Zionisten amnestieren Bourgeoisie von Auschwitz

Holocaust, „Kollektivschuld“ und deutscher Imperialismus

Die Rote Armee zerschlug das Naziregime!

Spartacist (deutsche Ausgabe) Nr. 20, Sommer 1998

Durch die kürzliche Veröffentlichung des Buches Eine Nation auf dem Prüfstand — Die Goldhagen-These und die historische Wahrheit (Claassen Verlag, 1998) von Norman G. Finkelstein und Ruth Bettina Birn lebt die Kontroverse wieder auf, die Daniel Jonah Goldhagen durch Hitlers willige Vollstrecker — Ganz gewöhnliche Deutsche und der Holocaust (Siedler Verlag, 1996) vor zwei Jahren ausgelöst hatte. Goldhagens aufgewärmte Version des 50 Jahre alten „Kollektivschuld“-Arguments, daß die deutsche Bevölkerung in ihrer Gesamtheit für die Schrecken des Nazi-Holocaust verantwortlich sei, wurde durch bürgerliche Kommentatoren in den USA frenetisch verherrlicht und löste in Deutschland anfangs einen abscheulichen chauvinistischen Aufruhr aus. Die Polemik von Finkelstein und Birn gegen Goldhagen wiederum führte zu einem üblen Aufschrei von Sprechern der Zionisten in den USA, bis hin zu Versuchen, das Buch verbieten zu lassen.

Der Holocaust — in dem sechs Millionen Juden ermordet wurden und weitere Millionen Roma und Sinti, Slawen, Homosexuelle, Linke und sowjetische Bürger — hat in der Geschichte der Menschheit nicht seinesgleichen: Es war der systematische Versuch einer technologisch fortgeschrittenen kapitalistischen Macht, ein ganzes Volk auszulöschen. Aber keines der zahllosen anderen Bücher über den Holocaust, die in den letzten Jahren veröffentlicht worden sind, war Titelthema führender amerikanischer und deutscher Zeitschriften, und nur wenige erschienen in einem der beiden Länder auf der Bestsellerliste. Der Bekanntheitsgrad, den Goldhagens öde, pseudo-akademische Abhandlung erreicht hat, läßt sich auch nicht durch irgendeinen Durchbruch in der Forschung oder in der Analyse erklären. Sein „Beweis“, daß die Masse der „ganz gewöhnlichen Deutschen“ für den Holocaust verantwortlich gewesen sei, leitet sich hauptsächlich aus der Fallstudie über eine Nazi-Polizeieinheit ab! Außerdem wurde diese Einheit schon früher untersucht (mit anderen Schlußfolgerungen), und zwar in Christopher Brownings Buch Ganz normale Männer — Das Reserve-Polizeibataillon 101 und die „Endlösung“ in Polen (Rowohlt Verlag, 1993).

Angeheizt wurde die Goldhagen-Kontroverse weniger durch einen historischen Disput darüber, in welchem Ausmaß eine angeblich einzigartige Form des „eliminatorischen Antisemitismus“ die deutsche Bevölkerung dazu getrieben habe, die Mordmaschine der Nazis zu unterstützen, sondern eher durch die gegenwärtige internationale politische Situation. Der von den USA dominierte antisowjetische Kalte-Kriegs-Konsensus, der nach dem Zweiten Weltkrieg 45 Jahre lang die kapitalistische Weltpolitik prägte, hat einem Wiederaufflammen interimperialistischer Rivalitäten Platz gemacht.

Schon in den 70er und 80er Jahren, als die deutsche Bourgeoisie nach der Niederlage und den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs ihre frühere ökonomische Macht wiedererlangte, bäumte sie sich gegen ihre Unterordnung unter den US-Imperialismus auf. Auf ideologischer Ebene fand dies seinen Ausdruck in einem Wiederauflodern des reaktionären Chauvinismus, sowohl in „linken“ als auch in rechten Farben, als der deutsche Imperialismus versuchte, seine Rolle als eigenständige Weltmacht zurückzugewinnen. Dieser Wiederaufstieg des Chauvinismus hat sich stark beschleunigt, seit der kapitalistische Anschluß des ostdeutschen deformierten Arbeiterstaates DDR 1990 zu einem wiedervereinigten Vierten Reich des deutschen Imperialismus führte. Die deutsche Bourgeoisie greift nach Osteuropa, dem Balkan und dem Kaukasus, wo sie danach strebt, das Vakuum zu füllen, das der Zusammenbruch der UdSSR hinterlassen hat, aber in ihrer Gier stößt die deutsche Bourgeoisie auf Hindernisse, da unter den Völkern, die sie als Neokolonien unterwerfen will, die Schrecken der Nazi-Besatzung immer noch scharf in Erinnerung sind.

Während des gesamten Kalten Krieges half der US-Imperialismus seinem inzwischen „demokratischen“ deutschen Verbündeten großzügig dabei, die Verbrechen von Hitlers Drittem Reich tief zu begraben. Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg errichteten US-Geheimdienste und der Vatikan die „Rattenlinie“, um Nazimassenmörder in sichere Länder zu schleusen, damit diese ihren Dienst beim antisowjetischen Kriegskurs leisten konnten. Im Bestreben, seinen früheren imperialistischen Feind als Bastion in der Frontlinie des Kalten Krieges wiederaufzurichten, finanzierte Washington den Wiederaufbau der zerschlagenen deutschen Wirtschaft unter dem CDU-Regime nach dem Krieg, hegte und pflegte aber gleichzeitig die SPD als Werkzeug für seine antikommunistischen Pläne gegen die westeuropäische Arbeiterbewegung. Ohne Ausnahme wurde jeder Industrielle „rehabilitiert“, der Hitlers Aufstieg zur Macht mitfinanziert hatte und im Dritten Reich eine führende Rolle spielte. Die Deutsche Bank (zuerst Bismarcks Instrument für den deutschen Außenhandel) war im Dritten Reich Hitlers Partner beim völkermörderischen Geschäft mit der Zwangsarbeit; heute ist sie die größte Bank des Landes. 1985 „ehrte“ US-Präsident Ronald Reagan gemeinsam mit Kanzler Kohl das Andenken der SS-Mörder, die in Bitburg begraben sind.

Doch seit der konterrevolutionären Zerstörung der Sowjetunion 1991/92 sind die amerikanischen Medien voll mit Berichten über deutsche und japanische Greueltaten im Zweiten Weltkrieg, und plötzlich — ein halbes Jahrhundert danach — werden in einer amerikanischen Stadt nach der anderen zynische Gedenkstätten für die Opfer des Holocaust aus dem Boden gestampft. (Gleichzeitig brachten es die Herrschenden in den USA nicht mal über sich, eine zahme Ausstellung der Smithsonian Institution über die Bombardierung Hiroshimas und Nagasakis mit Atomwaffen zu erlauben!)

Dies ist der Kontext für die enthusiastischen Reaktionen, die das Buch bei bürgerlichen Kommentatoren in den USA hervorrief. Als dann Goldhagen Ende 1996 für die deutsche Ausgabe von Hitlers willige Vollstrecker eine Werbetour durch Deutschland machte, wurde er auch hier überschwenglich gefeiert. Im Januar darauf erhielt er den prestigeträchtigen „Demokratiepreis“ der deutschen Bourgeoisie, der seit sechs Jahren zum erstenmal vergeben wurde. Der Grund ist einfach: Goldhagen amnestiert die Bourgeoisie von Auschwitz sowohl für ihre früheren als auch für ihre jetzigen Verbrechen; er gibt die Schuld für das Grauen des Dritten Reichs nicht den imperialistischen Herrschern, sondern der gesamten deutschen Bevölkerung, und er stimmt in den Chor derjenigen ein, die das „demokratische“ Vierte Reich hochjubeln.

Wenn sich deutsche Liberale die „Kollektivschuld“ zu eigen machen, drückt dies überhaupt keine Opposition gegen den wiederaufsteigenden deutschen Chauvinismus aus, sondern dient als Feigenblatt dafür, aggressiv für eine imperialistische Militärintervention zu trommeln, die auf dem Balkan und in anderen Ländern „den Völkermord stoppen“ soll. Zionisten wie Goldhagen wiederum versuchen, Völkermord als eine ausschließlich deutsche Vorgehensweise hinzustellen, nicht zuletzt deshalb, weil sie Kritik an der nazi-ähnlichen Verfolgung der palästinensischen Araber durch die Herrscher Israels abwenden wollen. Genau wegen dieser elementaren Beobachtung zog sich Finkelstein den Zorn eines beträchtlichen Teils des zionistischen Establishments in den USA zu.

Eine wirkliche Abrechnung mit den Ursachen und dem Grauen des Holocaust kann weder von den Ideologen der einen oder anderen imperialistischen herrschenden Klasse kommen — von denen jede unermeßliche Greueltaten gegen arbeitende Menschen, Minderheiten und halbkoloniale Völker auf der ganzen Welt begangen hat — noch von den zionistischen Verfechtern des israelischen Staatsterrors gegen das palästinensische Volk. Eine solche Abrechnung kann man auch nicht von den verschiedenen Pseudosozialisten erwarten, die versuchen, das sozialdemokratische Gesicht des wiederaufsteigenden deutschen Imperialismus zu beschönigen. Nur leninistische Internationalisten, die dafür kämpfen, Leo Trotzkis Vierte Internationale als Weltpartei der sozialistischen Revolution wiederzuschmieden, können die Lehren von Hitlers Aufstieg zur Macht ziehen und eine Strategie vorbringen, wie man die wachsende faschistische Gefahr heute zerschlägt. Das ist die Aufgabe der Internationalen Kommunistischen Liga und ihrer deutschen Sektion, der Spartakist-Arbeiterpartei (SpAD).

Die historischen Wurzeln der jüdischen Frage

Die Geschichte des 20. Jahrhunderts bestätigt auf schmerzvolle Weise das marxistische Verständnis, daß das Schicksal der jüdischen Bevölkerung vom Sieg der sozialistischen Weltrevolution abhängt. Dieses Verständnis hat seine Wurzeln direkt in der Geschichte der europäischen Juden, wie Abraham Léon in seinem scharfsinnigen Buch Die jüdische Frage — Eine marxistische Darstellung klarmachte. Léon, ein belgischer Trotzkist jüdischer polnischer Herkunft, der nach seiner Gefangennahme durch die Nazis in Auschwitz ermordet wurde, schrieb das Buch 1941 zu Ende, während er klandestinen Widerstand gegen die Nazis organisierte.

Léon stützte sich auf die Schriften von Karl Marx und Karl Kautsky, um den Schleier der metaphysischen Mythologie wegzureißen, die die Geschichte des jüdischen Volkes verhüllt. Léon begründete die weitere Existenz einer gesonderten jüdischen Bevölkerung im mittelalterlichen Europa und ihre brutale Unterdrückung im Kapitalismus mit ihrer sozialen Rolle als einer handeltreibenden „Volksklasse“ in der feudalen und vorfeudalen Gesellschaft. Mit dem Aufstieg des Handelskapitalismus wurden die Juden aus einem Land nach dem anderen in Westeuropa vertrieben und wurden einige Jahrhunderte später, als der Kapitalismus in den Ländern des Zarenreichs Fuß faßte, dort ebenfalls verfolgt. Wie Léon schrieb:

„Die Juden lebten in den Poren der feudalen Gesellschaft. Als die feudale Ordnung in sich zusammenstürzte, stieß sie zunächst die Elemente ab, die ihr zugleich fremd und unentbehrlich waren. Noch bevor der Bauer sein Dorf gegen das Industriezentrum eintauschte, verließ der Jude die mittelalterliche Kleinstadt, um in die Großstädte der damaligen Welt einzuwandern. Der Verlust der jahrhundertealten Funktion der Juden in der Feudalgesellschaft geht einher mit einer Art passiven Eindringens in die kapitalistische Gesellschaft...

Die extreme und tragische Situation des Judentums in unserer Zeit erklärt sich durch die außerordentliche Unsicherheit seiner gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Stellung. Als erste von dem zerfallenden Feudalismus abgestoßen, werden die Juden auch als erste von dem sich im Todeskampf aufbäumenden Kapitalismus zurückgeworfen. Die jüdischen Massen finden sich so zwischen dem Amboß des absterbenden Feudalismus und dem Hammer des niedergehenden Kapitalismus wieder.“

Die Juden in Deutschland wurden durch einen ausländischen Eroberer, durch Napoleon, aus dem Ghetto befreit, aber nach seiner Niederlage litten sie noch jahrzehntelang unter der Unterdrückung, die rechtliche Gleichstellung der Juden wurde erst 1869 durch den Norddeutschen Bund eingeführt. Schon in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts waren sie auf dem Weg zur Assimilation. Manche hatten sich in der revolutionären Bewegung ausgezeichnet; andere, wie die Rothschilds, waren zu Stützen des Finanzwesens geworden. Seit den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts strömten in großer Zahl verarmte, religiös rückständige „Ostjuden“ ins Land — osteuropäische Juden, die vor zaristischen Pogromen flohen. Dies ging einher mit einem neuen Aufschwung antisemitischer Hetze, oft verkleidet in „populistischer“ Rhetorik gegen „jüdisches Kapital“. Aufgrund solcher Stimmungen warnten Führer der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung wie August Bebel, Antisemitismus sei der „Sozialismus des dummen Kerls“. Bebel wies darauf hin, daß sich die Verbitterung der Bauern auf dem Land nicht gegen die adligen Junker richtete, denen das Land gehörte und die die Macht hatten, sondern gegen die Juden, die die Ernte der Bauern kauften, das Vieh an- und verkauften und Geld verliehen.

Wie Heinrich Heine sagte, teilte Deutschland jedenfalls mit dem übrigen Europa die Reaktion, nicht aber die Revolution. Die demokratische Revolution von 1848 wurde von der deutschen Bourgeoisie aus Angst vor dem entstehenden Proletariat verraten. Die nationale Vereinigung Deutschlands fand nicht unter dem Banner „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ statt, das die Französische Revolution erhoben hatte, sondern unter dem reaktionären preußischen Junkertum. Im direkten Gegensatz zu den internationalistischen Idealen der jungen sozialistischen Arbeiterbewegung schwelgte der deutsche Chauvinismus in „Rasse“, „Blut und Boden“ und dem „christlichen deutschen Staat“.

Faschismus ist einfach der extremste, der konsequenteste Ausdruck von solchem Chauvinismus, er verabscheut alles, was über die Nation hinausgeht. In „Porträt des Nationalsozialismus“ schrieb Trotzki über die antisemitische Raserei der Nazis:

„Um die Nation über die Geschichte zu erheben, gab man ihr als Stütze die Rasse. Den geschichtlichen Ablauf betrachtet man als Emanation der Rasse. Die Eigenschaften der Rasse werden ohne Bezug auf die veränderlichen gesellschaftlichen Bedingungen konstruiert. Das niedrige ,ökonomische Denken‘ ablehnend, steigt der Nationalsozialismus ein Stockwerk tiefer, gegen den wirtschaftlichen Materialismus beruft er sich auf den zoologischen...

Praktisch beschränkt sich der Nationalismus in der Wirtschaft auf — trotz aller Brutalität — ohnmächtige Ausbrüche von Antisemitismus. Vom heutigen Wirtschaftssystem sondern die Nazis das raffende oder Bankkapital als den bösen Geist ab; gerade in dieser Sphäre nimmt ja die jüdische Bourgeoisie einen bedeutenden Platz ein. Während er sich vor dem kapitalistischen System verbeugt, bekriegt der Kleinbürger den bösen Geist des Profits in Gestalt des polnischen Juden im langschößigen Kaftan, der oft keinen Groschen in der Tasche hat. Der Pogrom wird zum Beweis rassischer Überlegenheit.“

Gerade die unsichere Lage der jüdischen Bevölkerung trieb ihre besten Denker und Kämpfer dazu, in der vordersten Front der radikal-demokratischen bürgerlichen Aufklärung und später des internationalistischen, proletarischen Kampfes für den Sozialismus zu stehen. Die Oktoberrevolution von 1917 wiederum bewies in Fleisch und Blut, daß die jüdische Bevölkerung ihre Befreiung nur durch die proletarische Machteroberung erlangen konnte. Umgekehrt erhoben die Kräfte der blutigen Konterrevolution den Kampf gegen den „jüdischen Bolschewismus“ zu ihrem Schlachtruf.

Deutschland zwischen den Kriegen: Revolution kontra Konterrevolution

Im Dezember 1938, kurz nach dem Pogrom, das die Nazis „Kristallnacht“ nannten und das ein Vorbote des Holocaust war, schrieb Leo Trotzki:

„Es ist ohne Schwierigkeit möglich, sich vorzustellen, was die Juden beim bloßen Ausbruch des künftigen Weltkrieges erwartet. Aber sogar ohne Krieg wird gewiß die nächste Entwicklung der Weltreaktion die physische Vernichtung der Juden bedeuten.“

Trotzki war mit einer materialistischen Analyse und einem marxistischen Programm bewaffnet. Er verstand, daß die Nazis nicht einfach ein Ausdruck von antisemitischer reaktionärer Raserei waren, sondern ein letztes Werkzeug, zu dem die deutsche Bourgeoisie griff, um ihre Klassenherrschaft gegen die mächtige Arbeiterbewegung zu verteidigen. Dies führte zu faschistischen Diktaturen auch in Mussolinis Italien und Francos Spanien. In der Einleitung zu Documents on the „Proletarian Military Policy“ [Dokumente über die „Proletarische Militärpolitik“] (Prometheus Research Series Nr. 2, Februar 1989) stellten wir fest:

„Nachdem Deutschland, der mächtigste Staat Europas, im Ersten Weltkrieg militärisch geschlagen worden war und insbesondere nachdem zwei aufeinanderfolgende proletarische Revolutionen in diesem Land gescheitert waren, war der Weg dafür frei, daß der Nazismus, Deutschlands höchst giftiger Nationalismus, sich an die Spitze der Reaktion in Europa setzte... Da der Kommunismus sich nicht in dem Maße ausbreitete, wie er gefürchtet war, konnte die wachsende Nazipartei, bei breiter Zustimmung unter der Bevölkerung, die Juden anstelle der Bolschewiki als Blutopfer darbieten.“

Den Aufstieg des Nazismus kann man nur verstehen im Zusammenhang mit der bolschewistischen Revolution in Rußland 1917 und Deutschlands militärischer Niederlage im Ersten Weltkrieg. Die deutsche Bourgeoisie war entschlossen, durch die Wiederaufnahme des imperialistischen Krieges ihre Verluste aus dem Ersten Weltkrieg wettzumachen. Aber die Kapitalisten fürchteten die machtvollen, stark organisierten deutschen Arbeiter, die vielleicht, so dachten sie, dem Beispiel ihrer russischen Klassenbrüder folgen würden. Am Kriegsende war Deutschland mitten in einem Aufstand, nachdem eine Meuterei revolutionärer Matrosen zu einer breiteren proletarischen Erhebung und zum Spartakusaufstand im Januar 1919 in Berlin führte. Aber Rosa Luxemburgs und Karl Liebknechts Spartakisten hatten gerade erst mitten in der revolutionären Situation die KPD gegründet, die sich als unvorbereitet erwies, die Arbeiter zum Sieg zu führen.

Die Sozialdemokraten, die im August 1914 definitiv den Frieden mit der kapitalistischen Ordnung geschlossen hatten, als sie sich freiwillig als Rekrutierungsoffiziere für den imperialistischen Krieg meldeten, bestätigten ihre Loyalität zur Bourgeoisie dadurch, daß sie die Deutsche Revolution 1918/19 zerschlugen. Trotz ihrer proletarischen Massenbasis wurde die SPD zum Hauptbollwerk der bürgerlichen Weimarer Republik, die nach der Abdankung des Kaisers installiert worden war. Die SPD-Führer schworen, der „Bluthund“ gegen die Revolution zu sein und entfesselten die mörderischen paramilitärischen Freikorps-Einheiten, um das Proletariat niederzuschlagen und Liebknecht und Luxemburg zu ermorden. Die Freikorps, die Weimar als „Judenrepublik“ wüst beschimpften, hatten geschworen, „die Flut des Bolschewismus einzudämmen“, und wurden schließlich zum Kern von Hitlers SA-Sturmtruppen.

Die drückenden Bedingungen des Versailler Vertrages, den die imperialistischen Sieger Deutschland aufgezwungen hatten, schürten weiterhin den politischen und wirtschaftlichen Aufruhr. Im März 1920 wurde der Kapp-Putsch, mit dem rechte Armeeoffiziere die SPD-Regierung zu stürzen versuchten, durch Arbeitermobilisierungen vereitelt. Ein Jahr später lancierte die KPD dann einen Aufstand, die fehlgeschlagene „Märzaktion“. Die Krise entwickelte sich rapide weiter und spitzte sich 1923 zu, als die Besetzung des Ruhrgebietes durch französische Truppen eine unkontrollierte Inflation und Massenstreiks auslöste. Der Einfluß der KPD wuchs sprunghaft (auch die bei weitem kleinere faschistische Bewegung wuchs schnell an). Die Situation war reif für eine proletarische Revolution. Trotzki drängte die KPD und die Kommunistische Internationale, sich auf einen Aufstand vorzubereiten. Aber Stalin predigte Passivität, und sein Verbündeter Sinowjew, damals an der Spitze der Komintern, schwankte. Und die KPD, mit einer schwachen, unentschiedenen und in Fraktionen zerstrittenen Führung am Hals, ließ die revolutionäre Möglichkeit, die im Oktober 1923 ihren Höhepunkt erreichte, verstreichen.

Die russischen Bolschewiki waren sich immer darüber bewußt: Damit die Oktoberrevolution überleben kann, muß sich die Arbeiterrevolution auf das industrialisierte Westeuropa ausweiten, besonders auf Deutschland. Die Niederlage des deutschen Oktobers besiegelte die Isolierung der jungen Sowjetrepublik und rief weitverbreitete Demoralisierung hervor. Das führte zur Konsolidierung der politischen Macht einer konservativen Bürokratie unter Stalin, deren nationalistisches, antirevolutionäres Programm bald durch die Verkündung des „Sozialismus in einem Land“ klargemacht wurde. In Deutschland brachte die Niederlage von 1923 eine zeitweilige erneute Stabilisierung der kapitalistischen Herrschaft. Aber die deutsche Bourgeoisie war und blieb entschlossen, die proletarische Bewegung zu zerschlagen und einen neuen imperialistischen Krieg vorzubereiten; selbst als sich das Weimarer Regime öffentlich gegen die Wiederbewaffnung aussprach, schmiedeten die riesigen Krupp-Werke im geheimen „das neue deutsche Schwert“ (William Manchester, The Arms of Krupp 1587-1968 [Die Waffen von Krupp 1587-1968]).

Der Ausbruch der Weltwirtschaftskrise 1929 bewirkte eine sich vertiefende Klassenpolarisierung. Die Nazis wurden 1930 zweitstärkste und 1932 stärkste Partei im Reichstag. Auch die KPD verzeichnete eine dramatische Zunahme ihrer Wählerstimmen, was ihre wachsende Stärke auf der Straße und in den Fabriken widerspiegelte. Als das Land immer mehr auf einen wirklichen Bürgerkrieg zusteuerte mit täglichen Straßenschlachten zwischen Nazi-Sturmtruppen und KPD-Verteidigungsorganisationen, brachte die Bourgeoisie eine Reihe von provisorischen bonapartistischen Regimen an die Macht und setzte dabei immer massiver auf Hitler. Die Bourgeoisie konnte nicht länger auf die alte Weise herrschen. Unter den Bedingungen des wirtschaftlichen und sozialen Chaos waren die einzigen wirklichen Alternativen eine Arbeiterrevolution oder die „Radikal“lösung der Faschisten: Militarisierung der Wirtschaft, Zerschlagung der Arbeiterorganisationen und Vorbereitung auf einen neuen Weltkrieg. Die proletarische Führung war nicht bereit, ihre Klassenlösung der Krise durchzusetzen, aber umgekehrt zögerte die Bourgeoisie nicht, ihre eigene durchzusetzen.

Die deutsche Bourgeoisie übergab Hitler die Macht, um ihre grundlegenden Ziele durchzusetzen, ohne irgendeine besondere Vorliebe für den wahnsinnigen Plan der Nazis zur Vernichtung der Juden zu haben. Der Hitlerfaschismus war ein bonapartistisches Werkzeug (d.h. er hatte eine gewisse Freiheit, unabhängig von den unmittelbaren Wünschen einzelner Elemente der Kapitalistenklasse zu handeln, während die Kapitalisten die wirklichen Herren blieben). Ein solches Werkzeug war notwendig, um die Gesellschaft ganz und gar zu militarisieren und die organisierten Arbeiter zu zerschlagen; sowohl der anachronistische Junkermilitarismus des Kaisers als auch die Insignien der „Weimarer Demokratie“ konnten keine „Ordnung“ mehr schaffen angesichts der Krisenbedingungen im Deutschland zwischen den Weltkriegen.

Zwar akzeptierte also die Bourgeoisie bereitwillig die Nazis als ein Werkzeug zur Rettung ihrer Klassenherrschaft, doch die Herrscher und ihr Werkzeug waren nicht identisch. Die Nazibewegung hatte ihre Basis in den unteren Mittelschichten und im Lumpenproletariat; in ihrer Ideologie und besonders in ihrem bösartig-rassistischen Antisemitismus spiegelte sich die qualvolle Vergangenheit der „niederen Stände“ wider, besonders der Bauernschaft. Die Verteufelung der Juden spielte bei den Bauern eine ständige Rolle seit dem Dreißigjährigen Krieg, der Mitteleuropa in einen allgemeinen Kriegszustand versetzt und verwüstet hatte: Ein Drittel der Bevölkerung starb, entweder niedergemetzelt durch Söldnerheere, die das Land ausplünderten, oder dahingerafft durch die Hungersnöte und Seuchen, die der Krieg mit sich brachte. Die Rolle der Juden als Spekulanten (die „Kornjuden“) in diesen Jahren der Verwüstung und der Hungersnot grub sich tief in das Bewußtsein der Bauernschaft ein, die unvorstellbares Leid ertragen mußte.

Dieses Erbe machte die Juden in Deutschland zu einem natürlichen Sündenbock und Blitzableiter für den virulenten deutschen Nationalismus der Nazis. Die Juden boten sich dafür geradezu an wegen der vergifteten und explosiven Situation, die historisch aus der regionalen/religiösen Spaltung Deutschlands in den protestantischen Norden und die katholischen Gebiete entstanden war. Die nationale Einigung Deutschlands kam sehr spät und war keine erledigte Frage. Noch bis ins 20. Jahrhundert hielten sich separatistische Strömungen, z.B. in Bayern (und Konrad Adenauer, Chef des CDU-Regimes nach dem Zweiten Weltkrieg, begann seine politische Laufbahn in den 20er Jahren in der von Frankreich unterstützten katholischen Separatistenbewegung des Rheinlandes). Die deutsche Bourgeoisie brauchte einen zentralisierten starken Staat, nachdem sie bereits die Aufteilung der Welt unter die anderen europäischen Imperialisten verpaßt hatte, die starke Nationalstaaten hatten, während Deutschland noch in lauter Kleinstaaten aufgeteilt war. Zum Feind im Innern eigneten sich die Juden ganz wunderbar, da sie weder protestantisch noch katholisch waren.

Trotzki und der Kampf gegen den Faschismus in Deutschland

In „Soll der Faschismus wirklich siegen? Deutschland — der Schlüssel zur internationalen Lage“ (November 1931) warnte Trotzki:

„Es kommt der Augenblick, wo die vorrevolutionäre Situation umschlagen muß in die revolutionäre oder — die konterrevolutionäre. In welcher Richtung sich die Lösung der deutschen Krise entwickeln wird, davon wird auf viele Jahre hinaus nicht nur das Schicksal Deutschlands, sondern das Schicksal Europas, das Schicksal der ganzen Welt abhängen.“

Dieses Ergebnis wiederum hing von der Frage der revolutionären Führung ab, einer authentisch kommunistischen Partei, die das Proletariat führt, damit es die faschistische Bedrohung zerschlägt und im eigenen Namen die Macht erobert.

Trotz jahrelanger stalinistischer Degeneration behielt die KPD die Unterstützung von Millionen revolutionär gesinnter Arbeiter. Als Teil ihres Kampfes, das nationalistische Regime Stalins zu stürzen und die Sowjetunion und die Kommunistische Internationale auf den Weg des bolschewistischen Internationalismus zurückzuführen, kämpften Trotzki und die Linke Opposition darum, die KPD von ihrer zentristischen „Dritten Periode“ zu brechen, einem Zickzack-Kurs zwischen verbrecherischer Passivität und sektiererischem Abenteurertum. Die KPD taufte die SPD „sozialfaschistisch“, als Bestandteil ihrer Politik, die Gefahr des Hitlerfaschismus herunterzuspielen. In seinem Artikel „Was nun?“ vom Januar 1932, der von der deutschen Linken Opposition in Zehntausenden Exemplaren verbreitet wurde, argumentierte Trotzki folgendermaßen:

„In seinem Kampf gegen die Sozialdemokratie muß sich der deutsche Kommunismus in der jetzigen Etappe auf zwei untrennbare Grundsätze stützen: a) die politische Verantwortung der Sozialdemokratie für die Macht des Faschismus; b) die absolute Unversöhnlichkeit zwischen dem Faschismus und jenen Arbeiterorganisationen, durch die sich die Sozialdemokratie hält.“

In der sozialen Krise, die damals Deutschland erschütterte, stellten die Nazis eine unmittelbare tödliche Bedrohung für die Arbeiterbewegung dar, einschließlich für jene Millionen Arbeiter, die in der SPD und den SPD-geführten Gewerkschaften organisiert waren. Trotzki erklärte:

„Die Reihe ist ans faschistische Regime gekommen, sobald die ,normalen‘ militärisch-polizeilichen Mittel der bürgerlichen Diktatur mitsamt ihrer parlamentarischen Hülle für die Gleichgewichtserhaltung der Gesellschaft nicht mehr ausreichen. Durch die faschistische Agentur setzt das Kapital die Massen des verdummten Kleinbürgertums in Bewegung, die Banden deklassierter, demoralisierter Lumpenproletarier und all die zahllosen Menschenexistenzen, die das gleiche Finanzkapital in Verzweiflung und Elend gestürzt hat.“

In einem Artikel nach dem anderen drängte Trotzki die KPD, die SPD in eine Einheitsfront zu zwingen — unter der Losung „Getrennt marschieren, vereint schlagen!“ —, um die Nazis zu stoppen und damit gleichzeitig die sozialdemokratischen Arbeiter von ihren Irreführern zu brechen und sie in einen Kampf für proletarische Macht zu führen. Er warnte:

„Es ist Pflicht der Linken Opposition, Alarm zu schlagen: Die Leitung der Komintern führt das deutsche Proletariat in eine gewaltige Katastrophe, in die panische Kapitulation vor dem Faschismus!“

Der Alarm stieß auf taube Ohren. „Die Moskauer Leitung bezeichnete nicht nur die Politik, die Hitlers Sieg gesichert hatte, als fehlerfrei, sondern verbot, über das Geschehene zu diskutieren“, schrieb Trotzki im Juli 1933. „Eine Organisation, die der Donner des Faschismus nicht geweckt hat und die demütig derartige Entgleisungen von seiten der Bürokratie unterstützt, zeigt dadurch, daß sie tot ist und nichts sie wieder beleben wird“ („Man muß von neuem kommunistische Parteien und eine Internationale aufbauen“). Die Linke Opposition machte sich an die Aufgabe, eine neue bolschewistische Partei in Deutschland und eine neue, Vierte Internationale aufzubauen.

Wie Trotzki vorausgesehen hatte, zertrümmerte das Dritte Reich sofort die Arbeiterorganisationen, die während eines halben Jahrhunderts im Kampf aufgebaut worden waren, ihre Führer wurden ins Exil gezwungen, ihre besten Kämpfer ermordet oder nach Dachau und anderen Konzentrationslagern verschleppt (bei Goldhagen heißt das: „Und im großen und ganzen war es auch eine friedliche Revolution, die das deutsche Volk vor allem innenpolitisch zustimmend verfolgte und mittrug. Im Innern war diese Revolution von Konsens bestimmt“). So wurde der Weg bereitet für die Massenvernichtung der Juden und anderer Minderheiten und für das nächste interimperialistische Gemetzel. In „Porträt des Nationalsozialismus“ (Juni 1933) schrieb Trotzki: „Die gewaltsame Zusammenfassung aller Kräfte und Mittel des Volkes im Interesse des Imperialismus — die wahre geschichtliche Sendung der faschistischen Diktatur — bedeutet die Vorbereitung des Krieges“.

Die Zerstörung der Arbeiterbewegung im eigenen Land ging Hand in Hand mit dem Drang der Bourgeoisie, den ersten Arbeiterstaat zu zerstören. Schon 1919 wüteten die gleichen Freikorps-Banden, die die revolutionären deutschen Arbeiter in Blut ertränkten, auch im Baltikum, um „das Vaterland gegen den russischen Bolschewismus zu verteidigen“ (zitiert in Richard M. Watt, The Kings Depart [Die Könige treten ab]). Unter dem Banner des Kreuzzugs gegen den „jüdischen Bolschewismus“ bereitete sich das Naziregime auf den Krieg gegen die Sowjetunion vor. Das „Unternehmen Barbarossa“, der Überfall auf die UdSSR im Juni 1941, bezeichnete auch den Beginn des Völkermords durch die Nazis, die entsetzliche „Endlösung der Judenfrage“.

Währenddessen war Stalin von einer „panischen Kapitulation“ in die nächste verfallen: Er ersuchte um ein Bündnis mit den (nicht weniger antisowjetischen) „demokratischen“ Imperialisten, ließ am Vorabend des Krieges den Kern der Kommandostruktur der Roten Armee abschlachten und setzte blindes Vertrauen in Hitlers Versprechungen über einen „Nichtangriffs“pakt. Nach diesem Übereinkommen wurden antifaschistische Romane aus sowjetischen Bibliotheken entfernt und selbst das Wort „Faschismus“ verschwand aus der sowjetischen Presse. Stalin setzte ein derart tiefes Vertrauen in Hitlers Versprechen, daß er sowjetische Geheimdienstberichte über den drohenden Naziüberfall zurückwies. Selbst nach dem Überfall im Juni 1941 lähmte der selbsternannte „Oberbefehlshaber“ mehrere kritische Wochen lang die sowjetische Verteidigung. Vier blutige Jahre und das Leben von etwa 26 Millionen Sowjetbürgern kostete es, bis die Rote Armee und die sowjetische Bevölkerung die Nazipest zerschlagen und die Überlebenden der jüdischen Bevölkerung Europas retten konnten. Und es war die Rote Armee, die das Rückgrat der Nazi-Wehrmacht brach, die 80 Prozent ihrer Verluste an der Ostfront hatte. Die Invasion der alliierten Streitkräfte in der Normandie hatte weniger mit einer Säuberung Europas von den Überresten der deutschen Armee zu tun als vielmehr mit einem Wettlauf gegen die vorstoßende Rote Armee nach Berlin, um dadurch die kapitalistische Herrschaft in Westeuropa wieder zu stabilisieren.

Goldhagen, Zionismus und deutscher Revanchismus

Heute hat die kapitalistische Konterrevolution in der Sowjetunion und den bürokratisch deformierten Arbeiterstaaten Osteuropas den Werktätigen und nationalen Minderheiten in diesen Ländern eine Rückkehr von Verelendung und Pogromen gebracht. Sie hat auch zu einem enormen Anstieg der Angriffe gegen die Arbeiter Westeuropas geführt, u.a. zum verstärkten rassistischen Terror gegen und Deportationen von Immigranten und Arbeitern türkischer, kurdischer und nordafrikanischer Herkunft. Konfrontiert mit wachsender Konkurrenz seitens ihrer imperialistischen Rivalen, sind die Bourgeoisien dabei, die Sozialleistungen kurz und klein zu schlagen, die gewährt wurden, um Ende des Zweiten Weltkriegs das Gespenst der roten Revolution abzuwehren; ihr anarchisches Profitsystem wollen sie dadurch retten, daß sie den Lebensstandard der Arbeiter qualitativ senken.

Die Faschisten — Speerspitze der bürgerlichen Reaktion — werden durch „offiziellen“ staatlichen Rassismus ermutigt und wachsen rasch, da sie sich von der Frustration einer großen Anzahl arbeitsloser Jugendlicher nähren und diese Frustration in blutige Greueltaten gegen ethnische und nationale Minderheiten kanalisieren. Der kapitalistische Anschluß Ostdeutschlands führte zu einer steigenden Flut von mörderischen Angriffen auf Immigranten und Asylsuchende, Brandanschlägen gegen türkische und kurdische Familien und regelrechten Pogromen wie im August 1992 die tagelange Belagerung eines Flüchtlingswohnheims in Rostock durch Hunderte Nazis und der Brandanschlag auf das benachbarte vietnamesische Arbeiterwohnheim. Als Folge der rachsüchtigen Verwüstung der Industrie im Osten durch das Vierte Reich bekamen die Faschisten bei den letzten Wahlen in Sachsen-Anhalt 13 Prozent der Stimmen. Gleichzeitig ahmen die sozialchauvinistischen, d.h. sozialdemokratischen und exstalinistischen, Irreführer die Faschisten nach bei dem Versuch, Immigranten und „ausländische“ Arbeiter zu Sündenböcken zu machen für die Verwüstungen, die das kapitalistische System angerichtet hat. Die Forderung der DGB-Bürokraten nach Quoten für Immigranten ist ein Echo der Nazi-Losung „Arbeitsplätze zuerst für Deutsche“.

Erneut ist der Antisemitismus ein Handlanger der imperialistischen Reaktion und des wiederaufsteigenden nationalen Chauvinismus. Die Faschisten, die blutige Greueltaten gegen dunkelhäutige Menschen begehen, schänden auch jüdische Friedhöfe und stecken Synagogen in Brand, wie in Lübeck 1994 und 1995. Im Mai 1997 stürmten die Bullen selber ein jüdisches Gemeindehaus in Halle, schlugen Fensterscheiben ein und brachen die Türen auf. Mehrere Monate zuvor hatte die Frankfurter Allgemeine Zeitung, konservatives Sprachrohr der Großbourgeoisie, Britanniens damaligen Außenminister als „den Juden Rifkind“ bezeichnet. Letztes Jahr rief eine Ausstellung über die Rolle der Wehrmacht im Holocaust Proteste hervor, so wie einige Jahre zuvor der Film Das schreckliche Mädchen, der die wahre Geschichte einer Schülerin erzählt, die die Geschichte ihrer Stadt Passau im Dritten Reich zu untersuchen versuchte.

Wie nicht anders zu erwarten, war die ursprüngliche Reaktion auf Goldhagens Buch sogar unter „respektablen“ bürgerlichen Stimmen in Deutschland ein abscheulicher chauvinistischer und antisemitischer Aufschrei. Die arrogante Junkerstochter Gräfin Dönhoff warnte in der Zeit (6. September 1996), das Buch könne Antisemitismus „wieder neu beleben“, und käute damit die rassistische Lüge wieder, die Juden zögen die Verfolgung selbst auf sich. Rudolf Augstein wetterte in Der Spiegel (15. April 1996) unter der dreisten Überschrift „Der Soziologe als Scharfrichter“: „Die Debatte, ob Auschwitz nun ein einmaliges Verbrechen war, kann doch nun, weil erledigt, nicht jedes Jahr neu aufgerollt werden.“ Dieser „liberale“ Herausgeber von Deutschlands bekanntestem Wochenmagazin hat seine eigenen Gründe, die Vergangenheit zu „vergessen“: Er begann seine journalistische Karriere 1942 beim Naziblatt Völkischer Beobachter, und der SPD-nahe Spiegel war nach seiner Gründung 1946 durch britische Besatzungstruppen jahrelang ein sicherer Hafen für „ehemalige“ SS-Killer.

Aber nur wenige Monate nachdem Goldhagen in der deutschen Presse angeprangert worden war, feierte ihn ein Gutteil der intellektuellen Elite des Landes. Bei einer dieser Versammlungen begeisterte sich Wolfgang Wippermann, Liebling der Sozialdemokraten: „Goldhagen hat sich um die politische Kultur unseres Landes verdient gemacht“ (Goldhagen und die deutsche Linke, Elefanten Press Verlag, 1997). Diesen Ideologen für das Vierte Reich wurde klar, daß Goldhagen letztendlich „gut für die Deutschen“ war. Der Grund für das herzliche Willkommen, das er von Deutschlands herrschenden Kreisen erhielt, ist nach Meinung von Volker Ullrich, Redakteur der Zeit, „vielleicht Daniel Goldhagens unerschütterliches Vertrauen in die demokratische Lernfähigkeit der Deutschen“. Denn ungeachtet seiner antideutschen Giftigkeit stellt Goldhagen in Wahrheit dem „demokratischen“ deutschen Imperialismus einen Persilschein aus und schreibt in seinem Vorwort zur deutschen Ausgabe: „Die politische Kultur der Bundesrepublik und die meisten Deutschen sind inzwischen als von Grund auf demokratisch zu bezeichnen. Auch der Antisemitismus ist deutlich schwächer geworden.“ Seine triumphale Tour durch Deutschland sei schon an sich „ein weiteres Zeichen, wie sich Deutschland verändert hat“, sagte Goldhagen der Jerusalem Post (6. Dezember 1997).

Diese Umwandlung schreibt Goldhagen hauptsächlich der „Umerziehung“ durch die imperialistischen Alliierten während der Besatzung nach dem Krieg zu. Tatsächlich zeigte diese Episode klar und deutlich, daß die Bourgeoisie, die den Holocaust durchführte, heute immer noch in Deutschland herrscht. Nur in sowjetisch besetzten Gebieten wurde über die Nazimassenmörder überhaupt wirklich gerichtet.

Bis Januar 1951 war jeder deutsche Industrielle, der wegen Kriegsverbrechen im Gefängnis gesessen hatte, wieder frei aufgrund einer allgemeinen Begnadigung, die der US-Hochkommissar JohnJ.McCloy angeordnet hatte (siehe Robert Wistrich, Wer war wer im Dritten Reich?, Harnack Verlag, 1983). Der Stahlmagnat Friedrich Flick, der zehntausende jüdischer Sklavenarbeiter bis zum Tode schuften ließ, erhielt die Kontrolle über Daimler-Benz und die anderen Betriebe seines riesigen Industrieimperiums zurück. Das gleiche galt für den Waffen- und Munitionsproduzenten Alfred Krupp, der bis zu 80 000 Sklavenarbeiter ermordete, während sein Vater Gustav, der „Super-Nazi“, noch nicht einmal ins Gefängnis kam. Nicht inhaftiert wurden auch tausende „kleinerer“ Nazis, wie der Gestapo-Gründer Rudolf Diels, der nach dem Krieg eine hohe Position im Innenministerium einnahm.

Goldhagen mit seiner Scheuklappensicht ist es egal, daß das heutige „demokratische“ Deutschland für Millionen dunkelhäutiger Immigranten und Asylsuchender ein Alptraum von Unterdrückung und Bullen- und Nazi-Terror ist. Das „bemerkt“ dieser Zionist nicht, denn die „Juden“ von heute sind Türken und Kurden: Die deutsche Staatsbürgerschaft wird durch „Blut“, nicht durch den Geburtsort definiert und wird selbst Menschen verwehrt, die in Deutschland geboren sind, und auch solchen, die jahrzehntelang im Land gelebt und gearbeitet haben. In seinem Buch erwähnt Goldhagen nur gerade am Rande den Völkermord der Nazis an bis zu einer halben Million Roma — ein Volk, das im Holocaust verhältnismäßig mehr Todesopfer erlitten hat als sogar die Juden — und das Abschlachten von Millionen Slawen und Kommunisten.

Der zionistische Befürworter der deutschen „Kollektivschuld“ verleiht also eine Lizenz zur ideologischen Wiederbewaffnung des Vierten Reichs. Die Goldhagen-Debatte ist mit dem sogenannten „Historikerstreit“ verglichen worden, als Apologeten des Dritten Reichs wie der Historiker Ernst Nolte versuchten, den Holocaust zu „relativieren“ und Hitlers „Exzesse“ im höheren Interesse des „Kreuzzugs gegen den Bolschewismus“ zu entschuldigen. Das Ziel war, eine Wiederbelebung des deutschen „Patriotismus“ anzustacheln. Aber auf dieses Ziel sind nicht nur rechte Hitler-Apologeten aus, sondern auch weitsichtigere Sprecher für den deutschen Imperialismus, die bereit sind, Floskeln ihres Bedauerns über die Vergangenheit herunterzuleiern, um ein Hindernis wegzuräumen, das Deutschlands revanchistischen imperialistischen Gelüsten im Wege steht. Der Historiker Robert Wistrich bemerkte (Times Literary Supplement, 7. Juni 1996): „Wesentlich [für Kohls] Sichtweise ist der Wunsch, Deutschlands Vergangenheit zu ,normalisieren‘ und als Basis für eine positive deutsche Identität einen robusten, gesunden Patriotismus zu legitimieren... [Deutsche heute] wollen stolz darauf sein, Deutsche zu sein, ohne Schuld ihre Geschichte genießen, und sie wollen (was eher fragwürdig ist) einen Schlußstrich unter die Nazivergangenheit ziehen.“ Goldhagen erhielt den „Demokratiepreis“ gerade deshalb, weil er der Bourgeoisie von Auschwitz dabei hilft, diesen Schlußstrich zu ziehen.

Zionistische Buchzensoren auf den Barrikaden

Goldhagen leugnet, daß er irgendwie die „Kollektivschuld“ vertritt, doch propagiert er in kristallklarer Form diese Linie, die bei Zionisten und deutschen Nachkriegsliberalen gleichermaßen gang und gäbe ist. Wenn man von seinen Argumenten den Harvard-„Soziologenjargon“ abzieht, sind sie erstaunlich banal: „Gewöhnliche Deutsche“ ermordeten Juden, weil sie Juden haßten und sie tot sehen wollten. Laut Goldhagen waren Polizei und andere „willige Vollstrecker“, das Personal der Massenmordmaschinerie der Nazis, repräsentativ für eine Bevölkerung, die in ihrer überwiegenden Mehrheit Hitler und den Holocaust begrüßte, weil das deutsche Volk in einzigartiger Weise über Jahrhunderte hinweg von einer bösartig „eliminatorischen“ Form des Antisemitismus durchdrungen gewesen war. Kurz gesagt, schreibt er, „keine Deutschen, kein Holocaust“. Eigentlich stammt diese Position direkt von der Kriegspropaganda der Alliierten, die den massiven Bombenterror gegen die deutsche Zivilbevölkerung mit der Behauptung zu rechtfertigen suchten, daß alle Deutschen Hitler unterstützten. Britische und amerikanische Streitkräfte richteten ein schreckliches Gemetzel unter der Zivilbevölkerung dadurch an, daß sie deutsche Städte wie Dresden in aufeinanderfolgenden Angriffswellen bombardierten: Zuerst wurden Sprengbomben abgeworfen, dann Brandbomben und schließlich Bomben mit Zeitzünder, um die Feuerwehrleute zu töten. In der Sprache der alliierten Kriegsverbrecher waren die Toten alle Nazis.

Goldhagens Buch ist wahrhaftig eine „Holocaust-Studie“ für die Ära „Tod des Kommunismus“. In einem Buch von mehr als 600 Seiten, das vorgibt, den Aufstieg der Nazis an die Macht zu erklären, sagt Goldhagen nichts über die Klassenkonflikte, die das Gefüge der deutschen kapitalistischen Gesellschaft fast zum Einsturz gebracht hatten, und erwähnt nur nebenbei die Existenz von sozialdemokratischen und kommunistischen Massenparteien. (Sogar der Londoner Economist, 27. April 1996, Sprachrohr des britischen Finanzkapitals, fühlte sich gezwungen zu kommentieren, Goldhagen vernachlässige „die Klassenfrakturen der deutschen Gesellschaft ... zugunsten eines geheimnisvollen Deutschtums“; die Buchbesprechung trägt den passenden Titel: „Wenn alle schuldig waren, dann war es keiner“.) Wie Kaiser Wilhelm beim Ausbruch des Ersten Weltkriegs könnte Goldhagen sagen: „Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur noch Deutsche“. Das ist Unsinn: Die deutsche Gesellschaft war zutiefst gespalten; die Masse des Proletariats war gegen Hitler, aber sie wurde von ihren stalinistischen und sozialdemokratischen Führern verraten.

Norman Finkelstein, der an der New York University und der City University of New York unterrichtet, zerreißt in seinem Aufsatz (eine erweiterte Version seines in New York Left Review, Juli/August 1997, erschienenen Artikels) in dem Buch Eine Nation auf dem Prüfstand die „akademische“ Fassade von Goldhagens wiederaufgewärmter „Kollektivschuld“-Linie und klagt an: „Das Buch steckt voller falscher Darstellungen der Sekundärliteratur, voller innerer Widersprüche und ist als wissenschaftliche Arbeit wertlos.“ Finkelstein dokumentiert die Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung im Kampf gegen antisemitische Hetze, weist auf den „antibolschewistischen Kreuzzug“ der Nazis hin, den Goldhagen ignoriert, und lehnt die Vorstellung ab, die deutsche Bevölkerung sei vor dem Krieg eine durch und durch reaktionäre Masse gewesen, die danach lechzte, die Juden zu vernichten. Er führt auch als Argument an, daß Hitler wiederholt den Ton seiner antisemitischen Hetztiraden abmildern mußte, um Wahlunterstützung zu bekommen.

Finkelstein zerfetzt auch Goldhagens metaphysische Behauptung, der deutsche Rassismus gegen die Juden sei in seiner Bösartigkeit historisch einzigartig gewesen, und weist dabei, neben anderen Beispielen, nachdrücklich auf den Jim-Crow-Rassismus gegen Schwarze in den USA hin und auf den abscheulichen antijapanischen Chauvinismus, der mit dem Krieg im Pazifik 1941–45 einherging. Finkelsteins Koautorin Birn, Chefhistorikerin der Abteilung Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit des kanadischen Justizministeriums, notiert in ihrem Aufsatz (ursprünglich veröffentlicht im Historical Journal der Cambridge University Press), daß die baltischen Nationalisten und andere, die dem Dritten Reich als Komplizen dienten, oftmals bestialischer als ihre deutschen Herren gegen Juden vorgingen, und sie nimmt Goldhagen dafür auseinander, daß er die „spezifische Kultur“ der Polizeieinheiten, die er untersucht, mit der deutschen Gesellschaft als ganzer gleichsetzt. Tatsächlich waren die Polizeieinheiten, die an der Ostfront Juden und Kommunisten niedermetzelten, in blutigen Schlachten gegen die deutschen Arbeiter trainiert worden.

Goldhagen zog über Birn her wegen ihrer „trugschlüssigen zerstörerischen Leistung“ und bediente sich sogar der drakonischen britischen Verleumdungsgesetze, um sie zu verklagen! Aber besonders Finkelsteins Aufsatz erzürnte Goldhagen und seine zionistischen Unterstützer. Der Vorsitzende der Anti-Defamation League, Abraham Foxman, verlangte, der Verlag Henry Holt & Co. solle die Veröffentlichung des Buches einstellen, und wetterte, es gehe darum, „was ,legitime Kritik‘ ist und was die Grenzen des Erlaubten überschreitet“! Elan Steinberg, Leiter des Jüdischen Weltkongresses, nannte das Buch „Müll“ und schäumte, sein Autor sei „ein allgemein bekannter Antizionist“, und ein kanadischer Sprecher des Jüdischen Weltkongresses denunzierte Finkelstein als „ein Greuel für die überwiegende Mehrheit der Juden auf diesem Kontinent“.

Goldhagen und seine Leute springen nicht bloß deshalb im Dreieck, weil Finkelstein Goldhagens „Verwendung von wissenschaftlichen Quellen“ systematisch auseinandernahm, wie es Newsweek (23. März) vermutete. In ihren Augen tat Finkelstein etwas viel Schlimmeres: Sein Buch geht darauf ein, wie diese Apologeten von Israels Terror gegen Araber zynisch den Holocaust für ihre eigenen Zwecke benutzen und argumentieren. Aus Goldhagens Position folge,

„daß Nichtjuden für alle Zeiten und ohne jeden Grund mörderische antijüdische Gefühle hegen, während Juden sich immer und a priori einer moralischen Straflosigkeit erfreuen. Diese ahistorische Konzeption ist für diejenigen, die jede Kritik am Zionismus für nichts anderes als verkleideten Antisemitismus halten, von offensichtlichem Nutzen. Denn so wird der jüdische Staat immun gemacht gegen legitime Mißbilligung seiner Politik: Kritik, ganz gleich in welcher Form, kann nur von fanatischem Antisemitismus motiviert sein.“

Was die Zionisten mit einer solchen Giftigkeit gegen Finkelstein aufbringt, der schon zuvor zwei Bücher geschrieben hat, in denen er Israels Drang nach „Lebensraum“ auf Kosten der Palästinenser entlarvt, ist zweifellos, daß sie diesen Sohn von Überlebenden der Nazi-Konzentrationslager nicht einfach als „Antisemiten“ verdammen können.

Kommunismus und die jüdische Frage

Die Affinität der Zionisten zum deutschen Imperialismus beruht sowohl auf Realpolitik als auch auf einer gemeinsamen ideologischen Einstellung. Theodor Herzl und die anderen Gründungsväter der zionistischen Bewegung bedienten sich ausgiebig der „Blut-und-Boden“-Ideologie des aufsteigenden deutschen Imperialismus um die Jahrhundertwende. Die Zionisten verfolgten ihr reaktionäres Projekt eines ausschließlich „jüdischen Staats“, der mitten aus dem Gebiet, in dem die palästinensische arabische Bevölkerung lebte, herausgetrennt werden sollte, und suchten dafür die Schirmherrschaft der einen oder anderen Großmacht — sie setzten auf den britischen Imperialismus, den russischen Zarismus und sogar auf Hitlers Drittes Reich (siehe „Revolution, Counterrevolution and the Jewish Question“ [Revolution, Konterrevolution und die jüdische Frage], Spartacist, englische Ausgabe Nr. 49/50, Winter 1993/94).

Eines der zahlreichen Beispiele für die Zusammenarbeit zwischen den Zionisten und den Nazis war das berüchtigte „Transferabkommen“ aus den 30er Jahren, wonach jüdisches Kapital aus Deutschland nach Palästina gelenkt wurde. Die faschistoide Lehi-Gruppe, damals geführt vom späteren israelischen Ministerpräsidenten Yitzhak Shamir, vertrat explizit eine „Interessengemeinschaft ... zwischen den Zielen der Neuen Ordnung in Europa, wie Deutschland sie angeht, und den wahren nationalen Bestrebungen des jüdischen Volkes“. Bevor die Nazis darangingen, alle Juden zu ermorden, die sie zu fassen kriegten, erkannten auch sie eine „Interessengemeinschaft“ an und erlaubten den Zionisten noch bis 1938, in Deutschland offen zu arbeiten.

Die Faszination, die der deutsche Faschismus auf die Zionisten ausübte, entsprang deren eigenen Zielen. Der Versuch, eine Nation in einer Epoche zusammenzubringen, wo der Nationalismus jeden fortschrittlichen Inhalt verloren hat, stellte den Zionismus — ob nun bürgerlich, „arbeiternah“ oder sogar „sozialistisch“ — notwendigerweise dem Rationalismus, Internationalismus und Kommunismus feindlich gegenüber.

Erst nach der Zerstörung der deutschen Arbeiterbewegung konnte Hitler zur grauenhaften „Endlösung“ schreiten. Und erst der Holocaust, der die einst vor Leben sprühende prosozialistische jüdische Arbeiterbewegung Osteuropas ganz und gar zerstörte, versetzte die Zionisten in die Lage, ihr Ziel zu erreichen, indem sie den kapitalistischen Staat Israel errichteten. Die Zusammenarbeit der Zionisten mit dem deutschen Imperialismus setzt sich bis heute fort: Deutschland hat wesentlich dazu beigetragen, daß Israel sein Atomwaffenarsenal aufbauen konnte. Der mutige israelische Atomtechniker Mordechai Vanunu hat das Ausmaß dieses Arsenals aufgedeckt; dafür hat ihn Israel rachsüchtig zu 18 Jahren Hochsicherheitskerker verurteilt. Die IKL fordert: Freiheit für Vanunu, sofort!

Weit davon entfernt, die jüdische Frage zu lösen, ist Israel eine halbtheokratische Todesfalle für die jüdische Bevölkerung und eine Schlachtbank für die unterdrückten Palästinenser. Die „eliminatorischen Einstellungen“, die laut Goldhagen einzigartig im Vorkriegsdeutschland auftraten, sind heute offenkundig unter Israels kapitalistischen Herrschern vorhanden, in deren Augen die Palästinenser und alle Araber Untermenschen sind. Als proletarische Internationalisten kämpfen wir für eine Sozialistische Föderation des Nahen Ostens, in der die nationalen Rechte der Palästinenser/Araber, der hebräischsprachigen Bevölkerung und jedes anderen Volkes gewahrt werden, und fordern: Verteidigt die palästinensische Bevölkerung — Israel raus aus den besetzten Gebieten!

Die SPD: Speerspitze des wiederaufsteigenden deutschen Nationalismus

Es ist bezeichnend, daß die verschiedenen Pseudolinken, die sich in die Goldhagen-Debatte eingeschaltet haben, sich so ziemlich auf ein Gebiet beschränken, das weit effektiver von Akademikern wie Finkelstein abgedeckt wird. Jahrelang sind sie der antisowjetischen Sozialdemokratie hinterhergelaufen und machen jetzt mit bei der imperialistischen Lüge vom „Tod des Kommunismus“. Sie akzeptieren alle den von der Bourgeoisie und ihren Ideologen gesetzten Rahmen der Debatte: Entweder suhlen sie sich — wie das pseudotrotzkistische Vereinigte Sekretariat (VS) — in „Kollektivschuld“ oder überschlagen sich bei der Verteidigung der „Ehre“ der „deutschen Arbeiterbewegung“, d. h. der Sozialdemokratie.

Typisch für letzteres Verhalten sind die politischen Banditen von David North’ Socialist Equality Party (SEP, in Deutschland Partei für Soziale Gleichheit). Zwar zitiert North Trotzkis Schriften zum Faschismus und zur jüdischen Frage, aber den größten Teil seiner langatmigen Erörterung des Goldhagen-Buchs widmet er einer historischen Darstellung der Opposition der SPD gegen den Antisemitismus. Er erwähnt kaum die Oktoberrevolution, sagt überhaupt nichts über die (von den North-Leuten unterstützte!) kapitalistische Konterrevolution, die zum heutigen scharfen Anstieg des faschistischen Terrors führte, und reduziert Trotzkis Kampf in den frühen 30er Jahren ausschließlich auf die Frage der Einheitsfront gegen den Faschismus (Neue Arbeiterpresse, 1. Mai 1997).

Tatsächlich ist North’ Abhandlung kaum mehr als eine Lobrede auf die parlamentarischen Heldentaten der SPD, die, wie er lächerlicherweise behauptet, bis zum Ausbruch des ersten Weltkriegs 1914 eine „revolutionäre Massenbewegung der Arbeiterklasse“ darstellte! So amnestiert dieser Scharlatan die Eberts, Scheidemanns und Noskes und liquidiert den jahrelangen Kampf von Luxemburg und Liebknecht gegen die reformistischen und zentristischen SPD-Führer. Eigentlich nicht so überraschend bei dieser „Gleichheits“partei, die an Bigotterie gegen Schwarze, gegen Frauen und gegen Homosexuelle appelliert: North „borgt“ sich antisemitische Stereotypen von der bürgerlichen Gesellschaft — er höhnt, Goldhagen sei dadurch motiviert, daß sein Werk „finanziell ... einträglich“ sei, und zieht über den „ungeschminkten wirtschaftlichen Eigennutz“ der jüdischen Bourgeoisie vor dem Krieg her wegen deren (keineswegs überraschenden) Weigerung, die SPD zu unterstützen.

Die Gruppe Linksruck, verbunden mit Tony Cliffs britischer Socialist Workers Party, geht noch weiter: Sie gibt sich nicht damit zufrieden, einfach die Geschichte der Sozialdemokratie zu verteidigen. Linksruck, über Jahre tief in den Jugendgruppen der SPD vergraben, ist eng mit der Politik der SPD verwachsen. Bei der Zurückweisung von Goldhagens „Kollektivschuld“-These fühlen sich die Cliff-Anhänger gezwungen, sogar zur Verteidigung der „Ehre“ junger Nazi-Schläger zu eilen, und sie stellen die groteske Frage: „Ist der einfache Hitler-Junge genauso schuld, wie der Industrielle, der Hitler an die Macht finanzierte?“ (Linksruck, März 1996). Das kommt dabei heraus, wenn man sich jahrelang für praktisch jede antikommunistische Bewegung auf diesem Planeten begeistert. Linksruck hat im September 1997 in Hamburg aktiv den Wahlkampf der SPD unterstützt — der Partei, die die seit Jahren rassistischste Wahlkampagne in Deutschland führte und die gemeinsam mit der PDS bis über beide Ohren in der Finanzierung von „Jugendzentren“ für Nazi-Skinheads steckt.

Mit Ausnahme des zentristischen Revolutionär Sozialistischen Bunds (RSB), deutsche Unterstützer des VS, nahm keine dieser Gruppen auch nur Notiz davon, daß die „gewöhnlichen Deutschen“, von denen Goldhagen spricht, Mitglieder eines Nazi-Polizeibataillons waren, und keine nahm Anstoß daran, daß er dem deutschen Imperialismus ein „demokratisches“ Zeugnis ausstellt. Tatsächlich teilen diese Pseudorevolutionäre solche Illusionen. Im Schlepptau der SPD trieben sie praktisch allesamt 1990 die kapitalistische Wiedervereinigung Deutschlands voran und bejubelten ein Jahr später Jelzins Konterrevolution in der Sowjetunion.

Im Grunde genommen verträgt sich die „Kollektivschuld“-Theorie nicht nur mit dem wiederaufsteigenden deutschen Chauvinismus, sie ergänzt ihn auch. Wie der israelische Schriftsteller Amos Elon im New York Times Magazine (26. Januar 1997) sagte: „Das ritualisierte Lippenbekenntnis zur Schuld dient dazu, dem neuen Nationalismus und dem neuen Fremdenhaß ein gutes Gewissen zu verschaffen“. In den 70er und 80er Jahren bildeten die SPD und die „links“bürgerlichen Grünen, getragen von der Welle pazifistischer Opposition gegen die Stationierung von US-Raketen, die Speerspitze des wiederaufsteigenden deutschen Nationalismus. Damit wollten sie für den deutschen Imperialismus eine unabhängige Position abstecken, sowohl gegen seinen amerikanischen Verbündeten bzw. Rivalen als auch gegen seinen sowjetischen Feind. Die Pseudolinke, die loyal zu SPD/Grünen stand, marschierte in dieser nationalistischen „Bewegung“ im Gleichschritt mit. Im Gegensatz dazu erklärten Trotzkisten: Nieder mit der NATO! Verteidigt die Sowjetunion!

Als es 1989/90 zu einer beginnenden politischen Revolution in der DDR kam, war es einzig und allein unsere Partei, die sich ohne Wenn und Aber gegen die Anschlußpläne der westdeutschen Bourgeoisie stellte. Während die übrige Linke der SPD und deren imperialistischen Herren hinterhertrottete, warfen wir die Kräfte unserer gesamten Internationale in den Kampf, um die vergesellschafteten Grundlagen des ostdeutschen deformierten Arbeiterstaats zu verteidigen und das Proletariat ans Steuer der politischen Macht zu bringen. Im Verlauf dieses Kampfes, dem Proletariat eine revolutionäre, d.h. trotzkistische Führung zu geben, wurde die SpAD in einer Fusion zwischen der Trotzkistischen Liga Deutschlands (TLD) und den neugegründeten Spartakist-Gruppen geschmiedet.

Im Januar 1990, nachdem Faschisten im Treptower Park in Ostberlin das Ehrenmal für die im Kampf zur Zerschlagung von Hitlers Naziregime gefallenen sowjetischen Soldaten geschändet hatten, gaben wir einen Aufruf heraus: „Stoppt die Nazis durch Einheitsfrontaktion!“ Die herrschende stalinistische Partei, die unseren wachsenden Einfluß in der ostdeutschen Arbeiterklasse fürchtete, sah sich gezwungen, den Einheitsfrontaufruf aufzugreifen, und 250 000 kamen zum Protest nach Treptow. Auf dieser Massenkundgebung machten die Sprecher der TLD und der Spartakist-Gruppen die Verbindung klar zwischen dem Kampf gegen den Naziterror und der Notwendigkeit der proletarisch-politischen Revolution im Osten sowie der sozialistischen Revolution im Westen. Wir warnten im Aufruf zur Kundgebung, der aufsteigende Faschismus „würde erneut die ganze Menschheit bedrohen, sobald die ersten Krisen in einem wiedervereinigten Großdeutschland auftauchen.“ Der Kampagne für die Restauration des Kapitalismus, betrieben von der deutschen Bourgeoisie, ihrer SPD — dem „Trojanischen Pferd der Konterrevolution“ — und den DDR-Stalinisten, setzten wir den Aufruf zur revolutionären Wiedervereinigung Deutschlands entgegen: „Für ein rotes Rätedeutschland im Rahmen der Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa!“ Als ein Ausdruck unseres internationalistischen Programms gaben wir Literatur in der Sprache der sowjetischen Soldaten und der kubanischen, angolanischen, vietnamesischen und polnischen Arbeiter in der DDR heraus.

Wie wir gewarnt hatten, führte der kapitalistische Anschluß zu einem scharfen Anstieg des rassistischen und chauvinistischen Terrors. Als kurz danach die Aldi-Supermarktkette in Berlin ein skandalöses Verbot gegen polnische Kunden aussprach, antwortete die SpAD sofort mit einer Protestkette, von der sogar Gewerkschafter in Warschau hörten. Wir initiierten erneut eine Protestdemonstration, als der deutsche Staat eine Quote gegen jüdische Immigranten aus der Sowjetunion verhängte. Angesichts des wachsenden Terrors durch faschistische Skinheads kämpft die SpAD für Arbeiter/Immigrantenmobilisierungen, um die Nazis zu stoppen!

VS: Von der „Arabischen Revolution“ zum „Kollektivschuld“-Zionismus

In Deutschland gab eine „antinationale“ Truppe von ausgebrannten ehemaligen westdeutschen Stalinisten und Neuen Linken ein Buch heraus, Goldhagen und die deutsche Linke, das die These der „Kollektivschuld“ akzeptiert und das deutsche Proletariat als eine durchgehend reaktionäre Masse abschreibt. Vor ein paar Jahren ging die junge Welt, einst die Kreatur der stalinistischen DDR-Bürokratie, so weit, die Feuerbombardierung Dresdens im Zweiten Weltkrieg durch den britischen Imperialismus, bei der hunderttausend Zivilisten verbrannten, zu bejubeln.

Auch das VS begrüßte in einer Besprechung von Sascha Möbius (Inprekorr Nr. 302, Dezember 1996) Hitlers willige Vollstrecker. Bei Möbius wird anschaulich klar, wie weit diese Gruppe sich selbst von ihrem früheren Scheintrotzkismus entfernt hat: Er schloß sich dem Schwall von Lobpreisungen über Goldhagens Glauben an die „profund demokratische Gesinnung“ der heutigen deutschen Gesellschaft an. Möbius verleiht dem puren Zionismus Goldhagens einen „klassenmäßigen“ Anstrich, denn er argumentiert, daß die Nazis gesiegt hätten, weil die SPD und — mehr noch — die KPD die „frontale Auseinandersetzung“ mit der „NS-Ideologie“ des Antisemitismus versäumt hätten — als ob der Kampf gegen den Faschismus einfach eine Auseinandersetzung über Ideen wäre!

Der Sieg der politischen Konterrevolution in der Sowjetunion 1923/24 verschaffte dem Antisemitismus erneut Auftrieb im Heimatland der Oktoberrevolution, als die stalinistische Bürokratie bei ihrem Feldzug zur Zerschlagung der trotzkistischen Linken Opposition diese abscheuliche Hetze einsetzte. Trotzki verglich manchmal das politische Regime Stalins mit dem von Hitler, aber er hob deren entgegengesetzten Klassencharakter hervor — letzteres basierte auf dem kapitalistischen Imperialismus, ersteres stützte sich in parasitärer Weise auf die vergesellschafteten Eigentumsformen, die aus der Oktoberrevolution hervorgegangen waren. Trotzkisten riefen zur bedingungslosen militärischen Verteidigung des sowjetischen degenerierten Arbeiterstaates gegen kapitalistische Angriffe und innere Konterrevolution auf und kämpften gleichzeitig für eine proletarisch-politische Revolution zum Sturz der stalinistischen Bürokratie.

Das wirkliche Feuer des VS richtet sich aber nicht gegen die Reformisten und Stalinisten, sondern gegen Marx, Lenin und Trotzki. Möbius prangert die deutschen Trotzkisten an, sie hätten sich angeblich geweigert, Hitlers „judenfeindliche Propaganda“ ernst zu nehmen. Er tut die marxistische Analyse der jüdischen Frage durch den frühen Kautsky als „oberflächliche und oft unsensible“ ab und setzt dem die „tauglicheren Analysen eines Vladimir Medem vom [jüdisch-separatistischen] ,Bund‘“ entgegen.

In späteren Artikeln greift Möbius auch Marx’ bahnbrechenden Artikel von 1844, „Zur Judenfrage“, die Grundlage für die spätere Arbeit von Abraham Léon, wegen seiner angeblichen „antijüdischen/antisemitischen Stereotypen“ an (Inprekorr Nr. 304, Februar 1997). Diese abgedroschene antimarxistische Verleumdung ist eine Lieblingsmasche von Zionisten und Liberalen, die in Hysterie verfallen über die Sprache von Marx in seiner materialistischen Darstellung, wie die jüdische Bevölkerung des Mittelalters im Handelskapital verankert ist. Möbius vertritt auch eine explizit bundistische Linie, wenn er das „Fehlen einer nationalen und sozialen jüdischen Emanzipationsbewegung“ bedauert, die in Deutschland vor dem Ersten Weltkrieg den Antisemitismus hätte bekämpfen können (Inprekorr Nr. 305, März 1997). In den 70er Jahren lief das VS dem Mythos einer bürgerlichen „Arabischen Revolution“ hinterher, die vor Antisemitismus strotzte; inzwischen kapitulieren sie vor dem „linken“ Zionismus und dem gegen die Palästinenser gerichteten „Friedensprozeß“. Jetzt beziehen sie offen Seite für den menschewistischen Bund und sein separatistisches Projekt der „kulturellen Autonomie“ gegen den bolschewistischen Internationalismus.

Es war Lenins Programm des revolutionären Internationalismus, verwirklicht in der Oktoberrevolution, das den zutiefst verfolgten und unterdrückten Juden im zaristischen „Völkergefängnis“ die Tore zur Freiheit aufstieß. Der Bund stellte sich gegen dieses Programm und wurde daher in Rußland schon einige Jahre nach der Revolution zu einer leeren Hülle, da seine Arbeiterbasis in Scharen zu den Bolschewiki strömte.

Möbius’ Position ist reaktionär, wenn man sie auf das Deutschland vor der Nazizeit anwendet. Bevor die Nazis ihre Völkermordpläne in die Tat umsetzen konnten, mußten sie die deutschen Juden zuerst stigmatisieren und isolieren — genau deshalb, weil diese so assimiliert waren. Noch 1939, vier Jahre nach den Nürnberger Gesetzen, die den Kontakt zwischen den „Rassen“ verboten, waren zehn Prozent der Juden mit Nichtjuden verheiratet. Sogar noch nach der Fabrikaktion im Februar 1943, wo endgültig alle Juden aus Berlin abtransportiert werden sollten, demonstrierten deutsche Frauen, die mit jüdischen Männern verheiratet waren, in der Rosenstraße in der Reichshauptstadt und forderten erfolgreich die Freilassung ihrer Ehemänner, die festgehalten wurden. In Versteckt (1983), der Geschichte Hunderter Juden, die bis zum Kriegsende in deutschen Wohnungen Zuflucht fanden, bemerkt Leonard Gross, wie sehr Hitler das kosmopolitische, liberale Berlin als „ein Sündenbabel“ verabscheute.

Sogar inmitten des Grauens des Zwangsarbeitersystems der Nazis gab es noch Spuren des Internationalismus. In seinen Memoiren The Holocaust Kingdom [Das Königreich des Holocaust] (1965) erinnert sich Alexander Donat, ein Teilnehmer am Warschauer Ghettoaufstand 1943, der zuerst in ein polnisches Konzentrationslager und dann zur Zwangsarbeit in einen deutschen Steinbruch geschickt wurde, an einen Vorfall, der ihm half, die Stärke zum Überleben zu finden:

„Eines Tages, als ich alleine im Steinbruch grub, kam ein deutscher Zivilist vorbei, hielt an und blieb etwa 100 Meter entfernt von mir stehen. Plötzlich begann er inmitten der unnatürlichen Stille die ersten Takte der ,Internationale‘ zu pfeifen. ,Wacht auf, Verdammte dieser Erde, die stets man noch zum Hungern zwingt...‘ Ich war so beeindruckt von diesem Lied der internationalen Solidarität in dieser haßerfüllten Grube, daß ich, als er aufhörte, den zweiten Vers pfiff. Als ich stoppte, nahm er den dritten Vers auf, und so ging unser gepfiffener Dialog weiter, bis die Hymne zu Ende war.“

„Einheitsfront“ über alles?

Die verschiedenen linken Gruppen, die gelegentlich ein Lippenbekenntnis zum Trotzkismus abgeben, stehen nicht in der Tradition von Trotzkis Linker Opposition, sondern von Brandlers und Bucharins Rechter Opposition. Für sie war die Einheitsfront das A und O des Kampfes gegen den Faschismus in Deutschland — und dazu noch auf der parlamentarischen Ebene. In einer Besprechung von Goldhagens Buch sinkt die RSB-Zeitung Avanti (Dezember 1996) zu neuen Tiefen dieses sozialdemokratischen parlamentarischen Kretinismus hinab. So schreibt Nick Brauns: „Eine kämpfende Einheitsfront der Arbeiterparteien hätte nicht nur die Faschisten auf der Straße stoppen können, sondern auch eine Vielzahl von Wählern der Rechten durch ihre Stärke überzeugt und gewonnen.“ Für den RSB ging es nicht um die proletarische Revolution, sondern um einen Kampf, Wähler von den Nazis zu gewinnen!

In einer Polemik gegen die SAP, eine weit linkere zentristische Vorläuferin des RSB, bestand Trotzki darauf: „Jedenfalls kann die Einheitsfrontpolitik nicht einer revolutionären Partei als Programm dienen.“ Trotzki betonte immer, daß die Taktik der Einheitsfront, obwohl dringend nötig, ein integraler und untergeordneter Bestandteil eines revolutionären Programms für die proletarische Staatsmacht ist: „Durch Einheitsfront zu den Sowjets als höchsten Organen der Einheitsfront“. Dies war der Kernpunkt von Trotzkis „Was nun?“ und all seinen Schriften in dieser Periode.

Der Kampf gegen den Faschismus ist untrennbar mit dem Kampf für die proletarische Revolution verbunden. Jede andere Perspektive reduziert sich auf einen Versuch, die „demokratische“ Bourgeoisie unter Druck zu setzen — sei es durch offene Appelle an eine klassenkollaborationistische „Volksfront“ oder indem man auf die rassistischen SPD-Leutnants des deutschen Imperialismus baut oder selbst durch den wagemutigen „Straßenkampf“ der anarchoiden Autonomen, die sich, wie heroisch sie auch in Einzelfällen sein mögen, doch auf die „Neutralität“ des bürgerlichen Staates und seiner Polizei verlassen.

Nick Brauns „widerlegt“ Goldhagens Gleichsetzung „ganz gewöhnlicher Deutscher“ mit den Bullen des Dritten Reichs, indem er ein durch und durch liberales Argument präsentiert: „Nicht nur ,ganz normale Deutsche‘, sondern ganz normale Menschen waren und sind es, die, auf Töten und Foltern gedrillt, als Soldaten und Polizisten Massenmorde und Genocide ausführen.“ Gerade an solche „ganz normalen Deutschen“ appellierte Brauns selber, sie sollten sich an einer „Einheitsfront“ beteiligen, als im März 1997 5000 Faschisten im SPD-regierten München ungehindert durch die Straßen marschierten. In weiter Entfernung von dem Ort, an dem sich die Nazis zusammenrotteten, drängte Brauns die „Damen und Herren Polizisten“, daran zu denken, daß einer von ihnen kurz zuvor von einem Nazi getötet worden war, und drückte sein Bedauern darüber aus, daß „Staat und Polizei uns nicht schützen können und wollen“ (siehe Spartakist Nr. 128, Juni/Juli 1997).

Selbsternannte „Marxisten“, die den Staat ersuchen, die Faschisten zu verbieten, oder die auf die SPD Druck ausüben wollen, dies zu tun, schüren gleichermaßen die Illusion, daß der kapitalistische Staat dazu gebracht werden könne, im Interesse der Unterdrückten zu handeln. Deutschlands Verfassung enthält bereits ein Verbot von Naziorganisationen und -symbolen: Wie kommt es also, daß in diesem Land heute die bedrohlichste faschistische Bewegung ganz Europas existiert? Gleichzeitig ist die Bundeswehr auf jeder Ebene von Nazis durchsetzt, und von Rostock bis München arbeiten Bullen und Gerichte entweder mit den rassistischen Naziterroristen zusammen oder schützen sie vor Anti-Nazi-Demonstranten.

Zwar greift der RSB Goldhagens Lobeshymne auf die heutige deutsche „Demokratie“ an, aber seine Weigerung, auf die Rolle der SPD als eine Hauptstütze des Vierten Reichs hinzuweisen, ist augenfällig. Ähnlich behauptet Brauns, daß Anfang der 30er Jahre „die SPD-Führung rechte Politiker wie Reichspräsident Hindenburg als ,kleineres Übel‘ unterstützte, der schließlich Hitler an die Regierung ließ.“ Aber die SPD tat mehr, als den reaktionären Hindenburg zu unterstützen. Wie Trotzki über die sozialdemokratischen Führer schrieb: „Die Tausende von Noskes, Wels und Hilferdings ziehen letzten Endes den Faschismus dem Kommunismus vor“ („Wie wird der Nationalsozialismus geschlagen?“, Dezember 1931). Sogar als schon viele ihrer eigenen Genossen in Nazikerkern saßen, drängten die SPD-Führer die Arbeiter, am 1. Mai 1933 in Hitlers Parade zum „Tag der nationalen Arbeit“ zu marschieren. Später im gleichen Monat stimmte die SPD-Reichstagsfraktion — ohne eine einzige Gegenstimme — für Hitlers außenpolitische Erklärung.

Angesichts des Rassismus der SPD und ihrer Angriffe auf die Arbeiterklasse bezeichnet der RSB die SPD heute als „bürgerliche Partei“ („Unsere Kritik der Erfurter Erklärung“, Avanti, April 1998). Mit einem Federstrich versuchen sie so, den Widerspruch zwischen dem kapitalistischen Programm der SPD und deren Arbeitermassenbasis wegzuwischen. Aber, wie das bei Zentristen so ist, ändert dies nichts an ihrer praktischen Politik, der SPD hinterherzulaufen. Die PDS, die aus Überresten der ehemaligen ostdeutschen herrschenden stalinistischen Partei besteht, die die DDR an den westdeutschen Imperialismus ausverkaufte, wird als Alternative auf der Wahlebene dargestellt. Nick Brauns hat kürzlich sogar seine Zelte beim RSB abgebrochen und ist zur PDS übergewechselt. Die PDS ist nichts weiter als eine SPD der zweiten Mobilisierung, die einen „Ossi“-Nationalismus anheizt, der genauso giftig ist wie der vorherrschende Chauvinismus der SPD. In den letzten Jahren hatten führende PDS-Sprecher sogar freundliche Treffen mit offenen Faschisten. Zu diesen PDS-Führern gehört Christine Ostrowski, die den immigrantenfeindlichen Rassismus der Nazis feilbietet, wenn sie in Neues Deutschland (30. April) gegen „die ausländischen Kollegen“ wettert, die „auch illegal“ arbeiten, während „jeder dritte Bauarbeiter im Osten“ arbeitslos ist. Gleichzeitig zitiert ein Bericht über Nazis in der Zeit (23. April) einen Faschisten, der mit Kontakten zur Kommunistischen Plattform prahlt, dem selbsternannten „linken Flügel“ der PDS: „Die sind auch gegen das Großkapital“.

Die Verteidigung der Arbeiter und Minderheiten in Deutschland kann nur vorangebracht werden durch einen unnachgiebigen politischen Kampf gegen die Sozialdemokratie — gegen SPD und PDS. Im Kampf, eine wirklich bolschewistische Partei aufzubauen, muß die SPD (eine Partei vom Typus, den Lenin als „bürgerliche Arbeiterpartei“ bezeichnete) gespalten und ihre Arbeitermassenbasis zum Programm der proletarischen Revolution gewonnen werden. Bei dieser Aufgabe können die zahlreichen Arbeiter türkischer und kurdischer Herkunft, die der deutschen bürgerlichen Gesellschaft durch schreckliche rassistische Unterdrückung zwangsweise entfremdet werden, ein strategischer Hebel sein. Aber das heißt, sich an diese Arbeiter auf der Basis des proletarischen Internationalismus zu wenden und nicht vor nationalistischen und bundistischen Vorurteilen zu kapitulieren, wie es der Großteil der Linken tut.

Diejenigen, die versuchen, die SPD zum „Kämpfen“ zu drängen, zeigen dadurch ihre eigene Unterstützung der rassistischen bürgerlichen Ordnung. „Der verfaulteste Teil des faulenden kapitalistischen Europa ist die sozialdemokratische Bürokratie“, wie Trotzki 1932 schrieb:

„Die Sozialdemokratie unterstützte den Krieg im Namen künftiger Prosperität. Statt Prosperität kam Verfall. Jetzt bestand die Aufgabe nicht mehr darin, aus der Unzulänglichkeit des Kapitalismus die Notwendigkeit der Revolution zu folgern, auch nicht darin, durch Reformen die Arbeiter mit dem Kapitalismus auszusöhnen. Die neue Politik der Sozialdemokratie bestand darin, die bürgerliche Gesellschaft um den Preis des Verzichts auf Reformen zu retten.

Aber auch das war nicht die letzte Stufe der Entartung. Die gegenwärtige Krise des sterbenden Kapitalismus zwang die Sozialdemokratie, auf die Früchte des langen wirtschaftlichen und politischen Kampfes zu verzichten und die deutschen Arbeiter auf das Lebensniveau ihrer Väter, Großväter und Urgroßväter hinabzuführen.“

Dies ist heute die Rolle der SPD, die sich darauf vorbereitet, für den deutschen Imperialismus die Zügel der Regierung in die Hand zu nehmen.

Tatsächlich verwalten heute in einem westeuropäischen Land nach dem anderen sozialdemokratische Parteien den Kapitalismus — entweder im eigenen Namen oder in Volksfrontkoalitionen mit bürgerlichen Parteien —, und zwar noch nicht einmal, um Scheinreformen einzuführen, sondern um „Kahlschlagpolitik“ und rassistische Unterdrückung durchzudrücken. Zur Zeit vertraut die deutsche Bourgeoisie mit Zuversicht darauf, daß die SPD-Leutnants des Kapitals die Arbeiterbewegung unter Kontrolle halten. Doch für die herrschende Klasse, die bereits einmal auf den Faschismus gesetzt hat, ist die heutige Nazibewegung der Kern einer faschistischen Armee, die in Reserve gehalten wird. Diejenigen, die heute die Bourgeoisie von ihrer Verantwortung für die Nazis in den 30er Jahren freisprechen, entwaffnen die Arbeiter und Unterdrückten gegenüber einem System, das sich wieder dem Faschismus zuwenden wird, wenn es dies für nötig hält. „Die ,Volksfront‘ auf der einen Seite — der Faschismus auf der anderen: dies sind die letzten politischen Hilfsmittel des Imperialismus im Kampf gegen die proletarische Revolution“, schrieb Trotzki im Übergangsprogramm von 1938, dem Gründungsdokument der Vierten Internationale.

Seit die Oktoberrevolution endgültig zunichte gemacht wurde, ähnelt die internationale politische Situation allmählich immer mehr dem Vorabend des Ersten Weltkriegs. Der Weltkapitalismus steht heute vor einer drohenden neuen und potentiell viel verheerenderen Krise. Der deutsche Imperialismus bewaffnet sich erneut, die Großmächte kämpfen um die Kontrolle über Märkte und Ausbeutungssphären: Wir sind wieder konfrontiert mit interimperialistischen Kriegen und einem neuen und möglicherweise letzten Holocaust, einem atomaren Armageddon. Die Rettung der Menschheit und die Verwirklichung einer klassenlosen, egalitären, kommunistischen Gesellschaft erfordern, rechtzeitig Trotzkis Vierte Internationale wiederzuschmieden und neue Oktoberrevolutionen auf der ganzen Welt zum Sieg zu führen.

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