Spartacist (deutsche Ausgabe) Nummer 24 |
Sommer 2004 |
Die Ursprünge des japanischen Kommunismus, Debatte über „Etappenrevolution“ und die amerikanische Besetzung
Die Meiji-Restauration: eine probürgerliche nicht- demokratische Revolution
ÜBERSETZT AUS SPARTACIST, ENGLISCHE AUSGABE NR. 58, FRÜHJAHR 2004
In diesem Artikel werden wie in Japan üblich Familiennamen vor dem Vornamen genannt. Mit Ausnahme der Kommunistischen Partei Japans, deren Name immer in Deutsch angegeben ist, werden die Namen japanischer Institutionen und Organisationen in Romaji-Transliteration wiedergegeben. Erscheint ein Name in Transliteration zum ersten Mal, ist die deutsche Übersetzung in Klammern beigefügt.
Heute sind Deutschland und Japan unmittelbar nach den USA die kapitalistisch- imperialistischen Hauptmächte in der Welt. In beiden Ländern fand Mitte des 19. Jahrhunderts eine „Revolution von oben“ statt, die in Japan die feudalen Hindernisse und in Deutschland die noch aus dem Feudalismus stammenden Hindernisse für ihre weitere Entwicklung als moderne kapitalistische Gesellschaften und Staaten aus dem Weg räumte. In Deutschland führte der preußische Kanzler Otto von Bismarck 1864–71 eine Reihe von Kriegen, durch die er das Land unter der Hohenzollern-Monarchie vereinigte und die Struktur des Staates modernisierte. Bismarcks Aktionen stärkten außerordentlich eine sich schon im wirtschaftlichen Aufschwung befindende Industrie-, Finanz- und Handelsbourgeoisie. In Japan stürzte ein Teil der alten Kriegerkaste, unter Berufung auf den Kaiser Meiji, 1867/68 das Feudalregime, um das japanische Militär aufzubauen und es zu befähigen, gegenüber dem Vordringen der Westmächte standzuhalten. In den darauf folgenden Jahrzehnten schufen sie eine japanische industrielle Bourgeoisie. Bis Anfang des 20. Jahrhunderts war Deutschland zum stärksten kapitalistischen Industriestaat in Europa geworden, Japan zum einzigen kapitalistischen Industriestaat in Asien.
Sowohl westliche als auch japanische Akademiker haben schon lange die große Ähnlichkeit in der Entwicklung von Deutschland und Japan erkannt. Als jedoch 1922 die Kommunistische Partei Japans (KPJ) gegründet wurde, war Japan in allen wesentlichen Aspekten — sozial, ökonomisch und politisch — sehr viel rückständiger als Deutschland; nicht nur als das Deutschland der Weimarer Republik zwischen den Weltkriegen, sondern auch als das Deutschland der Hohenzollern-Monarchie vor 1918. Der japanische Kaiser herrschte nicht nur „von Gottes Gnaden“, sondern als Nachkomme der Sonnengöttin, der mythischen Begründerin der japanischen Nation. Die Hälfte der Arbeitskräfte Japans war immer noch in der Landwirtschaft tätig, und meist benutzten sie vorindustrielle Technologie.
Obwohl die Führer der frühen Kommunistischen Internationale (KI, Komintern) Japan zwar manchmal als das „Preußen des Ostens“ bezeichneten, hatten sie keine einheitliche Meinung über den Charakter Japans als fortgeschrittene Industriegesellschaft, die Deutschland qualitativ ähnlich war. Nikolai Bucharin, der als wesentlicher KI-Führer beauftragt wurde, die japanische Partei zu unterstützen, bestand darauf, dass Japan immer noch „halbfeudal“ sei. Seit dem Herbst 1922 versuchte die KI, den Kadern der KPJ Bucharins Analyse Japans aufzuzwingen, zu der auch das Zwei-Etappen-Schema der Revolution gehörte, das die KI damals allen jungen Kommunistischen Parteien des Ostens auferlegte. Die KPJ wurde instruiert, für eine bürgerlich-demokratische Revolution zu kämpfen, in der die Kommunistische Partei gemeinsam mit der liberalen Bourgeoisie und den Bauern die Monarchie stürzen würde; erst nach der Vollendung der bürgerlich-demokratischen Etappe sollte die Kommunistische Partei den Kampf für den Sozialismus aufnehmen. Außerdem versäumten es diejenigen, die in der KI-Führung für die KPJ verantwortlich waren, die Lehren der bolschewistischen Organisation während der zaristischen Verfolgung direkt anzuwenden: die Notwendigkeit eines stabilen Führungszentrums im Ausland und ein Netzwerk von Kurieren, um mit den Untergrundzellen der Partei in Japan Kontakt zu halten und Propaganda dorthin zu schaffen. Deshalb geriet die KPJ in eine Lage, in der sie durch die harte staatliche Repression zerstört werden konnte.
Unter dem Einfluss der sich entwickelnden bürokratischen Degenerierung von Staat und Partei in der Sowjetunion zeigte die Kommunistische Internationale im Herbst 1922 die ersten Anzeichen davon, ihre internationalistischen Ziele aufzugeben (siehe „Zur Wiederbewaffnung des Bolschewismus — Eine trotzkistische Kritik: Deutschland 1923 und die Komintern“, Spartacist, deutsche Ausgabe Nr. 22, Sommer 2001). Die Isolation der Sowjetunion und die extreme Rückständigkeit des alten Zarenreichs — noch verschlimmert durch die Verwüstungen des Ersten Weltkriegs und des Bürgerkriegs 1918–20 — führten zur Entwicklung einer bürokratischen Kaste innerhalb des ersten Arbeiterstaates der Welt. Diese Bürokratie usurpierte auf der XIII. Parteikonferenz im Januar 1924 die politische Macht von der Arbeiterklasse, und gegen Ende jenes Jahres verkündete Stalin das Dogma vom Aufbau des „Sozialismus in einem Land“, das dieser konservativen, nationalistischen Schicht als theoretische Begründung diente.
Im folgenden Jahrzehnt führten die Zickzacks und die wachsende Klassenkollaboration der Kominternpolitik, erst unter Sinowjew und dann unter Bucharin und Stalin, zu einem Desaster nach dem anderen, als die Kommunistischen Parteien allmählich in Grenzwächter für die Sowjetunion und Instrumente ihrer Außenpolitik umgewandelt wurden. Trotzki kämpfte dagegen, dass die KI revolutionäre Kämpfe zunehmend in die Irre führte. Ausgehend vom politischen Erbe der ersten vier Weltkongresse der Komintern baute er die Linke Opposition auf, im Kampf gegen das Fallenlassen einer revolutionären Perspektive durch die KI, besonders in China. Dort lieferte das Programm der „Etappenrevolution“ den Deckmantel für die Unterordnung der Interessen des chinesischen Proletariats unter die von Chiang Kai-sheks Guomindang (mit der die Sowjetunion ein Bündnis gegen den britischen Imperialismus schließen wollte). Das Ergebnis war, dass eine beginnende proletarische Revolution 1925–27 erwürgt wurde: Die „erste Etappe“ war die politische Liquidierung der chinesischen Kommunisten in die bürgerlich-nationalistischen Kräfte, die „zweite Etappe“ war die physische Liquidierung der Kommunisten und fortgeschrittener Arbeiter durch genau diese bürgerlichen Kräfte, vor allem beim Massaker von Shanghai im April 1927.
Trotzki, der 1929 aus der Sowjetunion ins Exil gezwungen wurde, baute während des folgenden Jahrzehnts eine Bewegung auf, deren Ergebnis 1938 die Gründung einer neuen kommunistischen Internationale war: die Vierte Internationale. Die Degeneration der Komintern erreichte ihren Höhepunkt, als auf dem VII. Weltkongress 1935 ein explizites Programm der Klassenkollaboration (die „Volksfront“) angenommen wurde. 1943 löste Stalin die Komintern auf, im Interesse seines Bündnisses mit dem britischen, amerikanischen und französischen Imperialismus im Zweiten Weltkrieg.
Trotzki schrieb erst in den 30er-Jahren speziell etwas über Japan, und auch dann nur unregelmäßig und hauptsächlich in Artikeln über die militärische Situation im Pazifik vor dem Zweiten Weltkrieg. Zu diesem Zeitpunkt war die KPJ schon durch staatliche Repression zerschlagen worden. In einem Artikel von 1933 kommentierte er, dass die Meiji-Restauration „keine ,bürgerliche Revolution’ dar[stellt], wie dies einige Historiker formulieren; vielmehr ist es der bürokratische Versuch, sich von einer bürgerlichen Revolution loszukaufen“ („Japan auf dem Weg in die Katastrophe“, 12. Juli 1933). Trotzki hielt Japan jedoch für eine voll entwickelte imperialistische Macht, die einen qualitativ höheren sozialen und ökonomischen Entwicklungsstand erreicht hatte als Halbkolonien wie China. Er verteidigte China gegen die Invasion des japanischen Imperialismus in den 30er-Jahren. Eine bei der Gründungskonferenz der Vierten Internationale angenommene Resolution sagte in Bezug auf Japan: „Die bürgerlichen Eigentumsverhältnisse und das kapitalistische Ausbeutungssystem, die sowohl das Proletariat als auch die Bauernschaft betreffen, erfordern den revolutionären Sturz der herrschenden Klasse und die Errichtung der Diktatur des Proletariats als den einzigen Weg, der Rettung verspricht, sowohl für die Arbeiter als auch für die Bauern“ („The War in the Far East und the Revolutionary Perspektives“ [Der Krieg im Fernen Osten und die revolutionären Perspektiven], September 1938, Documents of the Fourth International).
Ausgehend von Trotzkis Kommentar 1933 über die Meiji-Restauration hatte die Spartakist-Gruppe Japan (SGJ), die japanische Sektion der Internationalen Kommunistischen Liga, die Position, dass die Meiji-Restauration eine „unvollständige“ bürgerlich-demokratische Revolution darstellte. So schrieb die SGJ zum Beispiel: „Die Meiji-Restauration war keine bürgerliche Revolution, sondern eine Maßnahme, mit der die Feudalbürokratie sich selbst verteidigte“ (Spartacist Japan Nr. 16, Mai 1994).
Der vorliegende Artikel ist das Ergebnis umfangreicher Forschung und Diskussion innerhalb der IKL über die Entwicklung des japanischen Kapitalismus und die Geschichte der frühen KPJ; im Verlauf dieses Prozesses änderten die japanischen Genossen schließlich ihr Verständnis von der Meiji-Restauration und deren Auswirkungen. Wir sind uns jedoch darüber im Klaren, dass unser Artikel seine Grenzen hat, da die Forschung hauptsächlich auf Quellen in englischer Sprache basiert sowie auf gerade erst veröffentlichtem Material aus dem Komintern-Archiv (siehe Schlussbemerkung und Anhang zum gleichen Artikel in Spartacist, englische Ausgabe Nr. 58, Frühjahr 2004).
Gesellschaftliche Ursprünge der Meiji-Restauration
Japans Revolution von oben Ende der 1860er-Jahre war das Produkt der Überschneidung zweier tief verwurzelter historischer Entwicklungen: der langsame Zerfall des japanischen Feudalismus, verursacht durch seine eigenen inneren Widersprüche, und das gewaltsame Eindringen des westlichen Imperialismus in Ostasien.
Die feudale politische Ordnung Japans war gekennzeichnet durch einen seltsamen Dualismus zwischen dem Kaiser und dem Shogun (Generalissimus oder Befehlshaber). Der Kaiser wurde allgemein als die höchste Autorität der japanischen Nation angesehen. In der gesamten Geschichte des mittelalterlichen Japans wurde die wirkliche Macht jedoch vom Shogun ausgeübt, einem Mitglied eines der mächtigsten feudalen Klans. Der Kaiser verharrte in oft aufgezwungener Abgeschiedenheit in Kyoto: eine halbmystische Gestalt, die in den tatsächlichen Verlauf politischer Ereignisse nicht einbezogen war.
1600 besiegte Tokugawa Ieyasu seine Rivalen in der berühmten Schlacht von Sekigahara und errichtete das Tokugawa-Shogunat (oder Bakufu), das in den nächsten zweieinhalb Jahrhunderten in Japan herrschte. Durch eine Politik rigider nationaler Abschottung bewahrte Japan während der ersten Phase der westlichen imperialistischen Expansion im Zeitalter des Handelskapitalismus seine Unabhängigkeit. Das Bakufu unterdrückte auch erfolgreich die Kriege zwischen den Daimyo (Feudalherren), die für das mittelalterliche Japan typisch waren. Jedoch setzten gerade die Erfolge und die Stabilität des Tokugawa-Staates gesellschaftliche Kräfte in Bewegung, die schließlich zu seinem Sturz führten.
Mit dem Ende der andauernden Kriege verlor die auf Erbfolge beruhende Kriegerkaste der Samurai ihre traditionelle Rolle in der japanischen Gesellschaft. Da den Samurai verboten war, Handel zu treiben, verarmten viele von ihnen und entfremdeten sich sehr von der bestehenden Ordnung. Einige wurden Ronin (Landstreicher), das heißt herrenlose Samurai: Sie schuldeten keinem Herrn die Lehnstreue und gingen keiner festen Beschäftigung nach.
Der lange Tokugawa-Frieden, die Tatsache, dass das Bakufu ein Netzwerk von Straßen baute, die verschiedene Teile des Landes miteinander verbanden, und die Entwicklung der Küstenschifffahrt erleichterten insgesamt ein deutliches und stetiges Wachstum der landwirtschaftlichen Produktion und der handwerklichen (vorindustriellen) Manufaktur. Die hauptsächlichen Nutznießer dieses wirtschaftlichen Wachstums waren die Shonin (Händler), besonders die großen Reishändler in Osaka wie die Familie Mitsui. Viele Daimyo und Samurai waren bald bei den mächtigen Handelsfamilien hoch verschuldet.
Die weitere Entwicklung des Handelskapitals in Japan wurde jedoch blockiert durch die für den Außenhandel geltenden Verbote, durch Beschränkungen für den An- und Verkauf von Land und durch die Aufteilung des Landes in Hunderte von Han (Feudalgüter), von denen jedes seine eigenen Grenzwachen und eine eigene Währung hatte. In den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts trafen dann die frustrierten Ambitionen der großen Handelshäuser und ihrer Verbündeten in den Städten mit der Unzufriedenheit nationalistischer, nach Modernisierung strebender Elemente unter den Samurai zusammen. Historiker haben dies das Bündnis von „Yen und Schwert“ genannt.
E. Herbert Norman schrieb 1940 eine bahnbrechende Studie über die Ursprünge des modernen Japans, Japan’s Emergence as a Modern State [Das Entstehen eines modernen Staates in Japan] (UBC Press, 2000 [1940]), die sich stark auf die reichhaltigen historischen Arbeiten japanischer marxistischer Intellektueller stützte. Norman erklärte:
„Die Chonin [Stadtbewohner] sahen es so, dass ihr eigener Wohlstand eng mit dem der Kriegerklasse und der Adelsklasse zusammenhing, ihrer Kunden und Schuldner. Aus diesem Grund dachten die Chonin nicht im Traum daran, einen Frontalangriff gegen den Feudalismus als System zu starten, aber sie waren bereit, in Zusammenarbeit mit rivalisierenden feudalen Elementen eine politische Bewegung gegen das Bakufu zu finanzieren.“ (Hervorhebung im Original)
Als Sohn kanadischer protestantischer Missionare verbrachte Norman seine Kindheit im ländlichen Japan des zweiten und dritten Jahrzehnts des 20. Jahrhunderts. Unter dem Eindruck des Aufstiegs des Faschismus in Deutschland war er von der Linken angezogen und war als Student an der Universität Cambridge für kurze Zeit in der britischen Kommunistischen Partei. Dies war unter anderem ein Grund, warum Normans Buch während des Kalten Krieges vor allem von amerikanischen Akademikern unter den Teppich gekehrt wurde. Norman, der zu dieser Zeit ein Mitglied des kanadischen diplomatischen Korps war, wurde von den McCarthy-Leuten in Amerika zu Tode gehetzt. Er beging 1957 Selbstmord.
In der traditionellen feudalen Hierarchie standen die Bauern unter den Samurai, aber über Handwerkern und Händlern. Das Wachstum des Handels und der Geldwirtschaft unterminierten die traditionelle Struktur und Stabilität des japanischen Dorfes, da einige wenige Bauern reicher wurden und andere in die Armut abstürzten. Es entstand eine wachsende Bevölkerung städtlicher Handarbeiter (ohne Eigentum). Das Japan des frühen 19. Jahrhunderts wurde Zeuge einer Zunahme an Bauernrevolten gegen das Eintreiben feudaler Abgaben und von Reisaufständen in den Städten, die sich gegen Handelsspekulanten richteten und gegen die Regierungsbeamten, die diese beschützten.
Die wachsenden sozialen Spannungen im späten feudalen Japan spitzten sich unter der direkten Drohung einer westlichen militärischen Eroberung immer mehr zu, was einen Bürgerkrieg hervorrief. In den 1840er-Jahren schauten die japanischen herrschenden Klassen schockiert und beklommen zu, als Britannien im Opiumkrieg China besiegte und demütigte, Hongkong annektierte und das „Himmlische Königreich“ — seit undenklichen Zeiten das Zentrum ostasiatischer Zivilisation — in halbkoloniale Unterjochung stürzte. 1853 drang eine amerikanische Seeflotte unter Kommodore Perry in die Bucht von Tokio ein und verlangte Handelskonzessionen. Unfähig, militärisch Widerstand zu leisten, stimmte das Tokugawa-Shogunat ungleichen Handelsverträgen mit den Vereinigten Staaten und den europäischen Mächten zu und gewährte westlichen Staatsbürgern gesetzlich verankerte Extraterritorial- Rechte in Japan.
Diese Konzessionen führten zu einer organisierten Opposition gegen das Bakufu, die sich in der Losung ausdrückte: „Verehrt den Kaiser! Verjagt die Barbaren!“ Mit anderen Worten, nur eine starke Zentralregierung unter direkter Herrschaft des Kaisers könnte Japans Unabhängigkeit bewahren. Die Anti-Bakufu-Kräfte konzentrierten sich in den Gütern von 86 Tozama („außenstehende“ Gutsherren), den historischen Feinden der Tokugawa-Dynastie. Diese oppositionellen Han wurden nun faktisch von nach Modernisierung strebenden Samurai angeführt, die ihre militärische Stärke nach westlichem Vorbild aufbauten.
Die ein Jahrzehnt andauernden Manöver und Machtkämpfe zwischen dem Bakufu und den Tozama — letztere unter Führung von vier Klans: Satsuma, Choshu, Tosa und Hizen — spitzten sich 1868 in einem kurzen Bürgerkrieg zu, der mit der Niederlage des Bakufu endete. Der Choshu-Klan brach scharf mit japanischer feudaler Tradition und nahm Bauern und andere einfache Leute in seine Armee auf. Die Sieger setzten eine neue Regierung im Namen der höchsten Autorität des Kaisers Meiji ein. Daher wird dieses historische Ereignis Meiji Ishin (Restauration) genannt. Die Führer des neuen Regimes regierten jedoch meist unabhängig vom Kaiser, den man als jemanden ansah, der über den politischen Schlachten jener Zeit stand.
Über die folgenden paar Jahre führte dieses Regime eine Reihe von Maßnahmen durch, die eine revolutionäre Umgestaltung großen Ausmaßes darstellten: Anerkennung der gesetzlichen Gleichheit aller Klassen, Abschaffung der feudalen Kleiderordnung, Einführung von staatlichen Schulen, Reform des Kalenders, formale Befreiung der Vorfahren der Burakumin (die als eine Kaste von Ausgestoßenen galten, da sie sich mit toten Tieren und dem Gerben von Leder befassten), Abschaffung des feudalen Verbots, Land zu übertragen und aufzuteilen, Einführung der freien Berufswahl usw. Japan importierte die modernste Industrie und Technologie. In den 1870er-Jahren wurden mehr als 2000 Experten — Mathematiker, Wissenschaftler, Ingenieure — dafür eingestellt, die grundlegenden Wissenschaften zu lehren, die eine moderne Industrie ermöglichten. Die Regierung errichtete technische Schulen, in denen ausländische Lehrer Ingenieurwesen und Maschinenbau unterrichteten, und die besten japanischen Studenten wurden ins Ausland geschickt, um die allerneuesten Techniken beherrschen zu lernen.
Die Kräfte, die die Meiji-Restauration anführten, kamen zwar aus Japan selbst, ihr Erfolg hing aber stark von günstigen internationalen Bedingungen ab. Die hauptsächlichen rivalisierenden westlichen Mächte konnten nicht oder wollten nicht zu diesem kritischen Wendepunkt in Japans Geschichte entscheidend intervenieren. Das zaristische Russland, das Ambitionen auf die Inselgruppe der Kurilen am nördlichen Rand Japans hatte, erholte sich noch immer von seiner Niederlage gegen Britannien und Frankreich im Krimkrieg der 1850er-Jahre. Das Augenmerk der Vereinigten Staaten war auf innere Angelegenheiten gerichtet — die tief gehenden politischen Risse und weit reichenden sozioökonomischen Umwälzungen ihres eigenen bedeutenden Bürgerkriegs, der erst vor ein paar Jahren beendet worden war. Die Interventionen von Britannien und Frankreich in Japan hoben sich gewissermaßen gegenseitig auf, indem Frankreich das Bakufu unterstützte und Britannien die Anti-Tokugawa-Kräfte.
Allgemeiner gesagt, war für alle diese westlichen Staaten China die Hauptzielscheibe und der große Preis in Ostasien, Japan wurde als relativ kleine Beute angesehen. Norman drückte das so aus: „Es war der einladend am Boden liegende Körper Chinas, der Japan gegen die kaufmännische und koloniale Gier der europäischen Mächte abschirmte.“ So hatten die japanischen herrschenden Klassen für eine historisch gesehen kurze Frist einen großen Spielraum, ihren Staat radikal umzustrukturieren.
Für ein dialektisches Verständnis der Meiji-Restauration
Wie kann man die Meiji-Restauration als bürgerliche Revolution charakterisieren, wenn sie nicht von der Bourgeoisie geführt wurde? Die Bourgeoisie führte auch die Französische Revolution nicht direkt — die Jakobiner wurden von Rechtsanwälten wie Robespierre und anderen kleinbürgerlichen Fachleuten geführt, unterstützt von den städtischen Handwerker-Massen und landhungrigen Bauern. Doch gerade die Handels- und Finanzbourgeoisie konnte aus dem Sturz der Monarchie und der Abschaffung feudaler Hindernisse der nationalen wirtschaftlichen Entwicklung Nutzen ziehen, was innerhalb von zwei Generationen die Grundlage für eine sich entfaltende industrielle Bourgeoisie legte. Die Samurai der unteren Ränge, die an der Spitze der Meiji- Restauration standen, können zu Recht als eine militärisch-bürokratische Kaste oder Schicht beschrieben werden. Um als eine national unabhängige herrschende Klasse zu überleben, mussten sie Japan in ein modernes kapitalistisches Industrieland umwandeln und somit die Entwicklung einer industriellen Bourgeoisie fördern. Ihre Politik und ihre Aktionen führten innerhalb von zwei Generationen zur Entwicklung einer Industrie-/Finanzbourgeoisie, die zur vorherrschenden sozialen Klasse in Japan wurde.
An dieser Stelle ist es lehrreich, sich die Bismarck’sche „Revolution von oben“ in Deutschland anzusehen. Dabei ist es auch notwendig, bestimmte grundlegende Unterschiede sowie wichtige Parallelen zwischen Deutschland und Japan im späten 19. Jahrhundert zu beachten. Deutschland stand auf einer qualitativ höheren Ebene der ökonomischen Entwicklung, es gab eine beträchtliche Industrie und eine bereits ökonomisch vorherrschende Bourgeoisie, die jedoch mit einem schnell wachsenden, sozial und politisch bewussten Proletariat konfrontiert war.
Die Ausweitung sozioökonomischer Errungenschaften der Französischen Revolution auf West- und Süddeutschland durch die militärischen Siege des Napoleonischen Reiches gab der Entwicklung sowohl des Industrie- als auch des Handelskapitalismus einen kräftigen Anstoß. Am Vorabend der Revolution von 1848 schrieb Engels über die deutsche Bourgeoisie:
„Wenn sie auch während der letzten dreißig Jahre bei weitem nicht den Aufschwung genommen hat wie die englische und französische Bourgeoisie, so hat sie doch die meisten Zweige der modernen Industrie eingeführt, in einigen Distrikten den bäuerlichen oder kleinbürgerlichen Patriarchalismus verdrängt, die Kapitalien einigermaßen konzentriert, einiges Proletariat erzeugt und ziemlich lange Strecken Eisenbahnen gebaut. Sie hat es wenigstens dahin gebracht, daß sie jetzt entweder weitergehen, sich zur herrschenden Klasse machen oder auf ihre bisherigen Eroberungen verzichten muß; dahin, daß sie die einzige Klasse ist, die für den Augenblick in Deutschland einen Fortschritt machen, für den Augenblick Deutschland regieren kann.“
—„Der Status quo in Deutschland“ (März/April 1847)
Während des Aufstands von 1848 wurde jedoch die Bourgeoisie durch die Furcht, dass eine radikale demokratische Revolution nur ein Vorspiel zu einer „roten Revolution“ — hauptsächlich ausgehend von der städtischen Arbeiterklasse — wäre, in ein Bündnis mit den Kräften der monarchistischen Reaktion getrieben. Marx und Engels zogen den Schluss, dass die europäische Bourgeoisie schon reaktionär geworden war. Marx schloss daher seine Ansprache der Zentralbehörde an den Bund der Kommunisten vom März 1850 mit dem berühmten Ruf nach „Revolution in Permanenz.“
Im Verlauf der weiteren rapiden Entwicklung des Industriekapitalismus bildete der Hauptteil der deutschen Bourgeoisie ein Bündnis mit dem preußischen Landadel (den Junkern), was in den 60er-Jahren den Grundstein für Bismarcks „Revolution von oben“ legte. Bismarck begann seine Karriere als politischer Vertreter der Junker und war während der Revolution von 1848/49 ein extremer Reaktionär gewesen. Aber er repräsentierte diese aus dem Feudalismus hervorgegangene Klasse in der Ära des Industriekapitalismus, in der Preußen den fortgeschritteneren bürgerlichen Staaten Britannien und Frankreich gegenüberstand. Bismarck kam zu dem Verständnis, dass nur die Industrie-/Finanzbourgeoisie Deutschland in einen vergleichsweise fortgeschrittenen Staat umwandeln konnte und damit auch das Überleben und sogar den Wohlstand der alten Grundbesitzerklassen sichern konnte.
Ende der 80er-Jahre schrieb Engels dazu:
„Ein Mann in Bismarcks Stellung und mit Bismarcks Vergangenheit mußte sich bei einiger Einsicht in die Sachlage sagen, daß die Junker, wie sie waren, keine lebensfähige Klasse bildeten, daß von allen besitzenden Klassen nur die Bourgeoisie eine Zukunft beanspruchen konnte und daß daher (abgesehn von der Arbeiterklasse, deren geschichtliche Sendung zu begreifen wir ihm nicht zumuten wollen) sein neues Reich um so sichereren Bestand versprach, je mehr er es allmählich auf den Übergang in einen modernen Bourgeoisstaat vorbereitete.“
—Engels, Die Rolle der Gewalt in der Geschichte (1887/88)
Die preußischen Junker wurden Agrar-Großkapitalisten und die Hohenzollern- Monarchie operierte praktisch ohne parlamentarische Kontrolle. Der Reichstag hatte zwar einigen Einfluss auf die Innenpolitik, aber keinerlei wirksame Kontrolle über die Außenpolitik und das Militär. Wie Engels 1891 schrieb: „Das Deutsche Reich ist eine Monarchie mit halbfeudalen Formen, die aber in letzter Reihe bestimmt wird durch die ökonomischen Interessen der Bourgeoisie“ („Der Sozialismus in Deutschland“).
Dialektisch betrachtet wurde die Meiji-Restauration von einer im Entstehen begriffenen Bourgeoisie geführt. Dieses Verständnis drückte sich in einer der frühesten sowjetischen Untersuchungen zu diesem Thema, geschrieben 1920, aus:
„Wir können schlussfolgern, dass Japan, nachdem es seine ökonomische Struktur geändert hatte, immer noch nicht die Klasse der Bourgeoisie besaß, die die Herrschaft des Landes hätte übernehmen können. Die Klasse der Feudalherren blieb weiterhin an der Macht. Sie erkannten die Änderungen an, die in Japan geschehen waren, wiesen alle überholten Feudalnormen zurück und begannen mit der rapiden Entwicklung des Kapitalismus... Deshalb kann der Begriff ,Revolution’ in Bezug auf die Meiji-Ishin nur in formaler Weise benutzt werden. Man kann sie nur vom Standpunkt ihres Ergebnisses her ,bürgerlich’ nennen, was überhaupt nicht heißt, dass die Bourgeoisie damals die wichtigste Rolle gespielt hätte.“
—O.V. Pletner, The History of the Meiji Era [Die Geschichte der Meiji-Ära], zitiert in Julia Mikhailova, „Soviet-Japanese Studies on the Problem of the Meiji Ishin and the Development of Capitalism in Japan“ [Sowjetisch-japanische Studien über das Problem der Meiji-Ishin und die Entwicklung des Kapitalismus in Japan] in War, Revolution and Japan (1993)
Eine bürgerlich-demokratische Revolution war geschichtlich ausgeschlossen
Für Marxisten wird eine bürgerlich-demokratische Revolution hauptsächlich durch ihren sozioökonomischen (d.h. Klassen-) Inhalt, nicht durch einen Wechsel der Regierungsform definiert. Die klassischen bürgerlich-demokratischen Revolutionen in England in den 1640er-Jahren und in Frankreich 1789–93 stürzten absolutistische Monarchien, die das politische Organ des Landadels waren. Indem die Handels- (d.h. vorindustrielle) Bourgeoisie die Bauernschaft und die unteren Klassen der Städte mobilisierte, errang sie die politische Macht durch Cromwells Commonwealth in England und durch das jakobinische Regime und später das Napoleonische Reich in Frankreich.
Die klassischen bürgerlich-demokratischen Revolutionen als Schablone für jegliche spätere kapitalistische Entwicklung aufzufassen — wie es die Menschewiki mit ihrem Etappenschema für das zaristische Russland taten und später Stalin/Bucharin im Falle der halbkolonialen Länder — ist ahistorisch und undialektisch. Als im Juli 1789 Handwerker, Ladenbesitzer und Tagelöhner in Paris die Bastille stürmten, war Frankreich der stärkste absolutistische (d.h. spätfeudale) Staat in Europa. Die Revolution verstärkte erheblich die ökonomischen und militärischen Ressourcen des französischen Staates und ermöglichte es Napoleon Bonaparte — einst ein Protegé von Robespierre —, einen großen Teil Europas zu erobern und umzuwandeln. Um für die kapitalistische Entwicklung in Frankreich (und zuvor in England) den Weg zu bahnen, mussten die Massen mobilisiert werden. Dies galt auch teilweise in einer etwas späteren Periode für die Vereinigten Staaten und für Italien. Aber es trifft nicht auf Deutschland oder Japan zu. Es gibt keine notwendige Verbindung zwischen Demokratie und der Entwicklung des Kapitalismus.
Die „bürgerlichen Revolutionen von oben“ im Deutschland und im Japan des späten 19. Jahrhunderts waren keine Ausnahme von irgendeiner historischen „Norm“, die durch die Französische Revolution aufgestellt worden wäre. Sie gingen vielmehr aus der dazwischenliegenden Geschichte seit der Französischen Revolution hervor. Nur durch rasche Industrialisierung konnten die herrschenden Klassen in Deutschland und Japan eine Invasion und Unterwerfung durch Britannien, Frankreich oder die Vereinigten Staaten vermeiden. Sie vermochten es, ihre Nationen in die Ränge der imperialistischen Mächte zu katapultieren, indem sie die feudalen Hindernisse ausräumten, die der kapitalistischen Entwicklung von oben im Wege standen, wobei sie selbst zu Kapitalisten wurden. Um 1900, als die Welt und ihre Märkte inzwischen mehr oder weniger unter den fünf existierenden imperialistischen Mächten aufgeteilt waren, war diese Möglichkeit anderen sich später entwickelnden Bourgeoisien verwehrt.
Japan war Mitte des 19. Jahrhunderts ein vorindustrieller (obwohl in vielerlei Hinsicht relativ fortgeschrittener) Feudalstaat, der weit mächtigeren sich industrialisierenden kapitalistischen Staaten gegenüberstand. Die wohl begründete Furcht, das gleiche Schicksal wie China zu erleiden, trieb entscheidende Teile des japanischen Feudaladels, besonders die unteren Ränge der Samurai, dazu, die alte Ordnung zu stürzen und Japans Wirtschaft und Staat nach westlichen Richtlinien umzustrukturieren. Obwohl E. Herbert Norman die Meiji-Restauration für eine „unvollständige“ bürgerliche Revolution hielt, war ihm auch klar, dass die Bedingungen, mit denen die Meiji-Herrscher unmittelbar nach der Revolution konfrontiert waren, einen bürgerlich-demokratischen Weg ausschlossen:
„Die Geschwindigkeit, mit der Japan alles gleichzeitig tun musste: einen modernen Staat errichten, eine Verteidigungsstreitmacht auf neuestem Stand aufbauen, um die Gefahr einer Invasion abzuwehren (die nicht auf ewig durch das günstige Kräftegleichgewicht in der Welt und durch die Barriere, die China darstellte, aufgeschoben werden konnte), eine Industrie schaffen, auf die sich diese Streitmacht stützen konnte, ein Erziehungssystem schaffen, dass einer industrialisierten modernisierten Nation angemessen war, all dies gebot, diese wichtigen Veränderungen durch eine Gruppe autokratischer Bürokraten durchzuführen anstatt durch die Masse des Volkes mit Hilfe demokratischer Vertretungsorgane.“
—a.a.O.
Hätte diese gesellschaftliche Umwandlung durch einen revolutionären Aufstand erreicht werden können? Nehmen wir mal an, das Ergebnis des Bürgerkriegs zwischen dem Bakufu und den Tozama wäre die gegenseitige Zerstörung oder Desorganisierung aller einsatzbereiten Streitkräfte des Feudaladels gewesen. Ein Machtvakuum wäre entstanden, das eine Rebellion der Bauernmassen, die Weigerung von Tributzahlungen an die Daimyo sowie Aufstände der unteren städtischen Klassen ermöglicht hätte. Kurz gesagt, Japan wäre in revolutionärer Anarchie versunken.
Was wäre das historische Ergebnis gewesen? Die japanischen Daimyo und Shonin hätten die Westmächte eingeladen und es ihnen erleichtert, militärisch zu intervenieren, um die Bauernrebellion zu unterdrücken. Danach wäre Japan in koloniale oder halbkoloniale Unterjochung gefallen. Ein Teil der Daimyo, Samurai und der Händlerklasse hätte sich in eine Kompradorenbourgeoisie umgewandelt, wie sie damals in China existierte, völlig unterwürfig gegenüber den westlichen Imperialisten.
Man muss sich nur die Taiping-Rebellion in China in den 1850er- und den frühen 1860er-Jahren anschauen. Diese massenhafte Bauernrevolte, die über ein Jahrzehnt andauerte, übernahm einen großen Teil des Jangtse-Tals und machte die wichtige Stadt Nanjing zu ihrer Hauptstadt. Da die dekadenten Mandschu-Herrscher unfähig waren, die Revolte zu unterdrücken, wandte sich der chinesische niedere Adel (die Gutsherrenklasse) an die Westmächte. Ein amerikanischer Abenteurer, Frederick Townsend Ward, und ein britischer Offizier, Charles „der Chinese“ Gordon, trainierten und kommandierten eine chinesische Elite-Truppe, die schließlich die Taiping-Rebellen besiegte.
Ein Bauernaufstand in Japan zur damaligen Zeit hätte ein ähnliches Schicksal erlitten, auch wenn er anfänglich Erfolg gehabt hätte. Das soll nicht heißen, dass nach der Meiji-Restauration der weitere Verlauf der japanischen Geschichte für die nächsten Jahrzehnte vorherbestimmt gewesen wäre. Im Japan des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts war ein etwas größeres Ausmaß an sozialem Egalitarismus und politischer Liberalisierung sicherlich möglich. Doch unmöglich war eine radikale bürgerlich-demokratische Revolution nach dem Vorbild Frankreichs.
Die Landsteuer von 1873
Die Führer der Meiji-Restauration drückten ihre Absicht, Japan zu modernisieren, mit Losungen aus wie „Reiche Nation, starkes Militär“ und „Steigert die Produktion, fördert die Industrie“. Aber wie wurden diese Losungen umgesetzt angesichts der Tatsache, dass Japan damals ökonomisch weit rückständiger war als die westlichen kapitalistischen Staaten, die seine Unabhängigkeit bedrohten? Kurz gesagt, indem man die außerordentlich hohe Ausbeutung der Bauernschaft weiterhin aufrechterhielt und den daraus gewonnenen Überschuss in den raschen Aufbau eines industriell-militärischen Komplexes leitete. Die Landsteuer von 1873 war im Japan des späten 19. Jahrhunderts der Hauptmechanismus für das, was Marx in Bezug auf Westeuropa (hauptsächlich England) im 17. und 18. Jahrhundert die „ursprüngliche Akkumulation des Kapitals“ nannte.
Durch eine Kombination aus militärischer Drohung und finanziellen Anreizen zwang das neue Meiji-Regime 1871 die Daimyo dazu, ihre Han der Autorität der Zentralregierung „zurückzugeben“. Als Entschädigung bekamen sie langfristige Staatsanleihen. Gleichzeitig übernahm die Regierung auch die Zahlungen der früheren Daimyo an ihre Samurai, wenn auch in geringer werdendem Ausmaße. Die Landsteuer lieferte den Großteil der Einnahmen, die für die Zinsen und die Einlösung der Staatsanleihen verwendet wurden und auch für die Zahlungen an die früheren Samurai.
So wurde die staatliche Finanzbehörde zum Vermittler zwischen dem wirtschaftlichen Überschuss, der der Bauernschaft entzogen wurde, und einer sich entwickelnden Industrie- /Finanzbourgeoisie, die aus dem ehemaligen Feudaladel und der alten Handelsklasse kam. 1880 gehörten inzwischen 44 Prozent der Aktien in Japans Nationalbanken früheren Daimyo und fast ein Drittel gehörte früheren Samurai. Diese Banken gingen dann daran, die schnelle Entwicklung der japanischen Industrie zu finanzieren.
Die zentrale Rolle, die die staatliche Finanzbehörde bei der anfänglichen Industrialisierung Japans spielte, ergab sich paradoxerweise auch aus den Beschränkungen, die die westlichen imperialistischen Mächte der japanischen Wirtschaftspolitik auferlegt hatten. Unter der Drohung amerikanischer und britischer Militäraktionen hatte das Tokugawa-Shogunat Ende der 1850er-Jahre und in den 1860er-Jahren ungleiche Handelsverträge unterzeichnet, die es Japan untersagten, Zölle zu erheben, die mehr als 5 Prozent des Wertes der westlichen Importe ausmachten. Daher war die Meiji-Regierung nicht in der Lage, ihre sich neu entwickelnde Industrie durch hohe Einfuhrzölle zu schützen, wie es Deutschland und die Vereinigten Staaten im späten 19. Jahrhundert tun konnten. Stattdessen suchte die japanische herrschende Klasse Zuflucht bei direktem Staatseigentum und staatlichen Subventionen.
Der amerikanische Wirtschaftshistoriker G.C. Allen stellte fest: „In den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts gab es kaum irgendwelche bedeutenden Industrien westlichen Typs in Japan, die ihre Errichtung nicht staatlicher Initiative verdankten“ (A Short Economic History of Modern Japan [Eine kurze Wirtschaftsgeschichte des modernen Japans], 1981). Bis zum Ende des Jahrhunderts waren fast alle staatseigenen Industrieunternehmen und anderen Vermögenswerte an politisch begünstigte Unternehmer verkauft worden, normalerweise zu einem Nominalpreis. Die erfolgreichsten unter diesen bildeten die Zaibatsu, die großen Industrie-/Finanzimperien wie Mitsubishi und Mitsui, die in der Folge die japanische Wirtschaft dominierten und auch weiterhin dominieren.
Ebenso wie im Meiji-Japan der Aufstieg einer neuen Klasse von Industrie- /Finanzkapitalisten zu verzeichnen war, so gab es auch den Aufstieg einer neuen Klasse von Ausbeutern auf dem Land. Eine wachsende Anzahl von Bauern, die ihre Steuerzahlungen nicht mehr leisten bzw. ihre Schulden aufgrund der Wucherzinsen nicht mehr zurückzahlen konnten, sahen sich gezwungen, ihr Land ganz oder teilweise zu verkaufen, normalerweise an reiche Bauern oder Händler/Geldverleiher aus dem Dorf. Viele mussten ihre Töchter zur Arbeit bei Textilherstellern in die Stadt schicken, wodurch sie die frühe japanische Industrie mit Arbeitskräften versorgten. Ein Vorschuss auf den Lohn der Töchter ging normalerweise als Kredit an die Bauernfamilien, damit diese ihre Steuerlast bezahlen konnten. Die Zinsen und der Kredit selber verschlangen zusammen mit den Ausgaben für Nahrung und Unterkunft der Töchter den größten Teil des Lohns, wenn nicht noch mehr, was die ländlichen Familien noch weiter in die Verschuldung trieb. 1903 wurden inzwischen 44 Prozent des gesamten landwirtschaftlich genutzten Landes in Japan von Pächtern bearbeitet, die mehr als 50 Prozent ihrer Ernte als Pacht an die Grundherren zahlten, gewöhnlich in Naturalien.
Hier sollte man betonen, dass die Grundbesitzerklasse im Japan des frühen 20. Jahrhunderts hauptsächlich nicht vom alten Feudaladel abstammte. Eine amerikanische Forscherin, die sich mit japanischer Agrargeschichte befasst, erklärte:
„Obwohl die meisten ehemaligen Daimyo reich blieben und als Mitglieder des Oberhauses des Parlaments im politischen System nach 1890 eine direkte Stimme hatten, waren sie keine Landbesitzeraristokratie mehr mit der Macht, örtliche Angelegenheiten zu regeln... Sie investierten in Waldland, in neue Industrieunternehmen und vielleicht am meisten ins Bankenwesen. Auch wenn ein Teil ihres Einkommens aus der Landwirtschaft kam, war das im Allgemeinen ein kleiner Teil, unbedeutend neben ihren anderen Beteiligungen. Sie übten keine politische Kontrolle mehr über ihren Landbesitz aus, und obwohl sie im Oberhaus vertreten waren, war dieses Gremium zu keiner Zeit das Zentrum der politischen Macht.“
—Ann Waswo, Japanese Landlords: The Decline of a Rural Elite [Japanische Grundbesitzer: der Niedergang einer ländlichen Elite] (University of California Press, Berkeley, 1977)
Das Unterhaus des Parlaments, das über den Staatshaushalt abstimmte, wurde von den reichsten männlichen Eigentümern gewählt.
Eine neue Klasse von Grundbesitzern entstand durch die wirtschaftliche Differenzierung der Bauernschaft und anderer Teile der ländlichen Kleinbourgeoisie. In den 1930er-Jahren charakterisierte ein durchreisender amerikanischer Akademiker verächtlich typische japanische Grundbesitzer als „bis vor kurzem Händler, Gaststätten- oder Bordellbetreiber, Chefs von Straßenreparatur-Gruppen und Personen mit ähnlichem Status“ (zitiert ebenda). Außerdem investierten reichere Grundbesitzer zunehmend die Pacht, die sie von Landpächtern bekamen, wieder in Bankkonten, Staatsobligationen und Unternehmensaktien. In den 1920er-Jahren bezogen die reichsten Familien im ländlichen Japan bereits ebensoviel, wenn nicht sogar mehr, Einkommen aus ihrem Finanzvermögen wie aus ihren landwirtschaftlichen Gütern.
So war die Grundbesitzer-Klasse im Japan zwischen den Weltkriegen keineswegs feudal oder halbfeudal, sondern ökonomisch und in vielen Fällen auch gesellschaftlich in die vorherrschende städtische industrielle Wirtschaft völlig integriert.
Die Meiji-Verfassung von 1889
Zwar war die Meiji-Restauration eine Revolution von oben, aber sie rief notwendigerweise eine mächtige Resonanz von unten hervor und erweckte bei den Bauern und den städtischen Arbeitern Erwartungen auf ein besseres und freieres Leben. Die folgenden zwei Jahrzehnte waren eine Periode großer gesellschaftlicher und politischer Turbulenzen.
Zum ersten Mal in der japanischen Geschichte rebellierten Frauen gegen ihre traditionelle Unterordnung und verlangten demokratische Rechte. Mehrere Dörfer und Gemeinden schufen Gemeinderäte, und Frauen war es erlaubt, dafür zu kandidieren (vorausgesetzt, ihr Ehemann hatte es erlaubt). Militante Frauen reisten durch das Land und hielten Reden, in denen sie Wahlrecht, Geburtenkontrolle und Erbrecht forderten.
Die Kräfte des gesellschaftlichen Radikalismus fanden ihren wesentlichen organisierten Ausdruck in der Bürgerrechtsbewegung, die eine demokratische, repräsentative Regierung forderte. Die mit dieser Bewegung verbundene ländliche Agitation erreichte 1884 ihren Höhepunkt in einer Rebellion im bergigen Distrikt Chichibu in Zentraljapan, nordwestlich von Tokio. Bauern plünderten die Häuser von Geldverleihern, erstürmten Regierungsbehörden, um Schuldunterlagen zu zerstören, und schüchterten die Reichen so weit ein, dass sie den Armen Spenden zahlten. Der Aufstand wurde von der Armee niedergeschlagen, und kurz darauf wurde die Bürgerrechtsbewegung zerbrochen sowohl durch staatliche Unterdrückung als auch weil die Regierung viele ihrer Führer erfolgreich aufkaufte.
Die Konsolidierung eines starken repressiven Staatsapparats schuf die politische Grundlage für die Meiji-Verfassung von 1889, deren Vorbild die Verfassung des kaiserlichen Deutschlands war. Regierungsminister wurden vom Kaiser ernannt (in Wirklichkeit von den Meiji-Oligarchen, die im Namen des Kaisers agierten) und nicht von der Mehrheitspartei im Parlament.
Das Zivilrecht von 1898 übernahm das Konzept von „Ie“ (auf dem Familienhaushalt basierendes System) als Basis für die neue hierarchische Gesellschaftsstruktur, mit den auf Konfuzius basierenden Werten der Samurai-Klasse als Grundlage. Der Kaiser stand an der Spitze als Kopf der gesamten Nation und der Ehemann wiederum war der absolute Herrscher über seine eigene Familie. Das Erstgeburtsrecht war für alle Klassen vorgeschrieben. Ehefrauen wurden wie Minderjährige behandelt, und das Zivilrecht legte fest: „Krüppel und behinderte Personen und Ehefrauen können keinerlei Klagen einreichen.“ Frauen wurde die Beteiligung an politischen Aktivitäten verboten. Doch waren Arbeiterinnen das Rückgrat der sich entwickelnden industriellen Wirtschaft — besonders in der Textilindustrie, die gegen Ende des 19. Jahrhunderts 60 Prozent des Außenhandelsvolumens produzierte und in der Frauen 60 bis 90 Prozent der Belegschaft stellten.
Das Kaiser-System, das in der Verfassung festgeschrieben wurde, war nicht eine überlebende feudale Institution, die die Interessen des Landadels (der gar nicht mehr existierte) repräsentierte. Sondern die traditionelle Autorität und mystische Aura, die sich um den Kaiser rankten, wurden nun benutzt, um einen Staatsapparat zu legitimieren, der in allererster Linie agierte, um die Interessen der Industrie- und Finanzkapitalisten zu schützen und zu fördern, die an ihrer Spitze von den Zaibatsu verkörpert wurden.
Erster Weltkrieg und Industrialisierung
Der Erste Weltkrieg veränderte die Struktur der japanischen Wirtschaft und der Arbeiterklasse, und die bolschewistische Russische Revolution von 1917 veränderte den politischen Charakter der japanischen Linken. Vor 1914 blieb Japans Schwerindustrie-Sektor, der eng mit dem Militär verbunden war, abhängig von finanzieller Unterstützung durch den Staat. Japan exportierte Leichtgüter — hauptsächlich Baumwolltextilien und Seide — und importierte Industriemaschinen und einen Großteil seines Stahls aus Europa und den Vereinigten Staaten.
Der Krieg unterbrach völlig den Welthandel in seiner bestehenden Struktur und ermöglichte es Japan, in den ersten Rang der kapitalistischen Industrieländer aufzusteigen. Ein japanischer akademischer Marxist, Takahashi Masao, schrieb:
„Als die europäischen Nationen sich ganz den Kriegsanstrengungen widmeten, hörten die Arterien des Warenaustauschs in der Weltwirtschaft völlig auf zu pulsieren...
Obwohl es einen großen Unterschied im Umfang und im Grad der Industrialisierung gab, waren sowohl Amerika als auch Japan in der Lage, schnell und extensiv ihre Wirtschaft zu entwickeln. Sie waren insoweit in einer ähnlichen Situation, als sie es beide schafften, Produktionsprozesse zu entwickeln, für die sie bisher von Europa abhängig gewesen waren. Und so fungierten sie als Lieferanten von Industrieprodukten für unterentwickelte Gebiete und lieferten auch Waren verschiedener Art an die Krieg führenden Nationen.“
—Modern Japanese Economy Since the Meiji Restoration [Die moderne japanische Wirtschaft seit der Meiji-Restauration] (1967)
Zwischen 1914 und 1921 verdoppelte sich Japans Stahlproduktion; die Produktion von Elektromotoren stieg von einem Wert von 9 Millionen auf 34 Millionen Yen an. Insgesamt stieg die Industrieproduktion fast um das Fünffache!
Das brachte eine entsprechende Veränderung im gesellschaftlichen Gewicht und Charakter der japanischen Arbeiterklasse mit sich. Der Prozentsatz der produzierenden Arbeitskräfte, die in den Großfabriken der Schwerindustrie beschäftigt waren, stieg von 13,6 Prozent 1910 auf 24,2 Prozent bei Kriegsende. In den frühen 1920er-Jahren gab es in Japan ein großes permanent in der Stadt lebendes Industrieproletariat, überwiegend männlich, beschäftigt in Stahlwerken, Werften, Chemiefabriken, Auto- und Lastwagenfabriken usw. Dennoch war Japan das einzige große kapitalistische Industrieland in der Zeit zwischen den Weltkriegen, in dem der Kampf der Bauern gegen Großgrundbesitzer eine wichtige Arena des gesellschaftlichen Konflikts darstellte.
Die Veränderungen in der Zusammensetzung der Arbeiterschaft kombiniert mit der Inflation, die mit der industriellen Ausdehnung während des Ersten Weltkriegs einherging, bewirkten einen Aufschwung von Arbeitermilitanz und gesellschaftlichen Unruhen, die in den „Reisaufständen“ von 1918 gipfelten. Der Preis von Reis verdoppelte sich zwischen 1917 und 1918, und nachdem die Frauen von Fischern in der Präfektur Toyama im August 1918 Reisläden gestürmt hatten, weiteten sich Reisaufstände auf das ganze Land aus. Die Regierung schickte die Armee, um die Aufstände einzudämmen, und tötete mehr als 100 Demonstranten. Die Welle der Unruhen führte zu einer Massenbewegung für das allgemeine Wahlrecht. Die Kopfsteuer wurde 1919 gesenkt (wodurch die Liste der Wahlberechtigten von einer auf drei Millionen anstieg), aber die Regierung verweigerte das allgemeine Wahlrecht. Streiks und Unruhen der Arbeiter weiteten sich ebenfalls aus, und japanische Sozialisten begannen in einigen großen japanischen Gewerkschaften Einfluss zu gewinnen.
Die frühen japanischen Kommunisten
Die frühen japanischen Sozialisten waren hauptsächlich Christen und auf kleine Propagandagruppen beschränkt. Nach 1906 entwickelte sich eine anarcho-syndikalistische Strömung, doch ihre Mitglieder arbeiteten immer wieder mit der mehr reformistisch gesinnten sozialistischen Bewegung zusammen. 1910 wurden der bekannteste Anarchist, Kotoku Shusui, und 26 seiner Unterstützer verhaftet unter der Anklage, ein Komplott zur Ermordung des Kaisers und seiner Familie zu schmieden. Im Anschluss an den so genannten Hochverratsprozess wurde Kotoku 1911 zusammen mit elf anderen, darunter seine Gefährtin Kanno Suga, hingerichtet. Danach hörte die organisierte Linke praktisch auf zu existieren.
Katayama Sen, ein Führer des evolutionären, pazifistischen Flügels des japanischen Sozialismus, war schon früher in den Vereinigten Staaten gewesen und kehrte 1914 dorthin zurück. Er arbeitete dort mit der Sozialistischen Partei, interessierte sich besonders für den Kampf gegen die Unterdrückung der Schwarzen und gründete schließlich den Bund Japanischer Sozialisten. Katayama wurde nach der Russischen Revolution zum Banner des Bolschewismus gewonnen und schickte viele Mitglieder des Bundes nach Japan zurück, damit sie bei der Gründung einer japanischen kommunistischen Partei helfen. Er selbst ging Ende 1921 nach Moskau und spielte von 1922 an eine wichtige Rolle bei der Japan-Arbeit der Komintern. Jedoch bleibt fraglich, wie weit Katayama mit seinen christlichen, pazifistischen Ursprüngen gebrochen hatte. Während der stalinistischen Degeneration unterstützte er mit treuer Ergebenheit jede der unterschiedlichen Drehungen und Wendungen der Bürokratie. 1928 schrieb Trotzki: „Im wesentlichen stellt Katayama ein völliges Missverständnis dar... Seine Anschauungen sind ein ganz klein wenig marxistisch gefärbtes Fortschrittlertum“ („Wer leitet heute die Kommunistische Internationale?“, September 1928). Trotzdem spielten die Unterstützer, die Katayama in den Vereinigten Staaten gewann, eine wichtige Rolle in der frühen kommunistischen Bewegung Japans.
Der Kern der Führung der frühen KPJ kam jedoch von den Anarcho-Syndikalisten wie Yamakawa Hitoshi, Sakai Toshihiko und Arahata Kanson, die schon im Mai 1919 begannen, Propaganda für den Bolschewismus zu machen (so wie sie ihn verstanden). Ihnen schlossen sich nicht nur Katayamas Unterstützer an, sondern auch einzelne Studenten, rekrutiert aus einer sich entfaltenden Tendenz des akademischen Marxismus nach dem Ersten Weltkrieg, die von der Regierung fast ein ganzes Jahrzehnt toleriert wurde. Trotz der Autorität, die die Anarcho-Syndikalisten in der Gewerkschaftsbewegung nach dem Krieg gewonnen hatten, hatten die frühen Kommunisten doch nur sehr schwache Wurzeln in der Arbeiterklasse.
Japan war im April 1918 das erste imperialistische Land, das in das Territorium des ersten Arbeiterstaats der Welt einmarschierte. Seine Truppen waren im November 1922 die letzten, die abzogen, und sogar danach behielt Japan noch die Kontrolle über die Insel Sachalin und stimmte erst 1925 zu, seine Truppen aus Nordsachalin abzuziehen, als schließlich diplomatische Beziehungen zu Sowjetrussland hergestellt worden waren. Japan hielt weiterhin Südsachalin besetzt, bis seine Truppen am Ende des Zweiten Weltkriegs von der Roten Armee vertrieben wurden.
Die Bolschewiki machten zwar Anstrengungen, einen Kontakt zu japanischen Kämpfern herzustellen, die von der Russischen Revolution angezogen waren, aber die ausländische Militärintervention und der Bürgerkrieg, der im Fernen Osten Russlands wütete, machten solche Kontakte extrem schwierig. Außerdem hielten sich Yamakawa und Sakai ursprünglich damit zurück, Kontakt zur Komintern herzustellen, weil sie befürchteten, die Aufmerksamkeit der sehr effizienten japanischen Geheimpolizei auf sich zu lenken. Erst im April 1921, als der koreanische Kommunist Yi Chung-rim, der Student an der Meiji-Universität gewesen war, von der KI nach Tokio geschickt wurde, stimmte Yamakawa zu, ein „Vorbereitungskomitee“ für eine japanische Kommunistische Partei zu gründen. Zu diesem Zeitpunkt bildeten die japanischen Kommunisten einen losen Zirkel, der sich mit den Anarcho- Syndikalisten überlappte.
Die Öffnung des Komintern-Archivs in Moskau hat neues reichhaltiges Material über die Kommunistische Partei Japans zugänglich gemacht, das über die frühen Jahre der Partei mehr Klarheit bringt. In der englischen Ausgabe des Spartacist Nr. 58 vom Frühjahr 2004 veröffentlichten wir drei der neu erhältlichen KPJ-Dokumente als Anhang zu diesem Artikel, darunter das Manifest des Vorbereitungskomitees der KPJ vom April 1921, geschrieben von Yamakawa, der mit Katayamas Protegé Kondo Eizo zusammenarbeitete. Das Manifest von 1921 macht klar, dass die japanischen Kommunisten der frühen Periode davon ausgingen, dass die Meiji-Restauration die Basis für ein kapitalistisches Japan gelegt hatte, und dass sie keine Etappentheorie vertraten.
Erst Ende 1921 erreichte die erste Delegation aus dem japanischen sozialistischen/anarchistischen Milieu Moskau. Sie nahmen im Januar/Februar 1922 am Ersten Kongress der Werktätigen des Fernen Ostens teil. Dieser Kongress setzte sich nicht nur aus Kommunisten zusammen, sondern auch aus bürgerlich-nationalistischen Kräften (die chinesische Guomindang war da), Journalisten und anderen ganz unterschiedlichen Kräften. Bucharin, Sinowjew und Stalin wurden vom russischen Politischen Büro als verantwortliche Kommission zur Leitung des Kongresses eingesetzt. Sinowjew berief den Kongress ein und spielte dort eine sehr öffentliche Rolle. Bucharin half mit, die Resolution zu Japan zu entwerfen und zu präsentieren. Stalin traf sich mit der japanischen Delegation, und zumindest ein Bericht besagt, dass er daran beteiligt war, einige der Anarcho-Syndikalisten zu gewinnen. Stalin behielt bis zum Ende des Jahrzehnts sein Interesse am Fernen Osten, und es ist klar, dass er eng mit Bucharin zusammenarbeitete bei der Entwicklung des Dogmas der „Etappenrevolution“ und dieses den Kommunistischen Parteien des Ostens aufdrängte.
Der Kongress fand kurz vor Lenins erstem Schlaganfall statt, gerade als Stalin, Sinowjew und Kamenjew begannen, ihr Bündnis gegen Trotzki zu bilden. Die Sinowjew’sche politische Schule von Wortschwall und Manöver infizierte die Komintern. Doch hatte sie noch nicht gesiegt. Die auf dem Kongress angenommenen „Aufgaben der japanischen Kommunisten“ stellten eindeutig fest: „Eine proletarische Diktatur, die Ersetzung der militärisch-plutokratischen Monarchie durch die Macht der Sowjets — das ist das Ziel der Kommunistischen Partei.“ Gleichzeitig behauptete die Resolution: „Die Konfiguration der Klassenkräfte in Japan lässt uns den Erfolg eines radikalen demokratischen Umsturzes erwarten“, und sie argumentierte, dass sich die KPJ entsprechend orientieren müsse.
Die Resolutionen und der Sitzungsverlauf des Ersten Kongresses der Werktätigen des Fernen Ostens führte bestimmte Zweideutigkeiten in die Aufgaben der asiatischen Kommunistischen Parteien ein, aber dies war keineswegs ein voll entwickeltes Schema der „Etappenrevolution“. Die KI-Führung erkannte nicht, dass die Unterbrechung des Handels mit Europa während des Ersten Weltkriegs nicht nur zu einer Ausweitung von Japans Industriebasis geführt hatte, sondern auch zur Entwicklung eines rasch wachsenden Industrieproletariats in kolonialen und halbkolonialen Ländern wie China und Indien. So ging der Hauptbericht zur nationalen und kolonialen Frage, den G. Safarow gab, davon aus, dass das Proletariat in den meisten Ländern des Ostens nicht das soziale Gewicht habe, um eine führende Rolle in einem revolutionären Aufschwung zu spielen. Japan wurde als eine Ausnahme anerkannt — ein voll entwickeltes imperialistisches Land mit einem Proletariat, das der Schlüssel dafür war, den gesamten Osten zu befreien. Safarow betonte, dass sich das japanische Proletariat mit den Nationen verbünden sollte, die für ihre Befreiung vom japanischen Imperialismus kämpften. Er forderte die absolute politische Unabhängigkeit des Proletariats von den bürgerlich-nationalistischen Kräften, mit denen es vielleicht zusammenarbeiten würde.
Die KPJ und die „Etappenrevolution“
Die Kommunistische Partei Japans wurde formal im Juli 1922 gegründet, etwa sechs Monate nachdem der Kongress der Werktätigen des Fernen Ostens seine Arbeit beendet hatte. Einen Monat später, im August 1922, fasste die Komintern den Beschluss, dass die junge Kommunistische Partei Chinas in die Guomindang eintreten sollte. Drei Monate später, im November, während des IV. Weltkongresses der Kommunistischen Internationale, verfasste Bucharin einen Programmentwurf der japanischen Partei, der die Meiji-Restauration nicht erwähnte und schon gar nicht versuchte, ihre Bedeutung einzuschätzen. Er schrieb:
„Der japanische Kapitalismus zeigt immer noch Merkmale früherer feudaler Verhältnisse. Der Großteil des Landes ist heute in der Hand halbfeudaler Großgrundbesitzer...
Überreste feudaler Verhältnisse offenbaren sich in der Struktur des Staates, der von einem Block kontrolliert wird, der sich aus einem festen Anteil der Handels- und Industriekapitalisten und der Großgrundbesitzer zusammensetzt. Der halbfeudale Charakter der Staatsmacht zeigt sich klar in der wichtigen und führenden Rolle des Oberhauses und in den Grundzügen der Verfassung. Unter solchen Bedingungen geht die Opposition gegen die Staatsmacht nicht nur von der Arbeiterklasse, den Bauern und der Kleinbourgeoisie aus, sondern auch von einem großen Teil der liberal eingestellten Bourgeoisie, die gegen die bestehende Regierung ist.“
—„Draft Platform of the Japanese Communist Party“ [Entwurf der Plattform der Kommunistischen Partei Japans], November 1922, veröffentlicht in George M. Beckmann und Okubo Genji, The Japanese Communist Party, 1922-1945 (Stanford University Press, 1969)
Weiterhin bestand das Programm auf Folgendem:
„Die Partei der Arbeiterklasse kann gegenüber dem Kampf gegen die kaiserliche Regierung nicht gleichgültig bleiben, selbst wenn ein solcher Kampf vielleicht unter demokratischen Losungen geführt wird. Die Aufgabe der Kommunistischen Partei ist es, die allgemeine Bewegung ständig zu verstärken, alle Losungen mit Nachdruck zu propagieren und während des Kampfes gegen die bestehende Regierung die vorherrschende Position in der Bewegung zu erringen.
Erst nachdem diese erste unmittelbare Aufgabe erfüllt ist und einige der früheren Verbündeten begonnen haben, sich auf die Seite der besiegten Klasse und Gruppen zu begeben, sollte die Kommunistische Partei Japans danach streben, die Revolution voranzutreiben, sie zu vertiefen und Anstrengungen hin zur Aneignung der Macht durch Sowjets der Arbeiter und Bauern zu unternehmen.“
—ebenda
Die Standardwerke über die Geschichte des japanischen Kommunismus erwähnen jedoch nicht, dass es einen weiteren Programmentwurf der KPJ gab, geschrieben zwei Monate vor dem von Bucharin. Dieser Entwurf (in Spartacist, englische Ausgabe Nr. 58 als Anlage veröffentlicht) wurde in Japan von Arahata und Sakai verfasst. Arahata und Sakai bezeichnen Japan als „das Deutschland des Ostens“, und ihr Programm beginnt mit der klaren Aussage: „Die Kommunistische Partei Japans, Sektion der Dritten Kommunistischen Internationale, ist eine illegale, proletarische politische Partei, deren Ziel der Sturz des kapitalistischen Regimes durch die Errichtung der Diktatur des Proletariats, basierend auf der Macht der Sowjets, ist.“ Hier gibt es nicht das geringste Anzeichen von Etappentheorie.
Bucharins Entwurf behandelt das darin aufgestellte demokratische Programm so, als stünde es für die Kommunistische Partei zeitweilig auf der Tagesordnung, solange es um den Kampf geht, die „bestehende Regierung“ zu stürzen — als ob die KPJ dadurch, dass sie sich in demokratische Kleider hüllt, einen Flügel der wütend antikommunistischen japanischen Bourgeoisie dazu verleiten könnte, mit ihr zusammenzuarbeiten! Im Gegensatz dazu ruft der Entwurf von Arahata und Sakai korrekt (wenn auch abstrakt) dazu auf, den Kampf für bürgerlich-demokratische Rechte mit dem Kampf für die proletarische Revolution zu verbinden, um das kapitalistische System als Ganzes zu stürzen.
Bucharins Entwurf von 1922 stieß in der KPJ auf erheblichen Widerstand und wurde nie offiziell von der Partei angenommen. In Spartacist, englische Ausgabe Nr. 58 veröffentlichten wir als dritten Anhang einen Bericht vom Mai 1923, den Arahata für das im Juni tagende Dritte Erweiterte Plenum des Exekutivkomitees der Komintern (EKKI) schrieb und in dem er den Disput schildert, der sich in der KPJ über Bucharins Entwurf entwickelte. Dieser Bericht wurde in Die WKP(B), die Komintern und Japan, 1917–41 auf Russisch veröffentlicht und war, soweit wir wissen, denjenigen, die den japanischen Kommunismus untersuchen, bisher nicht zugänglich.
Wie aus Arahatas Bericht ersichtlich ist, war zumindest ein Teil der Opposition gegen Bucharins Entwurf auf übrig gebliebene anarcho-syndikalistische Vorurteile zurückzuführen. Die KPJ war 1921 und 1922 an einer Reihe zunehmend heftiger Streiks aktiv beteiligt und arbeitete weiterhin mit den Anarcho-Syndikalisten in dem Sodomei, dem wichtigsten Gewerkschaftsverband, zusammen. Die Kader, die später die KPJ gründeten, hatten den Kampf für allgemeines Wahlrecht ignoriert; die Frage, ob man die Wahlrechtsforderung überhaupt unterstützen sollte oder nicht, wurde in der Partei noch bis Ende 1923 weiter debattiert (als Yamakawa schließlich seine Opposition gegen die Forderung aufgab). Anscheinend gab es auch reformistische Impulse: Zumindest Sakai wollte nicht die Forderung nach der Abschaffung der kaiserlichen Ordnung aufstellen, weil er fürchtete, dass die junge Partei damit weitere staatliche Repression auf sich ziehen würde.
Aus Komintern-Dokumenten, die erst seit kurzem zugänglich sind, geht klar hervor, dass die unterschiedlichen Kräfte, die zusammen kamen, um die KPJ zu gründen, sich nie zu einem wirklichen Kollektiv verbanden. Die frühe Debatte zwischen den pro-bolschewistischen und den anarcho- syndikalistischen Elementen wurde nie ausgekämpft und zu einem Abschluss gebracht; auch die Auseinandersetzung über das allgemeine Wahlrecht wurde nie gelöst. Es ist klar, dass die Führer der frühen KPJ sich die entscheidende Lehre der Russischen Revolution — die Notwendigkeit einer programmatisch homogenen Partei von Berufsrevolutionären — nicht zu Eigen gemacht haben. Die Partei hatte kein Zentralorgan, das die Linie der Partei verbreitete; was dem am nächsten kam, war Zen’ei (Avantgarde), aber darin gab es nur namentlich unterzeichnete Artikel und Yamakawa galt als persönlich verantwortlich für diese Zeitung. Persönliche Feindseligkeiten überlappten sich oft mit politischen Auseinandersetzungen und verwischten damit die Fragen. Die junge KPJ brauchte dringend Schulung und Hilfe beim Auskämpfen ihrer Differenzen und beim Schmieden einer politischen Linie und von Kadern, die für die Umsetzung dieser Linie kämpften. Aber 1922/23 begann die KI bereits in die Degeneration abzurutschen und sorgte nicht für solche politische Klarheit, wie man sie der jungen und zerstrittenen amerikanischen kommunistischen Bewegung 1919–22 gegeben hatte (siehe James P. Cannon and the Early Years of American Communism: Selected Writings and Speeches, 1920-1928 [James P. Cannon und die frühen Jahre des amerikanischen Kommunismus: Ausgewählte Schriften und Reden, 1920–1928], Prometheus Research Library, New York, 1992).
Zwar war Japan nicht „halbfeudal“, doch der undemokratische Charakter seines Übergangs vom Feudalismus zum Kapitalismus hinterließ in vielerlei Hinsicht Nachwirkungen. Die Regierung versprach, Ende 1923 das allgemeine männliche Wahlrecht einzuführen; das Gesetz wurde erst 1925 verkündet und auch da erhielten nur Männer über 25 Jahre das Stimmrecht. Gleichzeitig gab es einen Anstieg repressiver Maßnahmen. Das Gesetz von 1925 zur Bewahrung des Friedens verbot es, sich in irgendeiner Organisation zu engagieren, die das „Ziel [hat], die nationale politische Ordnung oder die Regierungsform zu ändern oder das System des Privateigentums abzulehnen“ (zitiert in Beckmann und Okubo, a.a.O.). Ein Beschluss des Geheimen Staatsrats begründete das neue Gesetz: „Da die Einführung des allgemeinen Wahlrechts eine Verschlimmerung gefährlicher Ideen mit sich bringen wird, muss die Regierung Gesetze und Regelungen zur rigiden Kontrolle [gefährlicher Ideen] einführen und umsetzen und sie muss sich anstrengen, üblen Missbrauch und Praktiken zu verhindern“ (zitiert in Peter Duus, Party Rivalry and Political Change in Taisho Japan [Parteienrivalität und politische Veränderung im Taisho-Japan], 1968). Das Gesetz zur Bewahrung des Friedens war bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs die Rechtsgrundlage für die brutale Repression gegen die KPJ.
Da das feudale Erbe so viele Aspekte der japanischen bürgerlichen Ordnung prägt, ist im proletarischen revolutionären Programm das Gewicht demokratischer Forderungen notwendigerweise größer. Die Spartakist-Gruppe Japan hat von ihren Anfängen 1988 an zur Abschaffung der kaiserlichen Ordnung aufgerufen und zur Errichtung einer Arbeiterrepublik in Japan (unsere britische Sektion fordert ebenfalls die Abschaffung der Monarchie und eine Föderation von Arbeiterrepubliken auf den Britischen Inseln). Leider scheint die Idee einer Arbeiterrepublik, eine Losung, die der irische Revolutionär James Connolly schon 1898 aufgestellt hatte, im Lexikon der frühen Kommunistischen Internationale nicht vorgekommen zu sein.
Die Orientierung der KI auf eine „Arbeiter- und Bauernpartei“ und die Liquidierung der KPJ
Die politischen Linien wurden 1923 noch weiter verwischt, als die KI-Führung darauf bestand, die KPJ solle eine legale „Arbeiter- und Bauern“-Partei gründen, zu der auch Vertreter der liberalen Bourgeoisie gehören sollten. Dies war Teil einer allgemeinen Orientierung auf solche Parteien, auch in den USA, die von der KI unter Sinowjews Führung vorangetrieben wurde. Das Vorbild einer solchen Arbeiter- und Bauernpartei war Chiang Kai-sheks bürgerlich-nationalistische Guomindang (eine Version derselben schlug die KI für Japan vor), die die Chinesische Revolution von 1925–27 in Blut ertränkte.
Trotzki bekämpfte von Anfang an die Perspektive einer Partei der „zwei Klassen“. In seiner Kritik des Programmentwurfs für die Kommunistische Internationale, den Bucharin geschrieben hatte, griff er 1928 die Irreführer der kommunistischen Weltbewegung schonungslos und umfassend an. Trotzkis Kritik, ein grundlegendes Dokument des Welttrotzkismus, heute bekannt als Die Dritte Internationale nach Lenin, enthält den wichtigen Abschnitt „Über die reaktionäre Idee von ,kombinierten Arbeiter-und-Bauernparteien’ für den Osten“:
„Der Marxismus hat stets gelehrt — und der Bolschewismus hat es übernommen —, daß Bauernschaft und Proletariat verschiedene Klassen sind, daß jegliche Ineinssetzung ihrer Interessen in der kapitalistischen Gesellschaft ein Betrug ist und daß der Bauer nur in die kommunistische Partei eintreten kann, wenn er vom Eigentümerstandpunkt zum Standpunkt des Proletariats übergeht...
Je jünger das Proletariat ist, je frischer und unmittelbarer seine ,verwandtschaftlichen’ Beziehungen zur Bauernschaft sind, je höher der Anteil der Bauernschaft an der Bevölkerung ist, desto größere Bedeutung erlangt der Kampf gegen jede ,kombinierte’ politische Alchemie. Im Westen ist die Idee einer Arbeiter- und-Bauernpartei einfach lächerlich. Im Osten ist sie verhängnisvoll. In China, Indien und Japan steht diese Idee in Todfeindschaft nicht nur der Hegemonie des Proletariats in der Revolution, sondern auch der elementarsten Selbständigkeit der proletarischen Avantgarde gegenüber.“
Arahata sprach sich in der Diskussion auf dem EKKI-Plenum vom Juni 1923 gegen die Perspektive aus, in Japan eine legale Arbeiter- und Bauernpartei zu gründen. Sinowjew antwortete: „Wir werden darauf bestehen, dass unsere japanischen Genossen von der amerikanischen Kommunistischen Partei lernen und versuchen, in Japan eine legale kommunistische Partei zu organisieren.“ Die amerikanische kommunistische Bewegung war als Reaktion auf eine Welle von Verhaftungen und Deportationen 1919/20, die als die „Palmer Raids“ bekannt wurde, in den Untergrund gegangen, aber die Bedingungen kehrten schnell zu den Normen bürgerlicher Demokratie zurück, als die amerikanische herrschende Klasse mitbekam, dass ihre Herrschaft nicht grundlegend gefährdet war. Die legale Partei, die die amerikanischen Kommunisten im Dezember 1921 gründeten, war die Workers Party, die ein offen kommunistisches Programm hatte. (Auch die Workers Party in den USA befolgte dann 1923 KI-Anweisungen und beteiligte sich an der Gründung einer kurzlebigen Farmer-Labor Party [Bauern-Arbeiter-Partei] mit einem populistischen Programm.)
Arahata antwortete Sinowjew mit dem korrekten Argument: „Die Sache ist bei der amerikanischen Partei anders als bei uns... Unsere Partei ist nicht deshalb eine geheime Organisation, weil wir Untergrundarbeit wollen, sondern weil uns die Situation dazu zwingt“ (Abschrift von Arahatas Rede vom 14. Juni 1923, in dem Komintern-Archiv des Russischen Staatsarchivs für Sozialpolitische Geschichte). Japan war 1923 keine bürgerliche Demokratie und auch nicht auf dem Weg, eine zu werden. In jenem Jahr versprach die Regierung, ein erweitertes Wahlrecht einzuführen, aber die erste Wahl unter allgemeinem (männlichen) Wahlrecht fand erst 1928 statt. Eine legale kommunistische Partei war nicht möglich. Tatsächlich konnte eine legale Partei noch nicht einmal zur Abschaffung der kaiserlichen Ordnung aufrufen.
Als ob die japanische Regierung Sinowjews törichte Bemerkung verhöhnen wollte, schlug sie im Juni 1923 am Vorabend eines Treffens zwischen dem Sowjetdiplomaten Adolf Joffe und japanischen Regierungsvertretern in Tokio mit einer Verhaftungswelle gegen japanische Kommunisten zu. Die schwere Repression beendete vorzeitig die Diskussion über Bucharins Programmentwurf. Joffe hatte darauf geachtet, nicht mit der KPJ in Verbindung zu treten (die bolschewistische Führung hatte eine korrekte und notwendige Trennung zwischen den revolutionären Aktivitäten der Komintern und der Diplomatie des Sowjetstaates entwickelt). Aber die Verhaftungen waren offensichtlich als Erklärung der Feindschaft gegen jeden roten Einfluss in Japan gedacht. Damals waren mächtige bürgerliche Kreise gegen alle Verhandlungen mit dem Sowjetstaat. Joffe blieb zwar einige weitere Monate in Tokio, aber seine Verhandlungen hatten keinen Erfolg.
Einigen führenden japanischen Kommunisten gelang es, der Verhaftung zu entgehen und aus Japan herauszukommen, sie errichteten mit Zustimmung der Komintern im August 1923 in Wladiwostok ein japanisches Büro. Tatsächlich war eine Zentrale in der Emigration für die KPJ eine ständige Lebensnotwendigkeit. Die Partei brauchte ein Führungskollektiv außer Reichweite des japanischen Staates, um eine regelmäßige Zeitung in Japanisch herauszugeben, so wie in einer früheren Periode die russischen revolutionären Marxisten die Zeitung Iskra (Funke) und das theoretische Journal Zarya (Morgendämmerung) veröffentlicht hatten, um sie aus dem europäischen Exil ins Zarenreich zu schmuggeln. Eine stabile Exilzentrale der KPJ hätte politische Debatten organisieren, Informationen sammeln und mit denjenigen Kontakt aufrechterhalten können, die in Japan im Untergrund arbeiteten. Ständige politische Auseinandersetzung über die wirkliche Arbeit der Partei ist ein zentraler Aspekt, um revolutionäre kommunistische Parteien zu schmieden.
Aber das Japanische Büro der KI hatte kaum angefangen zu funktionieren, als am 1. September 1923 ein entsetzliches Erdbeben einen großen Teil Tokios zerstörte. Als Folge erschütterten Pogrome das Land, bei denen über 6000 Koreaner und Hunderte Chinesen abgeschlachtet wurden. Kommunisten, Anarchisten und Arbeiterführer wurden gejagt und getötet; einige wurden in Polizeirevieren ermordet. Darauf folgte eine Verhaftungswelle gegen Linke und Arbeiterführer. Danach fällte die Komintern die kriminelle Entscheidung, die meisten der japanischen Kader in Wladiwostok zurück nach Japan zu schicken. Damit liquidierte die KI das Japanische Büro und machte jede Chance zunichte, eine stabile politische und organisatorische Basis für die KPJ zu legen.
Damals konzentrierte sich die gesamte Aufmerksamkeit der KI-Führer auf eine potenzielle proletarische Revolution in Deutschland. Diejenigen, die die Entscheidung trafen, das Japanische Büro zu liquidieren, obwohl sie das volle Ausmaß des Blutbads und der Verhaftungen in Japan kannten, vernachlässigten mutwillig die Notwendigkeit, eine programmatisch zusammenhängende KPJ- Führung zu schaffen und zu erhalten, wie sie von den russischen Marxisten im Exil geschmiedet worden war, zuerst unter Plechanow und später durch die Bolschewiki unter Lenin. G. Wojtinski von der Orientabteilung der KI, der sich mehr um sowjetische diplomatische Initiativen sorgte als darum, die Führung der KPJ zu schützen, schickte eine Direktive an die Partei, die zu folgendem Schluss kam:
„Das Zusammenrücken von Japan und Sowjetrussland nach der Katastrophe muss unter den Massen Japans zur populärsten Losung gemacht werden, da nur aus Sowjetrussland selbstlose Hilfe kommen kann in Form von Rohmaterialien, die für die japanische Produktion benötigt werden. Die Partei muss das Zusammenrücken von Japan und Russland als die Alternative zur ökonomischen und politischen Versklavung Japans durch das angloamerikanische Kapital darstellen.“
—„Weisungstelegramm von G. Wojtinski an die KPJ“, 14. September 1923, veröffentlicht in Die WKP(B), die Komintern und Japan, 1917–1941 (Original auf Russisch, unsere Übersetzung aus dem Englischen)
Die japanischen Kader wurden nach Japan zurückgeschickt ohne jedes Vertrauen, etwas bewirken zu können. Der EKKI-Vertreter zum Japanischen Büro, I.I. Feinberg, schrieb:
„Ich denke, dass Aktivisten besser zur Arbeit ins Land geschickt werden, als untätig in Wladiwostok zu sitzen.
Aus den Informationen, die uns vorliegen, geht eindeutig hervor, dass das Erdbeben äußerst ernsthafte wirtschaftliche Konsequenzen hat und Japan von ausländischem Kapital abhängig machen wird... Diese Tatsache müssen wir in unserer Politik berücksichtigen. Ich glaube, dass die Instruktionen, die wir vorbereitet haben, dahingehend funktionieren. Die einzige Frage ist, wie sie realisiert werden. Offen gesagt habe ich keinerlei großen Optimismus. Unsere Kräfte in Japan sind immer noch recht schwach und unerfahren, also macht es keinen Sinn, von ihnen allzu viel zu erwarten.“
—„Brief von I.I. Feinberg an G.N. Wojtinski“, 20. September 1923, veröffentlicht ebd.
Diese kriminelle Entscheidung brachte die KPJ in eine Situation, in der sie durch wiederholte Wellen der Staatsrepression zerstört werden konnte.
Die japanischen Kommunisten, von denen viele gerade aus dem Gefängnis entlassen wurden, kurz bevor das Erdbeben ausbrach, waren überhaupt nicht in der Lage, irgendeine Art von öffentlicher Kampagne zu führen. Die Verhaftungen hatten für die winzige Partei verheerende Folgen; die Zerstörungen durch das Erdbeben verschlimmerten die Probleme (so war zum Beispiel die illegale Druckerei der Partei zerstört worden).
Anstatt die Instruktionen der KI zu befolgen, ihre öffentlichen Aktivitäten zu steigern, trafen die führenden japanischen Kommunisten die Entscheidung, die KPJ zu liquidieren, um ihre Anstrengungen darauf zu richten, eine legale Arbeiter- und Bauernpartei zu gründen. Yamakawa, der anscheinend zu dieser Zeit eine politische Kehrtwendung vollzog und seine verbliebenen anarcho- syndikalistischen Vorurteile zu Gunsten des Kampfes für allgemeines Wahlrecht und zu Gunsten einer parlamentaristischen Herangehensweise aufgab, inspirierte ideologisch die Liquidierung. Die KPJ wurde im März 1924 formal aufgelöst; erst im Dezember 1926 wurde sie wieder gegründet. In der Zwischenzeit funktionierte die japanische kommunistische Bewegung in lose koordinierten Zirkeln, die sich mit dem akademischen marxistischen Milieu überschnitten, die jedoch unter angeblicher Anleitung eines Zentralbüros standen.
Von dem Moment an, als die Nachricht Moskau erreichte, war die Komintern gegen die Liquidierung der KPJ. Katayama und andere KI-Führer machten mobil, um Yamakawas Gegner (zu denen, zumindest anfänglich, Arahata zählte) zu organisieren, damit sie die KPJ neu gründen. Aber die Liquidierung war nur die logische politische Schlussfolgerung aus Sinowjews nachdrücklichem Beharren darauf, dass sich die KPJ auf legale politische Aktivitäten in Form einer Arbeiter- und Bauernpartei konzentrieren solle. Während der Periode der Liquidierung bildeten die japanischen Kommunisten — sowohl die Unterstützer Yamakawas als auch die Unterstützer der KI — gemeinsam mit dem Japanischen Bauernverband und dem Gewerkschaftsverband Sodomei zwei Arbeiter-und-Bauernparteien. Die erste wurde unmittelbar nach ihrer Gründung von der Regierung aufgelöst. Die zweite, Rodo Nominto (Arbeiter- Bauern-Partei), wurde im März 1926 gegründet. Die reformistische Sodomei-Führung zog sich innerhalb von ein paar Monaten aus Rodo Nominto zurück, weil sie sich weigerte, länger mit den Kommunisten zusammenzuarbeiten, und gründete ihre eigene Bauern-Arbeiter-Partei. So blieb Rodo Nominto als legale, „demokratische“ Frontgruppe der Kommunisten übrig. Yamakawa und Sakai waren in Rodo Nominto aktiv, obwohl sie sich weigerten in irgendeiner Weise daran mitzuarbeiten, die KPJ wieder zu gründen.
Kontroverse über Meiji-Restauration und „Etappenrevolution“ geht weiter
Die Kontroverse über Bucharins Entwurf von 1922 wurde nie formal gelöst; trotzdem wurde das Etappenschema als offizielles Programm der KPJ angenommen. Doch der Charakter der Meiji-Restauration und der kommenden Revolution in Japan blieb weiterhin kontrovers. Fukumoto Kazuo, der 1926/27 die Führung der japanischen kommunistischen Bewegung errang, argumentierte, dass die japanische Verfassung von 1889 (nicht die Meiji-Restauration) Japans bürgerlich-demokratische Revolution darstelle, auch wenn dies „raffiniert vor den Massen geheim gehalten“ wurde. Fukumoto stellte richtigerweise fest, dass die japanische Bourgeoisie reaktionär geworden war, und er behauptete, der japanische Staat habe „heute in sich den Keim der faschistischen Diktatur entwickelt“. Das war zu viel unabhängiges Denken für Moskaus Geschmack, und so wurde Fukumoto abgesetzt und fälschlicherweise beschuldigt, „Trotzkist“ zu sein.
1927 nahm die Komintern neue programmatische Thesen zu Japan an. Wieder war Bucharin der Autor. Dieses überlange und widersprüchliche Dokument argumentierte: „Die Revolution von 1868 öffnete den Weg zur kapitalistischen Entwicklung in Japan. Die politische Macht jedoch blieb in den Händen der feudalen Elemente.“ Bucharin musste nun zugeben, dass in der Periode seit der Meiji- Restauration „die Umwandlung des alten japanischen Staates in einen bürgerlichen Staat“ stattgefunden hatte. Im Gegensatz zum Programmentwurf von 1922 schrieb er: „Japan wird von einem Block der Bourgeoisie und Grundbesitzer regiert — ein Block unter der Hegemonie der Bourgeoisie. Da dies der Fall ist, müssen Illusionen, dass die Bourgeoisie irgendwie als ein revolutionärer Faktor genutzt werden kann, selbst für die erste Etappe der bürgerlich-demokratischen Revolution aufgegeben werden“ („Theses on Japan Adopted in the Session of the Presidium of the Executive Committee of the Comintern on July 15, 1927“ [Thesen über Japan, angenommen auf der Sitzung des Präsidiums des Exekutivkomitees der Komintern am 15. Juli 1927], zitiert in Beckmann und Okubo, a.a.O.). Aber die Thesen von 1927 setzten der KPJ als Ziel immer noch eine bürgerlich-demokratische Revolution, die „rasch in eine sozialistische Revolution hineinwachsen“ würde!
Die Thesen von 1927 bewirkten eine offene Spaltung mit den kommunistischen Gründungsmitgliedern Yamakawa, Sakai und Arahata, die die Rono-ha (Arbeiter- und Bauernfraktion) bildeten. Sie stellten sich gegen das Etappenschema und bestanden darauf, dass die kommende Revolution in Japan eine proletarische sein würde. Aber die Rono-ha-Fraktion war keineswegs eine linke Opposition zu stalinistischem Opportunismus, sie bestand darauf, dass die Aktivität der japanischen Kommunisten auf legale Arbeit beschränkt werden müsse unter dem Deckmantel einer Arbeiter- und Bauernpartei. Die Debatte zwischen Rono-ha und der als Koza-ha bekannt gewordenen offiziellen Pro-Moskau-Partei über die Entwicklung und den Charakter des japanischen Kapitalismus ging jahrelang weiter und umfasste Tausende von Seiten. Aber es ist klar, dass Rona-has Beharren darauf, dass in Japan die Bourgeoisie herrschte, zwar korrekt, aber doch hauptsächlich eine theoretische Rechtfertigung für ihre Weigerung war, zur Abschaffung der kaiserlichen Ordnung aufzurufen oder irgendwelche anderen illegalen Aktivitäten zu unternehmen. Der Staat erkannte Rono-has Bereitwilligkeit an, innerhalb der Grenzen zu bleiben, die die japanische Bourgeoisie setzte, und erlaubte Rona-ha-Unterstützern bis 1937, legal zu arbeiten, während er die KPJ brutal unterdrückte. Arahata und Yamakawa spielten eine führende Rolle bei der Gründung der japanischen Sozialistischen Partei unter der US-Besetzung 1945 (Sakai starb 1933).
Sogar nach der Abspaltung von Rono-ha war die Frage einer Etappen-Perspektive innerhalb der KPJ nicht erledigt. 1931, nachdem Stalin Bucharin aus der KI-Führung hinausgesäubert und den Kurs sektiererischen Abenteurertums und linken Posierens der Dritten Periode eingeschlagen hatte, arbeitete die KPJ neue programmatische Thesen aus, in denen die Meiji-Restauration beschrieben wird als „eine bürgerlich-demokratische Revolution, die den Weg für die Entwicklung des Kapitalismus bereitete“, und in denen argumentiert wird, die kommende japanische Revolution werde eine „proletarische Revolution [sein], die auch umfassende bürgerlich-demokratische Aufgaben beinhaltet“ („The Political Theses of the Japanese Communist Party, April-June 1931“ [Die politischen Thesen der Kommunistischen Partei Japans, April–Juni 1931], ebd.).
Der Hauch von Klarheit, den die Thesen von 1931 lieferten, hielt jedoch nicht lange an. Die stalinistischen Bürokraten im Kreml, die angesichts des japanischen Einmarschs in die Mandschurei die Furcht packte, weigerten sich, die Illusion aufzugeben, dass in Japan ein etwas sowjetfreundlicheres bürgerliches Regime zustande kommen könnte. Die KI forderte, die Thesen von 1931 auf den Müll zu werfen. Neue Thesen über Japan, die 1932 angenommen wurden, argumentierten für den „Sturz der Monarchie durch eine siegreiche Volksrevolution“, nach welchem „die Hauptaufgabe der Kommunistischen Partei der Kampf für die rasche Entwicklung der bürgerlich-demokratischen Revolution in eine sozialistische Revolution sein wird“ („Theses on the Situation in Japan and the Tasks of the Communist Party, May 1932“ [Thesen über die Situation in Japan und die Aufgaben der Kommunistischen Partei, Mai 1932], ebd.). Zu diesem Zeitpunkt hatte die staatliche Repression die KPJ so weit zerstört, dass sie praktisch aufgehört hatte zu existieren. Erst nach Japans Niederlage im Zweiten Weltkrieg wurde die Partei wieder belebt.
Gab es in Japan unter amerikanischer Besatzungsmacht eine „ergänzende bürgerliche Revolution“?
Die KPJ rechtfertigte teilweise mit dem Etappenschema ihre ursprüngliche Unterstützung für die Besetzung nach dem Zweiten Weltkrieg — führende Besatzungsmacht war der amerikanische Imperialismus, der wahllos die meisten großen Städte in Japan bombardiert und Hiroshima und Nagasaki mit Atombomben dem Erdboden gleichgemacht hatte. Die kriecherischen Bemühungen der KPJ, sich mit den alliierten Behörden gut zu stellen, waren auch eine Fortsetzung der Unterstützung, die die moskaufreundlichen Parteien auf der ganzen Welt den Kriegsanstrengungen der so genannten „demokratischen“ Imperialisten gegeben hatten, nachdem Deutschland 1941 die UdSSR überfallen hatte. Die amerikanische Kommunistische Partei verdammte amerikanische Arbeiter, die während des Krieges in Streik traten, als Verbündete Hitlers und des Mikado (Kaiser) und unterstützte die Internierung von Amerikanern japanischer Herkunft. 1945 bejubelte die amerikanische KP die Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki!
Die KPJ bejubelte die Besatzungsbehörden wegen ihres Vorgehens gegen die so genannten „feudalistischen Elemente“ der japanischen herrschenden Elite. Ende 1945 freute sich Yamamoto Masami, ein langjähriger Kader der KPJ, darüber, was die Besetzung erreicht habe: „Die Militärcliquen wurden eliminiert, die Bürokratencliquen verloren endlich ihre relative Unabhängigkeit, ... auch die so genannten Familienverbände der Zaibatsu begannen aufgelöst zu werden, und sogar der Landbesitz parasitärer Grundbesitzer wurde angetastet“ (zitiert in Germaine Hoston, Marxism and the Crisis of Development in Prewar Japan [Marxismus und die Entwicklungskrise im Vorkriegs-Japan], Princeton University Press, 1986). Sogar nachdem 1947 der Kalte Krieg ernsthaft begann, behielt die KPJ eine versöhnliche Haltung gegenüber General Douglas MacArthur und seinen Besatzungstruppen bei. Die japanischen Stalinisten forderten das Ende der Besetzung erst, als Moskau sie 1950 öffentlich an den Pranger stellte, und danach stellten sie diese Forderung im Namen des japanischen Nationalismus. In den 1970er-Jahren brach die KPJ sowohl mit Moskau als auch mit Beijing zugunsten offen sozialdemokratischer Politik.
Die Auffassung, dass die amerikanische Besetzung eine Art „demokratischer“ Revolution gewesen sei, ist immer noch vorherrschend in der reformistischen japanischen Linken. Vor ein paar Jahren schrieb das Journal des Trotsky Research Institute [TRI — Trotzki-Forschungsinstitut]:
„Die Nachkriegsreformen, die von der amerikanischen Besatzungsarmee durchgeführt wurden, waren einerseits fast grundlegende bürgerliche Reformen in einem Land mit einer verspätet errichteten Industriestruktur und einem starken Staat, der gierig auf Invasion aus war und sich gleichzeitig in revolutionärem Aufruhr befand. Es war eine Situation [in der Vorkriegsperiode], wo Grundbesitzer über halbfeudale Dörfer regierten, Fabrikarbeiter sehr niedrige Löhne erhielten und es überhaupt keine Rechte gab. Andererseits fegte die amerikanische Besatzungsarmee in einem Streich die diktatorische kaiserliche Ordnung hinweg und löste dadurch eine blühende Bewegung von unten aus, die sie dann unterdrücken und in den Rahmen eines bürgerlichen Staates zurückzwingen musste. Da die Meiji-Restauration eine ,bürokratische halbbürgerliche Revolution von oben’ war, die eine bürgerliche Revolution von unten verhinderte, waren die von der amerikanischen Besatzungsarmee durchgeführten Nachkriegsreformen eine ,ergänzende bürgerliche Revolution von oben’, um eine sozialistische Revolution von unten zu verhindern. So stellte Japan einen seltenen Präzedenzfall gegen Trotzkis Prognose dar, dass rückständige kapitalistische Länder die Erfahrung der permanenten Revolution machen müssten, um sich der Gruppe der fortgeschrittenen kapitalistischen Länder anschließen zu können.“
—Nishijima Sakae, Torotsukii Kenkyu [Trotzki-Studien], Sommer 2001 (unsere Übersetzung)
Das Trotsky Research Institute wurde 1990 hauptsächlich von Mitgliedern der Revolutionär Kommunistischen Liga Japans (RKLJ) gegründet, die zu der damals von Ernest Mandel geführten internationalen pseudotrotzkistischen Tendenz gehörte. Das fehlbenannte antitrotzkistische Unternehmen der Mandelianer zog einige KPJ-Intellektuelle wie Nishijima Sakae an, der den oben zitierten Artikel schrieb.
Zu Trotzkis Lebzeiten gab es keine erklärtermaßen trotzkistische Gruppe in Japan. Erst unter dem Eindruck der politischen Revolution in Ungarn 1956 kamen unterschiedliche Elemente aus der KPJ und unabhängige marxistische Intellektuelle, die einen Hang zum Trotzkismus hatten, zusammen und bildeten 1957 die heterogene RKLJ. Die japanischen „Trotzkisten“, die im Kontext des bösartigen Antisowjetismus im Japan der 1950er-Jahre auftauchten und die keine historische Verbindung zu Trotzkis Internationaler Linker Opposition hatten, wiesen Trotzkis Analyse der Bürokratie als einer widersprüchlichen Kaste zurück und weigerten sich, die UdSSR militärisch zu verteidigen. So waren sie von Anfang an grundlegend beschädigt. Die RKLJ und ihre KPJ-Verbündeten in dem TRI identifizierten Trotzkismus fälschlicherweise mit einer einfach demokratischen Opposition zum Stalinismus und bejubelten gemeinsam mit der bösartig antisowjetischen japanischen Bourgeoisie die Zerstörung der Sowjetunion und der deformierten Arbeiterstaaten Osteuropas.
Bevor wir darauf eingehen, was in Japan unter dem US-Besatzungsregime von General MacArthur tatsächlich passierte, ist es zuerst nötig, eine weit verbreitete Verwirrung auf der theoretischen Ebene anzusprechen. Liberale und Sozialdemokraten kleben das Etikett „bürgerlich-demokratische Revolution“ oder einfach nur „demokratische Revolution“ oft jeglicher politischer Umwälzung an, deren Ergebnis der Wechsel zu einem parlamentarischen System ist, ob das nun durch externe oder interne Kräfte passiert. Aber die Vorstellung einer bürgerlichen Revolution in einem fortgeschrittenen kapitalistischen Land ist vom Begriff her ein Widerspruch. So war der von den Sozialdemokraten geführte Aufstand in Deutschland im November 1918, der nach Deutschlands Niederlage im Ersten Weltkrieg Kaiser Wilhelm II. stürzte, keine bürgerlich-demokratische Revolution. Es war eine beginnende proletarische Revolution. Die Arbeiterklasse forderte nicht nur den Sturz des Kaisers, sondern errichtete im ganzen Land Arbeiter- und Soldatenräte — Sowjets. Jedoch unterdrückte die sozialdemokratische Führung im Block mit der Obersten Heeresleitung und mit rechten paramilitärischen Kräften blutig die Organe der proletarischen Doppelherrschaft und ermordete die revolutionäre Avantgarde der deutschen Arbeiterklasse, vertreten durch Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Danach wurde eine parlamentarische Regierung (die Weimarer Republik) errichtet, die bestehen blieb, bis sie durch das Naziregime Adolf Hitlers 1933 ersetzt wurde. Die aufeinander folgenden Regierungen von Kaiser Wilhelm II., dem sozialdemokratischen Führer Friedrich Ebert und dem Faschisten Adolf Hitler vertraten alle politisch die deutsche Finanz- und Industriebourgeoisie, personifiziert durch Siemens und Krupp.
Sowohl in Italien und Westdeutschland als auch in Japan gingen aus der Besatzungszeit unter der Führung der USA nach dem Kriegsende 1945 parlamentarische Regierungen hervor. Anders als bei Japans kaiserlicher Ordnung war der bürgerliche Charakter der faschistischen Regime Italiens und Deutschlands offenkundig, zumindest für Marxisten, auch wenn Italien die Monarchie beibehalten hatte. Mussolini und Hitler kamen ursprünglich an die Macht, als schwache parlamentarische Regime durch massenhaften Aufruhr in der Gesellschaft erschüttert wurden. Entscheidende Teile der italienischen und der deutschen Bourgeoisie unterstützten die faschistische Bewegung aus Angst vor einer „roten Revolution“. So spielte der führende Großindustrielle des deutschen Kapitalismus und ehemalige Direktor des Krupp-Imperiums, Alfred Hugenberg, eine Schlüsselrolle dabei, Hitler als Kanzler einzusetzen.
Die kaiserliche Ordnung Hirohitos hatte offensichtlich einen anderen politischen Charakter als die faschistischen Regime Mussolinis und Hitlers. Nicht nur stammte sie direkt aus der feudalen Epoche; außerdem hatte Japan noch nie eine parlamentarische Demokratie erlebt. Dennoch vertrat die Regierung von Hirohito und General Tojo politisch die vorherrschenden Teile des japanischen Finanz- und Industriekapitals.
Weder die ökonomische Vorherrschaft noch die Zusammensetzung der oberen Ränge der japanischen Bourgeoisie änderten sich unter der amerikanischen Besetzung. US-Behörden sprachen anfangs davon, die Zaibatsu aufzubrechen, was ein Teil des Plans war, jede Möglichkeit von Japans Wiederaufstieg als Industriemacht zunichte zu machen. Tatsächlich wurde letztendlich nichts dergleichen getan. Die heute übliche Gleichsetzung des japanischen Kapitalismus mit den Namen Mitsubishi, Mitsui, Sumitomo usw. bezeugt die Kontinuität der japanischen herrschenden Klasse von der Meiji-Ära bis in die Gegenwart.
Das amerikanische Besatzungsregime bewahrte auch die Kontinuität von Japans politischer Elite im zivilen (im Unterschied zum militärischen) Bereich. Hirohito blieb Kaiser, wurde allerdings gezwungen öffentlich zu erklären, dass er nicht göttlicher Abstammung sei. Yoshida Shigeru, der Premierminister während der meisten Zeit der Besetzung und auch in den ersten Jahren danach, war im kaiserlichen Japan vor 1945 ein erfahrener Diplomat gewesen und hatte unter anderem als Botschafter in Britannien gedient. Die anderen japanischen Spitzenbeamten unter der Besatzungsmacht hatten ähnliche Lebensläufe wie Yoshida, wenn auch auf weniger gehobenen Positionen.
Unterhalb der Ebene der Spitzenbeamten der Regierung wurde die zivile Staatsbürokratie, einschließlich ihres umfassenden Polizeiapparats, intakt gelassen und diente als Verwaltungsagentur, die die Politik von MacArthurs General-Hauptquartier (GHQ) durchsetzte. Sogar Mitglieder der berüchtigten Tokko (Spezial-Sicherheitspolizei), allgemein bekannt als die Gedankenpolizei, wurden einfach anderen Ministerien zugeteilt. Zweifellos haben viele von ihnen eine wichtige Rolle bei der „Säuberung der Roten“ gespielt, die die US-Behörden in den späteren Jahren der Besetzung durchführten.
In Italien und Westdeutschland waren die Änderungen, die während der US-geführten Besetzung bewirkt wurden, hauptsächlich auf den politischen Überbau beschränkt. Es gab keine wesentlichen Veränderungen an der wirtschaftlichen Basis dieser Gesellschaften. In Japan jedoch führte das US-Besatzungsregime eine Landreform durch, die aus den Massen der Pachtbauern kleine und mittlere Landeigentümer machte. Als MacArthur, ein rechter amerikanischer Militarist, Ende 1945 diese Reform ankündigte, erklärte er, sie würde „die ökonomische Knechtschaft zerstören, durch die der japanische Bauer in jahrhundertelanger feudaler Unterdrückung versklavt wurde“ (zitiert in R.P. Dore, Land Reform in Japan, Oxford University Press, 1959).
Wie wir gesehen haben, hatte der Hauptteil der japanischen Linken, vertreten durch die KPJ, lange Zeit behauptet, dass in der Landwirtschaft weiterhin feudale Ausbeutungsformen vorherrschend seien. Um die spezifische Bedeutung von MacArthurs Landreform beurteilen zu können, ist es notwendig, die Politik des amerikanischen Besatzungsregimes in ihrer Gesamtheit zu betrachten, besonders ihre Wechselwirkung mit dem eskalierenden Kalten Krieg in Ostasien, der durch die Chinesische Revolution von 1949 und den Koreakrieg von 1950–53 geprägt war.
Der Aufschwung der Arbeiterbewegung und die US- Besetzung
Die Besetzung kann in drei Phasen eingeteilt werden. In der ersten, „liberalen“ Phase gab es einen massiven Aufschwung von Radikalismus in der Arbeiterklasse. Darauf folgte eine von Historikern „Rückwärtskurs“ genannte Periode der politischen Reaktion und Repression in Verbindung mit einer Politik wirtschaftlicher Austerität. Die letzte Periode, die mit dem Ausbruch des Koreakriegs im Juni 1950 begann, sah die Bildung des Bündnisses zwischen dem amerikanischen Imperialismus und dem wieder erwachenden japanischen Imperialismus gegen die Sowjetunion und China.
Der Aufschwung der Arbeiterbewegung wurde im September 1945 durch einen Streik chinesischer Kriegsgefangener und koreanischer Zwangsarbeiter in den Bergwerken von Hokkaido ausgelöst. Die japanische Regierung und Bergwerksbesitzer heuerten Schläger an, um rassistische Angriffe anzuzetteln, aber ihre Versuche, japanische Arbeiter gegen ihre chinesischen und koreanischen Klassenbrüder aufzuhetzen, endeten mit einer Niederlage. Die mutigen Aktionen der Bergarbeiter von Hokkaido führten zu einer breiteren Streikwelle. Im Dezember 1946 waren inzwischen 92 Prozent der Bergarbeiter in Japan organisiert. Anderthalb Jahre nach Kriegsende waren fast 4,5 Millionen Arbeiter Gewerkschaftsmitglieder, verglichen mit weniger als einer halben Million auf dem höchsten Stand vor dem Krieg.
Die Kommunistische Partei war die einzige größere politische Organisation im kaiserlichen Japan, die sich dem imperialistischen Feldzug für Kolonisierung und Weltkrieg entgegengestellt hatte. Folglich kamen ihre Führer und Kader aus dem Gefängnis oder aus dem Exil mit einer enormen moralischen Autorität zurück, die weit über die frühere Unterstützerbasis der Partei hinausreichte. Ein amerikanischer liberaler Historiker berichtet in seiner umfassenden Studie über die Besetzung:
„Dass der prinzipienfesteste Widerstand gegen den Krieg von erklärten Kommunisten gekommen war, gab diesen Personen einen beträchtlichen Status. Als Tokuda Kyuichi und mehrere Hundert anderer Kommunisten aus dem Gefängnis entlassen wurden, wurden sie sofort zu Berühmtheiten und Helden in einer Gesellschaft, deren alte Helden alle ganz plötzlich gestürzt worden waren. Ähnlich zog auch die Ankunft von [KPJ-Führer] Nosaka Sanzo im Januar 1946 nach einer langen Reise aus China eine große Menschenmenge an. Auch er wurde als Held willkommen geheißen; man sagte, dass sogar Konservative dabei mitmachten.“
—John Dower, Embracing Defeat, Japan in the Wake of World War II [Die akzeptierte Niederlage, Japan nach dem Zweiten Weltkrieg] (W.W. Norton & Co., 1999)
Zu den öffentlichen Veranstaltungen, mit denen die Freilassung der KPJ-Führer gefeiert wurde, kamen viele ethnische Koreaner. Der koreanische KPJ-Führer Kim Ch’on-hae spielte eine Schlüsselrolle bei der Organisierung der kämpferischen koreanischen Organisation Chouren; er reiste durchs Land und forderte Koreaner auf, sich Chouren und der KPJ anzuschließen. KPJ-Aktivisten errangen die Führung des kämpferischsten Gewerkschaftsverbandes, Sanbetsu. Die Arbeiterklasse war eindeutig in der Offensive. Der dramatischste und bedeutendste Aspekt des Radikalismus der Arbeiter in dieser Periode war die Bildung von Komitees zur „Produktionskontrolle“, die Fabriken übernahmen und die traditionelle Autorität des Managements und der Besitzer herausforderten. Eine amerikanische linksliberale Publizistin, die damals Japan besuchte, schrieb:
„In der Anfangszeit der Besetzung wurden die meisten Auseinandersetzungen schnell gelöst, normalerweise mit einem Sieg für die Gewerkschaft. Arbeitgeber waren wie gelähmt durch die Niederlage, desorganisiert und unsicher, hatten Angst davor, Ärger mit den Besatzungstruppen zu bekommen, und waren in einigen Fällen zweifellos besorgt über revolutionäre Entwicklungen.“
—Miriam S. Farley, Aspects of Japan’s Labor Problems [Aspekte von Japans Problemen mit der Arbeiterbewegung] (The John Day Company, 1950)
Landreform und die Niederlage der Nachkriegsunruhen
Das von MacArthur eingeführte Programm der Landreform war explizit dazu gedacht, die ländlichen Massen daran zu hindern, sich dem Aufruhr der städtischen Arbeiterklasse anzuschließen. Am 1. Mai 1946 beteiligten sich drei Millionen Arbeiter und Bauern an landesweiten Demonstrationen. In der wachsenden Nahrungsmittelkrise entstanden schnell in verschiedenen Teilen des Landes Bürgerkomitees zur Nahrungsmittelkontrolle. Am 19. Mai gab es in Tokio eine Maidemonstration, die Essen verlangte, 300 000 Arbeiter und arme Bauern umstellten den Sitz des Premierministers und forderten seinen Rücktritt.
Diese Ereignisse erschreckten die Besatzungskräfte, und als Antwort brachten sie schnell ein Landreformprogramm heraus, das schließlich im Oktober 1946 verkündet wurde. Ein Drittel des gesamten anbaufähigen Landes von Japan (knapp zwei Millionen Cho — ein Cho ist ungefähr ein Hektar) wurde aus den Händen der Grundbesitzer auf Pächter übertragen. Grundbesitzer mussten dieses Land an die Regierung verkaufen, die es wiederum zum gleichen Preis an Pächter oder an andere werktätige Bauern weiterverkaufte. Die finanzielle Seite dieser Operation wurde durch die damals hohe Inflationsrate sehr erleichtert. Sowohl die Regierung als auch die Bauern, die von ihr Land erwarben, konnten mit rasch an Wert verlierenden Yen bezahlen. Die meisten Pächter mussten keine Langzeitkredite aufnehmen, sondern konnten das Land innerhalb von ein oder zwei Jahren direkt mit Bargeld kaufen.
Der unter diversen Arten von Pachtverträgen bebaute Anteil des Landes sank von 45 auf 10 Prozent. Und die Anzahl von reinen Pachtbauern (d.h. diejenigen, denen überhaupt kein eigenes Land gehörte) sank von 28 auf 5 Prozent aller Bauern. So gab es eine wesentliche Änderung in der Struktur des Landeigentums und ein Absinken des Mehrwerts (Pacht und Zinsen), der aus den Werktätigen auf dem Land herausgeholt wurde. Dies entschärfte die Unruhen auf dem Land und erlaubte es MacArthur, sich darauf zu konzentrieren, der Arbeiterklasse in den Städten eine Niederlage zuzufügen.
Inzwischen bahnte sich in den Städten eine große Konfrontation zwischen den Arbeitern und der japanischen Regierung an. Die wirtschaftliche Lage verschlechterte sich immer mehr, Preise für lebensnotwendige Güter stiegen fast auf das Vierfache. Auch das Gefühl, dass sich in der politischen Struktur des Landes nichts groß geändert hatte, nährte die Unzufriedenheit. Sanbetsu rief für den 1. Februar 1947 zu einem Generalstreik auf und forderte nicht nur höhere Löhne, sondern auch den Sturz der rechten, weithin verhassten Yoshida-Regierung und die Errichtung einer „Volksregierung“; diese Forderungen wurden von allen drei großen Gewerkschaftsverbänden, die etwa vier Millionen Arbeiter repräsentierten, begeistert unterstützt. Aber die japanischen Stalinisten waren wie ihre Pendants in Westeuropa nicht willens und nicht vorbereitet, die politische Macht zu erkämpfen. Voller Angst, aber mit dem Wunsch, das Gesicht zu wahren, erbaten sie von MacArthurs Hauptquartier einen schriftlichen Befehl zum Verbot des Streiks, den MacArthur auch ausstellte. Buchstäblich in der zwölften Stunde sagte Ii Yashiro, der Vorsitzende des Streikkomitees, in einer Radioankündigung den Streik ab.
Die KPJ stürzte damit die Arbeiterklasse in eine riesige Niederlage, was die gesellschaftliche Ordnung nach dem Zweiten Weltkrieg negativ prägte. Sie verpasste auch eine enorme Gelegenheit, die Arbeiterklasse von dem giftigen japanischen Nationalismus zu brechen, durch den sie an ihre Herrscher gekettet war. Chouren hatte Geld gesammelt und Streikunterstützungskomitees organisiert und schrieb in ihrer Zeitung: „Der Generalstreik im Februar, den die japanische Arbeiterklasse plant und der in unserem gegenseitigen Interesse ist, muss unser Kampf sein. Ihr Sieg wird unser Sieg sein und ihre Niederlage wird unsere Niederlage sein.“ Chouren wurde nicht einmal darüber informiert, dass der Streik abgeblasen wurde! Die Stalinisten verloren bald im ganzen Land ihre Position der Stärke und Autorität.
Das amerikanische Besatzungsregime machte sich nun daran, die von Linken geführte Arbeiterbewegung zu zerschlagen. 1948 verbot MacArthurs Hauptquartier alle Streiks von Arbeitern der Staatsunternehmen und des öffentlichen Dienstes, die bisher zu den militantesten Arbeitern gehört hatten. Darauf folgte eine große antikommunistische Säuberung. Mehr als 20 000 Aktivisten der Kommunistischen Partei und andere Linke wurden gefeuert. Als Ergebnis davon sank Sanbetsus Mitgliedschaft rasch von über einer Million Mitte 1949 auf weniger als 300 000 ein Jahr später. Auch die sozialdemokratisch geführten Gewerkschaften verloren in dieser Periode Mitglieder.
Japan hatte nach der Besetzung die schwächste Arbeiterbewegung aller größeren fortgeschrittenen kapitalistischen Länder. 1953 endete ein Streik bei Nissan mit einer Niederlage. Danach wurden die Arbeiter der Privatindustrie in „Gewerkschaften“ organisiert, die vom Unternehmen finanziert und kontrolliert wurden. So trug gerade die repressive Politik des „Rückwärtskurses“, und nicht die „progressiven“ Reformen der früheren Periode, in erheblichem Maße zum japanischen „Wirtschaftswunder“ der 1950er- und 1960er-Jahre bei.
Landwirtschaft, Kalter Krieg und das japanische „Wirtschaftswunder“
Die Behauptung, dass die unter der amerikanischen Besetzung durchgeführte Landreform eine Art bürgerlicher Revolution dargestellt habe, wird sehr oft mit dem Argument begründet, dass das Agrarsystem vor 1945 Japans weitere Modernisierung blockiert habe. Dieses Argument hat zwei Komponenten. Die erste besagt, dass die ärmlichen Verhältnisse der Werktätigen auf dem Land den einheimischen Markt für Industrieprodukte begrenzten. Die zweite besagt, dass die Entwicklung einer modernen Landwirtschaft unentbehrlich für Japans Entwicklung war und dass die Armut der Pachtbauern vor dem Zweiten Weltkrieg diese Entwicklung blockierte, da ihnen sowohl die finanziellen Mittel als auch die ökonomischen Anreize fehlten, in moderne Technologie zu investieren.
Wie vorherzusehen war, gaben die Bauernhaushalte den Zuwachs an zusätzlich verfügbarem Einkommen, der als Ergebnis der Landreform entstanden war, zügig und fast vollständig für Konsumgüter aus und nicht für Investitionen. Zum großen Teil ersetzte der gestiegene Konsum ehemaliger Pachtbauern und ihrer Familien bloß den ihrer früheren Grundherren. Jedenfalls leistete die gestiegene Konsumnachfrage im Dorf nach Fertigwaren höchstens einen kleinen Beitrag zu Japans schnellem Industriewachstum in den 1950er-Jahren.
Auch der zweite Teil des Arguments hält einer genauen Überprüfung nicht stand. Die Führer von Meiji-Japan verfolgten eine Politik landwirtschaftlicher Selbstversorgung aus dem gleichen Grund, aus dem sie ausländische Investitionen praktisch verboten und einen modernen militärisch- industriellen Komplex aufbauten: um Japans Unabhängigkeit gegen die Bedrohung durch westliche imperialistische Staaten zu schützen. In den 1890er-Jahren erklärte der führende Meiji-Staatsmann Tani Kanjo, ein ehemaliger Minister für Landwirtschaft und Handel, dass Japan in der Lage sein müsse, sich im Kriegsfall aus eigener Kraft zu ernähren, dass die Selbstversorgung mit Grundnahrungsmitteln sogar wichtiger sei als Selbstversorgung mit modernen Waffen.
Es war jedoch ineffizient und stand im Gegensatz zur Dynamik des kapitalistischen Weltmarkts, dass Japan einen bedeutenden landwirtschaftlichen Sektor beibehielt. So war es eine wichtige ökonomische Triebkraft für Japans kolonialistische Expansionspolitik nach Ostasien von den 1890er- bis Ende der 1930er-Jahre, sich Quellen von relativ billigen Grundnahrungsmitteln und Rohmaterialien für die Industrie zu sichern. Als Japan Ende 1941 gegen die USA in den Krieg zog, kamen 31 Prozent seines Reises und 58 Prozent seiner Sojabohnen aus der Mandschurei und den anderen besetzten Gebieten Chinas sowie aus Japans älteren asiatischen Kolonien Korea und Formosa (Taiwan).
Die wichtigste Auswirkung der von den amerikanischen Besatzungsbehörden gesponserten Landreform betraf die politische und nicht die ökonomische Ebene. In den 1920er- und frühen 1930er-Jahren hatten sich Pachtbauern und andere bäuerliche Kleinbesitzer an organisierten Massenkämpfen unter der Führung von Kommunisten und anderen Linken gegen die räuberischen Grundbesitzer und die dörflichen Geldverleiher beteiligt. Als japanische Bauern Mitte bis Ende der 1940er- Jahre ihr eigenes Land und staatlich subventionierte Kredite bekamen, wurden sie politisch konservativ. Dörfer auf dem Land lieferten einen großen (allerdings allmählich abnehmenden) Anteil der Stimmen, mit denen sich die rechte Liberal-Demokratische Partei (LDP) die ganze Zeit bis auf eine kurze Periode Mitte der 1990er-Jahre in Tokio an der Regierungsmacht hielt. Aus politischen Gründen stützt die LDP auch heute noch den Agrarsektor. Das erfordert nicht nur ein hohes Maß an Protektionismus, sondern auch massive wirtschaftliche Subventionen und Programme von öffentlicher Beschäftigung auf dem Land, die von der Gesamtwirtschaft Mittel abziehen.
Die antikommunistische Säuberung und Offensive zur Zerschlagung der Gewerkschaften, die das US-Besatzungsregime 1947 losgetreten hatte, wurden ursprünglich begleitet von und verstärkt durch ein Programm wirtschaftlicher Kahlschlagpolitik. Dies wurde als die „Dodge-Linie“ bekannt, benannt nach ihrem Hauptarchitekten Joseph Dodge, ein rechter Bankier aus Detroit. Unter Dodges Befehlen strich die japanische Regierung rigoros Ausgaben zusammen, während die Geld- und Kreditmenge stark schrumpfte. Als Folge davon wurden sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor 500 000 Arbeiter entlassen. Schätzungsweise ein Drittel aller kleinen Geschäfte gingen bankrott.
Doch zwei Jahrzehnte später war es üblich geworden, von einem japanischen „Wirtschaftswunder“ zu sprechen. Den dramatischen Veränderungen von Japans wirtschaftlicher Situation lagen welthistorische Ereignisse auf dem asiatischen Festland zugrunde. Als die USA 1945 Japan besiegt hatten, dachten die amerikanischen Imperialisten, sie hätten endlich die Kontrolle über China erlangt — der große Preis, um den der Krieg im Pazifik hauptsächlich geführt wurde. Herrschende Kreise in den USA sahen Chiang Kai-sheks Regime als wichtigste Unterstützerbasis in Ostasien an. Auf der diplomatischen Ebene zeigte sich dies darin, dass China zu einem der fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats der neu gegründeten Vereinten Nationen gemacht wurde. Entsprechend der auf China ausgerichteten Strategie Washingtons sollte Japan unterdrückt gehalten und daran gehindert werden, wieder zu einer großen (und potenziell rivalisierenden) kapitalistischen Macht im Fernen Osten zu werden.
Als jedoch 1949 Mao Zedongs überwiegend bäuerliche Volksbefreiungsarmee im chinesischen Bürgerkrieg Chiangs Truppen in die Flucht schlug, warf das die Pläne des amerikanischen Imperialismus zur Beherrschung Ostasiens über den Haufen. Die US-Herrscher begannen damit, Japan als ihren strategisch wichtigsten Verbündeten in der Region aufzubauen, was durch den Koreakrieg noch sehr beschleunigt wurde. Durch diesen wichtigen Krieg zwischen dem amerikanischen Imperialismus und den asiatischen von Kommunistischen Parteien regierten Ländern wurde Japan schließlich aus seiner seit 1945 andauernden Wirtschaftkrise herausgeholt.
Mitsubishi, Toyota usw. wurden zu Quartiermeistern für das US-Expeditionskorps in Korea und versorgten es mit einer großen Bandbreite von Material: von Lastwagen und Munition bis zu Uniformen und Pharma-Erzeugnissen. In den ersten acht Kriegsmonaten stieg die Stahlproduktion um fast 40 Prozent. Die japanische Industrie wurde auch dafür mobilisiert, Reparaturwerkstätten für amerikanische Kriegsschiffe, Flugzeuge und Panzer zur Verfügung zu stellen. Premierminister Yoshida bezeichnete den Koreakrieg überschwänglich als „ein Geschenk der Götter“.
So begann das japanische „Wirtschaftswunder“, das noch weitere zwei Jahrzehnte andauerte. In den 1950er- und 1960er-Jahren erzielte Japan durchweg große Handelsbilanzüberschüsse gegenüber den USA. Die Herrscher an der Wall Street und in Washington akzeptierten das damals als Teil der allgemeinen Unkosten ihrer strategischen Allianz mit Japan gegen die sino-sowjetischen Staaten. Erst Anfang der 1970er-Jahre begannen die USA damit, durch unterschiedliche protektionistische Maßnahmen die Flut der in Japan gefertigten Importe einzuschränken. Dies war das Zeichen für den Anfang vom Ende des japanischen „Wirtschaftswunders“. In den zehn Jahren seit der konterrevolutionären Zerstörung der Sowjetunion versank Japan in einer lang anhaltenden Wirtschaftskrise.
Vorwärts zu einer Japanischen Arbeiterrepublik!
Als die KPJ — unter Moskaus Druck — endlich begann, Position gegen die Besetzung zu beziehen, behauptete sie, die alliierten Truppen hätten Japan zu einem abhängigen Land, ja sogar zu einer „Halbkolonie“ des amerikanischen Imperialismus gemacht. 1950 verglich der KPJ-Generalsekretär Tokuda Kyuichi Japan mit dem China vor 1949 unter dem amerikanischen Marionettenregime Chiang Kai- sheks! Unter dem Vorwand, eine „antiimperialistische“ Revolution sei nötig, um Japan aus seinem Abhängigkeitsstatus zu befreien, propagiert die KPJ bis zum heutigen Tag weiterhin das Etappenmodell:
„Der gegenwärtige Status Japans ist gekennzeichnet durch seine staatliche Unterordnung unter die Vereinigten Staaten, was nicht nur unter den entwickelten kapitalistischen Ländern außergewöhnlich ist, sondern auch im Rahmen der internationalen Beziehungen in der heutigen Welt, wo Kolonisierung der Geschichte angehört. Die US-Herrschaft über Japan hat eindeutig einen imperialistischen Charakter, denn sie trampelt im Interesse der globalen Strategie der USA und des US-Monopolkapitalismus auf Japans Souveränität und Unabhängigkeit herum...
Die für die japanische Gesellschaft gegenwärtig notwendige Veränderung ist eine demokratische Revolution statt einer sozialistischen Revolution. Sie ist eine Revolution, die Japans außergewöhnliche Unterordnung unter die Vereinigten Staaten und die tyrannische Herrschaft von Kreisen der Großunternehmen und der Geschäftswelt beendet, eine Revolution, die Japans wirkliche Unabhängigkeit sichert und demokratische Änderungen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft durchführt.“
—Nihon Kyosan-to Koryo (Programm der Kommunistischen Partei Japans), angenommen auf dem 23. Parteitag, Januar 2004 (nach dem englischen Übersetzungsentwurf der KPJ)
In einem Artikel von 1956 beschrieb Rebell, ein direkter Vorläufer der pseudotrotzkistischen RKLJ, Japan in ähnlicher Sprache wie die Stalinisten als „ein Land mit einer besonderen Abhängigkeit, irgendwo zwischen einer Kolonie und einem abhängigen Land“. Diese Ansicht durchdringt die reformistische japanische Linke. So wettert die „neulinke“ Gruppe Kakumaru, die 1958 als eine virulent stalinophobe Abspaltung von der RKLJ ihren Ursprung nahm:
„Das Koizumi-Regime akzeptiert alle politischen, ökonomischen und militärischen Forderungen des Bush-Regimes... Koizumi mag zwar ein Stirnband mit einer Hinomaru [aufgehenden Sonne] tragen, aber seine Unterhosen sind Stars-and-Stripes-Shorts in Übergröße und seine Schuhe sind US-Militärstiefel.“
—Kaiho [Befreiung], 19. Januar 2004
Mit ihrer überwältigenden militärischen Überlegenheit bleiben die USA die vorherrschende imperialistische Macht auf diesem Planeten. Aber angesichts zunehmender Spannungen mit den USA, besonders seit dem konterrevolutionären Zusammenbruch der Sowjetunion 1991/92, hat die japanische Bourgeoisie ihre Anstrengungen dramatisch verstärkt, ihr Militär mit ihrer ökonomischen Macht in Einklang zu bringen und ihre Entschlossenheit zu demonstrieren, ihre eigenen imperialistischen Interessen in ganz Asien zu schützen. Japan schickte Kriegsschiffe, Flugzeuge und 1000 Mann Militärpersonal in den Indischen Ozean, um 2001 bei der Invasion der USA in Afghanistan zu helfen. Ein japanisches Kontingent von etwa 500 Soldaten beteiligt sich an der Besetzung Iraks. Wenn die pseudosozialistische Linke es so darstellt, als ob Japan unter der Fuchtel des amerikanischen Imperialismus stünde, dann zeigt sie, dass sie selbst im Sumpf des japanischen Nationalismus steckt und den revanchistischsten Elementen der japanischen Bourgeoisie in die Hände spielt.
Beim Ersten Kongress der Werktätigen des Fernen Ostens im Januar/Februar 1922 erklärte Sinowjew richtigerweise: „Das japanische Proletariat hat den Schlüssel zur Lösung der Fernostfrage in der Hand.“ Zwar hat das Proletariat inzwischen auch in anderen asiatischen Ländern wirkliches soziales Gewicht, aber die japanische Arbeiterklasse bleibt das Machtzentrum der Region. Damit die japanischen Arbeiter nicht in Massenarbeitslosigkeit oder neue imperialistische Abenteuer gestürzt werden, müssen sie sich mit den Arbeitern Indonesiens, Vietnams, Thailands, Chinas und der koreanischen Halbinsel im Kampf für ein sozialistisches Asien zusammenschließen. Insbesondere bedeutet das, die Staaten in Asien, in denen der Kapitalismus abgeschafft ist — China, Nordkorea und Vietnam —, trotz deren stalinistischer Führung militärisch zu verteidigen. Eine proletarische Revolution in Japan wäre ein machtvoller Anstoß für das chinesische Proletariat, die Bürokraten hinauszuschmeißen, die das Land für imperialistische Ausbeutung und für eine drohende innere Konterrevolution öffnen. Aber das bedeutet, mit dem bösartigen Nationalismus, der die ideologische Rechtfertigung des japanischen Imperialismus ist, zu brechen.
Trotzki schrieb in seinem Artikel von 1933: „Die Kombination von Edison und Konfuzius drückt der ganzen japanischen Kultur den Stempel auf.“ Das heutige Japan ist weiterhin in vielerlei Hinsicht von der feudalen Vergangenheit geprägt. Artikel 1 der Nachkriegs-Verfassung erklärt, dass der Kaiser „das Symbol des Staates und der Einheit des Volkes“ sei, und der Kaiser dient weiterhin als mächtiger Sammelpunkt für alle reaktionären Kräfte in der japanischen Gesellschaft. Das Datum aller offiziellen Anlässe, sowohl staatlich als auch geschäftlich, wird berechnet nach der Dauer der Herrschaft des gegenwärtigen Kaisers. Der Staat stützt sich weiterhin auf die Shinto-Mythologie mit ihrer rassistischen Vorstellung von der Überlegenheit der Yamato-Völker. Die japanische Staatsbürgerschaft wird Koreanern und Chinesen sogar dann, wenn sie in der vierten oder fünften Generation in Japan geboren wurden, nicht automatisch erteilt.
Immer noch werden Menschen diskriminiert, deren Vorfahren Burakumin waren. Da die Burakumin in ihrer Mehrheit gezwungen sind, in bestimmten Stadtvierteln zu leben, sind sie durch die Adresse auf den staatlichen Dokumenten zur Familienregistrierung sofort zu identifizieren. Kinder der Burakumin werden in der Schule tyrannisiert, Erwachsenen werden Jobs verweigert und in vielen Fällen werden Paare durch reaktionäre Verwandte getrennt, die immer noch glauben, dass Burakumin Untermenschen wären.
Japan — Heimat des Shinkansen-Hochgeschwindigkeitszugs, der Sony PlayStation und Robotertechnologie und das Land der Entwicklung von Präzisionstechnologie auf dem neuesten Stand — hat die technologische Fähigkeit, die Abschaffung von Hunger, Not und Krankheiten enorm zu beschleunigen, wenn diese Fähigkeit in die Hände der Arbeiterklasse aller Länder gelegt wird. Aber Frauen ist es noch immer verboten, im Bau befindliche Tunnel für Hochgeschwindigkeitszüge zu betreten, aus Angst, die „Berggöttin“ werde eifersüchtig. Sie dürfen auch keinen Sumo Dojo (Sumo-Ring) betreten, da sie „unrein“ seien. Die japanische Sprache ist immer noch auf erniedrigende Weise in vier Abstufungen gegliedert und erfordert unterschiedliche Ebenen der Unterwürfigkeit, abhängig von Klasse, Alter, Geschlecht und gesellschaftlicher Stellung der Person, die man anspricht. Onna kotoba, eine besondere, nur mündlich benutzte Sprache für Frauen, fördert bewusst Gehorsam und Unterwürfigkeit. Diese Sprache müssen Frauen in allen öffentlichen Funktionen und auch innerhalb der Familie gegenüber den Schwiegereltern verwenden. Die SGJ kämpft für die Abschaffung der Diskriminierung aufgrund von Status, Alter und Geschlecht und gegen die entsprechende Widerspiegelung in erniedrigender Sprache.
Japanische Frauen rangieren bei fast allen sozialen Indizes am untersten Ende im Vergleich der fortgeschrittenen Industrieländer. Kaum mehr als die Hälfte der japanischen Frauen gehen arbeiten, verglichen mit 70 Prozent der Frauen im Westen. Die Ideologie „gute Ehefrau, weise Mutter“ ist im Gesetz und in der Firmenpraxis festgeschrieben. Die meisten Firmen bezahlen Arbeitern Familienzuschläge, wenn die Ehefrau nicht arbeitet; diese Zuschläge sind oft mehr, als eine verheiratete Frau, die Teilzeit arbeitet, verdienen könnte. In Japan sind 77 Prozent aller Teilzeitbeschäftigten Frauen. Die Durchschnittslöhne der Frauen betragen nur 60 Prozent von denen der Männer, und dieser Prozentsatz hat sich nicht geändert, seit die ersten Frauen Ende des 19. Jahrhunderts als Arbeiterinnen in der Textilindustrie begannen. Der soziale Druck, der auf eine Frau, die dreißig wird, ausgeübt wird, damit sie heiratet und den ihr „gebührenden Platz“ in der Gesellschaft einnimmt, ist ungeheuer groß. Ältere unverheiratete Frauen werden als Makeinu (geprügelte Hunde) und Motenai onna (unerwünschte Frauen) bezeichnet.
Die Internationale Kommunistische Liga stützt sich auf das Erbe von Trotzkis Vierter Internationale und studiert mit kritischem Blick deren programmatische und politische Entscheidungen, um uns für zukünftige Schlachten zu bewaffnen. So sind wir aufgrund eines kritischen Herangehens an unser Erbe von den ersten vier Weltkongressen der Kommunistischen Internationale dazu gekommen, von links her Vorbehalte gegenüber einigen Entscheidungen zu haben, die auf und um den IV. Weltkongress herum getroffen wurden. Die Spartakist-Gruppe Japan führt den Kampf zur Schmiedung einer authentisch kommunistischen Partei in Japan fort. Diese Partei kann nur aufgebaut werden auf der Grundlage eines kompromisslosen Kampfes gegen den wiederausbrechenden japanischen Chauvinismus, den wiederaufsteigenden Militarismus und die schreckliche Unterdrückung der Frauen. Die Hafenarbeiter von Sasebo, die sich 2001 weigerten, japanische Kriegsschiffe, die in den Indischen Ozean auslaufen sollten, mit Militärgütern zu beladen, gaben der Arbeiterklasse auf der ganzen Welt ein machtvolles Beispiel. Weg mit der kaiserlichen Ordnung! Japanische Truppen raus aus dem Irak, dem Indischen Ozean, Osttimor und den Golan-Höhen! Schluss mit der Diskriminierung der Burakumin und Ainu! In den Mülleimer mit dem Familienregister! Volle Staatsbürgerrechte für ethnische Koreaner und Chinesen und alle anderen, die in Japan leben! Zerreißt die Gaijin-(Ausländer-)Ausweispapiere! Gleicher Lohn für gleiche Arbeit! Für kostenlose, sichere Geburtenkontrolle und kostenlose Kinderbetreuung rund um die Uhr und umfassende Pflege für ältere Menschen! Die Spartakist-Gruppe Japan kämpft für diese Forderungen als Teil ihres allgemeinen Programms für die sozialistische Revolution. Nur auf der Basis dieses Programms kann die revolutionäre proletarische Partei, die den Kampf zum Sturz des Kapitalismus in Japan führen kann, geschmiedet werden. Vorwärts zu einer japanischen Arbeiterrepublik!
Schlussbemerkung
Eine Auswahl von Dokumenten über die KPJ aus dem Komintern-Archiv wurde in russischer Sprache veröffentlicht in WKP(B), Komintern i Japonija 1917–1941 (Die WKP(B) [Allunions—Kommunistische Partei (Bolschewiki)], die Komintern und Japan, 1917–1941, Russische Politische Enzyklopädie, Moskau, 2001). Für unseren Artikel sahen wir diese Dokumente durch. 1998 und 1999 veröffentlichte Professor Kato Tetsuro, ein sozialdemokratischer antikommunistischer Historiker, die Ergebnisse seiner Forschung in dem KPJ-Komintern-Archiv in einer Artikelreihe: „1922.9 no Nihon Kyosan-to Koryo“ [ue, shita]; „Dai Ichi-ji Kyosan-to no Mosukuwa Hokoku Sho“ [ue, shita] (Ohara Shakai Mondai Kenkyujo Zasshi, Hosei Daigaku, Ohara Shakai Mondai Kenkyujo, 1998.12, 1999.1, 1999.8, 1999.11) („Programm der Kommunistischen Partei Japans von 1922“ [Teil I und II] und „Moskauer Bericht der ersten Kommunistischen Partei“ [Teil I und II], Ohara Institute for Social Research Journal, Dezember 1998, Januar, August, November 1999). Die umfassende Dokumentensammlung auf Mikrofilm, Comintern Archives: Files of the Communist Party of Japan [Komintern-Archiv: Akten der Kommunistischen Partei Japans], die im Frühjahr 2004 von Verlag IDC in den Niederlanden herausgegeben wurde, war zur Zeit des Entstehens des Artikels leider noch nicht erhältlich.