Spartacist (deutsche Ausgabe) Nummer 24

Sommer 2004

IV. Internationale IKL-Konferenz im Herbst 2003

Der Kampf für revolutionäre Kontinuität in der nachsowjetischen Welt

ÜBERSETZT AUS SPARTACIST, ENGLISCHE AUSGABE NR. 58, FRÜHJAHR 2004

Die Internationale Kommunistische Liga (Vierte Internationalisten) hielt im letzten Spätherbst in Europa ihre IV. Internationale Konferenz ab. Als höchstes Gremium unserer demokratisch-zentralistischen internationalen Organisation war die IKL-Konferenz beauftragt, unseren Kurs für die nächste Periode festzulegen. Dies wiederum erfordert eine unvoreingenommene und kritische Bewertung unserer Lage in der letzten Periode, im Sinne von W.I. Lenins Worten:

„Das Verhalten einer politischen Partei zu ihren Fehlern ist eines der wichtigsten und sichersten Kriterien für den Ernst einer Partei und für die tatsächliche Erfüllung ihrer Pflichten gegenüber ihrer Klasse und den werktätigen Massen. Einen Fehler offen zugeben, seine Ursachen aufdecken, die Umstände, die ihn hervorgerufen haben, analysieren, die Mittel zur Behebung des Fehlers sorgfältig prüfen — das ist das Merkmal einer ernsten Partei, das heißt Erfüllung ihrer Pflichten, das heißt Erziehung und Schulung der Klasse und dann auch der Masse.“

Der „linke Radikalismus“, die Kinderkrankheit im Kommunismus

Noch mehr als gewöhnlich waren die Vorkonferenzdiskussionen und die Beratungen auf der Konferenz von einer intensiven erneuten Überprüfung unserer öffentlichen Interventionen und unseres internen Funktionierens in der vergangenen Periode gekennzeichnet, was ein grelles Licht auf die Probleme warf und dazu führte, dass strittige und ungelöste Fragen von neuem behandelt wurden.

Wir befinden uns in einer Zeit, die nach wie vor von der konterrevolutionären Zerstörung der Sowjetunion 1991/92 geprägt ist. Die endgültige Zerstörung des ersten Arbeiterstaats der Welt hat eine weltweite Offensive gegen die Arbeiterklasse und die Unterdrückten eingeleitet und ein ideologisches Klima hervorgebracht, das durch den weit verbreiteten Glauben an den „Tod des Kommunismus“ beherrscht wird und in dem das proletarische Bewusstsein zurückgeworfen worden ist. In der entscheidenden Stunde stand die IKL, in scharfem Gegensatz zum Großteil der Linken, auf ihrem Posten bei der Verteidigung der Errungenschaften der Oktoberrevolution von 1917. Dennoch sind auch wir von dieser schweren welthistorischen Niederlage betroffen, die dazu geführt hat, dass das Verständnis unserer revolutionären Aufgabe im Kampf für neue Oktoberrevolutionen beeinträchtigt wurde.

Formal eröffnet wurde die organisierte interne Diskussion gut drei Monate vor der Konferenz mit einem Aufruf im Namen des Internationalen Exekutivkomitees (IEK). Anschließend erstellte das Internationale Sekretariat (IS), der ortsansässige Ausschuss des IEK in unserer Zentrale, den Entwurf eines Hauptkonferenzdokumentes. Nach Beratung und Änderungen billigte das IEK das Einreichen des Entwurfs auf der Konferenz, und in allen Sektionen wurden Konferenzdelegierte gewählt.

Tatsächlich war jedoch zu dem Zeitpunkt, als der Konferenzaufruf heraus kam, eine intensive interne Diskussion bereits in vollem Gange. Den Anstoß dazu gegeben hatte die Entscheidung einiger Mitglieder der Workers-Vanguard-Redaktion zusammen mit zentralen Kadern der ortsansässigen Führungen der Spartacist League/U.S. und des IS, bei der Veröffentlichung eines Briefs der Internationalen Bolschewistischen Tendenz (BT) in Workers Vanguard ein Postskriptum zu streichen, das groteskerweise den nationalen Vorsitzenden der SL/U.S., James Robertson, des „vulgären Chauvinismus“ beschuldigte (siehe WV Nr. 806, 4. Juli 2003). Die Winzgruppe BT, die zu Beginn des zweiten Kalten Krieges (den Carter/Reagan-Jahren) von Renegaten aus unserer Organisation gegründet wurde, scheint unsere Vernichtung zu ihrem Lebenszweck gemacht zu haben. Mit ihrer ekelhaften Verleumdung wollte die BT mehrere Jahrzehnte unserer Geschichte null und nichtig machen; und sie wollte unterstellen, dass die Mitgliedschaft der IKL nicht aus revolutionären Sozialisten, sondern lediglich aus sklavisch gehorsamen Kreaturen und Dummköpfen bestehe, die vielleicht auch selbst Rassisten seien.

Die Existenz des „PS“ und die Entscheidung, dieses zu streichen, wurden vor der Mehrzahl der IEK-Mitglieder und selbst vor dem Genossen Robertson geheim gehalten — ein offener Verstoß gegen unsere demokratisch-zentralistische Praxis. Eine redaktionelle Erklärung in der folgenden Ausgabe von Workers Vanguard (Nr. 807, 1. August 2003, übersetzt im Spartakist- Vorabdruck, 12. September 2003) stellte dann fest, dass diese Weglassung ein Schuldeingeständnis durch Stillschweigen bedeutete, und erklärte, diese Handlungsweise „könnte den Praktiken des Zentrismus entlehnt sein, d.h. ein Auseinanderklaffen von dem, wofür wir stehen, und dem, was wir tun.“

Als eine Verteidigung unserer Partei und ihrer Integrität seitens der WV-Redaktion und einiger Genossen im IS ausblieb, löste das bei Kadern in der gesamten IKL eine Welle der Empörung aus. Die Genossen betonten, dass dies ein Schlag gegen unsere programmatische Kontinuität war, die uns — durch den Kampf der Revolutionary Tendency (RT) gegen die revisionistische Degeneration der SWP in den frühen 60er-Jahren — mit der Kommunistischen Internationale Lenins und Trotzkis und der Socialist Workers Party (SWP) James P. Cannons verbindet. Im Zentrum der Vorkonferenzdiskussionen stand der Versuch, zu einem Verständnis unseres politischen Wegdriftens von unserem revolutionären Zweck zu kommen, die sich besonders stark in der Handlungsweise der WV-Redaktion offenbart hatte. Unser Hauptkonferenzdokument stellte nüchtern fest: „Der gegenwärtigen Krise der IKL liegt die Unfähigkeit zugrunde, mit der Welt, die der Sturz der UdSSR hervorgebracht hat, sowie mit dem sich daraus ergebenden Rückschritt im Bewusstsein zurechtzukommen.“

Im Dokument heißt es ferner: „Dass wir nicht erkannt haben, in welcher Periode wir leben und in welchem Verhältnis notwendigerweise unsere kleine revolutionäre Avantgarde zum Proletariat steht, und dass die Sowjetunion als aktiver und bestimmender Faktor in der Politik nicht mehr existiert, hat zu Desorientierung geführt. Das Missverhältnis zwischen unserer geringen Größe und unseren spärlichen Wurzeln in der Arbeiterklasse einerseits und unseres proletarisch-internationalistischen Ziels andererseits hat zu Enttäuschung und Ungeduld geführt, die sich in opportunistischen Ausbrüchen und sektiererischem Moralismus zeigten.“ Damit einhergehend gab es ein zunehmend abstraktes und steriles Herangehen an die Politik; wiederholt haben zentrale Kader im IS gegen unsere leninistischen Organisationsnormen verstoßen.

Somit war am Vorabend der Konferenz eine scharfe interne Polarisierung entstanden. Allerdings stellte sich heraus, dass der Frust und die Feindseligkeit gegenüber den Genossen, die für solche organisatorischen Verstöße verantwortlich waren sowie für ein allgemeineres politisches Abdriften, das sich im Streichen des PS gezeigt hatte, in einen falschen Kampf irregeleitet wurden: einen Versuch, in der Partei eine fundamentale Abweichung in der Frage des Charakters des Stalinismus zu entdecken. Erst nach erheblichen Anstrengungen konnte das Fehlen grundlegender programmatischer Differenzen hierzu festgestellt und die Konferenz somit wieder ins richtige Gleis gebracht werden, um die tatsächlichen Probleme der IKL anzupacken. Dieser falsche Kampf lenkte uns davon ab, die wirklichen Abweichungen von unserem Programm und Ziel sowie ihre Ursachen und die Mittel zu ihrer Korrektur ausführlich zu untersuchen.

Die Konferenz konnte durch weit reichende Debatten und Diskussionen einige Schritte zur Klärung und Behebung dieser Probleme unternehmen und wählte eine neue, bedeutend erweiterte internationale Führung. Das Hauptdokument, das von den Delegierten nach eingehender Diskussion und Ergänzung einstimmig angenommen wurde, betonte eindringlich:

„Heute steht auf dem Spiel, ob wir um die Aufrechterhaltung unserer revolutionären Kontinuität kämpfen oder ob wir die Weltsicht unserer Opponenten übernehmen und schließlich vor ihr kapitulieren werden. Für diese Opponenten ist die Frage der Revolution, die russische Frage, eine ,alte‘ Frage, die nicht in ihre ,neue Weltrealität‘ passt. Aber wie James P. Cannon 1939 bekräftigte: ,Wir sind tatsächlich die Partei der Russischen Revolution. Wir sind diejenigen gewesen, und zwar die Einzigen, die die Russische Revolution in ihrem Programm und in ihrem Blut gehabt haben.‘“

Historische Vorläufer der IKL

Auf einer der ersten Sitzungen der Konferenz gab James Robertson eine Präsentation über programmatische und sonstige Vorläufer der IKL. Es ging um eine frühere Periode, als gewaltige Veränderungen in der Welt zu politischer Desorientierung geführt hatten. Robertson betonte die Wichtigkeit der russischen Frage für die politische Entwicklung der Jugendlichen, die den Kern der Revolutionary Tendency innerhalb der SWP bildeten. Seitdem hat der Sturz des Stalinismus in Osteuropa und der UdSSR Trotzkis Verständnis von der Bürokratie als einer labilen Kaste — eines Geschwürs auf den kollektivierten Eigentumsformen, welche die Grundlage der UdSSR und der deformierten Arbeiterstaaten Osteuropas bildeten — massiv bestätigt. Doch in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg reagierten viele vorgebliche Trotzkisten impressionistisch auf die Ausbreitung des Stalinismus auf Osteuropa, indem sie den Stalinismus zunehmend als eine stabile, zukunftsträchtige Alternative zum Kapitalismus ansahen.

Robertson bemerkte, dass die damalige antistalinistische Linke im Banne zweier symmetrischer Revisionismen stand. Michel Pablo und seine Anhänger versteiften sich darauf, dass der degenerierte Arbeiterstaat der Sowjetunion und die deformierten Arbeiterstaaten in Osteuropa „mehrere Jahrhunderte“ überdauern würden und dass Trotzkisten den Kampf zum Sturz der stalinistischen Bürokratie durch eine politische Revolution aufgeben müssten. Die Pabloisten behaupteten, es bleibe den Revolutionären nichts anderes übrig, als überall auf der Welt in Kommunistische oder andere reformistische Parteien einzutreten, um diese in eine revolutionäre Richtung zu drängen. Durch dieses pabloistische Liquidatorentum wurde 1951–53 die Vierte Internationale zerstört.

Der Anführer der anderen revisionistischen Richtung war Max Shachtman, der 1940 mit der Vierten Internationale brach, als er die trotzkistische Position der bedingungslosen militärischen Verteidigung der UdSSR preisgab. Die Shachtman-Anhänger sahen nun im stalinistischen „bürokratischen Kollektivismus“ — den sie als neue Form der Klassengesellschaft definierten — eine Horrorvision, die mit dem imperialistischen Kapitalismus um die Weltherrschaft konkurriere. Unter dem Druck des Kalten Krieges entwickelten sich die Shachtman-Anhänger zu sozialdemokratischen Reformisten — einige sogar zu Apologeten des Imperialismus —, indem sie immer mehr den „demokratischen“ Imperialismus als eine dem „stalinistischen Totalitarismus“ vorzuziehende Alternative ansahen.

Robertson betonte, wie schwierig es damals war, sich die Lehren der frühen Kommunistischen Internationale und des Kampfes von Trotzkis Linker Opposition gegen die bürokratische Degeneration der Russischen Revolution wieder anzueignen, da der vorgebliche Trotzkismus beherrscht wurde vom Liquidatorentum und von einer Demoralisierung, die aus Impressionismus entstanden war. Robertson selbst gehörte zu einem linken Flügel, der sich in den 50er-Jahren in Shachtmans Jugendorganisation herausbildete. Dieser linke Flügel wurde durch die sich in Ungarn 1956 entfaltende proletarisch-politische Revolution zur SWP hingezogen. In dieser Revolution (die schließlich von sowjetischen Truppen niedergeschlagen wurde) spaltete sich die ungarische Bürokratie und ein Großteil ging auf die Seite der aufständischen Arbeiterräte über — Anschauungsunterricht für Trotzkis Analyse, dass die Bürokratie eine brüchige, in sich widersprüchliche Kaste ist und keine neue Gesellschaftsklasse.

Die SWP hatte darum gekämpft, das historische Programm des Trotzkismus hochzuhalten, zuerst gegen Shachtman und dann gegen Pablo. Doch der Kalte Krieg wirkte sich auch auf ihre Kader aus. Nur wenige Jahre nach dem Beitritt der nach links gehenden Shachtmanschen Jugend machte sich die Mehrheit der SWP-Kader unter dem Einfluss der Kubanischen Revolution die liquidatorische Methodologie des Pabloismus zu Eigen. Indem die SWP Castro als „unbewussten“ Trotzkisten pries, gab sie den Kampf auf, revolutionäre proletarische Parteien zu schmieden, die Arbeiterrevolutionen weltweit anführen sollten. Auf der SWP-Konferenz 1961 rief der langjährige Parteikader Morris Stein aus, dass die Kubanische Revolution wohl die einzige Revolution sei, die er in seinem Leben zu sehen bekommen würde. Dies war für die Demoralisierung bezeichnend, die zum Niedergang der SWP in Zentrismus und Reformismus führte. So blieb es den jüngeren Gründungskadern der RT überlassen, den Kampf um revolutionäre Kontinuität aufzunehmen (siehe „Vierzig Jahre Spartacist“, Seite 2).

Es sei eine bedauerliche Tatsache des Lebens, bemerkte Robertson, dass die individuelle Lebensspanne sich nicht notwendigerweise mit dem Rhythmus der politischen Entwicklungen decke. In seiner Autobiographie Mein Leben bemerkt Trotzki, dass zwischen der deutschen Reformation und der Französischen Revolution — zwei Etappen in der Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft — fast drei Jahrhunderte liegen. Der politische Entwicklungsrhythmus hat sich zwar im Laufe des letzten Jahrhunderts beschleunigt, in der Epoche des kapitalistischen Niedergangs, wo die proletarische Revolution auf der geschichtlichen Tagesordnung steht. Doch wie Trotzki in Mein Leben bemerkte, kann man dennoch nicht „historische Perspektiven unter dem Gesichtswinkel des persönlichen Schicksals ... betrachten“.

Ungeduld und Impressionismus, verkörpert von Leuten wie Michel Pablo, sind charakteristische Schwächen bei Kadern, die in nur einer historischen Periode geschult worden sind. Von Anfang an, als wir noch eine kleine Gruppe revolutionärer Marxisten in den Vereinigten Staaten waren, hat die IKL darum gekämpft, einen historisch gewachsenen, kollektiven internationalen Kaderstamm zusammenzuschweißen: Das ist der einzige taugliche Weg, die Vierte Internationale wiederzuschmieden. Die einzelnen Marxisten werden nicht zwangsläufig lange genug leben, bis es die Gelegenheit zur proletarischen Revolution gibt. Und doch haben viele IKL-Kader eine solche Gelegenheit miterlebt: die aufkeimende politische Revolution in der Deutschen Demokratischen Republik 1989/90.

Der Kampf für Trotzkismus in der DDR 1989/90

Der Haupttagesordnungspunkt der Konferenz begann mit drei Präsentationen. Der erste Bericht befasste sich mit der Arbeit der IKL und unseres Internationalen Sekretariats insbesondere seit unserer letzten Konferenz 1998; ein zweiter war China gewidmet; und eine dritte Präsentation, gehalten von einem führenden Mitglied der Spartakist-Arbeiterpartei Deutschlands (SpAD), beschäftigte sich ausdrücklich mit jüngsten internen Diskussionen, die unsere Erfahrungen in der DDR und der Sowjetunion mit den heutigen Entwicklungen in China verglichen.

Wir warfen alle unsere Ressourcen in den Kampf, eine proletarisch-politische Revolution in Ostdeutschland herbeizuführen als Teil des Kampfes für die revolutionäre Wiedervereinigung Deutschlands unter der Herrschaft der Arbeiterklasse. Den ganzen Konferenzdiskussionen lag dieser für unsere Partei bestimmende Kampf zugrunde sowie unser Kampf für die Mobilisierung der sowjetischen Werktätigen gegen die von den Imperialisten unterstützte Konterrevolution 1991/92.

Die Oktoberrevolution prägte das 20. Jahrhundert und eröffnete der Menschheit eine neue Epoche. Indem die Arbeiterklasse den Kapitalisten und Großgrundbesitzern die Macht aus den Händen riss, erhob sie sich zum Befreier aller Unterdrückten Russlands und wurde zu einem Leuchtfeuer für das Proletariat weltweit. Für einen Großteil des 20. Jahrhunderts war der Marxismus-Leninismus — selbst dann, wenn er dies nur dem Namen nach war — in weiten Teilen der Welt auf dem linken Flügel der Arbeiterbewegung vorherrschend. Doch Ende der 70er-Jahre wetteiferten die „eurokommunistischen“ Parteien Westeuropas miteinander, selbst dem Lippenbekenntnis zur Diktatur des Proletariats abzuschwören, und die Masse der pseudotrotzkistischen Linken lief dem antisowjetischen „Menschenrechts“imperialismus ebenfalls hinterher. Kaum mehr als ein Jahrzehnt später zerfiel die große Mehrheit der linken Gruppierungen, von den westeuropäischen Kommunistischen Parteien bis zu den meisten vorgeblichen Trotzkisten, oder stand offen auf der Seite der „demokratischen“ Konterrevolution.

Während große Teile der Linken dem Imperialismus und der Konterrevolution gegenüber klein beigaben, sind wir stolz auf das, wofür wir eingetreten sind und gekämpft haben. Wir sagten: „Hoch die Rote Armee in Afghanistan!“, als sowjetische Truppen in den 80er-Jahren gegen einen von der CIA gestützten Aufstand frauenfeindlicher islamischer Fundamentalisten kämpften. Wir verurteilten den sowjetischen Rückzug von 1988/89, boten an, eine internationale Brigade zum Kampf in Afghanistan zu organisieren, und sammelten Spenden in Solidarität mit den zivilen Opfern der belagerten Stadt Jalalabad. Zur Bekämpfung des konterrevolutionären Ansturms im August 1991, geführt von Boris Jelzin im Bündnis mit dem Weißen Haus von Bush Sr., verteilten wir in der Sowjetunion über 100 000 Flugblätter mit dem Aufruf: „Sowjetische Arbeiter: Zerschlagt die Konterrevolution von Jelzin/Bush!“

Unsere Intervention in Ostdeutschland 1989/90 war die weitreichendste in der Geschichte unserer Internationale. Wir brachten einen Aufruf zur Einheitsfrontdemonstration gegen die faschistische Schändung eines sowjetischen Ehrenmals und für die Verteidigung des Arbeiterstaats DDR heraus, dem sich die herrschende stalinistische Partei anschloss; aufgrund dieses Aufrufs strömten am 3. Januar 1990 mehr als 250 000 Menschen in den Treptower Park von Ostberlin. Treptow demonstrierte die Wirkung unseres Programms, das weit einflussreicher war, als man nur an Hand unserer zahlenmäßigen Stärke vermuten würde. Unsere revolutionäre Propaganda verschaffte sich in den Fabriken Ostberlins und bei DDR-Armeeeinheiten Gehör, von denen einige unseren Aufruf zu Arbeiter- und Soldatenräten aufgriffen. Zum ersten Mal seit über sechs Jahrzehnten sprachen Trotzkisten in einem deformierten Arbeiterstaat vor einem Massenpublikum: Unsere Rednerin rief zur Schmiedung einer egalitären kommunistischen Partei und zur Herrschaft von Arbeiter- und Soldatenräten auf. Die Treptower Mobilisierung eröffnete die Möglichkeit zu organisiertem Widerstand der Arbeiterklasse gegen die Offensive der Imperialisten, die den kapitalistischen Anschluss der DDR vorantrieben. Das hat der damalige Sowjetführer Michail Gorbatschow zehn Jahre später, in einer Diskussionsrunde im Fernsehen zu den Ereignissen von 1989/90, praktisch zugegeben, als er seine Entscheidung rechtfertigte, angesichts eines wütenden imperialistischen antikommunistischen Sperrfeuers nach Treptow dem ostdeutschen deformierten Arbeiterstaat den Hahn zuzudrehen:

„Wir haben unseren Standpunkt zum Prozess der Vereinigung Deutschlands unter der Einwirkung der Ereignisse geändert, die sich in der DDR entwickelten. Und eine besonders kritische Situation ergab sich im Januar. Von der Natur der Dinge her lief ein Zerfall der Strukturen. Es gab eine Gefahr — eine Gefahr der Desorganisation, der großen Destabilisierung. Wenn Sie so wollen, fing das am 3. Januar an, und weiter fast jeden Tag ...“

Wie wir im Konferenzdokument unserer II. Internationalen Konferenz 1992 schrieben: „Die Arbeiter der Welt, und wir mit ihnen, haben mit dem Sieg des Vierten Reichs eine schwere Niederlage erlitten. Aber wir haben gekämpft“ (Spartacist, deutsche Ausgabe Nr. 15, Frühjahr 1993).

Im letzten Jahrzehnt ist eine Fülle neuer Dokumente und Geschichtsabhandlungen über den Sturz des Stalinismus im Sowjetblock erschienen. Die IKL muss den Kampf gegen die kapitalistische Konterrevolution in der DDR und der Sowjetunion im Lichte dieser neuen Informationen untersuchen, als Teil unserer politischen Wiederbewaffnung. Die Konferenz beschloss, ein internationales Schulungsprojekt und eine Diskussion zu diesem Thema zu organisieren.

Konferenzdelegierte revidierten auch einige falsche oder einseitige Formulierungen, die in internen Debatten und in Artikeln über unsere Intervention in der DDR vorgekommen sind. Vor seinem Abgang aus unseren Reihen im Jahre 1996 hatte Jan Norden, jetziger Führer der Internationalist Group (IG), eine Pseudo-„Umgruppierungs“initiative gegenüber dem vermeintlich linken Flügel der PDS vorgeschlagen. In einer öffentlichen Rede an der Berliner Humboldt-Universität im Januar 1995 hatte Norden diese Klassenverräter — Überbleibsel der ostdeutschen Stalinisten der SED, die die DDR ausverkauft hatten — amnestiert, indem er behauptete, sie wären zur Zeit der Konterrevolution „paralysiert“ gewesen und hätten sich eine politische Revolution — die auf ihren Sturz abgezielt hätte! — nicht „vorstellen“ können. Norden spielte die Rolle der IKL als bewusste revolutionäre Avantgarde herunter und leugnete sie sogar, indem er wiederholt den Refrain anstimmte: „Aber es fehlte gerade das Schlüsselelement, die revolutionäre Führung.“ Als Antwort auf Norden gab ein führender Genosse zurück: „Wir waren die revolutionäre Führung“, und die PDS, weit davon entfernt, paralysiert zu sein, „führte die Konterrevolution“, indem sie alles in ihrer Macht Stehende tat, eine proletarisch-politische Revolution zu verhindern.

Diese Bekräftigung unseres revolutionären Zwecks enthielt einen wichtigen Kern von Wahrheit gegenüber Nordens eiliger Preisgabe des Trotzkismus bei seiner Flucht aus der IKL. Gleichzeitig handelte es sich aber um polemische Übertreibungen in der Hitze des Gefechts. Schon damals hatte ein Genosse bemerkt, unsere Intervention ließe sich dialektischer mit den Worten charakterisieren: „Wir waren die revolutionäre Führung, die im Kampf stand, zu dieser zu werden.“ Dennoch wurden Formulierungen wie „Die PDS führte die Konterrevolution“ und „Wir waren die revolutionäre Führung“ in unseren Polemiken gegen die IG und in späteren internen Kontroversen zu Unrecht erneut bekräftigt. Die dogmatische Wiederholung dieser Formeln seitens des IS in Debatten in und mit unserer deutschen Sektion schadete unserer Arbeit und trug dazu bei, eine kritische Bewertung unserer Intervention von 1989/90 von vornherein auszuschließen.

Ein Verständnis der kapitalistischen Konterrevolution in Ostdeutschland lässt sich nun mal nicht in einem kernigen Spruch zusammenfassen, sondern muss auch auf die Rolle der westdeutschen Imperialisten und der Kreml-Stalinisten eingehen. Gorbatschow hatte in Ostdeutschland das Sagen. Zur Zeit des Zusammenbruchs des SED-Regimes im Herbst 1989 fühlte sich der Kreml nicht mehr zur Aufrechterhaltung sowjetischer Militärpräsenz und damit zur politischen Vorherrschaft in der DDR verpflichtet. Als Treptow das Schreckgespenst des organisierten Widerstands der Arbeiterklasse gegen die Konterrevolution an die Wand malte, gab Gorbatschow schnellstens grünes Licht für den kapitalistischen Anschluss der DDR. Treptow war ein Wendepunkt; danach machte sich auch die SED-PDS die konterrevolutionäre Wiedervereinigung zur eigenen Sache.

Nach eingehender Diskussion wurde folgender Zusatzantrag zum Konferenzdokument eingebracht und einstimmig angenommen:

„Es ist nicht korrekt, zu sagen: ,Die PDS führte die Konterrevolution in der DDR‘ und ,Wir waren die revolutionäre Führung‘ in der keimenden politischen Revolution in der DDR 1989/90. Folgende Formulierungen sind besser: ,Wir waren der einzige Anwärter auf die revolutionäre Führung der Arbeiterklasse in der revolutionären Situation in der DDR 1989/90. Wir können stolz sein auf unseren Kampf um die revolutionäre Führung.‘ Und: ,Als der Kreml die DDR an den westdeutschen Kapitalismus ausverkaufte, fügten sich die SED- PDS-Spitzen dem Verrat und wurden zur PDS.‘“

Die Konferenz bekräftigte auch erneut die Aussage in unserem Konferenzdokument von 1992, die unsere Rolle in der DDR 1989/90 so zusammenfasst: „Obwohl geprägt durch das Missverhältnis von Kräften, gab es eigentlich einen Wettstreit zwischen dem IKL-Programm der politischen Revolution und dem stalinistischen Programm von Kapitulation und Konterrevolution.“

Die Konterrevolution in der UdSSR und in den einzelnen osteuropäischen deformierten Arbeiterstaaten muss jeweils am konkreten Fall untersucht werden, ebenso wie die wachsende Gefahr einer Konterrevolution in den verbliebenen deformierten Arbeiterstaaten, vor allem in China. In Deutschland gab es eine mächtige imperialistische Kapitalistenklasse im Westen, wohingegen es in der UdSSR überhaupt keine Kapitalistenklasse gab. Dort stammten die einheimischen konterrevolutionären Kräfte aus der zerfallenden Bürokratie (und aus Elementen der Intelligenz sowie der kriminellen Unterwelt). In mehreren osteuropäischen Ländern, vor allem Albanien, Rumänien und Bulgarien, geschah die kapitalistische Restauration unter der Führung der jeweiligen Kommunistischen Partei, ohne dass es zu „Marktreformen“ kam und ohne dass es irgendeine unmittelbare militärische Bedrohung durch die Imperialisten gab. Und im Falle Chinas existiert eine Bourgeoisie in Übersee und in der Region (Taiwan, Hongkong) sowie eine auf dem Festland heranwachsende Kapitalistenklasse, die in Verbindung mit dem ausländischen Imperialismus den Sturz des deformierten Arbeiterstaats anstrebt.

China: Die „russische Frage“ von heute

Eine Hauptsorge der Delegierten war der Mangel an IKL-Propaganda zu China von Mai 2002 bis fast unmittelbar vor der Konferenz — beinahe anderthalb Jahre. Die Genossen stellten fest, dass es eine merkliche Unfähigkeit gegeben hatte, die historisch neue Situation in China anzugehen; dieses Versäumnis war Ausdruck eines stillschweigenden Agnostizismus in Bezug auf das Schicksal des deformierten Arbeiterstaates. China ist die „russische Frage“ von heute. Doch sie stellt sich auf eine neue, noch nie dagewesene Weise. Mit unserem Aufruf zur bedingungslosen militärischen Verteidigung der Sowjetunion mussten wir gegen verschiedene Formen des bürgerlichen und „linken“ Antikommunismus argumentieren. Bei der Verteidigung Chinas haben wir es heute mit der Ansicht zu tun — die jetzt sowohl in bürgerlichen als auch in linksgerichteten Kreisen weit verbreitet ist —, dass China bereits kapitalistisch geworden sei oder sich unabänderlich auf dem Weg dahin befinde. Und hinter dieser impressionistischen Ansicht steht die Realität, dass der Kapitalismus auf sozioökonomischer Ebene bereits massiv eingedrungen ist. Wie der Referent zu China bemerkte:

„Wer in unserer Tendenz hätte im Jahre 1992, als es klar wurde, dass die Sowjetunion der Vergangenheit angehört und nicht wieder ins Leben gerufen werden kann, vorhergesagt, dass über ein Jahrzehnt später die Volksrepublik China immer noch ein bürokratisch deformierter Arbeiterstaat sein würde, in dem die KPCh [Kommunistische Partei Chinas] ein politisches Machtmonopol ausübt, bei sogar weniger offener Ablehnung und Widerstand als zuvor? Nun, wenn irgendjemand in unserer Tendenz so hellsichtig war, sollte er oder sie dieses Referat halten, nicht ich.“

Die IKL wurde von der beginnenden politischen Revolution überrascht, die sich im Juni 1989 in China ereignete. Von Anfang an konzentrierte sich unsere Tendenz auf die deformierten Arbeiterstaaten, die militärisch vom US-Imperialismus unmittelbarer bedroht wurden: Kuba und Vietnam. In den 70er- und 80er-Jahren erfüllte uns die kriminelle Allianz der Beijing-Bürokratie mit dem US- Imperialismus gegen die Sowjetunion mit solchem gerechtfertigten Abscheu, dass wir den Entwicklungen innerhalb Chinas qualitativ zu wenig Aufmerksamkeit schenkten. Hinzu kam noch die Tatsache, dass wir uns in den späten 80er-Jahren hauptsächlich mit der bröckelnden stalinistischen Herrschaft in Osteuropa und der UdSSR beschäftigten. Im Gegensatz zu den Maoisten, Sozialdemokraten und Pseudotrotzkisten verschiedener Schattierungen, die gegenüber dem Schicksal der UdSSR bestenfalls gleichgültig waren, warnten wir, falls dieses militärische und industrielle Kraftzentrum unterginge, werde der deformierte Arbeiterstaat China in Isolation nicht lange überleben können. Als allgemeine historische Prognose war und bleibt diese Warnung richtig. Aber daraus nach dem Zusammenbruch der UdSSR eine kurzfristige Vorhersage zu machen führte zu der impliziten Auffassung, dass China und die anderen deformierten Arbeiterstaaten (Vietnam, Nordkorea, Kuba) in Kürze das gleiche Schicksal erleiden würden. Das Konferenzdokument der SL/U.S. von 1994 behauptete: „Die chinesischen Stalinisten sind mit der Unterstützung des japanischen Imperialismus und von bedeutenden Teilen der US-Imperialisten dabei, eine Restauration des Kapitalismus per Dekret von oben zu versuchen“ (Spartacist, englische Ausgabe Nr. 51, Herbst 1994).

Was waren die bestimmenden Hauptfaktoren für diese Analyse und Vorhersage? Nach der Zerstörung der Sowjetunion verschärfte der amerikanische Imperialismus seinen unmittelbaren militärischen Druck auf China. Das Pentagon verlegte den Großteil seiner Streitkräfte aus Europa in den Fernen Osten und verfolgte zielstrebig Pläne, eine tatsächliche Erstschlagskapazität gegenüber Chinas kleinem Atomwaffenarsenal zu erreichen. Das Beijinger Regime öffnete Chinas Wirtschaft immer mehr den Einflüssen des kapitalistischen Weltmarktes und stärkte so diejenigen gesellschaftlichen Kräfte, die vom Imperialismus gestützte, offen konterrevolutionäre Fraktionen und Parteien hervorbringen werden, sobald das bonapartistische stalinistische Regime in eine politische Krise gerät. Dazu kam noch der ideologische Druck des imperialistischen Triumphalismus („Tod des Kommunismus“), demgegenüber Chinas stalinistische Bürokratie und Intelligenz keineswegs immun waren.

Teilweise ausgehend von der letzten Periode der Sowjetunion erwarteten wir in China, dass sich die stalinistische Bürokratie in einem vergleichbaren Zeitraum auflösen würde. Allerdings waren auch die chinesischen Stalinisten nicht blind gegenüber dem Geschehen in der Sowjetunion, zogen ihre Schlüsse daraus und handelten entsprechend. Anders als unter dem Gorbatschow-Regime ging die Einführung der chinesischen Variante von Perestroika (Marktreformen) nicht mit Glasnost (politische Liberalisierung) einher. Durch die Aufrechterhaltung seines Monopols an politischer Macht und Organisation war das KPCh-Regime imstande, mehr oder weniger seine Wirtschaftspolitik durchzuführen und die Gesetze und Vorschriften zur Lenkung der chinesischen Wirtschaft durchzusetzen.

Was noch wesentlicher ist: Das Beijinger Regime wird bei der Durchführung von „Marktreformen“ immer noch durch die Angst gebremst, es könnte durch soziale Unruhen — insbesondere von Seiten der Arbeiterklasse — gestürzt werden. Dies wäre 1989 fast geschehen, als überwiegend studentische Demonstrationen für politische Liberalisierung und gegen Korruption einen spontanen Arbeiteraufstand auslösten. Nur mit knapper Not konnten regimetreue Armeeeinheiten diesen unterdrücken, da sich mehr als ein Dutzend hochrangiger Kommandeure der Volksbefreiungsarmee zunächst weigerten, Befehle zur Niederschlagung des Tiananmen-Protests auszuführen. Abermals im Unterschied zur Sowjetunion unter Gorbatschow haben die chinesischen Arbeiter bereits ein gewisses Maß an kapitalistischer Ausbeutung zu spüren bekommen ... was ihnen gar nicht gefällt.

In den letzten Jahren hat es große, weit verbreitete Proteste der Bevölkerung sowie Arbeiterkämpfe gegeben, insbesondere im Zusammenhang mit den Massenentlassungen in den staatlichen Industrieunternehmen. Bis heute hat es das Regime vermocht, diese Aktionen durch eine Kombination von Repression und Zugeständnissen im Rahmen lokal begrenzter ökonomischer Kämpfe zu halten. Dennoch ist China im Grunde eine zutiefst instabile Gesellschaft. Früher oder später werden die explosiven sozialen Spannungen das politische Gefüge der herrschenden bürokratischen Kaste sprengen. Und wenn das geschieht, wird sich für das bevölkerungsreichste Land der Welt die Schicksalsfrage in aller Schärfe stellen: kapitalistische Versklavung und imperialistische Unterjochung oder proletarisch-politische Revolution, die den Weg zum Sozialismus frei macht.

In dieser Hinsicht war unsere Formulierung von 1994 falsch, weil sie davon ausging, dass eine Restauration des Kapitalismus stattfinden könne, während das stalinistische Regime intakt bleibt. Um das zu korrigieren, stellte das gegenwärtige Konferenzdokument fest:

„Die stalinistische Bürokratie ist zu einer stufenweisen Restauration des Kapitalismus per Dekret von oben nicht imstande. Eine kapitalistische Konterrevolution in China würde einhergehen mit dem Zusammenbruch des stalinistischen Bonapartismus und mit dem politischen Auseinanderbrechen der herrschenden Kommunistischen Partei. Was aus dem Zusammenbruch des stalinistischen bonapartistischen Regimes hervorgeht — kapitalistische Restauration oder proletarisch-politische Revolution —, hängt vom Ausgang des Kampfes widerstreitender Kräfte ab.“

Das Dokument stellte fest: „Fehler bei der Vorhersage des Tempos, mit dem sich Ereignisse entwickeln, sind an sich nicht verhängnisvoll“, warnte aber vor der Neigung, die juristischen Ankündigungen des Regimes bezüglich der Privatisierung der staatseigenen Industrie, des Beitritts zur Welthandelsorganisation oder der Zulassung von Kapitalisten als Mitglieder der KPCh als „Endrunde“ zu verstehen. Diese Neigung war in einem Antrag des IS im Juni 2000 scharf kritisiert worden. Dieser Antrag warnt davor, Schlussfolgerungen ausschließlich aus den Handlungen und Absichten der Bürokratie abzuleiten. Denn das „reduziert das Proletariat in China auf die bloße Rolle eines passiven Objekts entweder der stalinistischen Bürokratie oder der imperialistischen Bourgeoisie, als wäre es keine Kraft, die fähig ist zu ihren eigenen unabhängigen Aktionen“ gegen die anhaltende Unterminierung der Errungenschaften der Chinesischen Revolution von 1949. Entscheidend für einen Sieg der kapitalistischen Konterrevolution in China wird nicht bloß die quantitative wirtschaftliche Ausweitung des Privatsektors sein, sondern das politische Schlachtfeld, wie es auch in Osteuropa und der ehemaligen UdSSR der Fall war.

Etliche Genossen sprachen darüber, wie schwierig früher das Schreiben von Propaganda zu China war. Ein Beispiel war die Polemik gegen die IG über deren opportunistische Suche nach einem Flügel der chinesischen stalinistischen Bürokratie, der angeblich für die Verteidigung des Arbeiterstaats und für den Kampf gegen kapitalistische Restauration eintrete („IG on China: Looking for a Few Good Stalinist Bureaucrats“ [IG zu China: Auf der Suche nach ein paar guten stalinistischen Bürokraten], WV Nr. 715, 11. Juni 1999). Wir erinnerten an Trotzkis Feststellung, dass die Bürokratie die kollektivierte Wirtschaft nur in dem Maße verteidigt, wie sie das Proletariat fürchtet. Doch wir überspannten den Bogen und behaupteten: „Die KPCh-Bürokratie ist fest entschlossen, den Kapitalismus wiedereinzuführen“, und: „Die Hauptkraft, die heute die Offensive zur Restauration des Kapitalismus anführt, ist das stalinistische Regime selbst.“ Damit behaupteten wir implizit, dass die Beijing- Bürokratie nicht mehr den Zwängen ihrer parasitären Stellung an der Spitze der kollektivierten Eigentumsformen unterworfen sei und dass sie Eigenschaften einer herrschenden Klasse angenommen habe. In einer darauf folgenden Polemik gegen die IG korrigierten wir de facto unseren früheren Artikel und stellten fest:

„Insoweit die Bürokratie in China heute marktorientierte ,Reformen‘ vorantreibt, den Imperialismus beschwichtigt und Arbeiterkämpfe unterdrückt, führt sie den Vorstoß in Richtung Restauration des Kapitalismus an. Führende Elemente der Bürokratie und ihre Nachkommen sind Partnerschaften eingegangen mit amerikanischem, japanischem und europäischem Kapital oder mit der chinesischen Bourgeoisie, die durch die Revolution von 1949 nicht als Klasse zerschlagen wurde, sondern ihren Zusammenhalt durch die Flucht vom Festland bewahren konnte. Gleichzeitig besteht ein entscheidender Unterschied zwischen der Vorbereitung der Konterrevolution und ihrer Durchführung. In diesem Sinne ist das Beijinger Regime nicht der Restauration des Kapitalismus verpflichtet, und Teile des Regimes mögen vor den Konsequenzen zurückschrecken, besonders aus Furcht vor Verwüstungen, wie sie in der ehemaligen Industrie- und Militärmacht Sowjetunion angerichtet wurden, und in einigen Fällen sogar aus echter Sorge über die gegenwärtige und zukünftige Not der Arbeiter und Bauern.“

—„IG: Still Looking for a Few Good Stalinist Bureaucrats“ [IG: Immer noch auf der Suche nach ein paar guten stalinistischen Bürokraten], WV Nr. 746, 17. November 2000

Jedoch hat WV niemals klargestellt, dass wir damit die frühere Polemik korrigierten, obwohl das der richtige Weg gewesen wäre. Und es wäre besser gewesen festzustellen, dass die Beijing-Bürokratie „die Kräfte der kapitalistischen Restauration fördert und in hohem Maße stärkt“, anstatt zu sagen, dass sie „den Vorstoß in Richtung Restauration des Kapitalismus an[führt]“.

Der Referent zu China bemerkte, dass die Probleme, mit denen wir es heute zu tun haben, ihre Wurzeln haben „in der objektiven Komplexität der Situation sowie im historisch beispiellosen internationalen Kontext der nachsowjetischen Welt“. Doch er warnte: „Wir müssen zukünftig unsere Prognosen mehr als bisher peinlich genau anhand der Ereignisse überprüfen... Es darf da keine Subjektivität geben, denn anderenfalls werden wir unweigerlich die Realität so verzerren, dass sie unseren Prognosen entspricht, was das genaue Gegenteil des historischen Materialismus ist.“

Jugendlicher Aktivismus und der „Tod des Kommunismus“

Die Periode, in der wir uns gegenwärtig befinden, ist zwar reaktionär, aber auch sehr widersprüchlich. In Nordamerika, Europa, dem Nahen Osten und vielen asiatischen Ländern rief der US- imperialistische Krieg gegen den Irak die größten Demonstrationen seit Jahren hervor, rüttelte Millionen junger Menschen zum politischen Kampf auf und es kam sogar zu politischen Streiks und Arbeiteraktionen gegen den Krieg. Die militärischen Siege der Vereinigten Staaten in Afghanistan und im Irak wurden relativ mühelos erreicht, doch die Besetzung besonders des Iraks ist eine ganz andere Sache. Eine erhebliche Instabilität kennzeichnet große Teile der halbkolonialen Welt. Unzufriedenheit mit neoliberalen Regimes provozierte in Lateinamerika eine Welle von nationalistischem Populismus. In ganz Europa, Nordamerika und anderen Ländern ist der jugendliche Aktivismus deutlich gestiegen, sehr oft im Zusammenhang mit der „Antiglobalisierungs“bewegung. Die Sektionen der IKL rekrutieren, allerdings ungleichmäßig. Doch die politische Weltanschauung der Generation, die durch Hass auf den „globalen Kapitalismus“ und durch Ablehnung des Krieges gegen den Irak politisiert wurde, ist vom historischen Materialismus und von einer proletarischen Perspektive meist weit entfernt, und diese Jugendlichen stehen einer Welt gegenüber, in der im Allgemeinen der Marxismus als ein Relikt der Vergangenheit hingestellt wird.

Marx und Engels bemerkten im Kommunistischen Manifest, dass der Kapitalismus seinen eigenen Totengräber in Gestalt des Proletariats produziert. Die Funktionsweise des kapitalistischen Imperialismus treibt Millionen Proletarier in den Kampf gegen Krieg, Arbeitslosigkeit und Rassismus. Aber um eine „Klasse für sich“ zu schmieden, die erfolgreich um die Staatsmacht kämpft, braucht man die Intervention einer leninistischen Avantgarde, die das Erlangen revolutionären proletarischen Bewusstseins vorantreiben und die Kräfte nationaler, rassischer und religiöser Spaltung ausmerzen kann. Die Zerstörung der UdSSR hat diese Aufgabe schwieriger gemacht, wie der „Aufruf zur IV. Konferenz“ betonte:

„Selbst ein nur dem Namen nach marxistisches Proletariat gibt es nicht mehr. Die europäischen Revolutionen von 1848, die Pariser Kommune von 1871 und vor allem die Oktoberrevolution von 1917 fanden vor langer Zeit statt und haben mit der heutigen Erfahrung und dem Bewusstsein der meisten Werktätigen anscheinend kaum etwas zu tun. Die Schwere der Niederlagen und die katastrophalen sozialen Folgen der kapitalistischen Konterrevolutionen stumpfen das Verständnis bei unseren Kadern ab, dass die IKL die Partei der Jalalabad-Kampagne, die Partei von Treptow, die Partei der Russischen Revolution und der neuen Oktoberrevolutionen war und ist, die Partei, die den Weg zur kommenden Umwandlung der Welt weisen wird.“

Einer unserer Genossen bemerkte, dass wir die Entwicklung unserer Organisation zur revolutionären Führung in Deutschland 1989/90 anvisieren konnten, weil dies der objektiven Situation entsprach. In den 60er- und 70er-Jahren, als viele der jetzt führenden IKL-Kader zu unserer Tendenz stießen, führten die Vietnamesen eine erfolgreiche soziale Revolution gegen den US-Imperialismus, und die französischen Imperialisten wurden in Algerien geschlagen. Die fortgeschrittenen Teile des Proletariats strebten nach revolutionären Veränderungen; Frankreichs bürgerliche Ordnung überlebte den Generalstreik vom Mai 1968 nur durch den hinterhältigen Verrat der Kommunistischen Partei. Heute gibt es bestimmt militante defensive Arbeiterkämpfe, aber die Arbeiter verbinden sie im Allgemeinen nicht mit dem Ziel einer neuen Oktoberrevolution. Unsere sich marxistisch nennenden Opponenten sind zumeist linke Sozialdemokraten. Während zum Beispiel vor 30 Jahren die Mitglieder der französischen Ligue communiste révolutionnaire (LCR) den Führer der vietnamesischen Kommunistischen Partei mit Sprechchören „Ho, Ho, Ho Chi Minh“ feierten, unterstützte die LCR im Jahre 2002 Frankreichs rechten Präsidenten Jacques Chirac bei den Wahlen.

Dass wir nicht die Änderungen auf dem Terrain der Linken in der nachsowjetischen Zeit in Betracht zogen, wie die starke Vermehrung anarchoider Gruppen, trug zu dem sektiererischen Entschluss bei, im November 1999 die Proteste gegen die Welthandelsorganisation in Seattle aus prinzipiellen Gründen zu boykottieren. Ein Antrag des Politbüros der SL/U.S. begründete das damit, dass die Proteste „von nationalem Chauvinismus, rassistischem Protektionismus und konterrevolutionären Attacken gegen den deformierten Arbeiterstaat China beherrscht“ sein würden (WV Nr. 725, 10. Dezember 1999). Es war richtig, uns von der reformistischen Linken politisch scharf abzugrenzen, die vom „Battle of Seattle“ schwärmte und am Rockzipfel der antikommunistischen Gewerkschaftsbürokratie hing, die der Demokratischen Partei verpflichtet ist. Doch dies hätte durch eine Intervention mit unserer kommunistischen Propaganda geschehen müssen, gerichtet an die linksliberalen und radikalen Aktivisten, die aus dem Bedürfnis nach Seattle gekommen waren, gegen die übelsten Exzesse des Kapitalismus zu protestieren — und nicht dadurch, dass man sie mit den antikommunistischen AFL-CIO- Gewerkschaftsführern gleichsetzt.

Diese abstentionistische Politik wurde durch eine interne Debatte vor einem weiteren „Antiglobalisierungs“protest in Washington, D.C., im folgenden April in der Praxis revidiert. Seitdem sind wir bekannt als die revolutionären Marxisten, die sich mit anarchistischen und syndikalistischen Vorurteilen polemisch auseinandersetzen und gleichzeitig militante anarchistische Jugendliche gegen die Repression des bürgerlichen Staates und gegen die „Gewalt“-Hetze der „linken“ Anhängsel der Bourgeoisie verteidigen. Doch die Tatsache, dass wir unser prinzipielles Wegbleiben von den Protesten in Seattle nicht öffentlich berichtigten, fügte sowohl unseren Kadern als auch denjenigen, die unsere Arbeit verfolgen, Schaden zu und sorgte für Desorientierung.

Das Konferenzdokument unserer II. Internationalen Konferenz von 1992 sah das Wiederentstehen anarchistischer und anarchosyndikalistischer Tendenzen voraus; danach veröffentlichten wir die geschichtliche Broschüre Marxismus kontra Anarchismus, die sich an diese Jugendlichen wandte. Jedoch sahen wir nicht, wie sehr in der nachsowjetischen Zeit der Kommunismus mit dem gescheiterten Stalinismus gleichgesetzt wird. Um unsere Genossen auszurüsten, damit sie dieses Bewusstsein besser ansprechen können, veranstaltete die jüngste IKL-Konferenz eine anregende Schulung über den Spanischen Bürgerkrieg der 30er-Jahre und die Rolle der „Freunde Durrutis“ — linke Anarchisten, die den Verrat der spanischen anarchistischen Führung kritisierten. Referent war ein junger Genosse der Trotskyist League of Canada, der von einem anarchistischen Hintergrund zu uns gewonnen wurde.

Die Konferenz stellte opportunistische Abweichungen fest, die das wiederholt auftretende Sektierertum begleiteten. Unmittelbar nach den Anschlägen vom 11. September war die Intervention führender Mitglieder von außerhalb unserer Zentrale unentbehrlich, damit wir unter diesen extrem schwierigen Umständen überhaupt unsere Arbeit fortsetzen konnten. Dazu war ein ständiger Kampf gegen opportunistisches Zurückweichen sowie gegen bombastische Wortblasen in unserer Propaganda notwendig. Hervorstechendstes Beispiel für diesen Opportunismus war unsere einen Monat lang währende Unfähigkeit, öffentlich zu erklären, dass Marxisten einen Unterschied machen zwischen Anschlägen auf Einrichtungen wie das Pentagon — welches unmittelbar die militärische Macht des US-Imperialismus verkörpert — und willkürlichem Terror gegen unschuldige Zivilisten — wie im Falle des World Trade Centers. Unsere Position in dieser Frage wurde schon am Abend des 11. September auf einer Sitzung der ZK-Gruppe an der Westküste festgelegt, wo ein Genosse bemerkte: „Wenn es nur das Weiße Haus oder das Pentagon wäre, könnte man sagen, Pech gehabt (obwohl auch das dumm ist, da ein Problem mit Terrorismus darin besteht, dass er immer unschuldige Menschen trifft — in diesem Fall waren es die Menschen in dem Linienflugzeug und die Reinigungskräfte im Pentagon).“ Das Fehlen jeglicher öffentlicher Erklärung, dass wir den Anschlag auf das Pentagon mit anderen Augen sahen als den auf das World Trade Center, war umso bemerkenswerter angesichts der Tatsache, dass diese Linie vier Tage später auf einer Sitzung des Politischen Büros der SL/U.S. gebilligt worden war. Das Konferenzdokument der IV. IKL-Konferenz erklärt: „Dies stellte ein politisches Zurückschrecken vor der Welle des amerikanischen Patriotismus nach den Anschlägen am 11. September dar.“

Ungeduld und Missachtung der objektiven Realität gehen oft einher mit opportunistischen Ausfällen und ausgetüftelten Versuchen, schnell reich zu werden. Es ist nützlich, hier an den Rat des Genossen Trotzki zu erinnern: „Letztlich drückt sich Opportunismus nicht nur in einer Politik der kleinen Schritte aus, sondern auch in politischer Ungeduld: Er versucht regelmäßig zu ernten, wo er nicht gesät hat, und Ergebnisse zu erzielen, die nicht seinem Einfluss entsprechen“ (Trotzki, Einleitung zu The First Five Years of the Communist International [Die ersten fünf Jahre der Kommunistischen Internationale], 1924). Wo immer wir Erfolge verbuchen konnten, kam das durch intelligente Kritik und Intervention gegen unsere Opponenten — nicht durch das Erfinden einer falschen Realität, um politischen Hindernissen auszuweichen.

Die starken Veränderungen in der Linken und unter jugendlichen Aktivisten sowie die daraus folgenden Auswirkungen auf unsere Arbeit hat Genosse Joseph Seymour kurz nach der Konferenz in einem Brief zusammengefasst:

„Wie vorherzusehen, hat die nachsowjetische Zeit bedeutsame linke Gruppen, Tendenzen und Milieus entstehen lassen, die die Sprache des ,Marxismus-Leninismus‘ nicht sprechen und auch nicht lernen wollen. Solche Gruppen und Tendenzen sind durch einen theoretischen Eklektizismus und/oder einen Rückfall in vormarxistische Konzepte und Denkweisen gekennzeichnet. Letzteres trifft auf die eher orthodoxen Anarchisten zu, während die breite ,Antiglobalisierungs‘ bewegung durch Eklektizismus geprägt ist...

Es ist sehr schwierig, linke Gruppen, Tendenzen und Milieus effektiv anzusprechen, deren Weltsicht, ja deren ganze Methodologie so verschieden und so entfernt von der unseren ist. Weil es schwierig ist, denke ich, hat es eine Neigung gegeben, diese Aufgabe zu umgehen und ihre Bedeutung für die IKL in der gegenwärtigen Periode zu unterschätzen.“

Das politische Bewusstsein der Mitglieder jener Gruppen, die noch immer einen Anspruch auf die trotzkistische Tradition erheben, wie auch das der verbliebenen stalinoiden Gruppen hat sich ebenfalls gewandelt. Dies trifft besonders auf ihre jüngeren Mitglieder zu, deren Bewusstsein in der nachsowjetischen Zeit geprägt wurde. Seymour stellte fest, die Desorientierung der vergangenen Periode entstamme zum Teil der „Suche nach linken Aktivisten, die denen ähnlich waren, die wir Anfang der 70er- Jahre in den Vereinigten Staaten und Mitte der 70er-/Anfang der 80er-Jahre in Westeuropa rekrutierten“, d.h. Einzelpersonen, die die Grundprinzipien des Leninismus studiert und sich zumindest formal angeeignet hatten und die daher ziemlich leicht zu rekrutieren und in unserer Tendenz zu assimilieren waren. Er fügte hinzu:

„Unser Herangehen an trotzkoide Gruppen in Europa sollte von der Voraussetzung ausgehen, dass unsere Ansprechpartner ernsthafte und nachdenkliche Sozialdemokraten mit rationalen, humanistischen Wertvorstellungen sind. Mehr als das sollten wir nicht erwarten. Genauso sollten wir an trotzkoide Gruppen in der Dritten Welt (z.B. Brasilien, Südafrika) herangehen, allerdings mit einem wichtigen Unterschied, nämlich dass viele Mitglieder dieser Gruppen eher links-populistische Nationalisten als linke Sozialdemokraten sind.“

Reformismus und die nachsowjetische Welt

Im Rahmen der Vorkonferenzdiskussion überprüften die Genossen frühere Dokumente, die als Richtlinie für unsere internationale Arbeit gedient haben. Eine kritische Einschätzung der getanen Arbeit ist für eine marxistische Organisation unerlässlich — nur der Papst ist unfehlbar. Es war ein Symptom unserer politischen Probleme, dass vieles unerledigt geblieben war.

Anhand eines Trotzki-Zitats erklärte ein IEK-Memorandum von 1996, dass reaktionäre Epochen wie die gegenwärtige die Arbeiterklasse und ihre Avantgarde zersetzen und schwächen, indem sie das allgemeine ideologische Niveau der Bewegung herabdrücken und das politische Denken auf bereits längst durchlaufene Etappen zurückwerfen (siehe „Nordens ,Gruppe‘: Verschämter Abschied vom Trotzkismus“, Diskussionsbulletin Nr. 25, August 1996). Das Memorandum betonte zu Recht, dass die IKL gegen den Strom schwimmen und ihre ideologischen Positionen bewahren muss. Jedoch unterschätzte das Memorandum, wie stark die reformistischen Tendenzen sind. Mit Hinweis auf Trotzkis Schriften aus den 30er-Jahren zum Zentrismus behauptete es, „dass die politische Entlarvung und Zerstörung unserer zentristischen Gegner die Schlüsselaufgabe bei der Arbeit gegenüber Opponenten ist“. Gleichzeitig machte das Dokument die falsche Vorhersage, die Bourgeoisien würden „auch die (parlamentarischen und gewerkschaftlichen) Mittelsmänner und Makler über Bord werfen, die sie vorher gehegt und gepflegt haben, um so die Arbeiterklasse besser zügeln und kontrollieren zu können.“

Die Behauptung, heute seien unsere Kämpfe mit den Zentristen (wie Nordens IG) von zentraler Bedeutung, ist irreführend und unterschätzt, wie weit das politische Bewusstsein zurückgeworfen wurde. Derzeit gibt es nur wenige zentristische Organisationen im klassischen Sinn, d.h. Organisationen, die politisch in Bewegung sind — nach links, weg vom Reformismus, oder nach rechts, weg von revolutionärer Politik in Richtung Reformismus. Die erwähnten Trotzki-Schriften entstammten der Zeit der Weltwirtschaftskrise, als der Bankrott der stalinisierten Komintern nach Hitlers Machtergreifung bedeutende linkszentristische Strömungen in den sozialdemokratischen Parteien hervorbrachte. Die zentristischen Formationen der 70er-Jahre haben sich scharf nach rechts bewegt, besonders im Zusammenhang mit dem zweiten Kalten Krieg, als sie gegenüber der Offensive ihrer eigenen Bourgeoisie zur Rückeroberung der Sowjetunion für kapitalistische Ausbeutung nachgaben. Ein Gradmesser für diese Rechtsbewegung war die Unterzeichnung eines Appells an die europäischen Staatsoberhäupter 2002 durch einige angeblich revolutionäre Organisationen — darunter die französische LCR, die britische Socialist Workers Party (SWP) und Workers Power. Darin wurden die Staatschefs aufgefordert, sich öffentlich gegen den drohenden Irak-Krieg auszusprechen, was auf die falsche Vorstellung hinausläuft, die europäischen Bourgeoisien stellten ein progressives Gegengewicht zum US-Imperialismus dar.

Die Neigung, die Sozialdemokratie und den Reformismus als verschwindende Kraft in Westeuropa anzusehen, war teilweise eine impressionistische Antwort auf das wirkliche Vorpreschen der westeuropäischen Bourgeoisien zur Demontage der noch vorhandenen Reste der „Sozialstaaten“, die nach dem Zweiten Weltkrieg zur Ablenkung proletarischer Unruhen errichtet worden waren. Aber wie eine Genossin in einem Brief vom 18. März 2002 an das IS bemerkte:

„Mit dem Untergang der Sowjetunion ist die Existenzgrundlage für einen ,Sozialstaat‘ verschwunden. Das bedeutet aber nicht, dass der Verelendung der Arbeiterklasse durch die Bourgeoisie keine Grenzen gesetzt sind. Solange der Kapitalismus existiert, wird die Frage von Reformen oder Verbesserungen nicht dauerhaft, ja nicht einmal mittelfristig, von der Tagesordnung gestrichen sein. Die herrschenden Klassen der fortgeschrittenen Welt sind nicht geneigt, Geld für die Verbesserung des Lebensstandards der Massen auszugeben, aber Reformen können auch nicht einfach ein- oder ausgeschaltet werden, als ob wir früher nicht verlieren konnten und jetzt nicht mehr gewinnen können.“

Der Brief stellte fest, dass die Auffassung, mit der Zerstörung der UdSSR sei die materielle Grundlage für die Sozialdemokratie beseitigt worden, letztlich sektiererisch ist: „Entweder existieren die Sowjetunion und als Begleiterscheinung die ,Sozialstaaten‘, oder es gibt keine Sowjetunion, keine Möglichkeit zu Reformen oder Verbesserungen, keine Rolle für die Sozialdemokratie, also nichts außer uns.“

Das IEK-Memorandum von 1996 wurde zu einer Zeit entworfen, als die meisten bedeutenden westeuropäischen Länder von rechten bürgerlichen Parteien regiert wurden. Als etwas später wieder Sozialdemokraten an die Regierung kamen, erwartete das IS, dass die Unzufriedenheit mit diesen Regierungen und mit den reformistischen Arbeitermassenparteien unmittelbar der IKL organisatorisch zugute kommen würde. Es wurde behauptet, dass unsere linken Opponenten durch ihre Wahlunterstützung für die Sozialdemokratie ohne weiteres diskreditiert würden und uns daher ein beträchtliches organisatorisches Wachstum bevorstehe. Ein IS-Memorandum vom Januar 2000 spielte Arbeiterkämpfe, die einen defensiven Charakter hatten, hoch und postulierte:

„In Europa und anderen Ländern können die Verhältnisse, die zum Anwachsen der Faschisten geführt haben, auch proletarische Explosionen auslösen, die das Gerüst des bürgerlichen Parlamentarismus sprengen, das den bestehenden reformistischen Irreführern in der Arbeiterbewegung und ihren zentristischen Anhängseln als Stütze dient. Das könnte selbst kleinen trotzkistischen Propagandagruppen Gelegenheiten zu exponentiellem Wachstum geben, vorausgesetzt, wir nehmen diese Gelegenheiten aktiv wahr und intervenieren effektiv.“

Diese Vorhersage überschätzte bei weitem das bestehende Bewusstsein der Arbeiterklasse und umgekehrt unterschätzte sie die Hindernisse, die überwunden werden müssen, um Arbeiter und Jugendliche zu einer marxistischen Perspektive zu gewinnen. Ähnliche falsche Vorhersagen sorgten auch für Desorientierung bei unserer Arbeit in den USA. Nachdem wir eine enorm erfolgreiche Einheitsfrontmobilisierung von Arbeitern/Schwarzen initiiert hatten, die im Oktober 1999 den Ku Klux Klan aus New York City vertrieb, schlossen wir von diesem machtvollen defensiven Kampf auf einen qualitativen Sprung im proletarischen Klassenbewusstsein; fälschlicherweise meinten wir, es gäbe eine einmalige Gelegenheit zur massenhaften Rekrutierung junger schwarzer Arbeiter.

Als in Europa die arbeitenden Massen mit Jospins französischer Volksfrontregierung und mit der Blair-Regierung in Britannien immer mehr unzufrieden wurden, passten sich die größeren unserer linken Opponenten, wie Lutte ouvrière und die britische SWP, dem an und wurden gegenüber diesen nunmehr regierenden Staatsparteien kritischer, ohne auch nur im Geringsten den von Grund auf reformistischen Inhalt ihrer eigenen Programme zu ändern. Um Einzelpersonen zu rekrutieren, muss man sie politisch von einer reformistischen oder linksliberalen Weltsicht weg- und zum authentischen Marxismus hingewinnen, was viel schwieriger ist als die Entlarvung einer rechtsgerichteten sozialdemokratischen Partei.

Die Vorhersage „historischer Durchbrüche“ und exponentiellen Wachstums führte zu Desorientierung, besonders bei den europäischen Sektionen, und auch zu unberechtigter Kritik an Kadern, wenn diese die unrealistischen Rekrutierungserwartungen nicht erfüllen konnten. In diesem Zusammenhang wurde die Behauptung: „Wir waren die revolutionäre Führung“ — die im Kampf gegen Nordens Liquidatorentum hinsichtlich 1989/90 zu Recht, wenn auch übertrieben, aufgestellt wurde — auf einer SpAD-Konferenz 1999 von Vertretern des IS bekräftigt und unseren Genossen in Deutschland als eine aus jeglichem Zusammenhang gerissene, sektiererische Formel auferlegt. Gleichzeitig bestand das IS zu Unrecht darauf, die einseitige und unzutreffende Formulierung „Die PDS führte die Konterrevolution“ als Interventionslosung in Deutschland (aber nicht für andere IKL-Sektionen) beizubehalten, was jede polemische Auseinandersetzung mit der reformistischen PDS nur sterilisieren konnte.

Eine durchdachte marxistische Intervention verlangt Aufmerksamkeit gegenüber den Entwicklungen in der betreffenden Gesellschaft, nicht leere Phrasendrescherei. In Britannien zum Beispiel gab es ein zunehmendes Zerwürfnis zwischen der Führung der Labour Party unter Tony Blair und der traditionellen Gewerkschaftsbasis der Partei. Diese Spaltung wird aber nicht, wie Leninisten es erwartet hätten, durch eine proletarische Revolte gegen die rechtsgerichteten Labour-Führer vorangetrieben. Stattdessen drängen Blair & Co. auf einen Bruch mit der proletarischen Labour-Basis und sogar mit der über dieser Basis thronenden Gewerkschaftsbürokratie, um so die Partei in eine bürgerliche Formation zu verwandeln, die den US-Demokraten ähnlich wäre. In diesem Zusammenhang verfolgten wir sehr aufmerksam Arthur Scargills Gründung der Socialist Labour Party (SLP). Bei den Wahlen 2001 gab die Spartacist League/Britain der SLP kritische Wahlunterstützung, was es uns ermöglichte, aktiv unsere Opposition gegen Blairs New Labour zu zeigen und gleichzeitig der „Old-Labour“-Politik von Scargill das bolschewistische Programm gegenüberzustellen.

Beschlüsse der Konferenz

Eine Podiumsdiskussion zu den spezifischen Eigentümlichkeiten des imperialistischen Systems in dieser Periode umfasste Berichte von Genossen unserer amerikanischen, britischen, japanischen und südafrikanischen Sektion. Ein Referent bemerkte, dass die USA ihre Hegemonie in der imperialistischen Welt Anfang der 70er-Jahre verloren hatten, als sie sich in einem aussichtslosen, konterrevolutionären Krieg in Vietnam festfuhren. Dies hatte eine Periode wiederauflebender imperialistischer Rivalitäten eröffnet. Jedoch, fuhr er fort: „Die Welt steht nicht still, und die amerikanischen Kapitalisten bekriegten ihre westdeutsche und japanische Wirtschaftskonkurrenz vor allem durch Angriffe auf die US-Gewerkschaften und durch das Hochschrauben der Ausbeutungsrate. Es folgten die Carter-, Reagan- und Bush-Jahre. Am Ende dieser Periode gab die konterrevolutionäre Zerstörung der Sowjetunion einer zweiten Runde von globalen kapitalistischen Investitionen enormen Auftrieb.“

Unser IEK-Memorandum von 1996 sah eine zu rasche Eskalation diplomatischer und militärischer Spannungen zwischen den imperialistischen Mächten voraus, indem es behauptete, dass die Teilung und Besetzung Jugoslawiens im Anschluss an die nationalistischen Bürgerkriege Anfang der 90er-Jahre „die Basis für zukünftige Konflikte und Kriege legt, einschließlich des möglichen Einsatzes von Atomwaffen“. Solch eine verkürzte Sicht auf das Entwicklungstempo kann nur zu politischer Desorientierung führen. Tatsächlich dauerte es mehr als ein Jahrzehnt, bis es bei der US-Invasion des Iraks zu einem größeren diplomatischen Riss zwischen Washington und den europäischen Hauptmächten kam. Das Verhältnis zwischen den verschiedenen imperialistischen Mächten ist anders als in der Periode vor dem Ersten Weltkrieg und der Oktoberrevolution, da bis jetzt auf militärischer Ebene keine Macht mit den Vereinigten Staaten konkurrieren kann. Doch die überwältigende militärische Überlegenheit des US- Imperialismus entspricht nicht einer qualitativ ähnlichen wirtschaftlichen Vormachtstellung und daher werden seine Rivalen zwangsläufig den militärischen Rückstand aufzuholen versuchen. Wachsende interimperialistische Spannungen setzen unsere verschiedenen nationalen Sektionen unterschiedlich unter Druck — Unterschiede, die durch ständige Überprüfung und Diskussion ausgewertet werden müssen.

Mehrere Genossen äußerten sich zu einer Diskussion in der IKL über den Charakter verschiedener fortgeschrittener kapitalistischer Länder, die international entweder eine geringe oder gar keine unabhängige Rolle spielen. Zum Hauptkonferenzdokument wurde ein Zusatz angenommen, der bekräftigt: „Weder Kapitalexport noch militärische Stärke an sich reicht aus, damit ein Land imperialistisch wird. Die Frage ist historisch bedingt und konkret. Britannien, Kanada, Australien und die Schweiz nehmen an der imperialistischen Arbeitsteilung teil — als unterschiedlich altersschwache, räuberische und untergeordnete Imperialisten.“ Es sollen weitere Diskussionen zu diesen und verwandten Fragen stattfinden, insbesondere zum einzigartigen Charakter Südafrikas.

Die Konferenz diskutierte auch die Frage der Kandidatur für ein Amt der Exekutive bei bürgerlichen Wahlen. Kommunisten übernehmen kein Amt, das ihnen Verantwortung für die Verwaltung des bürgerlichen Staates auferlegt, da dies notwendigerweise Klassenzusammenarbeit bedeutet. Die Entscheidung der Kommunistischen Partei Deutschlands 1923, in die Länderregierungen von Sachsen und Thüringen einzutreten, war Teil der politischen Desorientierung der Partei, die zum Scheitern einer viel versprechenden revolutionären Situation führte (siehe „Eine trotzkistische Kritik: Deutschland 1923 und die Komintern“, Spartacist, deutsche Ausgabe Nr. 22, Sommer 2001). Allerdings: Cannons SWP stellte Kandidaten bei US-Präsidentschaftswahlen oder für Exekutivämter auf, und auch die Spartacist League/U.S. hat für lokale Ämter wie das Amt des Bürgermeisters kandidiert. Das Konferenzdokument bekräftigte:

„Die Kandidatur für solche Ämter verstößt nicht gegen unsere Grundsätze, solange unsere Kandidaten von vornherein erklären, dass sie nicht die Absicht haben, im Falle ihrer Wahl solche Ämter anzunehmen, und solange sie deutlich machen, weshalb es notwendig ist, eine Arbeiterregierung zu schmieden, die die Kapitalisten enteignet und deren Apparat der Klassenunterdrückung wegfegt. Ein Artikel vom Januar 1932 in Young Spartacus, Zeitung der Jugendgruppe der Communist League of America, machte die Haltung der Trotzkisten zur Annahme von Exekutivämtern deutlich: ,Kann sich also ein Kommunist an einer bürgerlichen Regierung in leitender Stellung beteiligen? Die Antwort ist: Nein. Beteiligung an der Regierungsarbeit, d.h. ein Sitz im Ministerium oder Kabinett, bedeutet nur eines: Beihilfe zur Unterdrückung der Arbeiterklasse. Das kann ein Kommunist nicht machen.‘“

Im Laufe der Konferenz wurden etliche kleinere Arbeitsausschüsse einberufen. In der Frauenkommission gab es eine lebendige Diskussion über unsere Einschätzung der Prostitution in Europa nach der Zerstörung der Sowjetunion. Dabei wurde auch unsere historische Position der Ablehnung von Gesetzen gegen Prostitution besprochen, bei der es sich — wie bei Glücksspiel, Pornografie, Drogen und Trinken — um ein „Verbrechen ohne Opfer“ handelt (siehe „US/UN-Kreuzzug gegen ,Sexhandel‘“, S. 64). Die meisten IKL-Sektionen haben in ihrer jeweiligen Zeitung regelmäßig Frauen und Revolution- Seiten. Die Genossen bemerkten, dass Artikel zur Frauenfrage und zu weiter gefassten sozialen Themen besonders gut geeignet sind für die Darlegung unserer Zukunftsvision einer auf der Machtergreifung des Proletariats beruhenden sozialen Emanzipation. Wie das Konferenzdokument feststellte: „Wir kämpfen dafür, ein leninistischer Volkstribun zu sein, der sich für die Unterdrücktesten und die Wehrlosesten der Gesellschaft einsetzt, seien es nun die North American Man/Boy Love Association (NAMBLA) oder muslimische Immigrantinnen, die wegen Tragens des Kopftuches schikaniert werden.“

Das Dokument stellte fest, dass es derzeit kein sich nach links bewegendes politisch definiertes Milieu gibt und dass wir nicht wissen, wo Kämpfe ausbrechen werden. Daher sei eine geographische Ausbreitung, soweit es unsere Ressourcen zulassen, äußerst wichtig, und das gelte auch für die Verankerung im Proletariat, wo wir existieren; denn damit kann die IKL in eine bessere Ausgangslage zur Beeinflussung zukünftiger Kämpfe gebracht werden. Das Dokument umriss Elemente unserer gegenwärtigen und zukünftigen Aufgaben — die Schlüsselstellung, die der Kampf um China einnimmt, und die Notwendigkeit, dies durch besser durchdachte Propaganda anzusprechen; relevante Propaganda zur Intervention im anarchistischen Milieu, wo viele der radikaleren Jugendlichen zu finden sind; fortgesetztes Eintreten für die Sache unterdrückter Immigranten und Minderheiten, die die ersten Opfer der weltweiten Wirtschaftsrezession und des „Krieges gegen den Terror“ sind. Die Konferenz bekräftigte erneut, dass es bei unserer gegenwärtigen Größe, unseren Ressourcen und unserer Struktur die Hauptaufgabe des IS ist, die geeignete, notwendige und dringliche schriftliche Propaganda herauszubringen, vor allem den viersprachigen Spartacist. Wir stellen uns eine regelmäßigere und häufigere Produktion des Spartacist vor, die ihn dazu befähigen sollte, der Presse der Sektionen als Wegweiser zu dienen.

Ganz allgemein benötigen wir in einer Periode, in der man nicht einfach davon ausgehen kann, dass sich linke Aktivisten zum Marxismus bekennen, Artikel, die unserer Mitgliedschaft und unseren Lesern eine eher grundlegende Darstellung unserer Weltsicht vermitteln. Das ideologische Klima des „Tod des Kommunismus“ hat uns die bedeutende Aufgabe auferlegt, nicht nur die Grundprinzipien des Marxismus, sondern auch den rationalistischen Humanismus der Aufklärung zu verteidigen — Letzteren gegen einen Großteil der selbsterklärten Linken. Unter anderen mussten unsere südafrikanische und unsere mexikanische Sektion Dritte-Welt-Nationalisten bloßstellen, die die kriminelle Bombardierung des World Trade Centers als einen „antiimperialistischen Akt“ bejubelten.

Bei der Bestimmung unserer Aufgaben für die kommende Periode lassen wir uns von dem Verständnis leiten, das in der auf der III. Internationalen Konferenz 1998 angenommenen „Grundsatzerklärung und einige Elemente des Programms“ der IKL ausgedrückt wird:

„,Marxismus ist kein Dogma, sondern eine Anleitung zum Handeln.‘ Die Internationale Kommunistische Liga (Vierte Internationalisten) steht im Kampf für eine sozialistische Zukunft an vorderster Front. Die IKL ist die einzige internationale Organisation, die gegenwärtig eine korrekte allgemeine Auffassung der Weltlage hat und der Aufgaben, vor denen das Weltproletariat steht. Die Ungleichheit zwischen unserer geringen Anzahl und der Macht unseres Programms ist riesengroß. Gegenwärtig sind die Sektionen der IKL kämpfende Propagandagruppen oder streben danach, sie zu werden. Unsere unmittelbare Aufgabe ist die Ausbildung und Entwicklung von Kadern, die Rekrutierung der fortgeschrittensten Schichten der Arbeiter und Jugendlichen, indem wir sie für unser volles Programm gewinnen, durch die Erklärung unserer Auffassungen in scharfem Gegensatz zu denen unserer zentristischen Opponenten. Revolutionäre Umgruppierungen auf dem Programm des leninistischen Internationalismus sind das Mittel, um das Mißverhältnis zwischen unseren geringen Kräften und unserer Aufgabe zu lösen.“

Spartacist, deutsche Ausgabe Nr. 20, Sommer 1998

Zahlreiche Genossen aus der ganzen IKL traten im Verlauf unserer jüngsten internen Kämpfe hervor und demonstrierten, dass wir einen wirklich internationalen Kaderstamm haben. Die Konferenzdelegierten wählten ein neues IEK, das bis zur Einberufung einer neuen Konferenz als höchstes politisches Gremium der IKL fungiert. Der Referent für die Nominierungskommission, die den Auftrag hatte, eine Liste für das neue IEK vorzuschlagen und vorzustellen, erwähnte Cannons Ermahnung, dass der Führungskader „eine inklusive und keine exklusive Auswahl“ sein soll („Fraktionskampf und Parteiführung“ in Spartacist, deutsche Ausgabe Nr. 18, Frühjahr 1997). Das neue IEK enthält Elemente der alten Führung — darunter Genossen, die schwere Fehler gemacht haben, deren Fähigkeiten man sich aber im Rahmen eines größeren Kollektivs zunutze machen sollte — wie auch Genossen, die zum ersten Mal in unser führendes Gremium gewählt wurden, insbesondere aus unseren europäischen Sektionen. Es ist jünger als das abtretende IEK und deckt auch ein größeres geografisches Spektrum ab. Die Konferenz betonte mit Nachdruck, dass in Zukunft das IEK eine zentralere Rolle bei der politischen Leitung der IKL spielen muss; die Aufgabe des IS, seines Exekutivgremiums in unserer Zentrale, ist es, die notwendige politische Diskussion innerhalb des gesamten IEK anzuleiten. In Erwägung, dass unsere internationale Führung unserer amerikanischen Sektion mehr Aufmerksamkeit schenken muss, wurden zwei IEK-Mitglieder zu Vertretern im SL/U.S.-Zentralkomitee ernannt, wie es auch IEK-Vertreter in Führungsgremien einiger anderer Sektionen gibt.

Das Dokument der IV. Internationalen Konferenz bekräftigte nachdrücklich unsere Entschlossenheit, unsere revolutionäre Kontinuität zu wahren und zur Wiederschmiedung der Vierten Internationale voranzuschreiten. Es führte aus:

„Es ist entscheidend, dass zukünftige Arbeiterrevolutionen ein bolschewistisches politisches Arsenal besitzen; ihre Kader müssen anhand der Erfahrungen der bolschewistischen Revolution, der frühen Kommunistischen Internationale, Trotzkis Vierter Internationale und unserer eigenen IKL ausgebildet werden. Nur diejenigen werden neue Errungenschaften erkämpfen, die sich als fähig erweisen, die vorhandenen Errungenschaften zu verteidigen. Die IKL kämpft hartnäckig dafür, das Banner neuer Oktoberrevolutionen hoch zu halten.“