Erschienen in Spartakist Nr. 145, Herbst 2001

Die Botschaftsanschläge von 1998, Osama Bin Laden und die CIA

Die Afghanistan- Connection

Der nachfolgend abgedruckte Artikel ist übersetzt aus Workers Vanguard Nr. 761, 6. Juli 2001.

Ende Mai verurteilte ein aus Geschworenen bestehendes Bundesgericht in New York vier islamische Fundamentalisten, die angeblich mit der Organisation Al Qaida von Osama Bin Laden in Verbindung standen, wegen der Bombenanschläge von 1998 auf die US-Botschaften in Tansania und Kenia, bei denen mehr als 200 Menschen getötet und weitere 4000 verwundet worden waren – überwiegend Einheimische. Aber am 12. Juli gaben die Geschworenen bekannt, dass sie der US-Bundesregierung nicht das Todesurteil liefern würden, das diese für einen der vier, Mohamed Rashed Daoud Al-’Owhali, gefordert hatte. Nur einen Tag nachdem die Regierung Timothy McVeigh durch die erste Hinrichtung auf Bundesebene seit 38 Jahren getötet hatte, war die Entscheidung der Geschworenen eine mutige Stellungnahme gegen die barbarische Vorstellung von „Gerechtigkeit“, die von der US-Bourgeoisie genauso hochgehalten wird wie von den islamischen Fundamentalisten, die sie im Visier hatte.

Ein amerikanischer Diplomat, der den Anschlag in Kenia überlebte, prangerte die Geschworenen dafür an, dass sie keine „eindeutige Botschaft an die Unzufriedenen der Welt gerichtet haben, die darauf aus sind, die Vereinigten Staaten und ihre Bürger im Ausland zu terrorisieren“. Amerikas imperialistische Herrscher, die über ein Terrorarsenal verfügen, das viel Furcht erregender ist als alles, was Bin Laden aufbieten kann, brauchen keine Geschworenen, um eine „Botschaft“ an die zu richten, die sie für Unzufriedene halten. Keine zwei Wochen nach den Bombenanschlägen schossen die USA 80 Marschflugkörper auf Ausbildungslager in Afghanistan und auf eine „Bombenfabrik“ im Sudan, die in Wirklichkeit die einzige Arzneimittelfabrik des Landes war.

Der Prozess in New York war ein Propagandaforum für den Krieg des US-Imperialismus gegen den „globalen islamischen Terrorismus“. Nach der konterrevolutionären Zerstörung der Sowjetunion hat Washington versucht, im Gespenst des „islamischen Terrorismus“ einen Ersatz für die „rote Gefahr“ zu finden. Dieses Schreckgespenst wird heute benutzt, um alles zu rechtfertigen, von imperialistischem Terror in anderen Ländern (und sogar Bushs Plänen einer Atomraketenabwehr „Star Wars II“) bis zu drakonischen Angriffen auf Rechte von Immigranten und bürgerliche Freiheiten im eigenen Land. Gegen arabische Immigranten und arabische Amerikaner, darunter linke Gegner des islamischen Fundamentalismus, wurden Hexenjagden veranstaltet und sie wurden durch „antiterroristische“ Fahndungsnetze festgenommen. Am 28. Juni zwangen Mitarbeiter des Geheimdienstes sogar einen jungen Kongress-Praktikanten, das Weiße Haus zu verlassen, das er als Teil einer Delegation von amerikanischen Moslem-Führern besuchte.

In einer Sprache, die an die Kalte-Kriegs-Hetze gegen den sowjetischen KGB erinnert, wetterten Staatsanwälte, Al Qaida trainiere Agenten als „Schläfer“ oder „U-Boote“, die unentdeckt unter der örtlichen Bevölkerung leben. Bei Prozessbeginn brachte Newsweek (19. Februar) eine Titelgeschichte über Bin Laden unter der reißerischen Überschrift „Danger: Terror Ahead“ [Vorsicht: Terror steht bevor]. Das FBI hat auf Bin Laden – das moderne Gegenstück von „Carlos dem Schakal“, dem allgegenwärtigen, terroristischen Allzweck-Schreckgespenst der 70er- und 80er-Jahre – ein Kopfgeld von fünf Millionen Dollar ausgesetzt. Unter anderem wird Bin Laden für den Angriff auf den Zerstörer USS Cole letzten Herbst im Jemen verantwortlich gemacht. Und am 19. Juni nahm die jemenitische Polizei acht angebliche Agenten von Bin Laden fest wegen einer „Verschwörung“, die amerikanische Botschaft in die Luft zu jagen.

Doch Bin Laden und seine Truppe wurden vom US-Imperialismus bewaffnet, trainiert und finanziert, als Teil des Krieges zur Zerschlagung der Sowjetunion. „Der Grund, warum er diese Taktik [von Bombenanschlägen] kennt“, sagte der Anwalt von Al-’Owhali den Geschworenen, „ist der, dass wir sie ihnen gegeben haben, wir haben die Flasche geöffnet. Er weiß so viel, wie vermutlich die Leute von der CIA wissen, weil sie seine Lehrer waren.“ Das ist die reine Wahrheit und das gilt auch für die von der CIA gelieferten Bomben-„Rezepte“. Während seines ganzen jahrzehntelangen Stellvertreterkriegs gegen die Rote Armee in Afghanistan unterstützte der amerikanische Imperialismus Bin Laden und seine verbündeten Mudschaheddin (Heilige Krieger) als „Freiheitskämpfer“. Erst nachdem sie ihren Zweck im imperialistischen Kreuzzug gegen die Sowjetunion erfüllt hatten, wurden diese ehemals wertvollen Mitarbeiter der CIA als Terroristen denunziert.

Die Methoden von wahllosem Massenterror stehen völlig im Einklang mit den theoretischen Zielen der islamischen Fanatiker, die tausend Jahre menschlichen Fortschritts zurückdrehen wollen. In ihren Augen sind Leute, die nicht an Gott glauben, Gewerkschafter, Linke und unverschleierte Frauen alles Ungläubige, die den Zorn Gottes verdienen. Im Grunde ist ihre Einstellung nicht anders als die von fundamentalistischen christlichen Fanatikern, die in den USA Bombenanschläge auf Abtreibungsklinken verübten, oder die von faschistoiden Zionisten, die die palästinensische Nation aus dem Gebiet „säubern“ wollen, das sie als jüdisches „Heiliges Land“ betrachten.

Doch die terroristischen Taten, die Bin Laden & Co. zugeschrieben werden, verblassen im Vergleich zum Massenterror, den Amerikas „demokratische“ Bourgeoisie verübt hat, um ihre reaktionäre kapitalistische Ordnung zu verteidigen. Wie der Anwalt von Al-’Owhali während der Anhörung zur Urteilsverkündung bemerkte, ist diese Regierung, die nach der Hinrichtung eines Moslems schreit, der wegen Terrorismus verurteilt wird, selber verantwortlich für die Terrorbombardierung und den Hungertod von über anderthalb Millionen irakischen Männern, Frauen und Kindern. Er hätte auch die nukleare Einäscherung von Hiroshima und Nagasaki 1945 anführen können, das Abschlachten von jeweils mehr als drei Millionen Menschen im Korea- und im Vietnamkrieg und die zahllosen anderen, ermordet bei „Operationen zur Aufstandsbekämpfung“, die der US-Imperialismus und seine Agenten von den Philippinen bis Mittelamerika durchgeführt haben.

Die Mudschaheddin und die CIA

In einer dreiteiligen Serie unter dem Titel „Heilige Kriege“, die die Ursprünge von Bin Ladens Organisation nachverfolgt, gibt die New York Times (vom 14.–16. Januar) zu: „Al Qaida erwuchs aus dem Dschihad, angestachelt von muslimischen Gelehrten, um das Eingreifen der Sowjetunion 1979 in Afghanistan zu bekämpfen.“ Weiter behauptet die Times: „Die Teilnehmer von fast jedem Anschlag auf die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten in den letzten zehn Jahren haben das Kriegshandwerk und den Umgang mit Sprengstoff in afghanischen Lagern gelernt.“ Doch dieses Sprachrohr des amerikanischen Imperialismus, das den antisowjetischen Kreuzzug voll und ganz unterstützte, schreibt nicht, wer der Lehrer war. Bezeichnenderweise verschleiert die New York Times die wirkliche Geschichte von Bin Ladens Afghanistan Connection.

Schon 1950 wies der Kalte Krieger John Foster Dulles auf das „gemeinsame Band“ mit den „Religionen des Ostens“ im Kampf gegen den Kommunismus hin. In seinem Buch Unholy Wars [Unheilige Kriege] (2000) beschreibt der Berichterstatter von ABC, John Cooley, wie sich 30 Jahre danach „westliche Analytiker in Denkfabriken und bei den Geheimdiensten in Washington, London, Paris, Rom und anderswo fragten: Wer oder was ist der Hauptfeind von unserem Feind, dem Kommunismus? … Der stillschweigende Konsens war, dass die – grundlegend antikommunistische – muslimische Religion, wenn man sie in die politische Ebene übersetzt, als mächtige Kraft gegen Moskau im Kalten Krieg eingespannt werden könnte.“

Washington begann von dem Zeitpunkt an, Waffen an die Mudschaheddin zu schleusen, als die mit den Sowjets verbündete Demokratische Volkspartei Afghanistans (DVPA) im April 1978 an die Macht kam. Bestehend aus linken Nationalisten, die das Land modernisieren wollten, versuchte die DVPA ein Programm umzusetzen für eine Neuaufteilung des Landes, die Senkung des Brautpreises, die Ausbildung von Frauen und ihre Befreiung aus dem Gefängnis des vom Kopf bis zu den Füßen reichenden Schleiers, Burma genannt. Im Kontext des rückständigen, von der Welt abgeschnittenen Afghanistans waren diese relativ bescheidenen Reformen nichts anderes als revolutionär. Als die riesige islamische Hierarchie einen grausamen Aufstand gegen die DVPA startete, intervenierte im Dezember 1979 die Sowjetunion, um den Zusammenbruch des von ihr abhängigen Regimes zu verhindern. Angefangen unter dem Demokraten Jimmy Carter und dann weiter unter dem Republikaner Ronald Reagan nutzten die USA die Intervention der Roten Armee, um eine erneute weltweite antisowjetische Offensive – zweiter Kalter Krieg – in Gang zu setzen, und insbesondere führten sie einen Stellvertreterkrieg, um in Afghanistan sowjetische Soldaten und Offiziere umzubringen.

Für Marxisten war es keine Frage, welche Seite die arbeitenden Menschen und die Unterdrückten der ganzen Welt in diesem Konflikt hatten. Durch die Gefahr einer CIA-unterstützten islamischen Machtübernahme an der südlichen Grenze der UdSSR stellte sich knallhart die Notwendigkeit der bedingungslosen militärischen Verteidigung der Sowjetunion, eines bürokratisch degenerierten Arbeiterstaats. Außerdem eröffnete die sowjetische Militärintervention die Möglichkeit der sozialen Befreiung der afghanischen Massen, insbesondere von Frauen (siehe: „Afghanistan: Women Enslaved by Islamic Reaction“ [Afghanistan: Frauen durch islamische Reaktion versklavt], Workers Vanguard Nr. 756, 13. April). Dies war, wie wir damals schrieben, der erste Krieg der modernen Geschichte, in dem die Rechte von Frauen eine zentrale Frage waren. Wir Trotzkisten erklärten: Hoch die Rote Armee! Weitet die sozialen Errungenschaften der Oktoberrevolution auf die afghanischen Völker aus!

Nichts entlarvt gründlicher den Anschein, die „Menschenrechte“ zu verteidigen – den sich die imperialistischen Herrscher gelegentlich geben –, als die Tatsache, dass dies ihre Rechtfertigung für die Unterstützung des brutalen Krieges der islamischen Fundamentalisten war, um Afghanistans Frauen in der Versklavung zu halten. Doch die meisten der reformistischen und zentristischen Linken wurden so von Antikommunismus angetrieben, dass sie im Gleichschritt hinter den CIA-unterstützten Mudschaheddin-Mörderbanden liefen und die imperialistische Forderung nachbeteten: „Sowjetische Truppen raus aus Afghanistan!“

Unter diesem Schlachtruf unternahm der US-Imperialismus die größte verdeckte CIA-Operation der Geschichte. Der „Schattenetat“ der CIA vervierfachte sich von geschätzten 9 Milliarden Dollar 1980 auf 36 Milliarden Dollar 1990. Ein Teil davon wurde benutzt, um einen Terrorkrieg der Kontra-Söldnertruppen der CIA gegen das linksnationalistische Sandinista-Regime in Nikaragua zu finanzieren. Doch der Hauptteil dieser Milliarden ging an eine Reihe von Mudschaheddin-Gruppen im pakistanischen Peschawar und an Pakistans Geheimdienst (ISI), der unter der Leitung von Generalleutnant Hameed Gul, einem glühenden Islamisten, stand. Mitte der 80er-Jahre bekamen die Mudschaheddin jährlich 65 000 Tonnen an Kriegsmaterial.

1986 bewilligte der US-Kongress einen dreiteiligen Plan von CIA-Direktor William Casey, den Stellvertreterkrieg der USA in Afghanistan zu intensivieren. Anstatt die afghanischen Reaktionäre nur mit in Ägypten, China, Israel und Südafrika gekauften Waffen aus sowjetischer und chinesischer Produktion auszustatten – so dass die USA eine direkte Rolle im Krieg „plausibel abstreiten“ konnten –, begann die CIA amerikanische Boden-Luft-Raketen vom Typ Stinger zusammen mit amerikanischen militärischen Ausbildern zu liefern. Zweitens einigten sich die CIA, der pakistanische ISI und der britische MI-6, Guerilla-Angriffe auf die Sowjetunion selbst zu starten, indem sie deren zentralasiatische Republiken Tadschikistan und Usbekistan ins Visier nahmen, die viele Soldaten für den Einsatz in Afghanistan stellten.

Schließlich machte die CIA bei dem vom ISI-Chef Gul begonnen Kreuzzug mit, islamische Fanatiker aus der ganzen moslemischen Welt, so genannte „arabische Afghanen“, für die Mudschaheddin zu rekrutieren. Laut eigenen Schätzungen der CIA wurden 70 000 islamische Fundamentalisten aus mehr als 50 Ländern in den Madrassas, den „Dschihad-Universitäten“, ausgebildet, die immer noch in Peschawar und anderswo florieren. „Wir kämpfen einen Dschihad und dies ist die erste islamische internationale Brigade der Neuzeit“, prahlte Gul. „Die Kommunisten haben ihre internationalen Brigaden, der Westen hat die NATO, warum können sich die Moslems nicht zusammenschließen und eine gemeinsame Front bilden?“ Das Organisationszentrum für diese internationalen Anstrengungen war das Makhtab al Khadimat (Büro der Dienste), das 1984 von einem islamischen Gelehrten in Islamabad eingerichtet wurde.

Zu denen, die nach Peschawar strömten, um an dem von den USA finanzierten „Heiligen Krieg“ gegen den Kommunismus teilzunehmen, gehörte der saudi-arabische Millionär Osama Bin Laden. Laut Taliban: Militant Islam, Oil and Fundamentalism in Central Asia [Taliban: Militanter Islam, Öl und Fundamentalismus in Zentralasien] (2000) von Ahmed Rashid „hatte der ISI lange gewollt, dass Prinz Turki Bin Faisal, der Chef von Istakhbarat, dem saudischen Geheimdienst, dafür sorgt, dass ein Prinz der Königsfamilie das saudische Kontingent anführt, um den Moslems die Ergebenheit der Königsfamilie zum Dschihad zu zeigen.“ Wenn auch nicht königlicher Herkunft, so war Bin Laden der Sohn eines Baumagnaten, der ein enger Freund des früheren saudischen Königs Faisal gewesen war. Bin Laden, Turki und Gul „sollten feste Freunde und Verbündete für eine gemeinsame Sache werden“. Ein anderer fester Freund war Gulbuddin Hekmatyar, ein bedeutender Empfänger amerikanischer Großzügigkeit, der seine Karriere als „Heiliger Krieger“ begann, indem er Säureanschläge auf Universitätsstudentinnen in Kabul verübte. Es war Hekmatyar, den der ISI für die Führung der Überfälle und Raketenangriffe 1987 im sowjetischen Tadschikistan auswählte.

Bin Laden zog 1982 nach Peschawar, nachdem er seit 1980 mehrmals dort gewesen war, um saudisches Geld abzuliefern. Es war nicht nur der pakistanische ISI, der Bin Ladens Anwesenheit begrüßte. Wie John Cooley in Unholy Wars berichtet: „Als 1981 der CIA-Chef Casey und seine saudischen Verbündeten, Kamal Adhan und Prinz Turki, nach neuen Quellen zur geheimen Finanzierung des Afghanistan-Feldzugs suchten, standen die Bin-Laden-Unternehmen alle auf einer kurzen Liste von möglicherweise hilfreichen Familien.“ 1986 beauftragte die CIA Bin Laden, beim Bau eines riesigen Tunnelkomplexes in Khost, unter den Bergen in der Nähe zur Grenze mit Pakistan, zu helfen. Das Ziel der CIA war es, seine afghanischen Mörder mit einem großen Waffenlager, einem Ausbildungszentrum und einem medizinischen Zentrum auszustatten. Hier war es auch, wo Bin Laden sich entschloss, sein eigenes Ausbildungslager für „arabische Afghanen“ zu errichten. Später berichtete er, dass seine „Freiwilligen von pakistanischen und amerikanischen Offizieren ausgebildet wurden. Die Waffen wurden von den Amerikanern, das Geld von den Saudis geliefert“ (zitiert in Taliban).

Was sie im Kalten Krieg säten, ernten sie nun

1989 hatte der sowjetische Präsident Michail Gorbatschow die letzten sowjetischen Truppen aus Afghanistan abgezogen, wobei er die imperialistische Propaganda wiederholte, dass Afghanistan ein militärisches Schlamassel, ein „russisches Vietnam“, geworden sei. Gorbatschows Verrat entsprang der ganzen Einstellung der stalinistischen Bürokratie, die die Interessen des internationalen Proletariats der Verteidigung ihrer eigenen privilegierten Position unterordnete, eine parasitäre Schicht, die sich auf die kollektivierte Wirtschaft stützte. So unterminierte sie die Verteidigung des sowjetischen Arbeiterstaats selbst. Wir kämpften für eine proletarisch-politische Revolution, um die stalinistische Bürokratie zu stürzen und die Sowjetunion zum bolschewistischen Internationalismus von Lenin und Trotzki zurückzubringen.

Indem sie eine alte Zeitungsente wieder aufwärmt, behauptet die Serie der New York Times, dass sich „das Blatt im Afghanistan-Krieg“ wendete, als die Stinger-Raketen, die von den USA seit 1986 geliefert wurden, „die sowjetischen Flugzeuge zwangen, hoch über dem Schlachtfeld zu fliegen“. Doch wie der amerikanische Militärexperte Alan Kuperman in einem Artikel von 1999 unter dem Titel „The Stinger Missile and U.S. Intervention in Afghanistan“ [Die Stinger-Rakete und die US-Intervention in Afghanistan] im Political Science Quarterly bemerkte: „Die Stinger wurde wirksam durch technische und taktische Gegenmaßnahmen neutralisiert, lange bevor die Sowjets tatsächlich ihren Abzug abschlossen. Folglich gibt es keinen Beweis, dass die Stinger den sowjetischen Rückzug auch nur beschleunigt hat.“

Diese High-Tech-Waffen waren aber nützlich beim Terror gegen Zivilisten. Es gab keinen Aufschrei aus Washington gegen „islamischen Terror“, als die Mudschaheddin in Khost im März 1987 eine Stinger-Rakete einsetzten, um eine zivile Verkehrsmaschine abzuschießen, die afghanische Kinder zum Studium in die UdSSR brachte, und dabei alle 52 Passagiere töteten.

Was zu dem sowjetischen Rückzug führte, waren der Verrat der damals in den letzten Zügen liegenden stalinistischen Bürokratie und ihre endlosen Versuche, den US-Imperialismus zu beschwichtigen. In Wirklichkeit hatte die Rote Armee die Mudschaheddin Mitte der 80er-Jahre in die Flucht geschlagen. Viele bei den sowjetischen Truppen, die dort kämpften, glaubten aufrichtig, dass sie ihre internationalistische Pflicht erfüllten, besonders Soldaten aus Zentralasien, die in der Armut und Rückständigkeit von Afghanistan die Zustände sahen, die noch vor drei Generationen in ihren Heimatländern existiert hatten, bevor die Oktoberrevolution sie vom Mittelalter in die Neuzeit katapultiert hatte.

Die sowjetische Militärintervention stand im Widerspruch zum nationalistischen stalinistischen Dogma des „Sozialismus in einem Land“. Wir warnten von Beginn an, dass die Kreml-Bürokratie vielleicht einen Deal mit den Imperialisten machen und abziehen würde. Zur Zeit von Gorbatschows Abzug betonten wir gegenüber sowjetischen Arbeitern und Soldaten, dass es viel besser wäre, die Konterrevolution in Afghanistan zu besiegen, als mit ihr in Leningrad konfrontiert zu werden. Der belagerten afghanischen Regierung unterbreiteten wir ein Angebot, internationale Brigaden zu organisieren, um gegen die Mudschaheddin-Mörderbanden „bis zum Tod zu kämpfen“. Dieses Angebot wurde abgelehnt, doch das Partisan Defense Committee [eine nichtsektiererische, klassenkämpferische Organisation zur Verteidigung von Fällen und Anliegen im Interesse der Arbeiter und Unterdrückten, in politischer Übereinstimmung mit der SL/U.S., der amerikanischen Sektion der IKL] griff den Appell der DVPA auf, eine internationale Hilfskampagne für die belagerte Stadt Jalalabad zu organisieren. In den folgenden drei Jahren führten die Truppen der Kabuler Regierung, besonders die aus Frauen bestehenden Milizen, einen heldenhaften Kampf, wurden jedoch schließlich von den durch die USA unterstützten Fundamentalisten überrannt.

Der Verrat der Stalinisten an Frauen, Arbeitern und Linken in Afghanistan kündigte den Sieg der kapitalistischen Konterrevolution 1991/92 in der Sowjetunion selbst an. Die Imperialisten gratulierten sich zu ihrem Sieg im Kalten Krieg, wobei sie die Rolle, die ihre islamischen Verbündeten gespielt hatten, gebührend anerkannten. Der Nationale Sicherheitsberater unter Jimmy Carter, der wahnsinnige Antikommunist Zbigniew Brzezinski, wetterte: „Was war weltgeschichtlich bedeutender? Die Taliban oder der Untergang des Sowjetreiches? Ein paar aufgehetzte Moslems oder die Befreiung von Mitteleuropa und das Ende des Kalten Krieges?“

Doch die „aufgehetzten Moslems“, die von Brzezinski arrogant abgetan wurden, hatten ihre eigene Tagesordnung. Wie Ahmed Rashid in Taliban bemerkt: „Die meisten dieser Radikalen spekulierten: Wenn der afghanische Dschihad eine Supermacht, die Sowjetunion, besiegt hatte, könnte er nicht auch die andere Supermacht, die USA, und ihre eigenen Regime besiegen?“ Als König Fahd den USA erlaubte, Saudi-Arabien, die Heimat der heiligsten muslimischen Stätten, als Ausgangsbasis für den imperialistischen Krieg gegen den Irak zu benutzen, empörte dieses Sakrileg Bin Laden und seine fundamentalistischen Mitstreiter zutiefst. 1992 war Bin Ladens Abscheu gegenüber dem saudischen Regime inzwischen so offen, dass er gezwungen wurde, in den Sudan zu fliehen, wo ein anderes islamisches Regime an der Macht war. Nachdem er 1996 auch aus dem Sudan vertrieben wurde, kehrte Bin Laden zu seiner Ausbildungsbasis zurück, die er in Khost während des antisowjetischen Krieges gemeinsam mit den USA errichtet hatte. Genau diese Basis wurde 1998 von den USA bombardiert.

1995 begann eine von CIA und FBI gebildete Spezialeinheit für Terrorismusbekämpfung, Nachforschungen über Bin Laden anzustellen. Doch, wie die Serie der New York Times berichtet, „folgte die Untersuchung Spuren, die sogar noch weiter zurückreichten – zu einer Gruppe von islamischen Aktivisten, die häufig ein kleines Büro in Brooklyn aufsuchten und deren erklärtes Ziel es war, Geld zu beschaffen und Kämpfer zu rekrutieren, um den Einsatz der amerikanisch unterstützten Mudschaheddin im Krieg gegen die Sowjetunion in den 80er-Jahren zu unterstützen. Einige der Aktivisten in dieser Gruppe wurden später für den Bombenanschlag 1993 auf das World Trade Center verurteilt.“ Der angeblich führende Kopf dieses Anschlags, der ägyptische Geistliche Scheich Omar Abdel Rahman, der derzeit eine lebenslange Freiheitsstrafe verbüßt, war ein weiterer Verbündeter von Bin Laden aus dem Afghanistan-Krieg. Damals betrachtete die CIA Rahman als „wertvolle Kraft“. Obwohl Rahman auf einer schwarzen Liste der USA für „Terrorismus“ stand, konnte er 1990 mit einem Spezialvisum in die USA einreisen, das von amerikanischen Geheimdienstmitarbeitern im sudanesischen Khartum ausgestellt worden war.

„Menschenrechts“-Imperialismus:
zynisch und barbarisch

Heute wollen Amerikas Herrscher die engen Beziehungen verbergen, die sie früher mit Bin Laden & Co. hatten. Als der Leiter des New Yorker FBI-Büros 1993 in einer Fernsehsendung erwähnte, dass die CIA mehrere der für den Bombenanschlag auf das World Trade Center Verurteilten ausgebildet hatte, wurde er schnell aus seiner Stellung versetzt. Bei ihrer selektiven Darstellung von Bin Ladens Ursprüngen vermeidet die New York Times peinlich genau, irgendeine direkte Verbindung zwischen der CIA und Bin Laden (oder Rahman) aufzuzeigen, wobei sie sogar die Rolle der CIA beim Bau des Gebäudekomplexes in Khost übergeht.

Doch die Wahrheit ist hartnäckig. Als die Staatsanwälte im jüngsten Prozess ein „Terrorismus-Handbuch“ in arabischer Sprache als Beweis für Bin Ladens Komplizenschaft bei den Botschaftsanschlägen vorlegten, entpuppte es sich als auffallend ähnlich zu Handbüchern, die die CIA in den 80er-Jahren an ihre Contra-Mörder und afghanischen Mudschaheddin verteilt hatte. Im CIA-Handbuch war auch eine Anleitung zum Bau einer Bombe – hergestellt aus einem Gemisch von Dünger und Heizöl –, wie die, die einen 60 Meter breiten Krater in einen der Zwillingstürme des World Trade Centers gesprengt hatte. Diese Bombe wurde von einem Informanten des FBI gebaut!

Die Regierung ließ im Prozess zu den Botschaftsanschlägen auch einen Zeugen aussagen, dass Bin Laden einmal versucht habe, im Sudan auf dem Schwarzmarkt Uran zu kaufen. Doch die islamischen Veteranen des Afghanistan-Kriegs haben schon genug „Massenvernichtungswaffen“ dank ihrer früheren amerikanischen Chefs. Es wird geschätzt, dass mehr als 500 Stinger-Raketen nach dem sowjetischen Abzug aus Afghanistan 1989 „verloren gingen“. Bin Laden allein hat angeblich mindestens ein Dutzend dieser hoch entwickelten Waffen.

In einer Kurzbiografie in der New York Times über die von Clinton eingesetzte Bundesrichterin Mary Jo White wird bemerkt, dass praktisch alle Untersuchungen und Strafverfolgungen gegen „islamischen Terrorismus“ von ihrem New Yorker Gerichtsbezirk aus betrieben wurden – einschließlich des Bombenanschlags auf die Cole im Jemen! Das ist kein Zufall. Die New Yorker Büros von CIA und FBI waren Dreh- und Angelpunkt bei der Rekrutierung von Mudschaheddin in den USA, die weitgehend organisiert wurde vom Alkifah-Flüchtlingszentrum („ein kleines Büro in Brooklyn“). Mary Anne Weaver berichtet in ihrem Buch A Portrait of Egypt [Ein Portrait Ägyptens], dass ein führender ägyptischer Beamter ihr gesagt hat, Alkifah sei „während des Dschihad eine Frontorganisation der CIA [gewesen]: Geld, sagte er, wurde durch sie gewaschen, Waffen wurden verschickt und arabische Amerikaner rekrutiert und ausgebildet.“

Die Taliban-Miliz, die sogar nach den Maßstäben der Mudschaheddin fanatisch ist, wurde unter der Schirmherrschaft der Geheimpolizei des ISI in den afghanischen Flüchtlingslagern in Pakistan gegründet und aufgebaut. Die Taliban gingen schließlich als stärkste Fraktion der Mudschaheddin aus den mörderischen gegenseitigen Fehden hervor, die nach dem Sturz des DVPA-Regimes ausbrachen. Pakistan und Saudi-Arabien sahen in den Taliban – sunnitische Moslems, die sich auf die Paschtunen, die größte der einheimischen ethnischen Gruppen, stützen – eine Kraft der Stabilität in Afghanistan und ein Gegengewicht zum schiitischen Iran.

Deshalb unterstützten auch die USA den Aufstieg der Taliban zur Macht. Doch Washington hatte ein zusätzliches Interesse, eine starke Zentralregierung unter der Herrschaft der Taliban zu unterstützen. Das in Amerika sitzende Unternehmen Unocal Oil prüfte ernsthaft die Idee, eine Pipeline durch Afghanistan zu bauen, um reiche Erdgas- und Ölfelder auszubeuten, die gerade in Zentralasien erschlossen wurden. Es gab kein Wort der Kritik aus Washington, als die Taliban nach der Eroberung von Herat 1995 tausende Mädchen zwangen, die Schule zu verlassen, oder ein Jahr später nach der Einnahme von Kabul Frauen praktisch unter Hausarrest stellten – entsprechend der strengen islamischen Regel Purdah (Abgeschlossenheit). Im Gegenteil, der für Südasien zuständige stellvertretende Außenminister betonte: „es ist nicht im Interesse von Afghanistan oder irgendjemandem von uns hier, die Taliban zu isolieren“.

Ende 1997 demonstrierte die Außenministerin Madeleine Albright eine Veränderung in der US-Politik, als sie die afghanischen Herrscher zynischerweise für ihre Behandlung von Frauen geißelte. Das Taliban-Regime hatte sich geweigert, US-Forderungen nach einer Auslieferung Bin Ladens nachzugeben, und die geplante Unocal-Pipeline erschien nicht mehr wirtschaftlich. Außerdem war die Not von afghanischen Frauen unter der Herrschaft der Taliban zu einem gewissen Thema bei amerikanischen Liberalen und Feministinnen geworden, die früher die Mudschaheddin gegen die sowjetische Interventionsarmee unterstützt hatten. Durch die Verhängung von Wirtschaftssanktionen gegen Afghanistan verschärfte Washington den Hunger und die Verwüstung, die aus fast zwei Jahrzehnten Bürgerkrieg resultierten und durch eine Dürre kurz zuvor verschlimmert wurden. Unterdessen finanzieren die USA weiter den rivalisierenden Mudschaheddin-Kriegsherrn Schah Massud, einen weiteren alten Freund der CIA, der einen kleinen Teil im nördlichen Afghanistan kontrolliert.

Der US-unterstützte Terrorkrieg gegen die Rote Armee in Afghanistan zwang fünf Millionen Menschen, das Land zu verlassen, verwüstete, was an Wirtschaft und Infrastruktur während der sowjetischen Präsenz aufgebaut worden war, und führte dazu, dass die afghanischen Frauen wieder versklavt wurden. Dieser Krieg ebnete der kapitalistischen Konterrevolution überall in der Sowjetunion und Osteuropa den Weg, die zig Millionen arbeitende Menschen in äußerste Armut stürzte. Von der Bewaffneten Islamischen Gruppe in Algerien bis zum Islamischen Dschihad in Ägypten gingen die – vom Krieg gegen die Sowjetunion hervorgebrachten und genährten – „arabischen Afghanen“ dann daran, in anderen Ländern reaktionäre Bewegungen zu schüren, wobei sie sich den allgemeinen Hass gegen die brutalen nationalistischen Regime und die imperialistischen Austeritätsmaßnahmen, die diese durchsetzen, zunutze machen.

Heute erklären die USA zynischerweise dem „islamischen Terror“ den Krieg, um den unterdrückten Völkern auf der ganzen Welt ihren Willen aufzudrücken. Zwar sind Osama Bin Laden und seinesgleichen ziemlich finster, doch die gefährlichsten Terroristen der Welt sind die kapitalistischen Herrscher Amerikas. Tatsächlich ist Massenterror zur Unterdrückung von allem, was auch nur entfernt an eine soziale Revolution der Arbeiter- und Bauernmassen erinnert, unerlässlich für die Verteidigung dieses Systems, das auf der Ausbeutung der großen Mehrheit durch eine kleine Minderheit basiert.

Die Schrecken, die durch den „Heiligen Krieg“ des US-Imperialismus gegen die Sowjetunion in Afghanistan erzeugt wurden, zeigen überdeutlich, dass das kapitalistische System lange aufgehört hat, eine Triebkraft für gesellschaftlichen Fortschritt zu sein, und stattdessen zum Nährboden für barbarische Reaktion geworden ist. Durch sie wird das marxistische Verständnis zugespitzt deutlich, dass die Alternative, vor der die Menschheit steht, Sozialismus oder Barbarei heißt. Wir kämpfen für die Wiederschmiedung einer trotzkistischen Vierten Internationale, die die Arbeiterklasse in den USA und auf der ganzen Welt in neuen Oktoberrevolutionen zum Sieg führt.

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