbeiter von Barcelona einem neuen revolutionären Aufschwung den Weg ebnen und die Möglichkeit schaffen werde, das Steuer herumzureißen. Der Historiker muss sich mit der Feststellung begnügen, dass die Führer der Anarchisten das nicht wollten und die Führer der POUM sich’s nicht zutrauten.“

—ebd.

Wie bei der bolschewistischen Revolution von 1917 hätte ein proletarischer sozialistischer Sieg in Spanien revolutionäre Kämpfe der Arbeiterklasse überall auf der Welt inspiriert und den Lauf des sich damals zusammenbrauenden zweiten imperialistischen Krieges durchkreuzen können. 1936 steckte Frankreich in einer vorrevolutionären Situation, es gab Massenstreiks in Belgien, und in ganz Europa hatte der Sieg der Nazis in Deutschland zu einer zunehmenden linksgerichteten Bewegung in der Arbeiterklasse geführt. Selbst in den politisch relativ rückständigen USA gab es in den 1930er-Jahren einen nie da gewesenen Aufschwung des Klassenkampfes. 1934 legten drei größere Streiks den Grundstein für die Klassenschlachten, durch die in den folgenden Jahren die CIO aufgebaut wurde — der von der American Workers Party angeführte Auto-Lite-Streik von Toledo, die von Trotzkisten geführten Streiks der Teamsters [LKW-Fahrer] von Minneapolis und der elfwöchige Streik der Hafenarbeiter von San Francisco unter der Führung von Unterstützern der Kommunistischen Partei. Die stalinistische Bürokratie in der Sowjetunion war so stark von Angst vor einer Neubelebung der sowjetischen Massen durch eine proletarische Revolution im Westen erfüllt, dass sie alle Hebel in Bewegung setzte, um das revolutionäre spanische Proletariat zu unterdrücken, und jegliche vermeintliche Infragestellung des politischen Würgegriffs der Bürokratie über den sowjetischen Arbeiterstaat in Blut ertränkte.

Trotzkis Artikel vom 24. August 1937 liefert eine Erwiderung auf die Behauptung Vereeckens, ein Kampf um die Macht während der Maitage von Barcelona wäre das reinste „Abenteuertum“ gewesen. Trotzkis Worte sind auch eine Antwort auf Broués überhebliche, über den Dingen stehende „Objektivität“:

„Hätte das katalonische Proletariat im Mai 1937 die Macht ergriffen — wie sie es im Juli 1936 faktisch ergriffen hat — es würde in ganz Spanien Unterstützung gefunden haben. Die bürgerlich-stalinistische Reaktion würde nicht einmal zwei Regimenter zur Niederringung der katalonischen Arbeiter gefunden haben. Auf dem durch Franco besetzten Gebiet hätten sich nicht nur die Arbeiter, sondern auch die Bauern auf die Seite des proletarischen Katalonien gestellt, die faschistische Armee isoliert und eine unaufhaltsame Zersetzung in sie hineingetragen. Kaum hätte sich irgendeine ausländische Macht unter diesen Umständen entschlossen, ihre Truppen auf den brennenden Boden Spaniens zu werfen. Die Intervention wäre faktisch unmöglich oder zumindest äußerst gefährlich geworden.

Selbstverständlich bleibt in jedem Aufstand etwas Unwägbares und ein gewisses Risiko. Aber der ganze weitere Gang der Ereignisse hat bewiesen, dass selbst im Falle einer Niederlage die Lage des spanischen Proletariats unvergleichlich günstiger gewesen wäre als jetzt, gar nicht davon zu reden, dass die Zukunft der revolutionären Partei gesichert gewesen wäre.“

—„Erprobung der Ideen und Individuen durch die Erfahrung der Spanischen Revolution“

Der Kampf für eine revolutionäre Führung

Andy Durgan geißelt Trotzki wegen einer „fast millenarisch-messianischen“ politischen Sichtweise [sinngemäß revolutionärer Messianismus] und behauptet, der bolschewistische Führer „schien überzeugt, dass die korrekte politische Linie in einer revolutionären Situation selbst die kleinste Gruppe zur revolutionären Führung der Arbeiterklasse machen könnte“ (Durgan, „Trotsky and the POUM“). Für die geringen Kräfte des spanischen Trotzkismus standen die Chancen sicher nicht gut, konfrontiert mit Massenorganisationen des Proletariats in einer revolutionären Situation. Doch im Gegensatz zu den Weisen von Revolutionary History verstand Trotzki, dass es ungeachtet der Umstände bitter notwendig war, für den Aufbau einer leninistischen Avantgardepartei zu kämpfen. Alles andere bedeutete, von vornherein mit einer Niederlage zu rechnen.

Wie man die Geschichte der Arbeiterbewegung und die revolutionären Kämpfe der Vergangenheit beurteilt, wird natürlich durch die jeweilige eigene programmatische Perspektive bestimmt. Diejenigen, die die Möglichkeit eines proletarischen Sieges im Spanien der 1930er-Jahre ausschließen, tun dies unter dem Blickwinkel, dass sie selber den Kampf um die Eroberung der Staatsmacht durch die Arbeiterklasse aufgegeben haben. Ihr eigenes verzweifeltes Suhlen in der „Politik des Möglichen“ — d.h. ihre reformistische Anpassung an die kapitalistische Ordnung — interpretieren sie in die Vergangenheit hinein. So leugnen die Leute von Revolutionary History auch die Möglichkeit einer sozialistischen Revolution in Deutschland 1923, in diesem Fall, um die Führung der Kommunistischen Partei Deutschlands unter Brandler zu entlasten (siehe „Zur Wiederbewaffnung des Bolschewismus — Eine trotzkistische Kritik: Deutschland 1923 und die Komintern“, Spartacist, deutsche Ausgabe Nr. 22, Sommer 2001).

In seiner Broschüre Lehren des Oktober (1924) entlarvte und widerlegte Trotzki die zahlreichen „objektiven“ Einwände, die 1923 erhoben wurden und zeigen sollten, weshalb eine Arbeiterrevolution in Deutschland unmöglich gewesen sei, und er wies darauf hin, dass ähnliche Einwände gegen die Russische Revolution gemacht worden wären, wenn diese gescheitert wäre. Trotzki griff dieses Thema im August 1940 in seiner polemischen Verteidigung einer revolutionären Perspektive in Spanien gegen Victor Serge und andere „Anwälte der POUM“ wieder auf. „Die historische Verfälschung besteht darin, die Verantwortung für die spanische Niederlage den arbeitenden Massen aufzuladen und nicht den Parteien, die die revolutionäre Bewegung der Massen gelähmt oder einfach zerbrochen haben“ („Klasse, Partei und Führung“). 1936 stand das spanische Proletariat auf einem höheren Niveau als das russische Proletariat Anfang 1917. Wäre Lenin nicht in Russland gewesen, um die Kämpfe auszutragen, die zur politischen Wiederbewaffnung der bolschewistischen Partei notwendig waren, damit sie die Staatsmacht erobern konnte, „so hätte“, schrieb Trotzki, „vom Sieg der proletarischen Revolution nicht einmal die Rede sein können. Die Sowjets wären von der Konterrevolution hinweggefegt worden, und die kleinen Weisen aller Länder hätten Artikel und Bücher geschrieben mit dem Grundtenor, dass nur entwurzelte Schwärmer in Russland von der Diktatur des Proletariats träumen könnten, das doch zahlenmäßig so schwach und so unreif ist.“ (ebd.)

Die Lehren von Spanien wurden teuer erkauft. Wir hatten aus den politischen Problemen und Schwächen der spanischen Trotzkisten gelernt und versuchten diese zu vermeiden, als unsere Tendenz, die Internationale Kommunistische Liga, 1989/90 in die beginnende politische Revolution im deformierten Arbeiterstaat DDR intervenierte. Wenn auch sehr verschieden — das eine war ein Kampf gegen die Herrschaft der Bourgeoisie und das andere ein Kampf gegen die Wiedererrichtung der Herrschaft des Kapitals —, waren beides revolutionäre Situationen. Wie die SBLE und die Bewegung für die Vierte Internationale hatten auch wir nur geringe Kräfte, freilich mit dem Vorteil internationaler Telefon- und Faxkommunikation und einer in Westdeutschland ansässigen Sektion. Doch es ging nicht in erster Linie um zahlenmäßige Größe, sondern um politische Klarheit, Kohärenz und um den unablässigen politischen Kampf für das Programm des Bolschewismus. Dabei ließen wir uns von Trotzkis Verständnis in seinen Schriften zu Spanien leiten: „[D]er Vorteil einer revolutionären Situation besteht gerade darin, dass selbst eine kleine Gruppe in einem kurzen Zeitraum eine große Kraft werden kann, wenn sie eine richtige Prognose stellt und die richtigen Losungen zur rechten Zeit ausgibt“ („Der Charakter der Revolution“, 18. Juni 1931).

Wir gaben eine Zeitung heraus, die Arbeiterpressekorrespondenz, die zuerst täglich, dann wöchentlich erschien und in zehntausenden Exemplaren in der DDR zirkulierte. Wir bewaffneten unsere Unterstützer mit theoretischer und polemischer Propaganda, darunter einer Ausgabe von Spartacist, deutsche Ausgabe (Nr. 14), die speziell der Polemik gegen die verschiedenen vorgeblichen Trotzkisten gewidmet war. Wir machten Trotzkis Schriften zum ersten Mal in einem bürokratisch deformierten Arbeiterstaat öffentlich verfügbar, darunter Verratene Revolution von 1936, seine scharfe Analyse der stalinistischen Bürokratie und ihrer Ursprünge.

Die Wirkung unseres trotzkistischen Programms zeigte sich bei der Einheitsfrontdemonstration von 250 000 Menschen am 3. Januar 1990 im Treptower Park in Ostberlin gegen die faschistische Schändung des Ehrenmals für die Sowjetsoldaten, die bei der Befreiung Deutschlands von Hitlers Nazis ihr Leben gelassen hatten. Das war eine Mobilisierung des ostdeutschen Proletariats zur Verteidigung der Arbeiterstaaten DDR und Sowjetunion. Wir waren die Initiatoren des Aufrufs zu dieser Kundgebung. Er wurde dann von der herrschenden stalinistischen Partei aufgegriffen, die sich Sorgen um die große Resonanz unseres Programms bei den Ostberliner Arbeitern machte und sich dazu genötigt sah, ihre Basis zu mobilisieren. Unsere Genossen sprachen in Treptow von der Rednertribüne: Zum ersten Mal seit Trotzkis Ausweisung aus der Sowjetunion sprachen Trotzkisten vor einem Massenpublikum in einem degenerierten/deformierten Arbeiterstaat. Nachdem die Sowjetbürokratie unter Gorbatschow grünes Licht gegeben hatte, beantworteten die westdeutschen Imperialisten das Gespenst einer proletarisch-politischen Revolution mit einer Blitzkampagne, die auf dem Anschluss der DDR zielte. Wir haben unser Ziel angesichts dieses Ansturms nicht erreicht, aber wir haben gekämpft. Und durch diesen Kampf trugen wir dazu bei, das Fundament für die proletarischen Siege der Zukunft zu legen.

Die Trotzkisten in Spanien hatten sich dem Kampf für die proletarische Staatsmacht verschrieben. Doch wurden durch eine revolutionäre Flutwelle ihre wenigen, unerfahrenen Kräfte kalt erwischt, die noch nicht im „rücksichtslose[n] Stellen der Grundfragen und eine[r] heftige[n] Polemik gegen Schwankungen“ gestählt waren, in Trotzkis Worten „die notwendige ideologische und pädagogische Widerspiegelung des unversöhnlichen und grausamen Charakters des Klassenkampfes unserer Zeit“ („Die Schuld des Linkszentrismus“). So wie wir Erwin Wolf, Rudolph Klement und die anderen Trotzkisten ehren, die im Kampf für eine sozialistische Revolution in Spanien ihr Leben ließen — viele durch Stalins Handlanger ermordet —, so verachten und widerlegen wir auf der anderen Seite die Opportunisten, die den vergangenen Verrat entschuldigen und dadurch neuen Verrat vorbereiten. Das ist ein integraler Bestandteil der Wiederschmiedung einer trotzkistischen Vierten Internationale, die den Kampf für neue Oktoberrevolutionen führt.