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Spartakist Nummer 189

Juli 2011

Berliner Wahl 2011: Nichts zu wählen für Arbeiter, Unterdrückte

SPD/LINKE-Senat: Sozialkahlschlag, Angriffe auf Gewerkschaften

Seit zehn Jahren „saniert“ der Berliner SPD/Linkspartei-Senat nun mit brutalen sozialen Angriffen auf die arbeitende Bevölkerung die Stadt für die Kapitalisten. Die Bundesregierung ließ Berlin durch die Streichung der westdeutschen Berlinförderung bankrott gehen. Die im Kalten Krieg zu Propagandazwecken gegen die DDR aufpolierte Fassade Westberlins war nicht mehr nötig. In der Folge wanderten große Teile der Industrie Westberlins ab und dazu kam die Zerschlagung der ostdeutschen Industrie. Von 300 000 Westberliner Industriearbeitsplätzen 1991 waren zehn Jahre später weniger als 90 000 übrig, in Ostberlin blieben von 110 000 gerade mal 7900 übrig. Berlin ist heute die Hauptstadt der Hartz-IV-Empfänger. Neben den ostdeutschen Arbeitern ist besonders die türkisch- und kurdischstämmige Bevölkerung in Westberlin von der Deindustrialisierung betroffen und heute sind Teile von sowohl Marzahn/Hellersdorf als auch von Neukölln, Kreuzberg und Wedding Armenviertel.

Verschärft wurde die öffentliche Verschuldung durch den Zusammenbruch der Berliner Bankgesellschaft 2001, die auf massiv steigende Immobilienpreise in Berlin spekulierte. Beispielsweise wurden jahrelang „Rundum-sorglos“-Immobilienfonds mit letztlich staatlichen Mietzinsgarantien bis zu acht Prozent über 25 Jahre mit Rückzahlungsgarantien am Ende der Laufzeit verschachert. In diesem Kontext kam die jetzige Koalition an die Macht. Viele hatten SPD und Linkspartei in der Hoffnung gewählt, dass sie Schlimmeres für die ärmere und arbeitende Bevölkerung verhindern würden, wenn sie den Senat stellen. Schließlich sind sie mit den Gewerkschaften verbunden und in der Arbeiterklasse verankert. Aber beide Parteien sind bürgerliche Arbeiterparteien. Sie akzeptieren den Kapitalismus und wollen ihn verwalten, und das ist unvereinbar mit den Interessen der Arbeiterklasse.

Der SPD/Linkspartei-Senat vollstreckt, was mit der Gründung der Berliner Bankgesellschaft 1994 als halbstaatliches und halbprivates Konsortium bezweckt worden war: Verluste sozialisieren, Gewinne privatisieren. Er sorgt mit Milliarden Euros dafür, dass sich keiner der Profiteure, die die Berliner Landesbank ruinierten, auch nur um einen einzigen Cent seiner für „normale“ kapitalistische Verhältnisse unverschämten Gewinne sorgen musste. Die Justiz offenbarte wieder einmal ihren Klassencharakter und sprach Mitte Februar diesen Jahres Klaus Landowsky, einen der zentralen Strippenzieher der Abzocke, endgültig frei. Fast zeitgleich machte der Senat tausende Bullen mobil und ließ das besetzte Haus in der Liebigstraße 14 räumen.

Auch die Privatinvestoren von RWE und Veolia können „rundum sorglos“ sein, denn SPD/PDS verlängerten 2004 das Gesetz zur Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe, denn „anderenfalls wäre das Land aus den Verträgen von 1999 direkt in Anspruch und Haftung genommen worden,“ rechtfertigte der Berliner Linkspartei-Vorsitzende Klaus Lederer diese Fortsetzung der Ausplünderung der Berliner Bevölkerung. Teilprivatisierung bedeutet nämlich nicht weniger Privatisierung, sondern, dass Gewinne und Verluste „geteilt“ werden: die arbeitende Bevölkerung der Stadt steht aufgrund der vereinbarten Renditegarantie notfalls mit Steuergeldern für fette Mindestgewinne gerade, die die Kapitalisten einstreichen. Im Gegenzug darf man heute in Berlin 2,24 Euro pro Kubikmeter Wasser zahlen, während man beispielsweise in München 1,52 Euro bezahlt. 1700 der 6700 Jobs der Wasserbetriebe wurden zerstört und die Investitionen um ein Drittel zusammengestrichen.

Insgesamt sind bis heute 100 000 der vormals 200 000 Stellen im öffentlichen Dienst Berlins zerstört worden und der jetzige Senat reiht sich nahtlos in die Kürzungsorgie seiner Vorgänger ein. Darüber hinaus hat er durch seine Lohnraubpolitik im Öffentlichen Dienst allein zwischen 2003 und 2009 1,8 Milliarden Euro „eingespart“. Die Angriffe der letzten Jahre werfen ein Schlaglicht auf den Klassencharakter des SPD/Linkspartei-Senats, der eine kapitalistische Regierung ist, Teil des kapitalistischen Staates, der von Friedrich Engels auch treffend als der „ideelle Gesamtkapitalist“ bezeichnet wurde. Dabei hat der SPD/Linkspartei-Senat eine Arbeitsteilung entwickelt, bei der Innensenator Ehrhart Körting oder auch Thilo Sarrazin, bis 2009 Berliner Finanzsenator, mit rassistischer und gegen die Armen gerichteter Hetze fürs Grobe zuständig sind, so dass der Bürgermeister Klaus Wowereit und Teile der Linkspartei als die mäßigenden Linken auftreten können. Am Ende aber werden die vom Kapital erheischten Kürzungen durchgedrückt. Am Rockzipfel der Linkspartei wiederum hängt die gesamte reformistische Linke von der DKP bis hin zur Gruppe Arbeitermacht (GAM) und der Sozialistischen Alternative (SAV).

Charité-Streik und SPD/Linke-Senat

Wie die syphilitische Kette der Sozialdemokratie funktioniert, wo der linke Flügel die Verbrechen des rechten Flügels abdeckt, konnte man beim Charité-Streik vom 2. bis 6. Mai sehen. Die Arbeitsbedingungen in Berlins Krankenhäusern sind katastrophal. In Vorbereitung umfassender Angriffe auf die Belegschaften wurden 2001 die zehn Berliner öffentlichen Krankenhäuser in die Vivantes GmbH überführt und das Krankenhaus Moabit, das eine zentrale Rolle bei der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung mit türkischem oder kurdischem Hintergrund gespielt hatte, wurde dicht gemacht. Das war ein weiteres übles Beispiel für die rassistische Verachtung, die die kapitalistischen Herrscher und ihre Schergen des Senats gegenüber der eingewanderten Bevölkerung hegen, deren soziale Existenz sie zerstört haben. 2003 wurde die Zusammenfassung der Hochschulkliniken Charité, Virchow und des Klinikums Benjamin Franklin unter dem Mantel der Charité beschlossen.

Zuvor war der Senat aus dem Arbeitgeberverband des Öffentlichen Dienstes ausgetreten und hatte die Tarifverträge einseitig gekündigt. Mit Insolvenzerpressung würgte er den 14 000 Vivantes-Beschäftigten unter Komplizenschaft der ver.di-Bürokraten einen „Nottarifvertrag“ rein, der Lohnkürzungen durch die Streichung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld bedeutete. Den Charité-Beschäftigten wurde bis zum Streik 2006 jahrelang ein Tarifvertrag verweigert und der Durchschnittsverdienst liegt heute ca. 14 Prozent unter dem Bundestarif. Von 1991 bis 2008 wurden in Berliner Krankenhäusern kontinuierlich insgesamt 21 300 Vollarbeitsplätze von ehemals 57 600 zerstört. Während die Zahl der Ärzte leicht stieg, war vor allem das Pflegepersonal davon betroffen, dessen Stellen um 37 Prozent gekürzt wurden. Chronische Unterbesetzung der Stationen und Arbeitshetze bei sinkenden Löhnen wurden zur beabsichtigten Regel. Mit Auslagerungen wie 2006 an der Charité, wo das nichtmedizinische Personal in die tariflose Charité Facility Management (CFM) gezwungen wurde, spaltete der Senat die Belegschaft auf, um so besser die Löhne drücken zu können. Wie groß Personalmangel und Arbeitshetze sind, kann man an dem grausigen Vorfall vom März 2009 erahnen, als ein 29-jähriger Dresdener sechs Tage tot auf einer Charité-Toilette lag, ehe er gefunden wurde. Jetzt sollen die Labore ausgelagert werden.

Entsprechend groß war die Wut unter den gewerkschaftlich organisierten Charité-Beschäftigten, die mit 93 Prozent für den Streik stimmten. Seitens der Berliner Bevölkerung war die Unterstützung für den Streik nach den jahrelangen Verschlechterungen der Gesundheitsversorgung groß und der Streik lag auch im direkten Interesse der arbeitenden und armen Bevölkerung, die auf die öffentliche Gesundheitsversorgung angewiesen ist. Der Streik wurde insbesondere vom Pflegepersonal getragen, das versuchte, mehr Stationen in den Streik einzubeziehen. Mehr und mehr Betten wurden bestreikt, viele Operationssäle blieben geschlossen. Der finanzielle Schaden für die Blutsauger des Senats soll eine Million Euro täglich betragen haben. Dies wurde dadurch ermöglicht, dass auch ein Teil des in die CFM ausgelagerten Personals mitstreikte. Die gemeinsame Streikfront von Krankenschwestern/-pflegern und Technik/Reinigungspersonal hatte das Potenzial, den Betrieb effektiv lahmzulegen und damit die Spaltung der Belegschaft zu durchkreuzen.

Wir argumentierten mit Streikenden dafür, dass alle Beschäftigten zusammen streiken. Das schloss auch die Ärzte ein, die aufgrund ihrer stärkeren Position seit 2006 nicht mehr den Ausverkauf durch die ver.di-Spitzen hinnehmen wollten und sich durch ihre ständische Vertretung, dem Marburger Bund, einen besseren Tarif nur für sich erkämpften. So wie damals ver.di dem Streik des Marburger Bundes in den Rücken fiel, beteiligten sich nun die Ärzte nicht am Streik. Teile der IG-BAU-Bürokratie begingen faktisch Streikbruch, indem sie Arbeiter auf Plakaten warnten, sich am Streik zu beteiligen. So versuchten sie von vornherein einen geschlossenen Streik der Charité-Beschäftigten zu verhindern und ließen das zu Hungerlöhnen schuftende Reinigungspersonal im Regen stehen. Wir betonten, dass die Gewerkschaften die Unorganisierten organisieren müssen. Gegen die vielfältigen Spaltungen der Belegschaft ist es notwendig, gemäß dem alten gewerkschaftlichen Prinzip „ein Betrieb, eine Gewerkschaft“ zu kämpfen. Schlüssel dafür ist der Kampf für eine klassenkämpferische Gewerkschaftsführung, was mit dem Aufbau einer revolutionären multiethnischen Arbeiterpartei verbunden ist.

Notwendig ist der Kampf für kostenlose Gesundheitsversorgung aller auf höchstem Niveau. Wie Trotzki im Übergangsprogramm der Vierten Internationale 1938 ausführte:

„Kann der Kapitalismus die Ansprüche nicht befriedigen, die sich unvermeidlich aus den von ihm erzeugten Übeln ergeben, dann mag er zugrunde gehen. Ob jene Forderungen ‚realistisch‘ oder ‚unrealistisch‘ sind, ist hierbei eine Frage des Kräfteverhältnisses und kann nur durch den Kampf entschieden werden. Durch diesen Kampf, welche unmittelbaren praktischen Erfolge er auch erzielen mag, werden sich die Arbeiter am besten von der Notwendigkeit überzeugen, die kapitalistische Sklaverei zu beseitigen.“

Die ver.di-Führung akzeptiert jedoch den Rahmen des Kapitalismus und ist der „Sozialpartnerschaft“ und dem „Betriebsfrieden“ verpflichtet. Und in diesem Rahmen ist der jetzige kapitalistische SPD/Linke-Senat das „kleinere Übel“. Sie unterstützen ihn daher politisch und kapitulieren häufig noch viel weitergehend, als wenn ihnen bei Verhandlungen Vertreter der bürgerlichen Parteien wie CDU, FDP oder Grüne gegenübersitzen würden.

SAV rechtfertigt Ausverkauf

Die SAV, die Einfluss auf die Streikleitung der Charité hatte, teilt den politischen Rahmen der ver.di-Führung und möchte lediglich mit mehr Militanz ein paar größere Krumen vom Tisch der Kapitalisten ergattern. Vor fünf Jahren hatte die SAV noch heftig gegen die Politik des damaligen SPD/PDS-Senats gestritten und kandidierte gegen ihn als Teil der Berliner WASG. Wie wenig hinter ihrer damaligen Opposition steckte, kann man daran sehen, dass sie sich heute wieder unter dem Dach der Linkspartei befinden. Sie schrieben drei Tage vor dem Streik am 29. April: „Geld ist genug da, es ist nur in den falschen Händen. Ob es in die richtigen Hände kommt, ist eine politische Entscheidung! Euer Kampf wird erfolgreich sein, wenn es euch gelingt, nicht nur den Druck auf die Geschäftsleitung, sondern auch den politischen Druck auf Rot-Rot zu steigern.“ Und sie versprachen „den Druck innerhalb der Partei DIE LINKE, in der wir kritische Mitglieder sind, weiter aufzubauen“.

Tatsächlich erwiesen sich die Verbindungen der ver.di-Spitzen mit SPD und Linkspartei als fatal für den Streik. Denn gerade als der Streik anfing Wirkung zu zeigen und weh zu tun, setzten ihn die Spitzen der ver.di-Bürokratie nach fünf Tagen aus und würgten ihn ab. Die Bosse hatten zuvor offensichtlich mit der Zustimmung des Regierenden Bürgermeisters Wowereit (SPD) und des Wirtschaftsenators Wolf (Linkspartei) gedroht, das Uniklinikum Benjamin Franklin innerhalb von Tagen zu schließen, wenn der Streik fortgesetzt wird. Die Belegschaft des Benjamin Franklin war nicht beeindruckt und stimmte für die Fortsetzung des Streiks. Die ver.di-Bürokraten kuschten aber sofort vor ihren „Genossen“ des Senats und brachen ihn ab. Die richtige Antwort wäre gewesen, die Beschäftigten aller Berliner Krankenhäuser, der Stadtreinigung, der BVG und der S-Bahn zu einem Warnstreik in Solidarität mit den Charité-Beschäftigten aufzurufen und vor dem Roten Rathaus dagegen zu protestieren.

Die Aussetzung des Streiks stieß auch den CFM-Arbeitern das Messer in den Rücken, die ohne Tarifvertrag alleine weiterstreikten, während das Pflegepersonal – das in der ver.di-Mitgliederversammlung zu über 70 Prozent gegen den Ausverkauf gestimmt hatte – zähneknirschend wieder zur Arbeit zurückkehren musste. Durch die Aussetzung wurden die Streikaktivisten von ihrer Streikleitung demobilisiert und dann mit der demoralisierenden Propaganda von Bossen und rechten ver.di-Bürokraten weichgeklopft.

Kein Wunder, dass letztlich eine Mehrheit für den Ausverkauf stimmte. Für fünf Jahre knebelt der von Senat und ver.di-Spitzen ausgehandelte Tarifvertrag die Charité-Belegschaft mit einer „Friedenspflicht“, die selbstverständlich null Geltung für die Bosse hat, wenn es um die Fortsetzung der Angriffe durch Auslagerungen, Umstrukturierungen und Arbeitshetze geht. Die Streikleitung um Carsten Becker akzeptierte den von der sozialdemokratischen Gewerkschaftsbürokratie vorgegebenen Rahmen und argumentierte für die Aussetzung des Streiks. Das war ein Ausverkauf aller Charité-Beschäftigten, insbesondere der Arbeiter der CFM, die besonders auf die Unterstützung der anderen Beschäftigten angewiesen waren. Becker und Co. stellten ihr Image als kämpferischere Gewerkschafter in die Dienste der rechteren ver.di-Bürokraten, die so mit ihrer Hilfe den Streik stoppten und einen Abschluss durchdrückten, den „ihr“ SPD/Linkspartei-Senat für noch akzeptabel erachtet. Um Beckers angekratztes linkes Image wiederaufzupolieren, unterstrich die SAV in einem Flugblatt (31. Mai) an die Charité-Angestellten dann, dass Becker auf der ver.di-Mitgliederversammlung nach Unterbrechung des Streiks den Tarifabschluss kritisiert hatte.

GAM für kämpferischen Reformismus

Der SAV-Führer Sascha Stanicic verteidigte die Aussetzung des Streiks, die den Ausverkauf vorbereitete, in der Solidarität (23. Mai) gegen Kritik z. B. seitens der GAM, die zu Recht den Verrat an den CFM-Arbeitern kritisierte und die SAV als „linke Flankendeckung des ver.di-Apparates“ (Neue Internationale, Juni 2011) anprangerte. Ganz wie die gesetzten Gewerkschaftsbürokraten schob Stanicic die Verantwortung auf die Arbeiter, denn „eine lange anhaltende massive Einschränkung oder sogar ein Zusammenbruch der Krankenhausversorgung mit all seinen medizinischen Folgen [ist] in Teilen der Arbeiterklasse schwerer vermittelbar“. Die Forderung nach gemeinsamem Kampf der Pflegekräfte mit den CFMlern tat er als „faktisch eine Art Stellvertreterkampf“ ab.

Doch die Frage von SPD und Linkspartei wird von der GAM nur am Rande erwähnt. Kein Wunder. In ihrem eigenen Streikflugblatt vom 5. Mai erklärte die GAM einerseits, dass „SPD wie LINKE … diese Politik“ der jahrelangen Angriffe des Berliner Senats im Gesundheitswesen „fortsetzen“ wollen, schürte aber andererseits im selben Atemzug die gleichen Illusionen in den SPD/Linke-Senat wie die SAV:

„Natürlich können und müssen wir uns im Streik die Lage des Senats zunutze machen. Wenn SPD und LINKE behaupten, auf der Seite der Beschäftigten zu stehen, so sollen sie das beweisen, indem sie für die SOFORTIGE Erfüllung ALLER Forderungen sorgen!“

Dahinter steht das Programm der GAM, die Sozialdemokratie zum Kämpfen zu bringen, d. h. sie will einen militanteren Reformismus. Daher ruft sie auch fast ausnahmslos zur Wahl von SPD und/oder Linkspartei auf. Unsere Perspektive ist dem entgegengesetzt. SPD und Linkspartei sind bürgerliche Arbeiterparteien, deren proletarische Basis von ihrer bürgerlichen Führung gebrochen werden muss. Wir kämpfen für den Aufbau einer revolutionären multiethnischen Arbeiterpartei, Teil der wiederzuschmiedenden Vierten Internationale. Zur Wahl erklären wir wie schon 2001 und 2006 klipp und klar: Keine Stimme für SPD und PDS bzw. Linkspartei.

Politische Banditen der PSG rufen zum Kampf gegen ver.di

Auch die Partei für Soziale Gleichheit (PSG) intervenierte in den Charité-Streik. Wir charakterisieren diese Gruppe als politische Banditen, weil sie keinerlei Prinzipien kennen und jede Fahne hissen können, um ein beliebiges Ziel anzugreifen (siehe „Healyismus zerstoben“ in Spartacist, deutsche Ausgabe Nr. 12, Winter 1986/87). Sie verbreitete bei dem Streik ihre antigewerkschaftliche Linie, die Gewerkschaften seien „organisch unfähig, die Interessen der Beschäftigten zu verteidigen“ und versteigerten sich sogar zu der absurden Behauptung, ver.di hätte den Streik „nicht etwa ausgerufen, um die Interessen der Beschäftigten durchzusetzen, sondern um einen wirklichen Kampf für diese Interessen von vornherein zu blockieren“ (Flugblatt vom 3. Mai). Für die PSG war der ver.di-Streik offenbar kein „wirklicher Kampf“. Diese üble frontale Attacke auf eine Gewerkschaft im Streik und auf elementarste Klassensolidarität, konnte nur dazu dienen, die Streikenden zu demoralisieren.

Jetzt ruft die PSG zum Kampf gegen ver.di auf: „Die Interessen der Beschäftigten können angesichts dieser Entwicklung nur im direkten Kampf gegen ver.di verteidigt werden. Der Gewerkschaft muss die Kontrolle über diesen und alle zukünftigen Arbeitskämpfe entzogen werden“ (12. Mai). Als Ersatz bieten sie nichtexistente „Komitees“ an, die den Kampf führen sollen. In Wirklichkeit würde dies zu gewerkschaftsfreien Krankenhäusern führen, was genau das ganze Ziel der jahrelangen Auslagerungen und Privatisierungen seitens der Bosse ist. Wir kämpfen im Gegensatz dazu für eine klassenkämpferische Gewerkschaftsführung. In ihrer Antwort auf Sascha Stanicics Polemik reiten sie dann darauf herum, dass Stanicic Juso-Vorsitzender in Aachen war – und das von einer Organisation, die jahrzehntelang selber immer zur Wahl der SPD aufrief, solange die von ihr und den Sozialdemokraten gehasste Sowjetunion existierte. Keine Stimme für die dubiose gewerkschaftsfeindliche PSG!

SPD/LINKE-Senat bahnt Nazi-Terror den Weg

Am 14. Mai versuchte die Berliner Polizei 100 Nazis zu ermöglichen, für ihr rassistisches Völkermordprogramm mitten durch den von Migranten und Linken bewohnten Berliner Stadtteil Kreuzberg zu marschieren. Die Nazis griffen Linke und Immigranten am U-Bahnhof Mehringdamm an und verletzten sie mit Knüppeln, Schlägen und Fußtritten. Ermöglicht wurde dies durch den Innensenat und seine Polizei. Die Polizei arbeitete mit den Nazis zusammen, um die geplante Provokation geheimzuhalten, es wurden gemeinsam Ablenkungsmanöver durchgeführt, um Nazigegner an einen anderen Platz zu locken, und es wurde vorher mit den Nazis abgesprochen, eine eventuelle Gegendemonstration durch Unterquerung durch den U-Bahnhof zu umgehen.

Als dann doch etwas an die Öffentlichkeit durchsickerte, schützte die Berliner Polizei den Aufmarsch brutal mit Knüppeln und Pfefferspray vor den etwa 500 Linken, die sich mutig den Nazis in den Weg stellten und den Aufmarsch der Nazis verhinderten. 38 Linke wurden verhaftet. Schon früher hat der Senat immer wieder versucht, dem Naziabschaum den Weg freizuknüppeln, aber diesmal ging es so weit, dass sich die Polizeiführung mit den Nazis regelrecht verschwor, um die eingewanderte und gesamte arbeitende Bevölkerung der Stadt, die unter den sozialen Angriffen des Senats leidet, zu terrorisieren und einzuschüchtern. Innensenator Körting (SPD) setzt damit die rassistische Hetze des Ex-Finanzsenators Thilo Sarrazin in der Praxis um, dessen Mitgliedschaft in der Berliner SPD im April bestätigt wurde. Dies illustriert erneut die Funktion der Nazis als extralegale Schocktruppen der Kapitalisten gegen Immigranten und letztlich die gesamte Arbeiterbewegung.

Das blieb kein Einzelfall. Am 17. Juni wurde ein ähnliches Szenario wiederholt, als die NPD eine Provokation vor dem Karl-Liebknecht-Haus durchführen wollte. Die Bullen platzierten die Nazis direkt vor den Räumen der linken Tageszeitung junge Welt, ohne diese vorher zu informieren. Mit einem martialischen Aufgebot von 500 Bullen wurde die Provokation der 36 Nazis durchgesetzt. Nach dem Ende der Provokation wurden Mitarbeiter der jungen Welt festgehalten und fotografiert und müssen womöglich mit Anklagen rechnen, weil sie sich gegen die Nazi-Provokation mit Hilfe von wassergefüllten Luftballons und Ähnlichem vom Dach aus wehrten.

Dies muss man vor dem Hintergrund von zehn Jahren „Krieg gegen Terror“ sehen, mit dem die kapitalistischen Herrscher in den USA und Europa die muslimische Bevölkerung ins Fadenkreuz nehmen. Dazu kommen die Befürchtungen der Bourgeoisie, dass der Sturz von Ben Ali in Tunesien und von Mubarak in Ägypten Jugendliche der zweiten und dritten Generation, die massiv von Arbeitslosigkeit betroffen sind, inspirieren könnte, hier für ihre Interessen zu kämpfen. Gleichzeitig nehmen die Arbeiterproteste in verschiedenen Teilen Europas gegen die sozialen Verwüstungen durch die Finanzkrise zu, die durch die brutalen Spardiktate der deutschen Bourgeoisie angeheizt werden. Um Sündenböcke für ihre Krise zu schaffen, verschärfen die Kapitalisten ihre rassistische Demagogie und vielerorts wachsen die Faschisten. So kam es im Mai in Griechenland zu faschistischen Angriffen auf Immigranten und die Polizei griff erst dann ein, als die Immigranten sich verteidigten.

Der Berliner Polizeipräsident Glietsch brüstete sich am 23. Mai vor dem parlamentarischen Innenausschuss, er selbst habe veranlasst, dass der Naziaufmarsch vorab nicht bekannt gegeben wurde. Hier treten klar bonapartistische Bestrebungen seitens des Innensenats und der Polizei zutage. Das macht deutlich, dass es eine Illusion ist, diesen Staat für seine Interessen benutzen zu können, wenn man an der Regierung ist, wie viele Linke glauben. Die staatliche Zusammenarbeit mit den Nazis stieß vielen linken Abgeordneten übel auf, die sich auch um den Schaden sorgten, den die bürgerliche Demokratie in den Augen der Bevölkerung nehmen könnte. So sorgte sich der linke Grünen-Abgeordnete Christian Ströbele: „Mit einer solchen Geheimhaltungstaktik werde nicht nur zivilgesellschaftlicher Protest erschwert, sondern auch ein Misstrauen der Bürger gegenüber der Polizei geschürt“ (blog.zeit.de, 14. Mai).

Die junge Welt interviewte Evrim Baba-Sommer von der Berliner Linksparteifraktion (17. Mai): „Müssten Sie nicht mehr Druck machen, um künftig solche Skandale im Rot-Rot regierten Berlin zu verhindern?“ Antwort: „Das Problem liegt nicht bei der Fraktion Die Linke, sondern vielmehr bei Herrn Körting und der SPD, aber auch bei CDU und FDP. Letztere beharren immer wieder darauf, dass die Gefahr von links kommt.“ Damit schieben Baba-Sommer und die junge Welt die Verantwortung der Linkspartei als Teil der Berliner Regierung ab und versuchen zu vertuschen, dass ihr „rot-roter“ Senat eine ordinäre kapitalistische Regierung ist, deren zentrale Aufgabe die Unterdrückung, Einschüchterung und Spaltung der arbeitenden Bevölkerung im Dienste des Kapitals ist.

Tatsächlich sollte dieses weitere Beispiel staatlicher Hilfe für die Nazis all jenen eine Warnung sein, die sich mit gefährlichen Appellen gegen die Nazis an eben jenen Staat wenden, wie beispielsweise die Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke, die in der jungen Welt vom 20. Juni schrieb: „Nun rächt sich, dass im Bundestag immer wieder die von der Linken geforderte Antifaschismusklausel im Grundgesetz abgelehnt worden ist; eine solche Verfassungsbestimmung würde es den Behörden erleichtern, gegen den rechten Rand vorzugehen.“ Manche Linken argumentieren, dass solche Appelle an den bürgerlichen Staat ein Mittel seien, diesen zu entlarven. Das Gegenteil ist der Fall – solcherlei Appelle entwaffnen die Linken und verhindern zu verstehen, dass dieser Staat der Staat ist und bleibt, der für Auschwitz und Babi Jar verantwortlich ist.

Genauso wird der kapitalistische Staat Verbotsgesetze „gegen Extremismus“ immer gegen Linke und die Arbeiterbewegung einsetzen. Gleichzeitig demobilisiert diese Perspektive und lullt die Arbeiter ein, jemand anders würde die Sache für sie schon richten. Notwendig ist der Kampf für Arbeiter/Immigranten-Mobilisierungen, um die Naziaufmärsche zu stoppen. Ein solcher Kampf für die unabhängige Mobilisierung der Arbeiterklasse an der Spitze aller potentiellen Opfer des Naziabschaums ist Teil des notwendigen Kampfes für die Mobilisierung der Arbeiterklasse zur sozialistischen Revolution, um mit dem Kapitalismus die Wurzel für Rassismus, Armut und Kriege zu beseitigen.

„Multikulti“-Grüne: Liberale für Bundeswehr und deutschen Imperialismus

Viele sehen in den Grünen eine Alternative zu den oft auch mehr oder weniger offen mit Rassismus spielenden Parteien. Im Berliner SPD/Linkspartei-Senat spielte insbesondere Sarrazin diese Rolle. Die Grünen scheinen aufgeschlossener zu sein und haben tatsächlich auch prominente Mitglieder mit Migrationshintergrund, wie ihren Vorsitzenden Cem Özdemir. Beliebt in der „alternativen linken“ Szene ist der Grüne Christian Ströbele. Spätestens aber seit dem Krieg gegen Serbien 1999 tritt diese Partei offen für den deutschen Imperialismus ein und führt seine Kriege.

Der Grünen-Bundestagsfraktionsvorsitzende Jürgen Trittin sprach in der Bundestagsrede vom 27. Mai von „Halbherzigkeit“ in den „Verteidigungspolitischen Richtlinien“ von Kriegsminister de Maizière und forderte „mehr Einheiten sowie mehr Soldatinnen und Soldaten für Auslandseinsätze bereitzustellen“. Aus den ehemaligen Pazifisten sind rabiate Vertreter von Bundeswehreinsätzen in aller Welt geworden. Wir haben immer gewarnt, dass der Pazifismus nur die Arbeiter entwaffnet und nicht die Bourgeoisie. Allein der internationale Sieg der sozialistischen Revolution wird zu einer friedlichen Welt führen. Wir fordern mit Karl Liebknecht: Keinen Mann, keine Frau, keinen Cent für die imperialistische Armee! Bundeswehr raus aus Afghanistan und dem Balkan!

Die Grünen sind eine rein bürgerliche Partei, die vor und nach der Konterrevolution in der DDR die antikommunistische Hexenjagd kräftig schürte und den Interessen der Arbeiterklasse feindlich gegenübersteht. Deshalb lehnen wir prinzipiell eine Stimmabgabe für die Grünen ab und erklären: Keine Stimme für die bürgerlichen Grünen!

Keine der Parteien, die bei den Wahlen antritt, zieht auch nur eine elementare Klassenlinie zwischen Arbeitern und Kapitalisten, deshalb gibt es für Arbeiter und Immigranten nichts zu wählen. Gegen die heutigen Angriffe der Bourgeoisie ist harter Klassenkampf notwendig. Wir kämpfen für die Schmiedung einer internationalen revolutionären multiethnischen Arbeiterpartei, die die Arbeiter in einer sozialistischen Revolution an die Macht führt, um die Bourgeoisie zu stürzen und zu enteignen und eine rational geplante Wirtschaft aufzubauen.

Spartakist Nr. 189

Spartakist Nr. 189

Juli 2011

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Berliner Wahl 2011: Nichts zu wählen für Arbeiter, Unterdrückte

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Nieder mit der rassistischen Festung Europa!

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von Joseph Seymour